L 18 B 483/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 4532/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 483/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin, die sich sowohl gegen die Ablehnung der – mit der Beschwerdeschrift nochmals im Einzelnen konkretisierten - Regelungsanordnungen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das Sozialgericht (SG) als auch gegen dessen Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren richtet, ist nicht begründet.

Ausgehend davon, dass die Antragstellerin nach dem Inhalt der Beschwerdeschrift ausschließlich eigene Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) geltend macht, besteht für die Zeit bis zum 30. Mai 2006 für den Erlass der begehrten Anordnungen schon deshalb kein Raum, weil es für die Zeit vor dem Eingang des Rechtsschutzantrages bei dem SG an einem Anordnungsgrund im Sinne eines eiligen Regelungsbedürfnisses fehlt; eine Fortwirkung der Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Antragsgegnerin ihre Rückforderung für die Zeit bis zum 30. April 2006 "ruhend" gestellt hat. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Erstausstattung hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. Mai 2005 abgelehnt, ohne dass die Antragstellerin hiergegen Widerspruch eingelegt hätte. Einen diesbezüglichen Überprüfungsantrag, mit dem sich die Antragsgegnerin bereits befasst hätte, hat die Antragstellerin nach ihren Ausführungen in der Beschwerdeschrift bislang nicht gestellt. Der Ablehnungsbescheid ist somit für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl. § 77 SGG). Im Übrigen fordert die Antragsgegnerin die der Antragstellerin bis einschließlich 30. April 2006 gewährten Mehrbedarfszuschläge für werdende Mütter nach § 21 Abs. 2 SGB II derzeit ebenfalls nicht zurück.

Soweit die Antragstellerin Leistungen für die Zeit ab 1. Juni 2006 geltend macht, ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig, weil es an der auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen Vorbefassung der Behörde mit dem Fortzahlungsantrag der Antragstellerin für die Zeit ab dem 1. Juni 2006 bislang fehlt. Indes dürfte es an einem Anordnungsanspruch der Antragstellerin schon deshalb fehlen, weil sie jedenfalls seit dem 1. Februar 2006 in einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II mit dem Vater ihres gemeinsamen Kindes, dessen Geburt nach ihren Angaben am 25. Juli 2006 erwartet wird, lebt und insoweit nicht mehr hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sein dürfte. Vom Bestehen einer im Hinblick auf das erwartete gemeinsame Kind gegründeten und auf Dauer angelegten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist auf Grund der Angaben der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift auszugehen, und zwar unabhängig davon, wie sich die Beziehung zu dem Kindsvater A E (im Folgenden: E.) in der Zukunft möglicherweise entwickelt. Denn maßgebend können nur die aktuellen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts sein. Dass die Antragstellerin und E. erst seit dem 1. Februar 2006 und mithin seit deutlich weniger als einem Jahr in einer gemeinsam angemieteten Wohnung zusammen leben, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dem von der Antragstellerin in Bezug genommenen Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2006 (- L 5 B 1362/05 AS ER -) ist nämlich nur zu entnehmen, dass jedenfalls bei einem Zusammenleben von mindestens einem Jahr die Vermutung des Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft gerechtfertigt ist, nicht hingegen, dass bei einem Zusammenleben von weniger als einem Jahr- wie hier – die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft von vornherein ausscheidet. Ungeachtet dessen, ob der Ablauf einer derartigen Regelfrist für die Annahme des Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft ausreicht (vgl. so die beabsichtigte Einfügung eines Absatzes 3a in § 7 SGB II – Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 9. Mai 2006 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 31. Mai 2006 – BT-Drucks 16/1410 und 16/1996 -), bleibt somit in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine gegenseitige Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft (vgl. BVerfGE 87, 234 ff.) vorliegt, für die im Falle der Antragstellerin und des E. vor allem die Sorge für das erwartete gemeinsame Kind spricht (vgl. den neuen Vermutungstatbestand in § 7 Abs. 3a SGB II im o.g. Gesetzentwurf).

Bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kindsvater und dessen im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn D K gemäß § 7 Abs. 3 SGB II und einem monatlichen Nettoentgelt des E. von 1.663,04 EUR (Mai 2006) ist aber nicht von einer Bedürftigkeit der Antragstellerin auszugehen – wie sie im Übrigen auch selbst einräumt (vgl. die von der Antragstellerin eingereichten Berechnungsunterlagen für den Monat Juni 2006 – Anlage 8 der Beschwerdeschrift). Denn das verfügbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft übersteigt deren Bedarf. Jedenfalls ergibt sich kein Restbedarf, der im Sinne eines eiligen Regelungsbedürfnisses den Erlass einer Regelungsanordnung – so sie denn zulässig beantragt worden wäre – gerechtfertigt hätte, und zwar auch nicht im Hinblick auf die von der Antragstellerin bezifferten Kosten einer freiwilligen Weiterversicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse in Höhe von monatlich 131,89 EUR. Denn die Unterhaltszahlungen des E. an sein nicht im gemeinsamen Haushalt lebendes Kind D K in Höhe von 247,- EUR (vgl. Abänderungsurkunde des Bezirksamtes S von B vom 11. Mai 2006) können von dessen Einkommen nach § 11 Abs. 2 SGB II nicht abgesetzt werden. Dem Unterhaltsschuldner ist nämlich nur zuzumuten, Zahlungen soweit zu erbringen, dass kein SGB II-Bedarf bei ihm bzw. der Bedarfsgemeinschaft eintritt (vgl. zur Arbeitslosenhilfe: BSG, Urteil vom 27. Mai 2003 – B 7 AL 6/02 R – veröffentlicht in juris). Auch im Hinblick auf den Wegfall der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Ausscheiden aus dem SGB II-Leistungsbezug ist somit ein Bedürfnis für eine einstweilige Regelung nicht gegeben.

Das SG hat im Hinblick auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Antrages die Gewährung von PKH zu Recht abgelehnt (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. mit § 114 Zivilprozessordnung). Da auch die Beschwerde der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte, war der Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren ebenfalls zurückzuweisen.

Für das PKH-Beschwerdeverfahren hat eine Kostenentscheidung nicht zu ergehen. Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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