L 8 U 50/05

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 8 U 38/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 50/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.
Die Frage der Links- oder Rechtshändigkeit ist kein taugliches Kriterium (mehr) bei der MdE-Einstufung. Die althergebrachte seitendifferente Beurteilung der MdE nach Haupt- und Hilfshand (bzw. Gebrauchs- und Hilfshand) ist im Hinblick auf die geän-derten Anforderungen in der Arbeitswelt an mehr Geschicklichkeit und Feinmotorik beider Hände in einem sinnvollen Zusammenspiel nicht mehr zu begründen.

2.
Der Grad der MdE-Einschätzung im Einzelfall kann nur auf in sich widerspruchsfreie medizinische Sachverständigengutachten gestützt werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. April 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zuzuerkennenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

Der am 1936 geborene Kläger war bis einschließlich zum 14. September 1999 als frei praktizierender Tierarzt tätig sowie - zeitlich auch darüber hinaus - als Fleischbeschautierarzt für den Kreis S.-F ... Am 12. August 1999 hatte sich der Kläger bei einer von ihm durchgeführten Fleischbeschau mit dem Messer in der rechten Hand in den linken Unterarm gestochen. Dabei war es zu einer Durchtrennung mehrerer Beugesehnen gekommen.

Der Kläger erhielt seit dem 24. September 1999 bis einschließlich dem 7. Februar 2001 Verletztengeld.

Da nach den zwischenzeitlich von den Dres. T /H , F , erhobenen ärztlichen Befunde mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit beim Kläger nicht zu rechnen war, ließ die Beklagte ein Erstes Rentengutachten erstellen. In ihrem Gutachten vom 14. März 2001 kommen die Dres. T und H , Hand- und Plastische Chirurgie, zu dem Ergebnis, durch den Arbeitsunfall sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 40 v. H. eingetreten. Weiter heißt es in jenem Gutachten, die angegebene MdE von 40 % sei ein Dauerschaden. Diese umfasse die posttraumatische mechanische Funktionsstörung wie auch die neurologische Störung.

Die Beklagte holte von Dr. B , Facharzt für Orthopädie, ein ergänzendes Gutachten ein. In seiner Stellungnahme nach Aktenlage kam Dr. B zu dem Ergebnis, die neurologische MdE sei mit 30 % einzuschätzen, die traumatologische MdE mit unter 10 %.

Die Beklagte erkannte durch Bescheid vom 24. September 2001 den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 % ab dem 8. Februar 2001.

Zur Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit ließ die Beklagte ein Zweites Rentengutachten erstellen. Prof. Dr. P , Arzt für Chirurgie - Plastische Chirurgie, sowie die Dres. P und W kamen in ihrem Gutachten vom 10. Mai 2002 zu dem Ergebnis, nach Rücksprache mit dem neurologischen Zusatzbegutachter werde die Erwerbsfähigkeit auf neurologischem, einschließlich handchirurgischem Fachgebiet mit 20 v. H. angenommen. Nach Ablauf von drei Jahren sei mit keiner wesentlichen Verbesserung der Unfallfolgen zu rechnen. In dem auf Veranlassung des handchirurgischen Gutachters, Dr. W , erstatteten neurologischen Zusatzgutachten durch Dr. H , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 10. Mai 2002 war u. a. festgestellt worden, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die auf neurologischem Fachgebiet verbliebenen Unfallfolgen um 20 v. H. herabgesetzt werde.

Durch Bescheid vom 24. Juni 2002 stellte die Beklagte für den Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit ab dem 1. Juli 2002 nach einer MdE von 20 v. H. fest. Zur Begründung führte sie an, als Folgen des Arbeitsunfalls würden anerkannt:

Sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen im Versorgungsgebiet des Nervus medianus an der linken Hand, unvollständiger Faustschluss für den Zeigefinger links sowie Einschränkung der Streckfähigkeit der Langfingermittelgelenke der linken Hand, Verschmächtigung der linksseitigen Daumenballenmuskulatur und der Muskulatur von Zeige-, Mittel- und Ringfinger der linken Hand mit Kraftminderung sowie Regulationsstörung der Hauttemperatur der linken Hand nach operativ versorgter Stichverletzung des linken Unterarmes mit Durchtrennung mehrerer Sehnen der Fingerbeuger sowie des Nervus medianus.

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. P und den Dres. P und W , die nach nochmaliger Prüfung des Rentengutachtens weiterhin an einer MdE von 20 v. H. festgehalten hatten, durch Bescheid vom 16. Mai 2003 zurück. Zur Begründung hieß es darin im Wesentlichen, die Höhe der MdE drücke aus, inwieweit der Verletzte durch diese Einbußen eingeschränkt sei, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu übernehmen. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit nach der vorläufigen Entschädigung seien die Folgen des Versicherungsunfalls unabhängig von früheren Beurteilungen allein nach dem gegenwärtigen Zustand zu bewerten. Des Nachweises einer Änderung bedürfe es - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht. Unter Berücksichtigung der eingeholten medizinischen Gutachten sowie der rund 2 1/2 Jahre nach der Verletzung eingetretenen Reinnervation rechtfertigten die funktionellen feststellbaren Einbußen nur noch die Zuerkennung einer MdE von 20 v. H. Die Beschwerden des Klägers hätten dabei vollumfänglich Berücksichtigung gefunden.

Der Kläger hat am 27. Mai 2003 beim Sozialgericht Schleswig Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die von der Beklagten angenommene Reinnervation nicht festzustellen sei. Tatsächlich verhalte es sich so, dass beim Röntgenbefund nunmehr eine Kalksalzminderung an der linken Hand festgestellt worden sei, die zuvor nicht bestanden gehabt habe. Die Unfallfolgen rechtfertigten somit auch weiterhin die Zuerkennung einer MdE von 30 v. H. Im Hinblick auf die weiterhin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei zumindest eine Rente auf der Grundlage einer MdE von 25 v. H. zu gewähren.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2003 zu ändern und ihm - dem Kläger - ab dem 1. Juli 2002 Rente nach einer MdE von 25 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Orthopäden S vom 1. Dezember 2003 und ein Gutachten des Neurologen Dr. K vom 9. Juni 2004 sowie dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahmen vom 24. September 2004 und vom 18. Januar 2005 eingeholt. Seitens der Beklagten ist eine schriftliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. Ha vom 12. November 2004 eingereicht worden. In der mündlichen Verhandlung am 11. April 2005 hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. K. In jenem Termin war auch der von der Beklagten beteiligte Dr. Ha anwesend.

Durch Urteil vom 11. April 2005 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2003 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Juni 2002 Rente nach einer MdE von 25 v. H. zu gewähren. Das Gericht ist auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. K zu der Überzeugung gelangt, die linksseitige Medianusparese unter Voraussetzung der Linkshändigkeit des Klägers bei inkompletter, aber funktionell bedeutsamer Läsion sei mit einer MdE von 25 v. H. zu bewerten.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Mai 2005 zugestellte Urteil am 3. Juni 2005 Berufung eingelegt, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, das angefochtene Urteil, das maßgeblich auf die Auffassung des Gutachtens des Terminssachverständigen gestützt werde, halte einer rechtlichen und medizinischen Nachprüfung nicht stand. Der Terminssachverständige in erster Instanz habe die von ihm eingeschätzte MdE in Höhe von 25 v.H. damit begründet, dass es sich bei der verletzten Hand des Klägers um die Gebrauchshand handele, so dass eine Abweichung von den tabellarischen Einschätzungen für eine periphere Nervenläsion durchaus möglich sei. Bei der Beurteilung der Höhe der MdE an den oberen Gliedmaßen werde jedoch nicht mehr auf eine seitendifferente Beurteilung nach Haupt- und Hilfshand abgestellt. Das werde auch in der Literatur bestätigt, wonach nunmehr eine gleiche Bewertung der funktionellen Einschränkung der Hilfs- wie auch der Gebrauchshand vorgenommen werde und zwar aus der Erwägung heraus, dass heute im allgemeinen Arbeitsleben der Versicherte auf das Benutzen beider Hände stärker angewiesen sei als früher. Der Wandel in der Arbeitswelt erfordere zudem zunehmend Geschicklichkeit und Feinmotorik beider Hände in einem sinnvollen Zusammenspiel. Schließlich würden viele Tätigkeiten wechselnd links wie rechts ausgeführt. Eine solche Gleichbewertung werde nicht nur in den meisten anderen europäischen Ländern praktiziert, eine solche MdE-Empfehlung nach Handverletzungen sei auch durch den Hauptverband der Berufsgenossenschaften mit Rundschreiben 06/1997 vom 7. März 1997 und vom damaligen Bundesverband der Unfallkassen mit Rundschreiben 23/1997 vom 2. April 1997 übernommen worden; sie entsprächen seit dieser Zeit der ständigen Rechtsübung. Beim Kläger lägen die typischen funktionellen Einschränkungen vor, die nicht einer vollständigen Medianusparese entsprächen. Besonderheiten, die eine MdE-Einstufung von mehr als 20 v. H. rechtfertigen würden, seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Gründe des erstinstanzlichen Urteils für zutreffend und weist darauf hin, in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht habe der Terminssachverständige ausführlich seine Auffassung erläutert und für alle Beteiligten - bis auf den Beklagtenvertreter - nachvollziehbar deutlich gemacht, dass es ein Unterschied sei, ob es sich um eine Verletzung der Haupt- oder Hilfshand handele. Zudem sei eindrucksvoll nachgewiesen worden, dass immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen seien und nicht lediglich eine pauschale Betrachtungsweise vorgenommen werden könnte. Eine Teilparese könne im Einzelfall gleichzusetzen sein mit den Auswirkungen, die ein vollständiger Ausfall des Nervus medianus nach sich ziehe. So verhalte es sich in seinem - des Klägers - Fall.

Das Gericht hat eine weitere ergänzende schriftliche Stellungnahme des Neurologen Dr. K vom 23. Dezember 2005 eingeholt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Einzelrichterin anstelle des Senats einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die wegen der diesbezüglichen Einverständniserklärungen der Beteiligten ohne (erneute) mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 124 Abs. 2 i.V.m. 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden kann, ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. April 2005 mit seiner Annahme einer linksseitigen Medianusparese unter Voraussetzung der Linkshändigkeit des Klägers bei inkompletter, aber funktionell bedeutsamer Läsion - gestützt auf das Gutachten von Dr. K - und der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Rente nach einer MdE von 25 v. H. ab dem 1. Juni 2002 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand; es ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebentes Buch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Rente richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII nach der Minderung der Erwerbsfähigkeit und nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte, von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Nach § 56 Abs. 3 SGB VII wird bei vollständigem Verlust der Erwerbsfähigkeit eine Vollrente geleistet. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet, die in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht, festgesetzt wird.

Nach § 62 Abs. 1 SGB VII soll der Unfallversicherungsträger während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden. Nach Absatz 2 dieser Norm wird spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften hat die Beklagte zu Recht auf der Grundlage der von ihr anerkannten Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. August 1999 für den Kläger ab dem 8. Februar 2001 eine Rente nach einer MdE von 30 v. H. und ab dem 1. Juli 2002 eine solche in Höhe von 20 v. H. festgesetzt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte höhere Rente ab dem 1. Juli 2002.

Das Gericht ist nach Auswertung aller in den Verwaltungs- wie auch Gerichtsakten vorliegenden medizinischen Gutachten und Stellungnahmen sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten davon überzeugt, dass ein Grad von 20 v. H. seit dem 1. Juli 2002 den Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Kläger zutreffend widerspiegelt, nicht aber ein darüber hinausgehender Prozentsatz.

Das ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem: Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2003 zutreffend ausgeführt, die Beeinträchtigungen der linken Hand begründeten rund 2 1/2 Jahre nach der Verletzung mit einer eingetretenen Reinnervation lediglich die MdE von 20 v. H. Sie hat sich dabei im Wesentlichen auf die Erkenntnisse von Prof. Dr. P und Dr. H gestützt. Dem folgt das erkennende Gericht und zwar insbesondere hinsichtlich der dort festgelegten Festsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf neurologischem einschließlich handchirurgischem Fachgebiet in Höhe von 20 v. H.

Prof. Dr. P hat in seinem zweiten Rentengutachten zur erstmaligen Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit vom 10. Mai 2002 zusammenfassend folgende noch bestehende Unfallfolgen zugrunde gelegt: Erhebliche Gefühlsstörung von linkem Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und radialem Ringfinger; Kraftminderung der linken Hand; unvollständiger Faustschluss für den Zeigefinger links sowie für die Streckung der Langfinger in den Mittelgelenken; erhebliche Kälteempfindlichkeit der linken Hand; eine 9 cm lange, S förmig verlaufende Narbe im Bereich des distalen Unterarmes; die radiologischen Veränderungen sowie die subjektiv beklagten Beschwerden des Klägers. Hinsichtlich der Bewegungsausmaße ist in jenem Gutachten u. a. ausgeführt worden, die primären Greifformen Spitz- und Schlüsselgriff seien beiderseits vollständig erhalten, ebenso könne der Flaschen-, Haken- und Grobgriff ausgeführt werden. In dem neurologischen Zusatzgutachten (ebenfalls vom 10. Mai 2002) hat Dr. H angegeben, als nach der beim Unfallereignis vom 12. August 1999 im Bereich des körperfernen Unterarmes links unter anderem auch eingetretenen Verletzung des Mittelnerven seien bei dem Kläger als Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet verblieben: Sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen im Versorgungsgebiet des Mittelnerven an der linken Hand, eine Verschmächtigung der linksseitigen Daumenballenmuskulatur, eine Kraftminderung bei der Daumengegenüberstellung und der Daumenabspreizung im rechten Winkel zur Handebene links, eine leichte Verschmälerung von Zeige-, Mittel- und Ringfinger der linken Hand und eine etwas verstärkte Längsrillung und Wölbung der Nägel der drei genannten Finger sowie eine Regulationsstörung der Hauttemperatur der linken Hand. Im Zusammenhang mit den elektroneurografischen Befunden ist u. a. hervorgehoben, in Anbetracht des Ausmaßes der primären Verletzung (komplette Durchtrennung) sei von einer deutlichen Erholung des Nerven auszugehen; zu einer vollständigen Wiederherstellung seiner Funktionen sei es aber nicht gekommen. Die seinerzeit bei den vorgenannten Gutachtern vom Kläger subjektiv beklagten Beschwerden hat dieser anlässlich der Begutachtung durch Dr. K im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren wiederholt. Unter Zugrundelegung der Untersuchungsergebnisse der Vorgutachter sowie der eigenen Untersuchungsbefunde ist Dr. K zu dem Ergebnis gelangt, dass als Folgen aus dem Unfall vom 12. August 1999 beim Kläger eine inkomplette kombinierte motorische und sensible Läsion des linken Nervus medianus vorliege. Die operative Maßnahme am Unfalltage mit Primärnaht nach Durchtrennung des linken Nervus medianus habe in der Folgezeit zu einer gewissen, aber inkompletten Reinnavation geführt, so dass eingeschränkte Funktionen in Bezug auf die Adduktion und Opposition des linken Daumens und auf die Beugefähigkeit des Zeige- und Mittelfingers eingetreten sei. Die feinmotorischen Defizite seien bei Faustschluss, aber auch bei komplexen Greifbewegungen der linken Hand aufgrund der Einsetzbarkeit auch des linken Daumens eingeschränkt. Die herabgesetzte epikritische Sensibilität an Daumen, Zeige- und Mittelfinger ergebe ebenfalls eine Behinderung, die sich in feinmotorischen Abläufen bemerkbar mache. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Erkenntnissen, zu denen auch bereits Prof. Dr. P und Dr. H gelangt waren, ebenso der im erstinstanzlichen Verfahren neben Dr. K als Sachverständige herangezogene Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie, S.

Während Prof. Dr. P ebenso wie der Sachverständige S unter Einbeziehung der neurologischen Zusatzbegutachtung eine Gesamt-MdE mit 20 v. H. bewertet hat, hat der Sachverständige Dr. K hingegen in seinem Gutachten vom 9. Juni 2004 maßgeblich darauf abgestellt, es sei bei der Einstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen zu berücksichtigen, dass der Kläger sich "nachvollziehbar als Linkshänder" schildere. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24. September 2004 hat der Sachverständige Dr. K ergänzend ausgeführt: "Im Falle des Dr. Sa aufgrund der überwiegenden Linkshändigkeit sehe ich es hier doch für belangvoll an, nach Haupt- und Hilfshand zu differenzieren. Hinzu kommt, dass die Greiffunktion im Bereich der linken Hand deutlich eingeschränkt ist, was wiederum die von mir vorgenommene Einstufung gerechtfertigt. Die von der Unfallkasse angegebenen Bewertungsmaßstäbe mögen für den "typischen Fall" repräsentativ sein, vom Gutachter wird aber stets eine sorgfältige Einschätzung des Einzelfalles unter den geschilderten Bedingungen vorgenommen." Belegt hat der Sachverständige seine Einschätzung mit Bewertungstabellen zur MdE bei Rauschelbach und Jochheim (Das neurologische Gutachten, 3. Aufl., 1997, S. 57). Dort findet sich eine Zusammenstellung der MdE-Bewertungen für die einzelnen Nerven, hierbei differenziert zwischen rechts und links.

Auf gerichtliche Nachfrage seitens des Sozialgerichts hat der Sachverständige Dr. K im Schreiben vom 18. Januar 2005 nochmals betont, die Begründung für die vorgenommene Einschätzung einer MdE in Höhe von 25 v. H. beziehe sich in diesem Fall auf die faktische motorische Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand des Klägers bei Linkshändigkeit. Insofern sei eine Abweichung von den tabellarischen Einschätzungen für periphere Nervenläsionen durchaus möglich. Auch das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil vom 11. April 2005 entscheidend auf die Linkshändigkeit des Klägers abgestellt und aus diesem besonderen Umstand des Einzelfalles die MdE mit 25 v. H. eingeschätzt. Diesen Ansatz teilt das erkennende Gericht nicht.

Es spricht bereits Überwiegendes dafür, den Kläger nicht als Linkshänder einzustufen. Das ergibt sich aus Folgendem: Der Kläger schreibt nach eigenem Bekunden rechts (so seine Angaben gegenüber Prof. Dr. P anlässlich der Untersuchung am 24. April 2002; das belegen auch diverse in der Verwaltungsakte befindliche, z. T. unmittelbar nach dem Unfall erstellte handschriftlich gefertigte Schreiben des Klägers an die Beklagte). Er hat nach eigenen Angaben gegenüber Prof. Dr. P - früher die meisten Tätigkeiten mit links ausgeübt. Zur Zeit des Unfalls dürfte das schon nicht mehr so gewesen sein; denn die hier relevante Verletzung am linken Unterarm ist dadurch zustande gekommen, dass der Kläger sich bei der Fleischbeschau mit dem Messer in der rechten Hand in den linken Unterarm gestochen hat. Wie Dr. T in seinem Zwischenbericht vom 6. September 2000 ausgeführt hat, ist die Arbeit als Fleischbeschau-Tierarzt beidhändig. Der Fleischbeschauer müsse mit der einen Hand Gewebeproben fassen, mit der anderen diese aus dem zu untersuchenden Gewebe mit einem scharfen Messer heraustrennen. Die feinmotorische Bewegung (Führung des scharfen Messers) ist somit vom Kläger am Unfalltag mit der rechten Hand ausgeübt worden.

Doch selbst wenn man angesichts dieser Sachlage den Kläger gleichwohl noch als möglicherweise "verkappten Linkshänder" einstufen wollte, so lägen die Voraussetzungen für eine Bewertung der MdE durch die inkomplette kombinierte motorische und sensible Läsion des linken Nervus medianus im unteren Teil des Arms in Höhe von 25 v. H. nicht vor.

Die Frage der Links- oder Rechtshändigkeit ist - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - kein taugliches Kriterium (mehr) bei der MdE-Einstufung. Die althergebrachte seitendifferente Beurteilung der MdE nach Haupt- und Hilfshand (bzw. Gebrauchs- und Hilfshand) ist nicht mehr zu begründen. Im Hinblick auf die geänderten Anforderungen in der Arbeitswelt an mehr Geschicklichkeit und Feinmotorik beider Hände in einem sinnvollen Zusammenspiel erscheint die Gleichbewertung der Funktionalität beider Hände als gerechtfertigt. Daher ist die MdE bezüglich der Beeinträchtigung der Hilfshand in Höhe derjenigen für die Haupt-/Gebrauchshand zu bewerten; denn im allgemeinen Arbeitsleben ist der Versicherte nunmehr auf das Benutzen beider Hände stärker angewiesen als früher (z. B. Computertastatur). Schließlich werden viele Tätigkeiten wechselnd links wie rechts ausgeführt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., Rn. 8.7.3, S. 615; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang 12, Rn. 17.3, S. J 026; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Rn. 500, S. 35). Zutreffend hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass diese MdE-Empfehlungen nach Handverletzungen auch durch den Hauptverband der Berufsgenossenschaften mit Rundschreiben 06/1997 vom 7. März 1997 und vom damaligen BAGOV (heute BUK = Bundesverband der Unfallkassen) mit Rundschreiben 23/1997 vom 2. April 1997 übernommen und seither ständige Rechtsübung ist.

Zur Überzeugung des Gerichts liegt beim Kläger eine Teilparese des Nervus medianus im Unterarmbereich vor mit funktionellen Einschränkungen, die nicht einer vollständigen Medianusparese entsprechen. Dass kein vollständiger Ausfall des betroffenen Nervs als Unfallfolge verblieben ist, hat die Begutachtung aller in diesem Verfahren eingeschalteten Ärzte ergeben. Somit ist die MdE geringer als bei einem vollständigen Ausfall einzuschätzen. In der Literatur wird der MdE-Erfahrungswert für den vollständigen Ausfall des Nervus medianus im Unterarmbereich mit 25 v. H. angegeben. Teillähmungen (Paresen) sind geringer zu bemessen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Rn. 5.6, S. 320; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Anhang 12, Rn. 17.3, S. J 027; Buchardt in: Brackmann, Gesetzliche Unfallversicherung, Loseblattsammlung, Anhang zu § 56, Rn. 17.3). Im vorliegenden Fall ist daher eine Einschätzung der MdE mit 20 v. H. sachgerecht. Dem stehen auch nicht die auf entsprechende gerichtliche Nachfragen im Berufungsverfahren ergangenen ergänzenden schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. K vom 18. August 2005 und 23. Dezember 2005 entgegen.

Dr. K hat sich auf die Ausführungen in seinem Gutachten vom 9. Juni 2004 bezogen (Stellungnahme vom 18. August 2005) und betont, für die Einschätzung der Unfallfolgen sei die faktische Beeinträchtigung der entscheidende Gesichtspunkt, diese habe er in seinem Gutachten beschrieben und die Abweichung von den tabellarischen Richtlinien begründet. In jenem Gutachten war aber gerade - wie oben bereits ausgeführt - die faktische motorische Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand des Klägers bei Linkshändigkeit zur Begründung der Abweichung von den tabellarischen Erfahrungswerten für periphere Nervenläsionen herangezogen worden. Die Ausführungen vom 23. Dezember 2005 legen ebenfalls nicht überzeugend dar, dass hier aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles eine MdE-Einschätzung in Höhe von 25 v. H. (statt 20 v. H) gerechtfertigt wäre. Zunächst wird wiederum auf die im Bereich der linken Hand aufgrund der Unfallfolgen eingetretene Funktionsbeeinträchtigung abgestellt und sodann im Hinblick auf die seinerzeit festgestellten Bewegungseinschränkungen sowie das Ausmaß der Narbe und das Gewebe in deren Umgebung ausgeführt:

"Damit ist ein Sachverhalt gegeben, der ungünstiger zu bewerten ist als die "übliche" Teilparese des Nervus medianus, die unter Hinweis auf die Angaben bei Schönberger/ Mertenz/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, angegeben wird. In den Tabellen wird logischerweise von einer für den jeweiligen Sachverhalt "durchschnittlichen" Beeinträchtigung ausgegangen. Die eingeschränkte Beugefähigkeit der genannten Finger geht hier über das Maß des sozusagen "durchschnittlichen" Falles einer inkompletten Parese des Nervus medianus hinaus. Dies und nicht die Frage, ob nun Links- oder Rechtshängigkeit vorliegt, ist der entscheidende Gesichtspunkt für meine gutacherliche Einstufung wie durchgeführt."

Damit sind aber Aspekte, aufgrund derer ein Sonderfall angenommen werden könnte, der die Gleichsetzung der MdE beim Kläger mit einer Konstellation rechtfertigen würde, bei der ein vollständiger Ausfall des Nervus medianus im unteren Armbereich vorliegt und bei dem der MdE-Erfahrungswert mit 25 v. H. anzusetzen wäre, nicht benannt worden. Alle vom Sachverständigen Dr. K wiederum benannten Auswirkungen/Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallverletzung waren bereits der Begutachtung vom 9. Juni 2004 zugrunde gelegt worden, die gerade unter besonderer Hervorhebung der Linkshändigkeit des Klägers zu einer MdE-Einschätzung von 25 v. H. geführt hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch das erkennende Gericht nach § 160 Abs. 1, 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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