Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 46 SB 85/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 7/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2005 sowie der Bescheid vom 20. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1998 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, bei dem Kläger eine GdB von 40 ab November 2002 anzuerkennen. Im Übrigen wird die Klage zurück gewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zum Kreis der schwerbehinderten Menschen (Grad der Behinderung – GdB - von wenigstens 50) gehört.
Das V B hatte bei dem 1959 geborenen Kläger zuletzt durch
bestandskräftigen Bescheid vom 28. November 1997 einen GdB von 30 anerkannt, dem folgende Behinderungen mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzelgraden zugrunde lagen:
a) Erneute zweimalige arthroskopische Eingriffe am rechten Kniegelenk (2/1997, 5/1997) bei zweitgradigem Knorpelschaden und Verwachsungen nach früherer Meniskusoperation. ( 30 )
b) chronische Magenschleimhautentzündung ( 10 )
c) Sehbehinderung ( 10 )
Zu seinem im Februar 1998 gestellten Neufeststellungsantrag machte der Kläger eine Schädigung des Kreuzbandes am linken Knie geltend. Das V B lehnte diesen nach Beiziehung eines Entlassungsberichts der Fachklinik B F (Aufenthalt des Klägers vom 21. Januar bis 11. Februar 1998) und Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes durch Bescheid vom 20. Juli 1998 ab; der GdB betrage weiterhin 30. Die Behinderung zu a) wurde nunmehr als "mehrfach operativ behandeltes Kniegelenksleiden beidseits" bezeichnet. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies das LG S B nach Einholung eines Gutachtens von dem Orthopäden J, der das Kniegelenksleiden nunmehr als "mehrfach operativ behandeltes Kniegelenksleiden beiderseits mit erheblicher Funktionseinschränkung links und deutlicher Muskelverschmächtigung links" bezeichnete, jedoch weiterhin mit einem GdB von 30 bewertete, durch Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 1998 zurück.
Das Sozialgericht, bei dem der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgte, holte zunächst einen Befundbericht des behandelnden Chirurgen und eine Auskunft des Universitätsklinikums B F ein. Sodann wurde (nach dem Umzug des Klägers nach C) die Ärztin für Orthopädie Dr. D zur medizinischen Sachverständigen ernannt. Diese führte in dem Gutachten vom 15. März 2000 aus, es bestehe eine deutliche Funktions(bewegungs)-beeinträchtigung des linken Femoropatellargelenkes, wobei die Kniescheibe fast völlig mit dem Kniegelenk verbacken sei. Außerdem bestehe eine deutliche Muskelschwäche des Oberschenkels. Insgesamt seien diese Behinderungen als Bewegungseinschränkungen stärkeren Grades am linken Kniegelenk zu bezeichnen. Die Beschwerden im rechten Kniegelenk könnten vernachlässigt werden, da hier eine freie Beweglichkeit bestehe. Der von dem Beklagten zuletzt anerkannte GdB sei nach wie vor gültig.
Auf Antrag des Klägers wurde sodann gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 24.August 2001 von der Orthopädin Dipl. Med. P eingeholt. Die Ärztin bewertete die Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk ebenfalls mit 30. Damit sei auch der Gesamt-GdB weiterhin zutreffend zu bemessen.
Durch Urteil vom 11. November 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, weil seit dem Erlass des Bescheides vom 28. November 1997 keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Bewegungseinschränkungen im linken Kniegelenk seien entsprechend den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 1996 (AHP 96) nach den ärztlichen Feststellungen mit einem GdB von 30 (AHP 96, Nr. 26.18 S. 151 f) zutreffend bewertet. Weitere ins Gewicht fallende Behinderungen seien nicht festgestellt worden.
Gegen das am 23. Dezember 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 21. Januar 2003. Er macht geltend, bei einer Operation am 27. November 2002 sei die linke Kniescheibe operativ entfernt worden. Dadurch sei es zu einer weiteren Bewegungseinschränkung des Kniegelenks (nunmehr 0-0-50) gekommen. Hierzu legte er einen Arztbrief über eine Patellektomie im Universitätsklinikum L vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2002 aufzuheben, den Bescheid vom 20. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 1998 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihn als schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik D ( ) über ein in der Zeit vom 09. Juli bis 06. August 2003 durchgeführtes Heilverfahren beigezogen und einen Befundbericht des Orthopäden Dr. P vom 28. Februar 2004 angefordert.
Auf Antrag des Klägers ist sodann gem. § 109 SGG der Arzt für Chirurgie Dr. M zum medizinischen Sachverständigen ernannt worden. Dieser stellte in dem Gutachten vom 17. Januar 2005 bei dem Kläger einen komplexen Kniebinnenschaden links nach mehrfachen operativen Eingriffen und Kreuzbandplastik und Entfernung der Kniescheibe, muskulär nicht mehr vollständig kompensierbare Kniegelenkinstabilität links, Verschleißerkrankung des rechten Kniegelenks nach vollständiger Außenmeniskusentfernung rechts fest. Die Streckung – Beugung der Kniegelenke gab er mit 0-0-130 (rechts) und mit 0-5-60 (links) an. Am linken Kniegelenk bestehe ein komplexer Schaden, der in den Einzelheiten, wie sie beim Kläger vorlägen, in den Anhaltspunkten nicht aufgeführt sei. Hier seien vor allen Dingen die nicht mehr kompensierbare Kniegelenksinstabilität, das Fehlen der Kniescheibe, die erhebliche Reduktion der Bemuskelung der linken unteren Extremität mit konsekutiver Geh- und Stehunsicherheit sowie die hochgradige Verschleißerkrankung der noch vorhandenen artikulierenden Gelenkflächen und das erhebliche Bewegungsdefizit zu bewerten. Dafür sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Dieser Wert sei auch als Gesamt-GdB angemessen. Dieser Zustand bestehe seit November 2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten des Beklagten verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist teilweise begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, bei dem Kläger einen GdB von 40 festzustellen. Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Nach §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 des ab 01. Juli 2001 geltenden Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX), sind die Auswirkungen der länger als 6 Monate anhaltenden Gesundheitsstörungen nach 10er-Graden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte, nunmehr in der Fassung von 2004 (AHP 04), zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Qualität gelten.
Zunächst ist festzustellen, dass das Urteil des Sozialgerichts zum Zeitpunkt seiner Verkündung zutreffend war. Das Sozialgericht hat insbesondere die im Vordergrund stehenden Funktionsstörungen im linken Kniegelenk anhand der vorliegenden ärztlichen Aussagen und unter Heranziehung der AHP 96 zutreffend gewürdigt. Auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil wird insoweit Bezug genommen.
Eine ins Gewicht fallende Verschlechterung ist erst als Folge der am 27. November 2002 vorgenommenen Patellektomie eingetreten. Dies ist den vorliegenden medizinischen Gutachten und insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M zu entnehmen. Während die vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen die Kniebeweglichkeit links mit 0-5-90 (Dr. D) bzw. – normgerecht – mit 0-0-120 (Dipl. med. P) angegeben haben, differieren die übrigen dem Sozialgericht mitgeteilten Maße je nach dem Datum der Messungen und dem Stand der Behandlungsmaßnahmen, haben jedoch nie einen höheren GdB als 30 gerechtfertigt. Dr. M hat die Streckung/Beugung des betroffenen Kniegelenks dem gegenüber nach der Operation im November 2002 mit 0-5-60 angegeben, was eine offenkundige Verschlechterung bedeutet. Zusätzlich hat der Sachverständige das Gangbild als deutlich gestört und das Schrittmaß als kurzschrittig bezeichnet. Weiterhin wurde eine Geh- und Stehunsicherheit bescheinigt. Diese Verschlechterung der Funktionseinbuße rechtfertigt eine Anhebung des GdB auf 40. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines höheren GdB von 50, die Dr. M befürwortet hatte, woran der Senat aber nicht gebunden ist, da es sich bei der Festsetzung des GdB um eine Rechtsfrage handelt, über die das Gericht nach den Vorgaben des Gesetzes und der Anhaltspunkte zu entscheiden hat, kann dagegen nicht ausgesprochen werden. Die AHP 04 differenzieren in Nr. 26.18, S. 126 (gleichlautend AHP 96, Nr. 26.18, S. 151 f.) bei der Festlegung des GdB für Einschränkungen geringen, mittleren und stärkeren Grades zwischen einer einseitigen und einer beidseitigen Störung, die jeweils deutlich höher bewertet wird. Diese Unterscheidung ist nachvollziehbar, weil eine Bewegungseinschränkung beider Beine offenkundig die Funktionalität deutlich stärker belastet, als dies bei einer einseitigen der Fall ist. Einschränkungen stärkeren Grades werden mit Bewegungsausmaßen für Streckung/Beugung von 0-30-90 einseitig mit einem GdB von 30 und beidseitig mit einem solchen von 50 bewertet. Dementsprechend wird die – völlige – Versteifung eines Kniegelenks in günstiger Stellung (10°-15°) mit 30, diejenige in ungünstiger Stellung mit 40 – 60 und erst eine Versteifung beider Kniegelenke mit 80 bewertet. Auch diese Differenzierung entspricht dem dargestellten System.
Die Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks des Klägers ist nach den Feststellungen Dr. M zwar mit Werten von 0-5-60 deutlich stärker eingeschränkt, die Beweglichkeit des rechten Knies ist aber mit 0-0-130 normal. Angesichts des Umfanges der Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks ist danach eine Anhebung des GdB auf 40 gerechtfertigt, wegen der verbliebenen Beweglichkeit des rechten Knies ist eine solche auf 50 jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es entspricht der ständigen Rechtssprechung des Senats, das eine Erhöhung des GdB in Folge einer während des Verfahrens eingetretenen Verschlechterung der Funktionalität in der Regel keine Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung nach sich zieht. Dieser Fall liegt hier vor. Das Vergleichsangebot der Beklagten (GdB 40) entspricht im Übrigen der Entscheidung des Senats.
Gründe für Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zum Kreis der schwerbehinderten Menschen (Grad der Behinderung – GdB - von wenigstens 50) gehört.
Das V B hatte bei dem 1959 geborenen Kläger zuletzt durch
bestandskräftigen Bescheid vom 28. November 1997 einen GdB von 30 anerkannt, dem folgende Behinderungen mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzelgraden zugrunde lagen:
a) Erneute zweimalige arthroskopische Eingriffe am rechten Kniegelenk (2/1997, 5/1997) bei zweitgradigem Knorpelschaden und Verwachsungen nach früherer Meniskusoperation. ( 30 )
b) chronische Magenschleimhautentzündung ( 10 )
c) Sehbehinderung ( 10 )
Zu seinem im Februar 1998 gestellten Neufeststellungsantrag machte der Kläger eine Schädigung des Kreuzbandes am linken Knie geltend. Das V B lehnte diesen nach Beiziehung eines Entlassungsberichts der Fachklinik B F (Aufenthalt des Klägers vom 21. Januar bis 11. Februar 1998) und Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes durch Bescheid vom 20. Juli 1998 ab; der GdB betrage weiterhin 30. Die Behinderung zu a) wurde nunmehr als "mehrfach operativ behandeltes Kniegelenksleiden beidseits" bezeichnet. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies das LG S B nach Einholung eines Gutachtens von dem Orthopäden J, der das Kniegelenksleiden nunmehr als "mehrfach operativ behandeltes Kniegelenksleiden beiderseits mit erheblicher Funktionseinschränkung links und deutlicher Muskelverschmächtigung links" bezeichnete, jedoch weiterhin mit einem GdB von 30 bewertete, durch Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 1998 zurück.
Das Sozialgericht, bei dem der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgte, holte zunächst einen Befundbericht des behandelnden Chirurgen und eine Auskunft des Universitätsklinikums B F ein. Sodann wurde (nach dem Umzug des Klägers nach C) die Ärztin für Orthopädie Dr. D zur medizinischen Sachverständigen ernannt. Diese führte in dem Gutachten vom 15. März 2000 aus, es bestehe eine deutliche Funktions(bewegungs)-beeinträchtigung des linken Femoropatellargelenkes, wobei die Kniescheibe fast völlig mit dem Kniegelenk verbacken sei. Außerdem bestehe eine deutliche Muskelschwäche des Oberschenkels. Insgesamt seien diese Behinderungen als Bewegungseinschränkungen stärkeren Grades am linken Kniegelenk zu bezeichnen. Die Beschwerden im rechten Kniegelenk könnten vernachlässigt werden, da hier eine freie Beweglichkeit bestehe. Der von dem Beklagten zuletzt anerkannte GdB sei nach wie vor gültig.
Auf Antrag des Klägers wurde sodann gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 24.August 2001 von der Orthopädin Dipl. Med. P eingeholt. Die Ärztin bewertete die Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk ebenfalls mit 30. Damit sei auch der Gesamt-GdB weiterhin zutreffend zu bemessen.
Durch Urteil vom 11. November 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, weil seit dem Erlass des Bescheides vom 28. November 1997 keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Bewegungseinschränkungen im linken Kniegelenk seien entsprechend den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 1996 (AHP 96) nach den ärztlichen Feststellungen mit einem GdB von 30 (AHP 96, Nr. 26.18 S. 151 f) zutreffend bewertet. Weitere ins Gewicht fallende Behinderungen seien nicht festgestellt worden.
Gegen das am 23. Dezember 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 21. Januar 2003. Er macht geltend, bei einer Operation am 27. November 2002 sei die linke Kniescheibe operativ entfernt worden. Dadurch sei es zu einer weiteren Bewegungseinschränkung des Kniegelenks (nunmehr 0-0-50) gekommen. Hierzu legte er einen Arztbrief über eine Patellektomie im Universitätsklinikum L vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2002 aufzuheben, den Bescheid vom 20. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 1998 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihn als schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik D ( ) über ein in der Zeit vom 09. Juli bis 06. August 2003 durchgeführtes Heilverfahren beigezogen und einen Befundbericht des Orthopäden Dr. P vom 28. Februar 2004 angefordert.
Auf Antrag des Klägers ist sodann gem. § 109 SGG der Arzt für Chirurgie Dr. M zum medizinischen Sachverständigen ernannt worden. Dieser stellte in dem Gutachten vom 17. Januar 2005 bei dem Kläger einen komplexen Kniebinnenschaden links nach mehrfachen operativen Eingriffen und Kreuzbandplastik und Entfernung der Kniescheibe, muskulär nicht mehr vollständig kompensierbare Kniegelenkinstabilität links, Verschleißerkrankung des rechten Kniegelenks nach vollständiger Außenmeniskusentfernung rechts fest. Die Streckung – Beugung der Kniegelenke gab er mit 0-0-130 (rechts) und mit 0-5-60 (links) an. Am linken Kniegelenk bestehe ein komplexer Schaden, der in den Einzelheiten, wie sie beim Kläger vorlägen, in den Anhaltspunkten nicht aufgeführt sei. Hier seien vor allen Dingen die nicht mehr kompensierbare Kniegelenksinstabilität, das Fehlen der Kniescheibe, die erhebliche Reduktion der Bemuskelung der linken unteren Extremität mit konsekutiver Geh- und Stehunsicherheit sowie die hochgradige Verschleißerkrankung der noch vorhandenen artikulierenden Gelenkflächen und das erhebliche Bewegungsdefizit zu bewerten. Dafür sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Dieser Wert sei auch als Gesamt-GdB angemessen. Dieser Zustand bestehe seit November 2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten des Beklagten verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist teilweise begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, bei dem Kläger einen GdB von 40 festzustellen. Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Nach §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 des ab 01. Juli 2001 geltenden Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX), sind die Auswirkungen der länger als 6 Monate anhaltenden Gesundheitsstörungen nach 10er-Graden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz und der vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte, nunmehr in der Fassung von 2004 (AHP 04), zu bewerten, die als antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Qualität gelten.
Zunächst ist festzustellen, dass das Urteil des Sozialgerichts zum Zeitpunkt seiner Verkündung zutreffend war. Das Sozialgericht hat insbesondere die im Vordergrund stehenden Funktionsstörungen im linken Kniegelenk anhand der vorliegenden ärztlichen Aussagen und unter Heranziehung der AHP 96 zutreffend gewürdigt. Auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil wird insoweit Bezug genommen.
Eine ins Gewicht fallende Verschlechterung ist erst als Folge der am 27. November 2002 vorgenommenen Patellektomie eingetreten. Dies ist den vorliegenden medizinischen Gutachten und insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M zu entnehmen. Während die vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen die Kniebeweglichkeit links mit 0-5-90 (Dr. D) bzw. – normgerecht – mit 0-0-120 (Dipl. med. P) angegeben haben, differieren die übrigen dem Sozialgericht mitgeteilten Maße je nach dem Datum der Messungen und dem Stand der Behandlungsmaßnahmen, haben jedoch nie einen höheren GdB als 30 gerechtfertigt. Dr. M hat die Streckung/Beugung des betroffenen Kniegelenks dem gegenüber nach der Operation im November 2002 mit 0-5-60 angegeben, was eine offenkundige Verschlechterung bedeutet. Zusätzlich hat der Sachverständige das Gangbild als deutlich gestört und das Schrittmaß als kurzschrittig bezeichnet. Weiterhin wurde eine Geh- und Stehunsicherheit bescheinigt. Diese Verschlechterung der Funktionseinbuße rechtfertigt eine Anhebung des GdB auf 40. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines höheren GdB von 50, die Dr. M befürwortet hatte, woran der Senat aber nicht gebunden ist, da es sich bei der Festsetzung des GdB um eine Rechtsfrage handelt, über die das Gericht nach den Vorgaben des Gesetzes und der Anhaltspunkte zu entscheiden hat, kann dagegen nicht ausgesprochen werden. Die AHP 04 differenzieren in Nr. 26.18, S. 126 (gleichlautend AHP 96, Nr. 26.18, S. 151 f.) bei der Festlegung des GdB für Einschränkungen geringen, mittleren und stärkeren Grades zwischen einer einseitigen und einer beidseitigen Störung, die jeweils deutlich höher bewertet wird. Diese Unterscheidung ist nachvollziehbar, weil eine Bewegungseinschränkung beider Beine offenkundig die Funktionalität deutlich stärker belastet, als dies bei einer einseitigen der Fall ist. Einschränkungen stärkeren Grades werden mit Bewegungsausmaßen für Streckung/Beugung von 0-30-90 einseitig mit einem GdB von 30 und beidseitig mit einem solchen von 50 bewertet. Dementsprechend wird die – völlige – Versteifung eines Kniegelenks in günstiger Stellung (10°-15°) mit 30, diejenige in ungünstiger Stellung mit 40 – 60 und erst eine Versteifung beider Kniegelenke mit 80 bewertet. Auch diese Differenzierung entspricht dem dargestellten System.
Die Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks des Klägers ist nach den Feststellungen Dr. M zwar mit Werten von 0-5-60 deutlich stärker eingeschränkt, die Beweglichkeit des rechten Knies ist aber mit 0-0-130 normal. Angesichts des Umfanges der Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks ist danach eine Anhebung des GdB auf 40 gerechtfertigt, wegen der verbliebenen Beweglichkeit des rechten Knies ist eine solche auf 50 jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es entspricht der ständigen Rechtssprechung des Senats, das eine Erhöhung des GdB in Folge einer während des Verfahrens eingetretenen Verschlechterung der Funktionalität in der Regel keine Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung nach sich zieht. Dieser Fall liegt hier vor. Das Vergleichsangebot der Beklagten (GdB 40) entspricht im Übrigen der Entscheidung des Senats.
Gründe für Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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