L 18 V 4/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 V 9/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 4/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a V 21/06 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung einer Schwerhörigkeit beiderseits als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1924 geborene Kläger beantragte erstmals am 20.09.1985 Versorgung nach dem BVG. Der Beklagte holte Auskünfte der Deutschen Dienststelle Berlin (Wehrmachts-Auskunftsstelle) vom 17.02.1986, des Krankenbuchlagers Berlin vom 26.06.1986 und einen Befundbericht des behandelnden Internisten Dr.M. vom 26.02.1986 (es bestehe eine zunehmende Schwerhörigkeit links) sowie versorgungsärztliche Gutachten auf dem orthopädischen Gebiet vom 16.12.1986 und HNO-ärztlichen Gebiet vom 16.12.1986 ein. Mit Bescheid vom 26.05.1987 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 20.05.1988 stellte der Beklagte als Schädigungsfolgen fest: Narben nach Splitterverletzung am Gesäß, rechten Ober- und Unterschenkel, kleine Metallsplitter im Bauchraum rechts. Durch diese Gesundheitsstörungen werde die Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Die Schwerhörigkeit beiderseits bei trockener Perforation links könne nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden. Der Widerspruch blieb im Übrigen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.06.1988). Die Art der Durchlöcherung des Trommelfells könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf schädigende Ereignisse (Detonation einer Panzergranate am 27.06.1944) im Sinne des BVG zurückgeführt werden.

Im nachfolgend beim Sozialgericht (SG) Nürnberg geführten Klageverfahren erstattete der Orthopäde Dr.E. das Gutachten vom 03.04.1989. Als Schädigungsfolgen stellte er fest: Reizlose Narben nach Splitterverletzung im Bereich des Gesäßes, des rechten Ober- und Unterschenkels, Metallsplittereinschluss im Bauchraum rechts und Narben nach Splitterverletzung im Bereich des linken Schultergelenkes. Die schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit unter 10 vH zu bewerten. Das SG holte weiter ein Gutachten des HNO-Arztes Prof.Dr.T. vom 08.08.1989 ein. Dieser stellte fest, dass der Kläger unter einer Taubheit des linken Ohres, geringen Innenohrhörstörungen rechts und objektivierbaren Schwindelbeschwerden leide. Diese Gesundheitsstörungen stünden nicht mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit schädigenden Ereignissen des Wehrdienstes. Vielmehr spreche eine beim Kläger bestehende Pneumatisierungshemmung insbesondere des geschädigten linken Ohrs für eine anlagebedingte, gewissermaßen frühkindlich angelegte Besonderheit. Brückensymptome lägen nicht vor. Der auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde Prof.Dr.H. führte aus, dass die in den Vorgutachten beschriebenen Metallsplitter im Bauchraum rechts sowohl in den selbst durchgeführten Röntgenaufnahmen als auch in Fremdaufnahmen (Ausnahme: Röntgenbefund vom 16.12.1986) nicht sicher nachgewiesen werden konnten (Gutachten vom 13.06.1990). Als Schädigungsfolgen stellte Prof.Dr.H. fest: Reizlose Narben nach Splitterverletzung im Bereich des Gesäßes, des rechten Ober- und Unterschenkels, der linken Schulter und des Schädels.

Mit Urteil vom 18.10.1990 verpflichtete das SG den Beklagten, beim Kläger als Schädigungen nach dem BVG im Sinne der Entstehung anzuerkennen: Narben nach Splitterverletzung am Gesäß, rechten Ober- und Unterschenkel, im Bereich des linken Schultergelenkes, des Schädels und kleine Metallsplitter im Bauchraum rechts. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Nach den eingeholten Gutachten sei die beim Kläger bestehende Schwerhörigkeit nicht auf Kriegsereignisse zurückzuführen. Ein schädigungsbedingter Gehörschaden sei in den Unterlagen der Deutschen Dienststelle nicht vermerkt, obwohl dort die Verwundungen vom 27.06.1944 (leicht verwundet, Granatsplitter Gesäß) und vom 21.02.1945 (leicht verwundet, Bombensplitter, rechter Ober- und Unterschenkel) beschrieben seien. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der früheren Kameraden F. G. und L. H. vom 12.11.1987 führten zu keiner anderen Beurteilung. Sie bestätigten lediglich die nicht strittige Tatsache der Verwundung. Sie täuschten sich aber in der Bewertung ihres Ausmaßes. Die von ihnen getroffene, lediglich allgemein gehaltene Feststellung, der Kläger habe am 24.01.1945 schlechter bzw deutlich schlechter gehört als vorher, vermöge die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Taubheit links und dem Ereignis vom 27.06.1944 nicht zu begründen, zumal der Kläger anlässlich der versorgungsärztlichen Untersuchung am 16.12.1986 angegeben habe, dass er nach dem Krieg mit dem Gehör keine Beschwerden gehabt und erst vor zwei Jahren einen Ohrenarzt aufgesucht habe.

Der Beklagte führte das Urteil vom 18.10.1990 mit Bescheid vom 04.01.1991 aus.

Mit der Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) machte der Kläger weiterhin einen Hörschaden ("Taubheit links") als Schädigungsfolge geltend. Der Kläger bezog sich auf eine Bescheinigung des Internisten Dr.M. vom 09.08.1991. Dieser führte aus, dass sich der Kläger in seiner laufenden Behandlung wegen einer chronischen Otitis media links mit Hörverlust nach Kriegsverletzung befinde. Zuvor sei er wegen dieses Leidens bei Dr.S. , bei Dr.E. und beim Vater des Dr.M. in Behandlung gewesen. Nach einem Schreiben des HNO-Arztes Dr.N. vom 15.08.1991 ergebe sich aufgrund der Bescheinigung des Dr.M. , dass der Kläger jahrzehntelang wegen Ohrenbeschwerden in Behandlung gewesen sei. Wenn man davon ausgehe, dass das Ohr 15 Jahre lang geeitert habe, erkläre sich auch die Pneumatisationshemmung. Wäre diese frühkindlich, so wäre sie höchstwahrscheinlich doppelseitig. Bei einer Operation am 24.01.1989 habe Dr.N. eine Perforation verschlossen, die nicht ganz randständig gewesen sei und sich an typischer Stelle für eine traumatische Trommelfellperforation befunden habe. Auf Antrag des Klägers beauftragte das BayLSG den HNO-Arzt Dr.M. mit der Erstellung eines Gutachtens (Gutachten vom 03.06.1992 und ergänzende Stellungnahme vom 10.03.1993). Dieser stellte beim Kläger die folgenden Gesundheitsstörungen fest: Geringgradige Mittel- und Hochtonperceptionsschwerhörigkeit rechts (sog. Innenohrschwerhörigkeit), Taubheit links, Zustand nach enauraler Trockenlegung des linken Ohres, Nasenmuschelhyperplasie beiderseits, geringe Septumdeviation, bereits chronifizierte Rhinopharyngolaryngitis, geringgradige, zentral bedingte Gleichgewichtsstörungen. Dr.M. ging davon aus, dass der Kläger am 27.06.1944 in einem geschlossenen Raum eine Trommelfellzerreißung links mit konsekutiver Ertaubung des linken Ohrs erlitten habe. Die schädigende Explosionsdruckwelle müsse enorm gewesen sein. Totale Trommelfellzerreißungen mit Ertaubung seien hierfür typisch. Die Taubheit links stehe mit der traumatisch bedingten Trommelfellzerreißung durch Explosionstrauma mit hinreichend geforderter Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang. Dr.M. schätzte die schädigungsbedingte MdE auf seinem Fachgebiet mit 30 vH ein. Der Beklagte nahm hierzu Stellung. Aufgrund der seitendifferenten Pneumatisation der Warzenfortsätze zu Ungunsten des linken Ohrs sei es eher wahrscheinlich, dass die Ohrschädigung links schädigungsfremd sei, zumal es am rechten Ohr, das ebenfalls dem angeschuldigten Explosionsdruck in einem kleinen Raum ausgesetzt gewesen sei, keine Hinweise auf eine schädigungsbedingte Hörstörung gebe. Der Umstand, dass der Kläger ein Explosionstrauma der Ohren nicht sofort bemerkt hatte, sei nahezu als Beweis dafür aufzufassen, dass ein solches nicht vorgelegen habe, denn eine traumatisch verursachte Schwerhörigkeit sei im Zeitpunkt ihrer Entstehung am stärksten (versorgungsärztliche Stellungnahme der HNO-Ärztin Dr.J. vom 24.08.1992). Daraufhin hörte das BayLSG Prof.Dr.T. ergänzend an (Stellungnahmen vom 13.11.1992 und 12.05.1993). Dieser hielt daran fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verwundung und der Schwerhörigkeit nicht hergestellt werden könne.

Mit Urteil vom 18.08.1993 wies das BayLSG die Berufung zurück. Zur Begründung stützte es sich im wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Den Ausführungen des Prof.Dr.M. konnte sich der Senat nicht anschließen. Insbesondere die Tatsache, dass Dr.M. in seinem Attest vom 08.02.1979 im Schwerbehindertenverfahren eine Behinderung von Seiten der Ohren nicht angegeben habe, während er mit Attest vom 09.08.1991 erklärte, der Kläger sei wegen einer chronischen Otitis media links mit Hörverlust bis 1976 bei mehreren Ärzten und seitdem in seiner laufenden Behandlung gewesen, könne den Senat vom Vorliegen von Brückensymptomen seit der Verletzung im Juni 1944 nicht überzeugen. Prof.Dr.T. habe überzeugend dargetan, dass die erhebliche Pneumatisationshemmung des geschädigten linken Ohres für eine anlagebedingte, frühkindlich angelegte Besonderheit spreche. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 18.08.1993 hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 17.02.1994 als unzulässig verworfen.

Am 07.08.2002 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 26.05.1987 im Wege des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und die Anerkennung der Schwerhörigkeit beiderseits als Schädigung im Sinne des BVG. Den Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23.09.2002). Zur Begründung seines Widerspruches verwies der Kläger auf die Ausführungen des Dr.M. vom 09.08.1991 und des Dr.N. vom 15.08.1991. Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der HNO-Ärztin Dr.S. vom 30.01.2003 ein. Diese stellte fest, dass sich aus den Vorgutachten und insbesondere aus den hierzu im Jahr 1986 gefertigten Röntgenaufnahmen der Felsenbeine ergebe, dass beim Kläger eine nahezu vollständige Pneumatisationshemmung auf der linken Seite und eine sehr spärliche Pneumatisation auf der rechten Seite bestanden habe. Ein solcher Befund sei typisch für eine anlagebedingte, frühkindliche Minderwertigkeit der Schleimhäute und eine dadurch bedingte Minderbelüftung, so dass bei einer solchen Konstellation in Zusammenhang mit der nachgewiesenen Septumdeviation und der Auffälligkeiten im Gaumenbereich mit Mittelohraffektionen zu rechnen sei. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2003 zurück. Nach nochmaliger versorgungsärztlicher Überprüfung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen verbleibe es dabei, dass die Schwerhörigkeit als Schädigungsfolge nicht anzuerkennen sei.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und daran festgehalten, dass die Schwerhörigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Detonation der Panzergranate am 27.06.1944 zurückzuführen sei. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Dr.M. (Bericht vom 09.08.1991), des Dr.M. (Gutachten vom 03.06.1992) und aus den Aussagen der früheren Kameraden aus dem Jahre 1987.

Das SG hat die Akten des Beklagten beigezogen und die Klage mit Urteil vom 04.12.2003 abgewiesen. Der Beklagte habe die Rücknahme des Bescheides vom 26.05.1987 zu Recht abgelehnt. Der Kläger habe keine neuen Tatsachen vorgebracht. Alle vorgetragenen Tatsachen seien bereits in den früheren Verfahren bekannt gewesen und mehrfach medizinisch überprüft worden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zum BayLSG. Die Explosion der Panzergranate habe zur Vertäubung des linken Ohres wie zur rechtsseitigen Hörminderung geführt. Dass diese Leiden hierauf zurückzuführen seien, ergebe sich aus den Attesten des Dr.M. vom 09.08.1991 und des Dr.N. vom 15.08.1991, den eidesstattlichen Versicherungen seiner früheren Kameraden vom 12.11.1987 und aus dem Gutachten des Dr.M. vom 03.06.1992. Dr.M. habe auch ausgeführt, dass die Pneumatisationshemmung die durch die traumatisch entstandene Trommelfellzerreißung bedingte Otitis media eventuell akzentuiert habe. Ebenso habe Dr.M. darauf hingewiesen, dass die gehemmte Pneumatisation keinesfalls als einziges Argument gegen einen traumatischen Zusammenhang gewertet werden könne. Die Schwerhörigkeit sei nicht auf eine frühkindlich angelegte Pneumatisationshemmung zurückzuführen, da bei der im September 1941 erfolgten Musterung keine Gesundheitsstörungen festgestellt worden seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.12.2003 und den Bescheid des Beklagten vom 23.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 26.05.1987 in der Fassung des Bescheides vom 20.05.1988 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.1988 abzuändern und die bei ihm bestehende Schwerhörigkeit als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise die Ergebnisse der im September 1941 stattgefundenen Musterung beizuziehen und von Amts wegen ein ärztliches Sachverständigengutachten nach Aktenlage einzuholen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Vorbringen des Klägers habe keine neuen Gesichtspunkte ergeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des SG (S 10 V 111/88, S 2 V 11/03) und des BayLSG (L 10 V 152/90, L 18 V 5/04) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 23.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte kann nicht verpflichtet werden, den Bescheid vom 26.05.1987 in der Fassung des Bescheides vom 20.05.1988 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.1988 auf den Antrag vom 07.08.2002 hin abzuändern.

Liegt bereits eine bindende Verwaltungsentscheidung über die Schädigungsfolgen vor und erweist sich diese nachträglich als unrichtig, ist sie nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgte Bestätigung des Verwaltungaktes steht der erneuten Überprüfung dabei nicht entgegen (vgl BSG SozR 1500 § 141 Nr 2). Prüfungsmaßstab ist nicht die zweifelsfreie Unrichtigkeit der früheren Entscheidung, sondern es sind die gleichen Beweisanforderungen zu stellen, wie bei einer erstmaligen Prüfung (BSG SozR 3900 § 40 Nr 9). Da der Beklagte in eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides eingetreten ist und sich nicht lediglich auf dessen Bindungswirkung berufen hat, wird damit auch eine umfassende gerichtliche Nachprüfung ermöglicht (Beschluss des BSG vom 09.08.1995 - 9 BVGg 5/95).

Maßgebend ist, ob der Beklagte bei Erlass des Bescheides das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Wegen der hier erfolgten Verurteilung des Beklagten zur Abänderung des Bescheides vom 26.05.1987 idF des Bescheides vom 20.05.1988 und des Widerspruchsbescheides vom 06.06.1988 ist maßgebend die Sach- und Rechtslage, die das Gericht bei der abschließenden Entscheidung zu Grunde zu legen hatte, also vorliegend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (18.08.1993). Auf den Ausführungsbescheid vom 04.01.1991 ist daher nicht abzustellen. Mit dem das Verfahren abschließenden Urteil verliert der vorhergehende Ausführungsbescheid seine Wirkung und zwar unabhängig von Ausgang und vom Inhalt des das Verfahren abschließenden Urteils (Urteil des BSG vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 76/04 R).

Dies zugrunde gelegt ist nicht von einer unrichtigen Rechtsanwendung oder von einem unrichtigen Sachverhalt auszugehen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung der Schwerhörigkeit als Schädigungsfolgen. Eine Beschädigtenrente nach dem BVG steht ihm auch weiterhin nicht zu.

Nach § 1 Abs 1 BVG erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung auf Antrag Versorgung, wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dabei müssen - wie in allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts - die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 16 mwN). Insbesondere die einzelnen Glieder (Tatsachenkomplexe) der Kausal-(Ursachen-)Kette - bestehend aus schädigendem Vorgang, gesundheitlicher Schädigung und daraus resultierender gesundheitlicher Störung - bedürfen des Vollbeweises. Dagegen genügt für den Nachweis des (haftungsbegründenden) ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung sowie des (haftungsbegründenden) Ursachenzusammenhangs zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der späteren gesundheitlichen Entwicklung (die "Schädigungsfolgen") die Wahrscheinlichkeit (aaO). Diese ist gegeben, wenn mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht.

Einer Versorgung steht vorliegend entgegen, dass der Ursachenzusammenhang zwischen der geltend gemachten Schwerhörigkeit und der am 27.06.1944 erlittenen Verwundung nicht wahrscheinlich ist. Der Senat hält insofern an der rechtskräftigen Entscheidung des BayLSG vom 18.08.1993 fest. Das BayLSG hatte nach umfassender Ermittlung des medizinischen Sachverhalts darauf hingewiesen, dass die Schwerhörigkeit nicht auf die Verwundung sondern auf eine frühkindlich angelegte Pneumatisationshemmung zurückzuführen ist. Es ist dem Gutachten des Prof.Dr.T. vom 08.08.1989 und dessen Stellungnahmen vom 13.11.1992 und 12.05.1993 gefolgt, der sich auch mit den Ausführungen des Dr.M. , des Dr.N. und dem Gutachten des Dr.M. vom 03.06.1992 auseinandergesetzt hat. Prof.Dr.T. hat unter dem 12.05.1993 ausgeführt, dass es ausgeschlossen sei, die Pneumatisationshemmung auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen, da der Kläger zum damaligen Zeitpunkt 20 Jahre alt und daher die Pneumatisation des Warzenfortsatzes abgeschlossen gewesen sei. Die HNO-Ärztin Dr.S. hat im jetzigen Verfahren in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.01.2003 darauf hingewiesen, dass insbesondere dem Röntgenbefund aus dem Jahr 1986 zu entnehmen sei, dass beim Kläger eine nahezu vollständige Pneumatisationshemmung auf der linken Seite und eine sehr spärliche Pneumatisation auf der rechten Seite bestanden habe. In Übereinstimmung mit Prof.Dr.T. ist sie davon ausgegangen, dass dieser Befund typisch für eine anlagebedingte, frühkindliche Minderwertigkeit der Schleimhäute und eine dadurch bedingte Minderbelüftung ist und in der Folge ursächlich für Mittelohraffektionen ist.

Der Senat sah sich bei dieser Sachlage nicht veranlasst, ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen. Neue Tatsachen oder Erkenntnisse, die die abgeschlossenen Gerichtsentscheidungen in Frage stellen, liegen nicht vor. Sämtliche vom Kläger vorgebrachten medizinischen Unterlagen waren bereits Gegenstand dieser Entscheidungen. Zu den eidesstattlichen Versicherungen vom 12.11.1987 hat das SG in seinem Urteil vom 18.10.1990 überzeugend ausgeführt, dass diese nicht geeignet sind, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schwerhörigkeit und dem Ereignis vom 27.06.1944 zu begründen. Selbst wenn bei der Musterung im Jahre 1941 Gesundheitsstörungen beim Kläger nicht festgestellt wurden, bedeutet das noch nicht, dass die - im Jahr 1986 im Wege der Röntgendiagnostik erkannte - frühkindlich angelegte Pneumatisationshemmung nicht bestanden hat. Die HNO-Ärztin Dr.J. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.08.1992 auch darauf hingewiesen, dass das beim Kläger bestehende Ohrenleiden wahrscheinlich erst im Kleinkindalter begonnen und sich unbemerkt fortgesetzt habe. Eines der typischen Merkmale der chronischen Otitis media, die auf entsprechender Veranlagung beruhe und mit der Pneumatisationshemmung des Warzenfortsatzes zum betroffenen Ohr einhergehe, sei, dass sie oft jahrelang unbemerkt schwelle, aber dennoch vorhanden sei.

Nach alledem ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden und daher die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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