Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 24/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von einer Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen in Höhe von 3.282,49 EUR, hilfsweise einen Anspruch auf Zahlung von Sozialhilfe in Höhe dieses Betrages für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000.
Die 1963 geborene Klägerin lebt seit 1998 in Deutschland. Sie hat zwei Kinder, die 1989 und 1991 geboren sind. Die Klägerin ist geschieden; der geschiedene Ehemann ist ihr und den gemeinsamen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Nach der Trennung (1994) und später nach der Scheidung zahlte der Ehemann folgenden Unterhalt: bis März 1995 monatlich 1000,00 bzw. 1050,00 DM unmittelbar an die Klägerin (Grundlage: Unterhaltsvergleich vom 02.12.1994 vor dem Amtsgericht Düren); April und Mai 1995 je 500,00 DM unmittelbar an die Klägerin; Juni, Juli und August 1995 per Gehaltspfändung über den Bevollmächtigten der Klägerin 608,79 DM, 995,05 DM und 880,35 DM an die Klägerin. Ab September 1995 zahlte der Bevollmächtigte der Klägerin die bei ihm eingehenden gepfändeten Unterhaltsleistungen an den Beklagten; dieser zahlte der Klägerin und deren Kindern Unterhaltsvorschüsse nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Ab Juli 1998 erfolgten die Unterhaltszahlungen wieder unmittelbar an die Klägerin, und zwar von Juli 1998 bis August 1999 monatlich 699,30 DM (455,00 DM für die Klägerin, 122,15 DM jeweils für jedes der Kinder); Grundlage für diese Zahlungen war ein Unterhaltsabänderungsurteil des Amtsgerichts Düren vom 29.07.1996. Im September und Oktober 1999 erhielten die Klägerin und ihre Kinder per Gehaltspfändung Unterhaltsleistungen in Höhe von 716,40 und 705,00 DM; ab November 1999 betrugen die Unterhaltsleistungen laufend 1067,00 DM pro Monat.
Seit Juni 1990 bezog die Klägerin von der Beigeladenen Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld), vom 15.03.1995 bis 03.04.2000 laufend Arbeitslosenhilfe (Alhi). In den Alhi-(Weiterbewilligungs-)Anträgen von März 1995, Mai 1996, Mai 1997, April 1998 und April 1999 verneinte die Klägerin eigene Annahmen, konkret auch Unterhaltsleistungen und -ansprüche. Dementsprechend erhielt sie von März 1995 bis April 2000 von der Beklagten Alhi ohne Anrechnung von Unterhaltszahlungen.
Von Dezember 1994 bis Januar 1999 erhielt die Klägerin von dem Beklagten ergänzende Sozialhilfe für sich und die beiden Kinder unter Anrechnung von Einkommen. In den Sozialhilfebescheiden sind als anzurechnende Einkünfte bis März 1995 die Unterhaltszahlungen des Ehemannes und das Kindergeld, ab April 1995 die Arbeitslosenhilfe, das Kindergeld, die Unterhaltszahlungen des Ehemannes und die Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG aufgelistet. Ab Februar 1999 stellte der Beklagte die Sozialhilfeleistungen ein, da das Einkommen den Bedarf überstieg. Da die Klägerin danach nicht mehr bei dem Beklagten vorsprach, wurde der Sozialhilfefall im Juli 1999 abgeschlossen. Erst ab dem 16.05.2002 erhielt die Klägerin erneut Sozialhilfe, weil ihr Ehemann ab April 2002 für sie, ab Juni 2002 auch für die Kinder keinen Unterhalt zahlte.
Erstmals im September 2000 erfuhr die Beigeladene von dem Unterhaltsabänderungsurteil des Amtsgerichts Düren vom 29.07.1996. Auf Anfrage der Beigeladenen vom 26.09.2000 legte ihr die Klägerin Kontoauszüge über Unterhaltszahlungseingänge von Juli 1998 bis August 2000 vor. Die Beigeladene hob durch Bescheide vom 14.02. und 05.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2003 und eines Teilanerkenntnisses vom 16.04.2004 die Alhi-Bewilligungsentscheidungen für die Zeit vom 01.08.1998 bis 03.04.2000 teilweise auf und forderte die Erstattung der in diesem Zeitraum wegen Nichtanrechnung der Unterhaltsleistungen zu viel gezahlter Alhi. Durch rechtskräftiges Urteil vom 16.04.2004 hob das Sozialgericht Aachen (S 0 AL 00/00) die Bescheide bezüglich des Aufhebungs- und Erstattungszeitraums bis Januar 1999 auf; im Übrigen wies es die Anfechtungsklage ab. Die Beigeladene ermittelte daraufhin für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 auf der Grundlage des in dieser Zeit monatlich an die Klägerin gezahlten Unterhaltes von 455,00 DM eine Überzahlung von täglich 15,00 DM (455,00 x 3: 13: 7 = 15,00 DM); für 428 Leistungstage ergibt dies eine Überzahlung von 6420,00 DM, das sind 3.282,49 EUR. Dementsprechend hob die Beigeladene durch bestandskräftigen Bescheid vom 21.06.2005 die Entscheidungen über die Alhi-Bewilligung vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 teilweise auf und machte die Erstattung von 3.282,49 EUR geltend.
Am 27.06.2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, sie von dem Rückforderungsanspruch der Beigeladenen durch Zahlung von 3.282,49 EUR an die Beigeladene freizustellen.
Durch Bescheid vom 11.08.2005 lehnte der Beklagte Zahlungen zur Freistellung von Ansprüchen ab.
Dagegen legte die Klägerin am 19.08.2005 Widerspruch ein. Sie verwies auf die Begründung im Urteil des SG Aachen vom 16.04.2004 und meinte, das Gericht habe in den Urteilsgründen hervorgehoben, dass sie letztlich nicht ungerechtfertigt bereichert sei. Ausdrücklich werde in dem Urteil ausgeführt: "Faktisch bereichert ist die Beigeladene (d.h. das Sozialamt E). Der Bereicherungsausgleich hätte zwischen der Beigeladenen und der Beklagten stattzufinden. Dass die Beigeladene hierzu nicht bereit ist und gemäß § 75 Abs. 5 SGG auch vom Gericht hierzu nicht verurteilt werden kann, geht nicht zu Lasten der Klägerin." Die Klägerin trug vor, dem Beklagten sei der Bezug der Alhi bekannt gewesen; er habe es unterlassen, das Arbeitsamt über die zufließenden Unterhaltsbeträge zu unterrichten. Die Klägerin meint, der Beklagte habe in unzulässiger Weise Unterhalt auf die Ergänzung der Sozialhilfe angerechnet.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 02.02.2006 zurück, u.a. mit dem Hinweis, eine rückwirkende Gewährung von Sozialhilfe sei grundsätzlich ausgeschlossen.
Dagegen hat die Klägerin am 24.02.2006 Klage erhoben. Sie meint, der Beklagte sei dadurch, dass auf die Alhi die Unterhaltsleistungen nicht angerechnet worden seien, bereichert, weil er ihr deshalb entsprechend niedrigere bzw. keine Sozialhilfe gezahlt habe. Sie wirft dem Beklagten vor, stets zu seinen Gunsten falsch gerechnet zu haben; aus Sozialhilfebescheiden vom 23.11. und 21.12.1998 ergebe sich, dass Unterhalt und Arbeitslosenhilfe als anzurechnendes Einkommen berücksichtigt worden seien. Sie selbst sei davon ausgegangen, dass die Maßnahmen der Behörden ordnungsgemäß gewesen seien. Die Klägerin behauptet, keine falschen oder unzureichenden Auskünfte erteilt und gegenüber der Beigeladenen in den Alhi-Fortzahlungsanträgen zutreffende Angaben gemacht zu haben; wenn dort nach eigenen Einnahmen der Antragsteller gefragt worden sei, habe diese Rubrik erkennbar alle Entgelte aus Arbeitstätigkeit betroffen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2006 zu verurteilen, sie durch Zahlung von 3.282,49 EUR an die Beigeladene von ihrer dieser gegenüber bestehenden Zahlungsverpflichtung aus dem Kostenbescheid der Agentur für Arbeit E vom 21.06.2005 freizustellen, hilfsweise, ihr für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 Sozialhilfe in Höhe von 3.282,49 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs habe die Klägerin keinen Anspruch auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 bzw. auf Freistellung von Erstattungsansprüchen der Beigeladenen für diesen Zeitraum. Die Klägerin selbst sei gegenüber der Beigeladenen verpflichtet gewesen, alle Änderungen ihrer Einkommensverhältnisse, zu denen auch die ab August 1998 unmittelbar an die Klägerin gezahlten Unterhaltsleistungen des Ehemannes gezählt hätten, anzuzeigen. Ein Beratungsfehler könne ihm nicht vorgehalten werden. Unterhaltszahlungen seien – entgegen den Ausführungen der 8. Kammer im Sozialgerichtstermin vom 21.11.2003 im Verfahren S 0 AL 00/00 sowie den Entscheidungsgründen im Urteil vom 16.04.2004 – sowohl bedarfsmindernd auf die Alhi als auch bedarfsmindernd auf die Sozialhilfe anzurechnen. Noch im April 1999 habe die Klägerin gegenüber der Beigeladenen eigene Einnahmen verneint; erst im September 2000 seien der Beigeladenen durch die Klägerin erstmals die seit Jahren titulierten Unterhaltsansprüche bekanntgegeben worden.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie meint, nicht der Beklagte, sondern die Klägerin sei verpflichtet gewesen, ihr gegenüber alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen und zutreffende Angaben in Anträgen zu machen; dies habe die Klägerin unterlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beigeladenen (Stamm-Nr. 000000) und der Gerichtsakte S 0 AL 00/00, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Der Geltendmachung eines Anspruchs auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 durch die Klägerin steht nicht entgegen, dass sie in der Sitzung der 8. Kammer des Sozialgerichts Aachen am 00.00.0000 im Verfahren S 0 AL 00/00 erklärt hat: "Hiermit trete ich den Nachzahlungsanspruch gegen das Sozialamt für die Zeit vom 01.07.1998 bis zum 03.04.2000 an die Beklagte ab." Diese Erklärung ist unwirksam, da Sozialhilfeansprüche nicht übertragen werden können (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung; ab 01.01.2005: § 17 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat weder einen Anspruch auf Freistellung von der Forderung der Beigeladenen ihr gegenüber gemäß Bescheid vom 21.06.2005 noch auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 in Höhe von 3.282,49 EUR.
Für den geltend gemachten Freistellungsanspruch ist eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich. Unabhängig davon wäre ein solcher Anspruch nur denkbar, wenn die Klägerin einen Anspruch auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 in Höhe von 3.282,49 EUR hätte, den sie mit dem Hilfsantrag geltend macht. Dieser Anspruch besteht jedoch nicht.
Da Beginn und Ende des geltend gemachten Anspruchs vor 2005 liegen, bestimmt sich der Anspruch nach den Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden BSHG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 setzt Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Zwar war dem Beklagten ein (ergänzender) Sozialhilfebedarf von Dezember 1994 bis Januar 1999 jeweils zeitnah bekannt, nicht jedoch für den hier streitbefangenen Zeitraum vom Februar 1999 bis April 2000. Die Eigenart der Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt, wie sie die Klägerin bis Januar 1999 bezogen hat, besteht darin, Hilfe zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu leisten; sie ist keine rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter. Dementsprechend wird sie regelmäßig nicht durch einen Dauerverwaltungsakt bewilligt; ein Sozialhilfefall ist gleichsam täglich neu regelungsbedürftig (vgl. Rothkegel, Sozialhilferecht, 1. Auflage 2005 Teil I, Kapitel 6 Rn. 1 unter Hinweis auf die ständige Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Dementsprechend hat der Beklagte der Klägerin bis Januar 1999 die Sozialhilfe regelmäßig nur für jeweils einen Monat bewilligt, da sich ihre Verhältnisse, insbesondere wegen der Unterhaltsleistungen in wechselnder Höhe, monatlich änderten. Als die Sozialhilfe zum 01.02.1999 eingestellt wurde, hat die Klägerin danach – bis Mai 2002 – keinen soziallhilferechtlichen Bedarf mehr angemeldet. Der Beklagte hatte auch keine Kenntnis von einem solchen Bedarf; er hätte davon auch nicht wissen müssen, da ihm nicht bekannt war, dass auf die von der Beigeladenen der Klägerin gewährten Alhi die Unterhaltsleistungen des Ehemannes nicht angerechnet wurden. Das Sozialhilferecht wird vom Bedarfsdeckungsgrundsatz und vom Gegenwärtigkeitsprinzip geprägt. Dadurch wird gewährleistet, dass der tatsächliche gegenwärtige sozialhilferechtlich relevante Bedarf eines Leistungsberechtigten vollständig gedeckt wird. Dementsprechend gilt der weitere Grundsatz, dass keine Sozialhilfe für die Vergangenheit gewährt wird (vgl. hierzu ausführlich Rothkegel, a.a.O., Teil I, Kapitel 3 und Kapitel 5 m.w.N.) Da die Sozialhilfe an die Klägerin ab 01.02.1999 mangels sozialhilferechtlichem Bedarf eingestellt worden ist, die Klägerin danach erst wieder im Mai 2002 Sozialhilfe beantragt und erhalten hat und dem Beklagten der von der Klägerin behauptete Sozialhilfebedarf für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 auch erst nach Ablauf dieses Zeitraums im Verlauf des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geführten Rechtsstreits bekannt geworden ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Sozialhilfe für den hier streitbefangenen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und dementsprechend auch kein Anspruch auf Freistellung von Alhi-Rückforderungen der Beigeladenen ihr gegenüber aus diesem Zeitraum.
Die Klägerin kann solche Ansprüche auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Es kann dahinstehen, ob dieses von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut überhaupt im Sozialhilferecht Anwendung finden kann (vgl. dazu Rothkegel, a.a.O. Teil IV, Kapitel 3). Denn es sind vorliegend bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des Herstellungsanspruchs nicht erfüllt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des jeweiligen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene, aber unterlassene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Wesentlich ist daher das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers ihm Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses (vgl. für Viele: BSG, Urteil vom 12.07.1998 – 7 RAr 62/88). Verletzt der Leistungsträger eine Nebenpflicht (Beratungspflicht, Auskunftspflicht, Informationspflicht), begründet dies nur dann ein Herstellungsrecht, wenn die Pflichtverletzung wesentliche, d.h. gleichwertige Bedingungen für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts war. Dies ist nicht der Fall, wenn der Anspruchsteller das Ausbleiben der Leistung wissentlich oder fahrlässig gegen sich selbst (mit) verursacht hat (BSG, Urteil vom 06.03.2003 – B 4 RA 38/02 R = SozR 4-2600 § 115 Nr. 1 = BSGE 91,1). Ein von der Klägerin angenommener Beratungsfehler des Beklagten ist nicht ersichtlich. Anders lautende Hinweise des Sozialgerichts vom 21.11.2003 im Verfahren S 8 AL 70/03 verkennen, dass Unterhaltsleistungen des Ehemannes der Klägerin sowohl bedarfsmindernd auf die Alhi als auch bedarfsmindernd auf die Sozialhilfe anzurechnen waren. Wenn der Beklagte dementsprechend die Unterhaltsleistungen und auch die Alhi der Klägerin auf ihren sozialhilferechtlichen Bedarf anrechnete, konnte und durfte er davon ausgehen, dass die Beigeladene Kenntnis von den Unterhaltsleistungen hatte und die Alhi dementsprechend richtig berechnet war. Der Beklagte hatte weder eine Verpflichtung noch Veranlassung, die Beigeladene auf die Unterhaltsleistungen an die Klägerin hinzuweisen. Ebenso wenig hatte sie die Pflicht oder auch nur Veranlassung, die Klägerin auf ihre gegenüber der Beigeladenen bestehenden Mitteilungspflichten hinzuweisen.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass bei zeitnaher Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen im Rahmen der Alhi-Bewilligung am 01.02.1999 die daraus resultierende niedrigere Alhi möglicherweise einen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe begründet hätte. Die Höhe dieses Anspruchs hätte aber nicht zwingend mit dem minderen Alhi-Betrag korrespondieren müssen. So hätten möglicherweise auch andere Faktoren zu einer Minderung oder einem Wegfall des sozialrechtlichen Bedarfs führen können. Allein die Klägerin hat durch ihre – zumindest grob fahrlässig – unrichtigen Angaben gegenüber der Beigeladenen die Falschberechnung und Überzahlung der Alhi in der Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 verursacht. Entgegen der Auffassung der 8. Kammer im Urteil vom 16.04.2004 ist die erkennende Kammer der Auffassung, dass die Klägerin grob fahrlässig Mitteilungspflichten verletzt hat (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X). Denn sie hat aus eindeutigen Hinweisen und dem jeweiligen "Merkblatt für Arbeitslose", die den Anträgen auf Alhi jeweils beigefügt waren bzw. deren Erhalt und Kenntnisnahme sie jeweils durch ihre Unterschrift bestätigt hat, gewusst oder hätte wissen müssen, dass sie der Beigeladenen gegenüber die Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes hätte anzeigen müssen; dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Unterhaltsleistungen häufig in der Höhe wechselten und dies wiederum Auswirkungen auf die Höhe der Alhi gehabt hätte. Wenn die Klägerin trotz dieser Hinweise und Merkblätter in den Alhi-(Weiterbewilligungs-)Anträgen von März 1995, Mai 1996, Mai 1997, April 1998 und April 1999 jeweils die Fragen nach eigenen Einnahmen, d.h. auch Unterhaltsleistungen und -ansprüchen, mit "nein" beantwortet hat, hat sie zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflichten verletzt. Dadurch fehlt es auch für die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründende Kausalität zwischen einer (unterstellten) Nebenpflichtverletzung des Beklagten und der entgangenen Sozialhilfe.
Zuletzt kann die Klägerin den Freistellungsanspruch auch nicht auf § 34 SGB XII (bis 31.12.2004: § 15a BSHG) stützen. Zwar können danach Schulden – hier: die Erstattungsforderung der Beigeladenen gegenüber der Klägerin – zu Lasten der Sozialhilfe übernommen werden, jedoch nur, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe, die Tilgung von Schulden zu ermöglichen (vgl. Rothkegel, a.a.O. Teil III, Kapitel 17 unter Hinweis auf die ständige Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von einer Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber der Beigeladenen in Höhe von 3.282,49 EUR, hilfsweise einen Anspruch auf Zahlung von Sozialhilfe in Höhe dieses Betrages für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000.
Die 1963 geborene Klägerin lebt seit 1998 in Deutschland. Sie hat zwei Kinder, die 1989 und 1991 geboren sind. Die Klägerin ist geschieden; der geschiedene Ehemann ist ihr und den gemeinsamen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Nach der Trennung (1994) und später nach der Scheidung zahlte der Ehemann folgenden Unterhalt: bis März 1995 monatlich 1000,00 bzw. 1050,00 DM unmittelbar an die Klägerin (Grundlage: Unterhaltsvergleich vom 02.12.1994 vor dem Amtsgericht Düren); April und Mai 1995 je 500,00 DM unmittelbar an die Klägerin; Juni, Juli und August 1995 per Gehaltspfändung über den Bevollmächtigten der Klägerin 608,79 DM, 995,05 DM und 880,35 DM an die Klägerin. Ab September 1995 zahlte der Bevollmächtigte der Klägerin die bei ihm eingehenden gepfändeten Unterhaltsleistungen an den Beklagten; dieser zahlte der Klägerin und deren Kindern Unterhaltsvorschüsse nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Ab Juli 1998 erfolgten die Unterhaltszahlungen wieder unmittelbar an die Klägerin, und zwar von Juli 1998 bis August 1999 monatlich 699,30 DM (455,00 DM für die Klägerin, 122,15 DM jeweils für jedes der Kinder); Grundlage für diese Zahlungen war ein Unterhaltsabänderungsurteil des Amtsgerichts Düren vom 29.07.1996. Im September und Oktober 1999 erhielten die Klägerin und ihre Kinder per Gehaltspfändung Unterhaltsleistungen in Höhe von 716,40 und 705,00 DM; ab November 1999 betrugen die Unterhaltsleistungen laufend 1067,00 DM pro Monat.
Seit Juni 1990 bezog die Klägerin von der Beigeladenen Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld), vom 15.03.1995 bis 03.04.2000 laufend Arbeitslosenhilfe (Alhi). In den Alhi-(Weiterbewilligungs-)Anträgen von März 1995, Mai 1996, Mai 1997, April 1998 und April 1999 verneinte die Klägerin eigene Annahmen, konkret auch Unterhaltsleistungen und -ansprüche. Dementsprechend erhielt sie von März 1995 bis April 2000 von der Beklagten Alhi ohne Anrechnung von Unterhaltszahlungen.
Von Dezember 1994 bis Januar 1999 erhielt die Klägerin von dem Beklagten ergänzende Sozialhilfe für sich und die beiden Kinder unter Anrechnung von Einkommen. In den Sozialhilfebescheiden sind als anzurechnende Einkünfte bis März 1995 die Unterhaltszahlungen des Ehemannes und das Kindergeld, ab April 1995 die Arbeitslosenhilfe, das Kindergeld, die Unterhaltszahlungen des Ehemannes und die Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG aufgelistet. Ab Februar 1999 stellte der Beklagte die Sozialhilfeleistungen ein, da das Einkommen den Bedarf überstieg. Da die Klägerin danach nicht mehr bei dem Beklagten vorsprach, wurde der Sozialhilfefall im Juli 1999 abgeschlossen. Erst ab dem 16.05.2002 erhielt die Klägerin erneut Sozialhilfe, weil ihr Ehemann ab April 2002 für sie, ab Juni 2002 auch für die Kinder keinen Unterhalt zahlte.
Erstmals im September 2000 erfuhr die Beigeladene von dem Unterhaltsabänderungsurteil des Amtsgerichts Düren vom 29.07.1996. Auf Anfrage der Beigeladenen vom 26.09.2000 legte ihr die Klägerin Kontoauszüge über Unterhaltszahlungseingänge von Juli 1998 bis August 2000 vor. Die Beigeladene hob durch Bescheide vom 14.02. und 05.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2003 und eines Teilanerkenntnisses vom 16.04.2004 die Alhi-Bewilligungsentscheidungen für die Zeit vom 01.08.1998 bis 03.04.2000 teilweise auf und forderte die Erstattung der in diesem Zeitraum wegen Nichtanrechnung der Unterhaltsleistungen zu viel gezahlter Alhi. Durch rechtskräftiges Urteil vom 16.04.2004 hob das Sozialgericht Aachen (S 0 AL 00/00) die Bescheide bezüglich des Aufhebungs- und Erstattungszeitraums bis Januar 1999 auf; im Übrigen wies es die Anfechtungsklage ab. Die Beigeladene ermittelte daraufhin für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 auf der Grundlage des in dieser Zeit monatlich an die Klägerin gezahlten Unterhaltes von 455,00 DM eine Überzahlung von täglich 15,00 DM (455,00 x 3: 13: 7 = 15,00 DM); für 428 Leistungstage ergibt dies eine Überzahlung von 6420,00 DM, das sind 3.282,49 EUR. Dementsprechend hob die Beigeladene durch bestandskräftigen Bescheid vom 21.06.2005 die Entscheidungen über die Alhi-Bewilligung vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 teilweise auf und machte die Erstattung von 3.282,49 EUR geltend.
Am 27.06.2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, sie von dem Rückforderungsanspruch der Beigeladenen durch Zahlung von 3.282,49 EUR an die Beigeladene freizustellen.
Durch Bescheid vom 11.08.2005 lehnte der Beklagte Zahlungen zur Freistellung von Ansprüchen ab.
Dagegen legte die Klägerin am 19.08.2005 Widerspruch ein. Sie verwies auf die Begründung im Urteil des SG Aachen vom 16.04.2004 und meinte, das Gericht habe in den Urteilsgründen hervorgehoben, dass sie letztlich nicht ungerechtfertigt bereichert sei. Ausdrücklich werde in dem Urteil ausgeführt: "Faktisch bereichert ist die Beigeladene (d.h. das Sozialamt E). Der Bereicherungsausgleich hätte zwischen der Beigeladenen und der Beklagten stattzufinden. Dass die Beigeladene hierzu nicht bereit ist und gemäß § 75 Abs. 5 SGG auch vom Gericht hierzu nicht verurteilt werden kann, geht nicht zu Lasten der Klägerin." Die Klägerin trug vor, dem Beklagten sei der Bezug der Alhi bekannt gewesen; er habe es unterlassen, das Arbeitsamt über die zufließenden Unterhaltsbeträge zu unterrichten. Die Klägerin meint, der Beklagte habe in unzulässiger Weise Unterhalt auf die Ergänzung der Sozialhilfe angerechnet.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 02.02.2006 zurück, u.a. mit dem Hinweis, eine rückwirkende Gewährung von Sozialhilfe sei grundsätzlich ausgeschlossen.
Dagegen hat die Klägerin am 24.02.2006 Klage erhoben. Sie meint, der Beklagte sei dadurch, dass auf die Alhi die Unterhaltsleistungen nicht angerechnet worden seien, bereichert, weil er ihr deshalb entsprechend niedrigere bzw. keine Sozialhilfe gezahlt habe. Sie wirft dem Beklagten vor, stets zu seinen Gunsten falsch gerechnet zu haben; aus Sozialhilfebescheiden vom 23.11. und 21.12.1998 ergebe sich, dass Unterhalt und Arbeitslosenhilfe als anzurechnendes Einkommen berücksichtigt worden seien. Sie selbst sei davon ausgegangen, dass die Maßnahmen der Behörden ordnungsgemäß gewesen seien. Die Klägerin behauptet, keine falschen oder unzureichenden Auskünfte erteilt und gegenüber der Beigeladenen in den Alhi-Fortzahlungsanträgen zutreffende Angaben gemacht zu haben; wenn dort nach eigenen Einnahmen der Antragsteller gefragt worden sei, habe diese Rubrik erkennbar alle Entgelte aus Arbeitstätigkeit betroffen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2006 zu verurteilen, sie durch Zahlung von 3.282,49 EUR an die Beigeladene von ihrer dieser gegenüber bestehenden Zahlungsverpflichtung aus dem Kostenbescheid der Agentur für Arbeit E vom 21.06.2005 freizustellen, hilfsweise, ihr für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 Sozialhilfe in Höhe von 3.282,49 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs habe die Klägerin keinen Anspruch auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 bzw. auf Freistellung von Erstattungsansprüchen der Beigeladenen für diesen Zeitraum. Die Klägerin selbst sei gegenüber der Beigeladenen verpflichtet gewesen, alle Änderungen ihrer Einkommensverhältnisse, zu denen auch die ab August 1998 unmittelbar an die Klägerin gezahlten Unterhaltsleistungen des Ehemannes gezählt hätten, anzuzeigen. Ein Beratungsfehler könne ihm nicht vorgehalten werden. Unterhaltszahlungen seien – entgegen den Ausführungen der 8. Kammer im Sozialgerichtstermin vom 21.11.2003 im Verfahren S 0 AL 00/00 sowie den Entscheidungsgründen im Urteil vom 16.04.2004 – sowohl bedarfsmindernd auf die Alhi als auch bedarfsmindernd auf die Sozialhilfe anzurechnen. Noch im April 1999 habe die Klägerin gegenüber der Beigeladenen eigene Einnahmen verneint; erst im September 2000 seien der Beigeladenen durch die Klägerin erstmals die seit Jahren titulierten Unterhaltsansprüche bekanntgegeben worden.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie meint, nicht der Beklagte, sondern die Klägerin sei verpflichtet gewesen, ihr gegenüber alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen und zutreffende Angaben in Anträgen zu machen; dies habe die Klägerin unterlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beigeladenen (Stamm-Nr. 000000) und der Gerichtsakte S 0 AL 00/00, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Der Geltendmachung eines Anspruchs auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 durch die Klägerin steht nicht entgegen, dass sie in der Sitzung der 8. Kammer des Sozialgerichts Aachen am 00.00.0000 im Verfahren S 0 AL 00/00 erklärt hat: "Hiermit trete ich den Nachzahlungsanspruch gegen das Sozialamt für die Zeit vom 01.07.1998 bis zum 03.04.2000 an die Beklagte ab." Diese Erklärung ist unwirksam, da Sozialhilfeansprüche nicht übertragen werden können (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung; ab 01.01.2005: § 17 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat weder einen Anspruch auf Freistellung von der Forderung der Beigeladenen ihr gegenüber gemäß Bescheid vom 21.06.2005 noch auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 in Höhe von 3.282,49 EUR.
Für den geltend gemachten Freistellungsanspruch ist eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich. Unabhängig davon wäre ein solcher Anspruch nur denkbar, wenn die Klägerin einen Anspruch auf Sozialhilfe für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 in Höhe von 3.282,49 EUR hätte, den sie mit dem Hilfsantrag geltend macht. Dieser Anspruch besteht jedoch nicht.
Da Beginn und Ende des geltend gemachten Anspruchs vor 2005 liegen, bestimmt sich der Anspruch nach den Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden BSHG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 setzt Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Zwar war dem Beklagten ein (ergänzender) Sozialhilfebedarf von Dezember 1994 bis Januar 1999 jeweils zeitnah bekannt, nicht jedoch für den hier streitbefangenen Zeitraum vom Februar 1999 bis April 2000. Die Eigenart der Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt, wie sie die Klägerin bis Januar 1999 bezogen hat, besteht darin, Hilfe zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu leisten; sie ist keine rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter. Dementsprechend wird sie regelmäßig nicht durch einen Dauerverwaltungsakt bewilligt; ein Sozialhilfefall ist gleichsam täglich neu regelungsbedürftig (vgl. Rothkegel, Sozialhilferecht, 1. Auflage 2005 Teil I, Kapitel 6 Rn. 1 unter Hinweis auf die ständige Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Dementsprechend hat der Beklagte der Klägerin bis Januar 1999 die Sozialhilfe regelmäßig nur für jeweils einen Monat bewilligt, da sich ihre Verhältnisse, insbesondere wegen der Unterhaltsleistungen in wechselnder Höhe, monatlich änderten. Als die Sozialhilfe zum 01.02.1999 eingestellt wurde, hat die Klägerin danach – bis Mai 2002 – keinen soziallhilferechtlichen Bedarf mehr angemeldet. Der Beklagte hatte auch keine Kenntnis von einem solchen Bedarf; er hätte davon auch nicht wissen müssen, da ihm nicht bekannt war, dass auf die von der Beigeladenen der Klägerin gewährten Alhi die Unterhaltsleistungen des Ehemannes nicht angerechnet wurden. Das Sozialhilferecht wird vom Bedarfsdeckungsgrundsatz und vom Gegenwärtigkeitsprinzip geprägt. Dadurch wird gewährleistet, dass der tatsächliche gegenwärtige sozialhilferechtlich relevante Bedarf eines Leistungsberechtigten vollständig gedeckt wird. Dementsprechend gilt der weitere Grundsatz, dass keine Sozialhilfe für die Vergangenheit gewährt wird (vgl. hierzu ausführlich Rothkegel, a.a.O., Teil I, Kapitel 3 und Kapitel 5 m.w.N.) Da die Sozialhilfe an die Klägerin ab 01.02.1999 mangels sozialhilferechtlichem Bedarf eingestellt worden ist, die Klägerin danach erst wieder im Mai 2002 Sozialhilfe beantragt und erhalten hat und dem Beklagten der von der Klägerin behauptete Sozialhilfebedarf für die Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 auch erst nach Ablauf dieses Zeitraums im Verlauf des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geführten Rechtsstreits bekannt geworden ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Sozialhilfe für den hier streitbefangenen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und dementsprechend auch kein Anspruch auf Freistellung von Alhi-Rückforderungen der Beigeladenen ihr gegenüber aus diesem Zeitraum.
Die Klägerin kann solche Ansprüche auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Es kann dahinstehen, ob dieses von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut überhaupt im Sozialhilferecht Anwendung finden kann (vgl. dazu Rothkegel, a.a.O. Teil IV, Kapitel 3). Denn es sind vorliegend bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des Herstellungsanspruchs nicht erfüllt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des jeweiligen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene, aber unterlassene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Wesentlich ist daher das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers ihm Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses (vgl. für Viele: BSG, Urteil vom 12.07.1998 – 7 RAr 62/88). Verletzt der Leistungsträger eine Nebenpflicht (Beratungspflicht, Auskunftspflicht, Informationspflicht), begründet dies nur dann ein Herstellungsrecht, wenn die Pflichtverletzung wesentliche, d.h. gleichwertige Bedingungen für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts war. Dies ist nicht der Fall, wenn der Anspruchsteller das Ausbleiben der Leistung wissentlich oder fahrlässig gegen sich selbst (mit) verursacht hat (BSG, Urteil vom 06.03.2003 – B 4 RA 38/02 R = SozR 4-2600 § 115 Nr. 1 = BSGE 91,1). Ein von der Klägerin angenommener Beratungsfehler des Beklagten ist nicht ersichtlich. Anders lautende Hinweise des Sozialgerichts vom 21.11.2003 im Verfahren S 8 AL 70/03 verkennen, dass Unterhaltsleistungen des Ehemannes der Klägerin sowohl bedarfsmindernd auf die Alhi als auch bedarfsmindernd auf die Sozialhilfe anzurechnen waren. Wenn der Beklagte dementsprechend die Unterhaltsleistungen und auch die Alhi der Klägerin auf ihren sozialhilferechtlichen Bedarf anrechnete, konnte und durfte er davon ausgehen, dass die Beigeladene Kenntnis von den Unterhaltsleistungen hatte und die Alhi dementsprechend richtig berechnet war. Der Beklagte hatte weder eine Verpflichtung noch Veranlassung, die Beigeladene auf die Unterhaltsleistungen an die Klägerin hinzuweisen. Ebenso wenig hatte sie die Pflicht oder auch nur Veranlassung, die Klägerin auf ihre gegenüber der Beigeladenen bestehenden Mitteilungspflichten hinzuweisen.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass bei zeitnaher Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen im Rahmen der Alhi-Bewilligung am 01.02.1999 die daraus resultierende niedrigere Alhi möglicherweise einen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe begründet hätte. Die Höhe dieses Anspruchs hätte aber nicht zwingend mit dem minderen Alhi-Betrag korrespondieren müssen. So hätten möglicherweise auch andere Faktoren zu einer Minderung oder einem Wegfall des sozialrechtlichen Bedarfs führen können. Allein die Klägerin hat durch ihre – zumindest grob fahrlässig – unrichtigen Angaben gegenüber der Beigeladenen die Falschberechnung und Überzahlung der Alhi in der Zeit vom 01.02.1999 bis 03.04.2000 verursacht. Entgegen der Auffassung der 8. Kammer im Urteil vom 16.04.2004 ist die erkennende Kammer der Auffassung, dass die Klägerin grob fahrlässig Mitteilungspflichten verletzt hat (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X). Denn sie hat aus eindeutigen Hinweisen und dem jeweiligen "Merkblatt für Arbeitslose", die den Anträgen auf Alhi jeweils beigefügt waren bzw. deren Erhalt und Kenntnisnahme sie jeweils durch ihre Unterschrift bestätigt hat, gewusst oder hätte wissen müssen, dass sie der Beigeladenen gegenüber die Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes hätte anzeigen müssen; dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Unterhaltsleistungen häufig in der Höhe wechselten und dies wiederum Auswirkungen auf die Höhe der Alhi gehabt hätte. Wenn die Klägerin trotz dieser Hinweise und Merkblätter in den Alhi-(Weiterbewilligungs-)Anträgen von März 1995, Mai 1996, Mai 1997, April 1998 und April 1999 jeweils die Fragen nach eigenen Einnahmen, d.h. auch Unterhaltsleistungen und -ansprüchen, mit "nein" beantwortet hat, hat sie zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflichten verletzt. Dadurch fehlt es auch für die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründende Kausalität zwischen einer (unterstellten) Nebenpflichtverletzung des Beklagten und der entgangenen Sozialhilfe.
Zuletzt kann die Klägerin den Freistellungsanspruch auch nicht auf § 34 SGB XII (bis 31.12.2004: § 15a BSHG) stützen. Zwar können danach Schulden – hier: die Erstattungsforderung der Beigeladenen gegenüber der Klägerin – zu Lasten der Sozialhilfe übernommen werden, jedoch nur, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe, die Tilgung von Schulden zu ermöglichen (vgl. Rothkegel, a.a.O. Teil III, Kapitel 17 unter Hinweis auf die ständige Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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