L 5 B 1131/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 7028/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1131/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2005 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verurteilt, dem Antragsteller für die Zeit von August bis einschließlich November 2005 Arbeitslosengeld II in der ihm bewilligten Höhe - abzüglich der ihm im September und Oktober 2005 in Höhe von insgesamt 630,00 EUR geleisteten Vorschusszahlungen - auszuzahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine notwendigen Auslagen für das erstinstanzliche sowie für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

1. Das Beschlussrubrum war dahingehend zu korrigieren, dass die Arbeitsgemeinschaft JobCenter Reinickendorf selbst Antragsgegnerin und nicht lediglich Vertreterin der Bundesagentur für Arbeit und des Landes Berlin als Leistungsträger ist, denn das JobCenter ist - entgegen der Meinung des Sozialgerichts und mit der überwiegenden Auffassung der übrigen Senate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg - jedenfalls als nichtrechtsfähige Personenvereinigung im Sinne des § 70 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beteiligtenfähig. Eines Rückgriffs auf die hinter dem JobCenter stehenden Körperschaften bedarf es nicht (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschluss vom 11. August 2005, L 5 B 51/05 AS ER sowie Beschluss des 10. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2005, L 10 B 44/05 AS ER).

2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig. Sie hatte ferner in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch Erfolg. Auf den - bei verständiger Würdigung dahin auszulegenden – Antrag des Antragstellers, ihm ab August 2005 das ihm bewilligte Arbeitslosengeld II auch auszuzahlen, war die Antragsgegnerin entsprechend vorläufig zu verurteilen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist hier der Fall.

Der Antragsteller, der die Auszahlung ihm bewilligter Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums begehrt, hat ein Bedürfnis an einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft gemacht. Zwar würde die begehrte Auszahlung des Arbeitslosengeldes II nachträglich erfolgen, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass der Antragsteller die ihm zustehenden Leistungen tatsächlich nicht erhalten hat. Bezogen auf den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht ist jedoch – trotz der zwischenzeitlich erfolgten Vorschusszahlungen auf die Monate Oktober und November 2005 - das Existenzminimum nicht gedeckt. Denn in diesem bald vier Monate umfassenden Zeitraum ist ihm das Arbeitslosengeld nur in Höhe von insgesamt 630,00 EUR sicher zugeflossen und damit in einer Höhe, die das Existenzminimum nicht befriedigt, was – nach dem insoweit glaubhaften - Vortrag des Antragstellers zum Eingehen von Schulden geführt hat. Diese möglicherweise längere Zeit fortdauernde, erhebliche Beeinträchtigung kann nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht ("Gegenwärtigkeitsprinzip").

Ob die Antragsgegnerin den Zahlungsanspruch des Antragstellers durch die Übersendung von Schecks im fraglichen Zeitraum erfüllt hat, oder ob sie im Hauptsacheverfahren zur Zahlung an ihn verurteilt werden wird, vermag der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu beurteilen. Soweit ersichtlich ist bisher weder der Verbleib der Schecks geklärt noch ausermittelt, ob auf die Schecks Auszahlungen erfolgten. Jedenfalls aber kann nach Aktenlage nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller die ihm zustehenden Schecks erhalten hat. Denn die Antragsgegnerin hat die Schecks für die Monate August und September 2005 an eine Anschrift geschickt, die nicht der damals aktuellen Adresse des Antragstellers entsprach, was ihr nach Aktenlage hätte bekannt sein müssen. Unverständlich ist jedenfalls, warum noch der Scheck für den Monat September 2005 an die Anschrift T Straße übersandt wurde, nachdem die Antragsgegnerin im hiesigen Verfahren am Vormittag des 05. August 2005 per Telefax über den Antrag des Antragstellers, ihm den Scheck an seine damals aktuelle Postanschrift G Straße in B zu senden, informiert worden war. Auch wenn den Antragssteller durchaus ein Mitverschulden an den Zahlungsschwierigkeiten trifft, da er bislang offenbar noch immer kein Guthabenkonto eingerichtet hat, so fällt zugleich aber auch auf, dass die Antragsgegnerin, auf deren Veranlassung einige der Wohnungswechsel des Antragstellers in den vergangenen Monaten erfolgten, immer wieder versucht, dem Antragsteller Post unter teilweise lange nicht mehr aktuellen Adressen zukommen zu lassen.

Da dem Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach-lage nicht möglich ist, war anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese musste zugunsten des Antragstellers getroffen werden. Denn Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 12.05.2005, - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris). Im Hinblick auf das bereits erwähnte Gegenwärtigkeitsprinzip wären die Folgen der ungerechtfertigten Leistungsversagung ungleich schwerwiegender als die der nicht gebotenen Gewährung.

3. Obwohl das hiesige einstweilige Rechtsschutzverfahren aus den vorgenannten Gründen erfolgreich war, bestand kein Anlass, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren. Der Senat kann nachvollziehen, dass die – zur Begründung des Prozesskostenhilfeantrages herangezogenen - Ausführungen des Sozialgerichts Berlin hinsichtlich der Beteiligtenfähigkeit der Antragsgegnerin den Antragsteller verwirren. Da es aber nicht die Aufgabe des Antragstellers ist, die Beteiligtenfähigkeit unter Beweis zu stellen, und im Übrigen – wie ausgeführt – nach der vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ganz überwiegend vertretenen Auffassung die Beteiligtenfähigkeit der Antragsgegnerin zu bejahen ist, war zur Klärung dieses Aspektes weder die Anberaumung eines Erörterungstermins noch die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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