L 6 U 4635/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 87/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4635/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. August 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung des Ereignisses vom 22.10.2000 als Arbeitsunfall.

Der 1960 geborene Kläger war als Messdiener beim Evangelischen Pfarramt in H. beschäftigt. Am 22.10.2000 musste er beim Abschiedsfest für Pfarrer J. u. a. bei der Bewirtung der Gäste mithelfen. Das Abschiedsfest fand in der Universitäts-Kopf-Klinik in H. statt. Gegen 21:45 Uhr stürzte der Kläger und zog sich dabei eine Humeruskopf-Mehrfragmentfraktur rechts zu. Zum Unfallhergang wurde im Durchgangsarztbericht vom 23.10.2000 mitgeteilt, dass der Kläger bei einer Abschiedsveranstaltung einen Grand-mal-Anfall erlitten habe und auf die rechte Schulter gestürzt sei. Unter der Rubrik "Vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen, die für die Beurteilung des Versicherungsfalls von Bedeutung sein können" hieß es: "Grand-mal-Anfall bei bekannter C2-Alkoholerkrankung (laut Angaben des Patienten trinkt er seit dem 03.08.2000 keinen Alkohol mehr)".

Mit Bescheid vom 22.03.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 22.10.2000 ab. Bei dem Grand-mal-Anfall habe es sich um eine innere Ursache gehandelt. Eine besondere Betriebsgefahr, die zur Entstehung, Art und Schwere der Verletzung beigetragen habe, habe nicht vorgelegen. Der für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erforderliche Unfallbegriff sei somit nicht gegeben.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er sei anlässlich einer versicherten Tätigkeit gestürzt, weshalb es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Ob er tatsächlich einen Grand-mal-Anfall erlitten habe, sei bis heute nicht geklärt. Unter dem 29.08.2001 ergänzte die Beklagte die Begründung ihres ablehnenden Bescheides vom 22.03.2001. Sie ging davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls als Messdiener beschäftigt und somit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII versichert gewesen sei. Dies allein reiche jedoch für die Annahme eines Versicherungsfalles nicht aus, da der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Unfall fehle. Ein Unfall liege eindeutig vor, Ursache sei jedoch nicht die versicherte Tätigkeit, sondern der Grand-mal-Anfall und damit eine innere Ursache gewesen. Eine besondere Betriebsgefahr habe bei der Entstehung der Verletzung nicht mitgewirkt, weshalb kein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Da der Kläger seinen Widerspruch aufrecht erhielt, wies ihn die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2001 zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 11.01.2002 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG). Er sei gerade dabei gewesen, Essen und Getränke für die Teilnehmer der Abschiedsveranstaltung an einem Büffet zu richten, als er aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen bewusstlos geworden und zu Boden gestürzt sei. Bis heute sei nicht nachgewiesen, dass er tatsächlich einen Grand-mal-Anfall erlitten habe. Weder vor dem fraglichen Ereignis noch danach habe er jemals einen solchen Anfall erlitten. Im Übrigen sei der Sturz durch die Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit erst ermöglicht worden, denn zum Unfallzeitpunkt habe er unter erheblichem Stress gestanden, da er Speisen und Getränke für zahlreiche Personen habe herrichten müssen. Durch andere alltägliche Ereignisse wäre er sicherlich nicht einer solchen Stresssituation ausgesetzt gewesen. Entscheidend sei jedoch, dass die Verletzung durch den Aufprall auf den Boden während einer versicherten Tätigkeit eingetreten sei.

Das SG zog von der Neurologischen Universitätsklinik H. die Untersuchungsberichte vom 22.10.2000 und 24.10.2000 bei, holte von der Neurologin und Psychiaterin Dr. F. die sachverständige Zeugenauskunft vom 10.05.2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 13.09.2002 ein und befragte schriftlich als Zeugen die Pfarrerin E. K. (Auskunft vom 22.10.2002), die Schwester des Klägers, Frau G. L. (Auskunft vom 28.10.2002) und Pfarrer J. (Auskunft vom 14.12.2002). Im Untersuchungsbericht der Neurologischen Klinik vom 22.10.2000 wurde in der Anamnese aufgeführt, dass der Kläger während der Verabschiedungsfeier des Krankenhauspfarrers den ersten Grand-mal-Anfall erlitten habe, den er typisch geschildert habe: Starrer Blick, habe sich gedreht, dann zuckend zu Boden gefallen, Dauer ca. 2 Minuten. An Befunden wurde u. a. ein angedeuteter Zungenbiss rechts lateral beschrieben, Einnässen habe nicht stattgefunden. Im Untersuchungsbericht vom 24.10.2000 wurde als Diagnose u. a. "Verdacht auf Gelegenheitsanfall" genannt. Im EEG habe sich ein normaler Befund gezeigt. Dr. F. teilte mit, dass sie selbst den Kläger erstmals am 27.11.2001 behandelt habe. Im Januar/Februar 2002 sei der Kläger stationär zur Alkoholentgiftung gewesen, am 03.02.2002 habe er dann einen fokal eingeleiteten epileptischen Anfall erlitten. Nach seinen Angaben habe er einen ersten Anfall bereits am 22.10.2000 wegen der Einnahme des Medikamentes Amantadinsulfat erlitten. Wegen des Grand-mal-Anfalles vom Oktober 2000 habe sich der Kläger am 30.11.2000 bei ihrem Praxisvorgänger Dr. H. vorgestellt. Bei dem anlässlich dieser Vorstellung gefertigten EEG habe sich ein unauffälliger Befund gezeigt, wie auch bei dem EEG vom 24.10.2000. Die Zeugin K. gab u. a. an, dass sie als Sturzursache sofort einen epileptischen Anfall vermutet habe. Sie erinnere sich daran, dass sie versucht habe, den Kopf des Klägers während des Anfalls zu schützen und sich gleichzeitig bemüht habe, seine Schwester davon abzubringen, den Körper festzuhalten um die Zuckungen ruhig zu stellen. Die Zeugin L. gab u. a. an, dass der Kläger auf den glatten Boden gefallen sei. Es seien keine Gegenstände im Weg gewesen. Pfarrer J. konnte weder zum Sturz selbst noch zu seiner Ursache Angaben machen. Bei dem Empfang sei seine Aufmerksamkeit durch viele Gespräche gebunden gewesen. Er habe lediglich bemerkt, dass Herr L. gestürzt sei, mehr nicht.

Mit Urteil vom 28.08.2003 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten, da der Sturz durch eine innere Ursache herbeigeführt worden sei. Der Kläger habe gegenüber den Ärzten den typischen Ablauf eines Grand-mal-Anfalls geschildert, auch der erhobene klinische Befund sei eindeutig als erster Grand-mal-Anfall interpretiert worden. Eine andere Ursache für den Sturz sei nicht festzustellen, so dass allein wesentliche Ursache für den Sturz und die daraus resultierende Verletzung der Krampfanfall gewesen sei. Betriebliche Umstände hätten weder an der Art noch der Schwere der Verletzung wesentlich mitgewirkt, da der Kläger auf glatten Boden gestürzt sei, von dem keine besondere Betriebsgefahr ausgegangen sei.

Gegen das ihm am 03.11.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.11.2003 Berufung eingelegt.

Er ist der Auffassung, dass das SG zu Unrecht einen Grand-mal-Anfall als Ursache des Sturzes als nachgewiesen angesehen habe, obwohl ein zwei Tage später erstelltes EEG einen Normalbefund ergeben habe. Er könne auch eine sog. orthostatische Dysregulation erlitten haben, die durch den Stress während der Abschiedsveranstaltung verursacht worden sei. Er sei jedenfalls der Auffassung, dass der Stress, dem er während der Abschiedsveranstaltung ausgesetzt gewesen sei, die Ohnmacht verursacht und damit den Sturz herbeigeführt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.08.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2001 mit der Ergänzung vom 29.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 22.10.2000 Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Zwar hat der Kläger die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen des Unfalls vom 22.10.1996 beantragt. Eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wollte er damit aber ersichtlich nicht erheben; denn er hat keine konkreten Leistungsansprüche geltend gemacht und für den Erlass eines allgemein auf "Entschädigung" gerichteten Grundurteils bietet das Gesetz keine Handhabe. Die Möglichkeit der Entscheidung durch Grundurteil ist nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Fälle beschränkt, in denen der Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehende Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Geht es zunächst nur um die Frage, ob ein bestimmter Unfall ein Arbeitsunfall ist sowie um die Feststellung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach, steht im Entscheidungszeitpunkt nicht fest, welche der in Frage kommenden Leistungen (Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente u. a.) im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie ggf. zu erbringen sind. Auch handelt es sich nur teilweise um Geldleistungen und im Übrigen um Sachleistungen, die einer Zuerkennung durch Grundurteil von vornherein nicht zugänglich sind (vgl. BSG SozR 1500 § 130 Nr. 2; Pawlak in: Hennig, Kommentar zum SGG, Stand Februar 2004, § 130 RdNr. 34 ff; anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr. 133 S. 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr. 2 S 3). Angesichts dessen kann das Begehren des Klägers unbeschadet der Fassung des Antrags nicht als Leistungsklage aufgefasst werden. Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hatte, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, wollte er mit der Klage zunächst nur die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall erreichen, um darauf aufbauend später Leistungen beanspruchen zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann der Versicherte in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Berufskrankheit, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit bestritten wird (BSG Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 21/03 R -, BSG SozR 2200 § 551 Nr. 35). Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (§ 123 SGG) erhoben und allein hierüber hat der Senat zu entscheiden. Dem weiter formulierten Antrag, Entschädigungsleistungen zu gewähren, kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. zum Ganzen BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat am 22.10.2000 keinen Arbeitsunfall erlitten.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). § 8 Abs. 1 SGB VII definiert den Arbeitsunfall in Anlehnung an das bisher geltende Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die zu § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ergangene Rechtsprechung und dazu erschienene Literatur kann daher für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeitsunfällen nach den Vorschriften des SGB VII grundsätzlich weiter herangezogen werden. (BSG SozR 3-2700 § 8 Nrn. 1, 2, 3, 6, 9).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können, d. h., dass die insoweit erheblichen Tatsachen in so hohem Grade wahrscheinlich sein müssen, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis als erbracht angesehen werden kann (BSGE 58, 80, 83). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 6/02 R mwN).

Zwar ist der Kläger zum Zeitpunkt des Sturzes einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen, da er im Rahmen seiner Tätigkeit als Messdiener für die Ev. Kirchengemeinde bei der Abschiedsfeier für Pfarrer J. mitgeholfen hat.

Damit steht jedoch noch nicht fest, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hat. Denn ein solcher liegt nur vor, wenn die versicherte Tätigkeit nach der im Unfallrecht gültigen Kausallehre von der wesentlichen Bedingung wesentliche Ursache für den Unfall war. Diese kausale Verknüpfung (die sog. haftungsbegründende Kausalität) muss nicht sicher feststehen, vielmehr sind insoweit geringere Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellen, weil die hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Ursachenzusammenhang genügt. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlicher Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN).

Die versicherte Tätigkeit ist dann nicht kausal für den Unfall, wenn dieser wesentlich durch eine sog. innere Ursache verursacht worden ist und diese zwangsläufig zu dem eingetretenen Unfallverlauf (Art und Schwere des Unfalls) geführt hat (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 75 und 81).

Die bloße - auch gute - Möglichkeit eines Sturzes aus innerer Ursache ohne Mitwirkung betrieblicher Umstände bei Art und/oder Schwere der Verletzungen schließt allerdings das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht aus. Hierzu bedarf es vielmehr der wertenden Gegenüberstellung der in Betracht kommenden inneren Ursachen mit den betriebsbedingten Ursachen. Nur wenn die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass die innere Ursache die allein wesentliche Bedingung des Unfalls gewesen ist, scheidet die Annahme eines Arbeitsunfalls aus. Damit körpereigene bzw. innere Ursachen bei der Abwägung mit anderen -betriebsbedingten - Ursachen berücksichtigt werden können, müssen sie allerdings - im Vollbeweis - nachgewiesen sein. Kann eine innere Ursache nicht sicher festgestellt werden, stellt sich nicht einmal die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn in Betracht zu ziehen ist (vgl. BSGE 61, 127; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.14).

Im vorliegenden Fall ist der Senat aufgrund der Angaben des Klägers, die im DAB vom 23.10.2000 wiedergegeben sind, aufgrund der Beschreibung der Zeugin K. und aufgrund der Untersuchungsberichte der Neurologischen Klinik H. davon überzeugt, dass der Sturz des Klägers am 22.10.2000 durch einen Grand-mal-Anfall verursacht worden ist, der im Rahmen der vom Kläger seit 03.08.2000 geübten Alkoholkarenz oder, wie er später laut Dr. F. angegeben hat, nach der Einnahme des Medikamentes Amantadinsulfat aufgetreten ist. Ein Gelegenheitsanfall, wie er beim Kläger anzunehmen ist, da keine chronische Epilepsie vorliegt, kann z. B. durch Fieber, übermäßigen Kaffe-, Nikotin- Alkoholgenuss oder ein beginnendes Alkohol-Entzugs-Delir, Schlafentzug, Pharmaka, exzessive körperliche Anstrengung und Hitzestauung ausgelöst werden (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 280). Dass der Kläger während der stationären Alkoholentgiftung im Januar/Februar 2002 einen weiteren Anfall erlitten hat, spricht für die im DAB vermutete Ursache der Alkoholkarenz. Hinweise dafür, dass der Kläger bei der Abschiedsveranstaltung im Oktober 2000 einer exzessiven körperlichen Belastung ausgesetzt war oder ein Hitzestau vorgelegen hat, gibt es nicht. Der vom Kläger angeführte extreme Stress wegen der Teilnahme vieler Personen ist als Auslöser nicht nachvollziehbar, da eine schwere körperliche Belastung nicht vorgelegen hat und im Hinblick auf den Zeitpunkt des Unfalls (ca. 21.45 Uhr) und die Angaben der Zeugin K., dass nach ihrer Erinnerung zum Zeitpunkt des Sturzes das Fest, auch das zwanglose Beisammensein nach dem offiziellen Teil, schon dem Ende nahe war, die Stresssituation, so sie denn vorher tatsächlich bestanden haben sollte, nicht mehr gravierend war. Hinweise für eine orthostatische Dysregulation gibt es nicht. Abgesehen davon würde sich auch in diesem Fall die Frage stellen, ob die innere Ursache oder die betriebliche Tätigkeit wesentliche Unfallursache waren.

Neben dem Grand-mal-Anfall hat keine betriebliche Ursache an dem Sturz mitgewirkt. Ein Stolpern oder Ausrutschen als Ursache für den Sturz hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet, entsprechendes lässt sich auch den Angaben der schriftlich gehörten Zeugen nicht entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass betriebliche Einrichtungen oder Gefahren wesentlich zu Art und Schwere der Verletzung beigetragen hätten. Der Kläger ist auf den Klinikboden gefallen, der nicht gefährlicher ist als jeder andere Boden. Nach den Angaben der Zeugin L. ist er nicht auf einen Stuhl gefallen oder gegen einen Tisch gestoßen, so dass der Sturz auf den Boden und die dabei erlittene Schulterverletzung zwangläufige Folge des Grand-mal-Anfalls und des damit verbundenen Bewusstseinsverlustes waren.

Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, einen Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Berufung des Klägers konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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