L 5 B 1261/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 9155/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1261/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin ihren am 20. Oktober 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu gewähren, abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, nicht jedoch einen Anordnungsanspruch. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass ihr im Hauptsacheverfahren voraussichtlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegen die Antragsgegnerin zugesprochen werden wird.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes haben nach Absatz 5 Satz 1 der Vorschrift hingegen Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig sind. Dies ist jedoch bei der Antragstellerin, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnt und damit offensichtlich nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 SGB II erfüllt, der regelt, auf welche Auszubildende § 7 Abs. 5 SGB II ausnahmsweise keine Anwendung findet, der Fall. Denn die Antragstellerin macht seit dem 08. August 2005 an der Staatlichen Fachschule für Sozialpädagogik Berlin eine Ausbildung als Erzieherin. Diese Ausbildung wäre grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähig. Nichts anderes folgt aus dem Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg–Wilmersdorf von Berlin vom 24. August 2005, mit dem dieses dem Antrag der Antragstellerin auf Leistungen nach dem BAföG nicht entsprochen hat. Der vorgenannte Bescheid lässt nämlich erkennen, dass die Ablehnung gerade nicht erfolgte, weil die Ausbildung bereits dem Grunde nach als nicht förderungsfähig angesehen wird. Vielmehr ist die Ablehnung danach darauf zurückzuführen, dass der Antragstellerin, die – den im Verwaltungsverfahren erfolgten und von ihr seinerzeit bestätigten Ermittlungen zufolge - bereits anlässlich eines Studiums zwischen 2001 und 2003 Leistungen nach dem BAföG bezogen hatte, keine Ausbildungsförderung für eine weitere Ausbildung geleistet wird, weil sie die erste Ausbildung nicht aus einem wichtigem oder unabweisbarem Grunde abgebrochen bzw. aus einem solchen Grund die Fachrichtung gewechselt hat. Ist aber eine Ausbildung gemäß BAföG dem Grunde nach förderungsfähig, ändert sich an dem SGB II-Leistungsausschluss nicht dadurch etwas, dass sie konkret im Hinblick auf die Ausbildungsbiographie des Antragstellers nicht gefördert wird.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum früheren § 26 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) davon ausgegangen ist, dass sich die Ausschlusswirkung lediglich auf den ausbildungsbedingten oder –geprägten Bedarf bezieht, nicht hingegen auf den nicht ausbildungsbezogenen Unterhaltsbedarf, der auf Umständen beruht, die von der Ausbildung unabhängig sind wie z.B. Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung, Kindererziehung und –pflege, kann der Senat dahinstehen lassen, ob diese Differenzierung im Bereich des SGB II fortgesetzt werden kann (zweifelnd: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 Rn. 41; bejahend: Münder, SGB II, § 7 Rn. 71). Denn bei der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, dass ihr Unterhaltsbedarf auch nur teilweise auf entsprechende nichtausbildungsgeprägte Umstände zurückzuführen ist.

Richtig sind die Antragsgegnerin sowie das Sozialgericht Berlin weiter davon ausgegangen, dass bei der Antragstellerin kein besonderer Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliegt, der es der Antragsgegnerin überhaupt erst ermöglichen würde, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes darlehensweise zu gewähren. Es bedarf insoweit keiner Klärung, ob in Anlehnung an den zum früheren § 26 BSHG herrschenden Streit das Vorliegen einer besonderen Härte nur dann anzunehmen ist, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist und vom Gesetzgeber so bewusst in Kauf genommen wurde (vgl. BVerwGE 94, 224), oder diesbezüglich stets eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist (vgl. Nachweise bei Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 7 Rn. 47). Denn so wie im Falle der Antragstellerin nicht zu erkennen ist, dass die Folgen des Anspruchsausschlusses über das damit in aller Regel verbundene Maß hinausgehen, so liegt bei ihr auch keine von den insoweit relevanten Fallgruppen (z.B. Verlängerung der Dauer der Ausbildung wegen Geburt und Erziehung eines Kindes, zu lange Studien- und Ausbildungsdauer infolge einer Erkrankung oder Behinderung, unmittelbar bevorstehendes Ausbildungsende) vor.

Schließlich rechtfertigt auch das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin keine andere Entscheidung. Es wird weder von der Antragsgegnerin noch den Gerichten in Abrede gestellt, dass die Antragstellerin sich zurzeit in einer schwierigen finanziellen Lage befindet. Auch vermag der Senat es durchaus nachzuvollziehen, dass es für die Antragstellerin wünschenswert wäre, eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungen zur Ausbildungförderung hat sie jedoch bereits anlässlich ihres Studiums in Anspruch genommen. Dass sie dieses Studium abgebrochen und nunmehr eine andere Ausbildung begonnen hat, ist ihre – in der Sache durchaus nachvollziehbare – Entscheidung, kann jedoch nicht auf Kosten des Steuerzahlers zu einer weitergehenden Finanzierung führen, als das BAföG dies vorsieht. Denn Sinn des Gesetzes ist es, so wie früher die Sozialhilfe nunmehr auch die Grundsicherung von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten. Die Leistungen zur Grundsicherung dienen nicht dem Zweck, gleichsam eine Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene sicherzustellen, nachdem die primär dafür vorgesehenen Leistungen nicht mehr gewährt werden können. Diese Bestimmungen würden andernfalls durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zweckwidrig unterlaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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