L 12 AS 4055/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 4379/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4055/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.07.2006 (S 3 AS 4379/06 ER) wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1977 geborene Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Förderung seines Studiums nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Antragsteller studiert seit dem Sommersemester 2004 an der Fachhochschule E. - Hochschule für Technik - das Fach "Softwaretechnik und Medieninformatik". Zuvor hatte der Antragsteller von Oktober 2000 bis Februar 2004 an der Universität S. Informatik studiert; dieses Studium ist durch Exmatrikulation wegen endgültig nicht bestandener Prüfung am 31.03.2004 beendet worden. Das Studium an der Universität S. war mit Mitteln nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gefördert worden.

Sein Antrag auf Förderung seines neuen Studiums nach dem BAföG ist mit Bescheid vom 14.06.2006 abgelehnt worden, weil für den Wechsel des Studienfachs weder ein wichtiger Grund noch ein unabweisbarer Grund nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG vorgelegen hätten; deswegen ist derzeit ein Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Stuttgart (VG) anhängig.

Am 13.04.2006 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Förderung seines neuen Studiums nach dem SGB II. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit Bescheid vom 09.05.2006 ab, weil die neue Ausbildung des Klägers nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) förderungsfähig sei.

Seinen Widerspruch begründete der Antragsteller damit, dass es sich nicht um ein Zweitstudium handele, weil bei seiner derzeitigen Ausbildung bereits geleistete Fachsemester zum Teil anerkannt würden. Deswegen handele es sich um eine Qualifikation und Spezifikation des anvisierten Ausbildungszieles. Da ihm derzeit keinerlei Leistungen gewährt würden, sei er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und zu Fortführung seines Studiums auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen.

Am 19.06.2006 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Antragsgegnerin. Er befinde sich bereits mit zwei Monatsmieten im Rückstand und benötige dringend Leistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit des Studiums nach dem BAföG komme nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II allenfalls eine Förderung durch die Gewährung eines Darlehens in Betracht. Hierfür sei eine besondere Härte erforderlich, die vorliegend nicht gegeben sei. Die Tatsache, dass bei einem Studienfachwechsel nach dem 4. Fachsemester BAföG-Leistungen abgelehnt werden, stelle keine solche Härte dar. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sei es vor allem Auszubildenden an Hochschulen grundsätzlich zumutbar, durch gelegentliche Nebentätigkeiten einen Verdienst zu erzielen, der zur Deckung des sozialhilferechtlichen Lebensunterhalts ausreiche.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 17.07.2006 abgelehnt (S 3 AS 4379/06 ER). Eine Förderung durch einen Zuschuss scheide aus, weil die Ausbildung dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähig sei. Eine darlehensweise Gewährung setze nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II einen Härtefall voraus, welcher zu verneinen sei. Denn zum einen sei noch nicht abschließend über die Förderung des Studiums nach dem BAföG entschieden. Zum anderen sei der Zwang zur Aufgabe des Studiums gerade die vom Gesetzgeber gewollte Folge des Anspruchsausschlusses nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, weswegen dieser Zwang alleine noch keine besondere Härte darstellen könne.

Der Antragsteller hat gegen diesen Beschluss am 01.08.2006 beim SG Beschwerde eingelegt. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Ansicht des SG sei es ihm aufgrund seiner zeitlichen Beanspruchung durch sein Studium nicht möglich, seinen Lebensunterhalt durch eine Nebentätigkeit zu gewährleisten. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch das VG sei ebenfalls erfolglos geblieben. Inzwischen drohe ihm wegen Rückständen bei seinen Krankenversicherungsbeiträgen die Zwangsexmatrikulation.

Das SG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.08.2006 nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).

Zum Fehlen eines Anordnungsanspruchs wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Begründung in dem angefochtenen Beschluss des SG vom 17.07.2006 Bezug genommen.

Eine Förderung durch einen Zuschuss der Antragsgegnerin ist demnach nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen, weil die Ausbildung des Antragstellers grundsätzlich nach dem BAföG oder nach den §§ 60 bis 62 SGB III förderungsfähig ist, die Förderung indes wegen des bereits zuvor sieben Semester lang an der Universität Stuttgart erfolgten Studiums abgelehnt worden ist (vgl. Landessozialgericht für das Land Niedersachsen, Beschluss vom 08.05.2006 - L 6 AS 136/06 ER -). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 SGB II, nach denen der Absatz 5 der Vorschrift in bestimmten Fällen nicht anzuwenden ist, nach keiner der dort aufgezählten Fallvarianten erfüllt sind.

Für die Entscheidung über eine Förderung nach dem SGB II ist es im Übrigen unerheblich, ob das BAföG-Amt zu Recht eine Förderung wegen des Vorliegens einer Zweitausbildung abgelehnt hat. Wäre die Ablehnung nämlich zu Unrecht aus diesem Grunde erfolgt, läge weiterhin eine Förderungsfähigkeit der Ausbildung des Antragstellers dem Grunde nach im Sinne des BAföG und im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vor.

Auch eine Förderung durch die Gewährung eines Darlehens nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist nicht möglich. Eine "besondere Härte" im Sinne dieser Vorschrift kann nur angenommen werden, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Ein "besonderer" Härtefall liegt demnach erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen lassen. Die Rechtsprechung hat, von diesen Grundsätzen ausgehend, Fallgruppen gebildet, wonach eine besondere Härte insbesondere dann angenommen worden ist, wenn der Abbruch einer sinnvollen Ausbildung drohte, deren Finanzierung bei Beginn der Ausbildung gesichert war (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 02.02.2006 - L 5 B 396/05 ER AS -; mit weiteren Nachweisen).

Vorliegend war indes die Ausbildung des Antragstellers bereits bei ihrem Beginn im Sommersemester 2006 finanziell nicht abgesichert. Der Antragsteller kann sich insofern nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil die einschlägige Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 5 SGB II bereits seit 2005 wirksam ist und er daher wissen konnte, dass Leistungen der Antragsgegnerin für ihn nicht zu erwarten waren. Auch von anderer Seite hatte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zusage einer finanziellen Unterstützung seiner Ausbildung erhalten.

Im Übrigen trägt der Antragsteller selbst vor, sich um eine Arbeit in den Semesterferien kümmern zu wollen, um sein Studium vorerst weiter finanzieren zu können.

Nachdem weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind, war die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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