L 5 R 2131/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3654/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2131/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1951 geborene Kläger, kroatischer Staatsangehöriger, hat keinen Beruf erlernt. Im Juni 1971 reiste er nach Deutschland ein, wo er zunächst bis Oktober 1980 mit Malertätigkeiten beschäftigt war. Danach arbeitete er als Maschinenbediener und, nachdem er 1995 den Staplerschein erworben hatte, als Staplerfahrer. Seit März 2001 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben.

Am 28.6.2002 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen, u.a den Entlassungsbericht der S.klinik Bad B. vom 27.2.2002 über eine stationäre Rehabilitationsbehandlung vom 10.1. bis 21.2.2002 bei und veranlasste die Begutachtung des Klägers auf nervenärztlichem und chirurgischem Fachgebiet.

Im Entlassungsbericht der S.klinik sind die Diagnosen Dysthymia mit Somatisierung, Verdacht auf Ilioinguinal-Läsion rechts bei Zustand nach mehreren Inguinalhernien-Operationen, Inguinalhernie links und Adipositas mitgeteilt. Zum Leistungsbild ist ausgeführt, der Kläger könne leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten; nach operativer Versorgung (hinsichtlich der Hernien) sei damit zu rechnen, dass er auch als Staplerfahrer wieder vollschichtig arbeiten könne. Bei der durchgeführten Belastungserprobung habe der Kläger Arbeiten im leichten bis mittelschweren Intensitätsbereich im Sitzen geleistet; die Arbeitsleistung habe quantitativ und qualitativ im Normbereich gelegen. Aus einer stationären Rehabilitationsbehandlung vom 16.6. bis 14.7.1998 in der Rehaklinik Ü., I., war der Kläger arbeitsfähig entlassen worden; er könne mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.

Die Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr. S. führte im Gutachten vom 11.10.2002 aus, der Kläger habe über unerträgliche Schmerzen ohne spürbare emotionale Beteiligung geklagt und sodann von seiner psychisch kranken Frau berichtet. Die Gutachterin diagnostizierte eine subdepressive Entwicklung mit Somatisierung, Verdacht auf Nervus-Ilioinguinalis-Syndrom bei Zustand nach mehreren Operationen (Differenzialdiagnose Spermatikusneuralgie). Bei wirbelsäulenbezogenen Beschwerden habe sich kein Hinweis für eine Wurzelreizsymptomatik ergeben. Die Symptomatik sei psychosomatisch überlagert. Es bestehe eine subdepressive Entwicklung am ehesten auf Grund einer massiven Partnerproblematik, die allerdings nicht besprochen werden könne. Der Kläger könne leichte Arbeiten ohne einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Bücken vollschichtig verrichten und (in diesem Rahmen) als Staplerfahrer ebenfalls vollschichtig arbeiten.

Der Chirurg Dr. R. diagnostizierte im Gutachten vom 30.10.2002 einen Verdacht auf Nervus Ilioinguinalis bei Zustand nach Leistenbruchoperation und mehreren Revisionen (Differenzialdiagnose Spermatikusneuralgie), wiederkehrende LWS-Beschwerden bei leichter Fehlhaltung und leichtgradigen Aufbraucherscheinungen ohne Wurzelreizzeichen und ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie eine subdepressive Entwicklung mit Somatisierung. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen und ohne häufiges Bücken vollschichtig zu verrichten und als Staplerfahrer ebenfalls vollschichtig zu arbeiten.

Mit Bescheid vom 7.11.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag daraufhin ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie (nach Einholung von Befundberichten behandelnder Ärzte) mit Widerspruchsbescheid vom 18.6.2003 zurück.

Am 10.7.2003 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Er trug vor, obgleich er den Beruf des Malers nicht erlernt habe, habe er im Lauf seiner Malertätigkeit die Kenntnisse eines Facharbeiters erworben. Diese Arbeit habe er im Jahr 1981 aus gesundheitlichen Gründen, wegen eines Bandscheibenvorfalls, aufgegeben, weshalb er entsprechenden Berufsschutz beanspruche. Die Umschulung zum Staplerfahrer sei nicht leidensgerecht gewesen.

Die Beklagte hielt an der Leistungseinschätzung der Rentengutachter fest. Weshalb der Kläger seinerzeit die Malerarbeit aufgegeben habe, sei nicht mehr feststellbar. Jedenfalls könne er auf die Tätigkeit des Registrators verwiesen werden.

Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte des Klägers und erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 9.12.2003.

Der Internist Dr. H. (Hausarzt des Klägers seit 1988) führte unter dem 8.9.2003 aus im Vordergrund stehe eine schwere Somatisierungsstörung, die Gesundheitsstörungen des Klägers bedingten eine mäßige Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Der Kläger könne nur leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bis sechs Stunden täglich verrichten; eine über sechsstündige Tätigkeit sei zuviel. Als Staplerfahrer könne er noch bis sechs Stunden täglich arbeiten.

Die Nervenärztin Dr. O. teilte im Bericht vom 5.9.2003 mit, ihre Diagnosen stimmten weitgehend mit den Erkenntnissen der Gutachter überein. Leichte Arbeiten könne der Kläger drei bis unter sechs Stunden täglich leisten; die Tätigkeit des Staplerfahrers sei jedoch keine leichte Arbeit in diesem Sinne.

Der Orthopäde Dr. H. führte unter dem 8.9.2003 aus, er habe im Wesentlichen die gleichen Erkrankungen wie die Rentengutachter diagnostiziert. Schwere körperliche Arbeit sei nicht mehr zumutbar. Der Kläger könne aber leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mehr als sechs Stunden täglich verrichten. Insoweit stimme er der Einschätzung der Rentengutachter zu. Die Arbeit des Staplerfahrers sei nicht mehr sechsstündig möglich. Soweit er das als Orthopäde beurteilen könne, sei eine regelmäßige Tätigkeit unter Berücksichtigung der psychischen Situation aber ausgeschlossen.

Der Neurologe und Psychiater Dr. P. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 9.12.2003 Dysthymia mit somatoformer Schmerzstörung (chronifizierte neurotische Depression, andauernder schwerer, quälender Schmerz nicht vollständig durch körperliche Störung erklärbar), Zustand nach sechsfacher Leistenhernien-Operation und Revisionen rechts, Leistenhernie links sowie Verdacht auf sensible Läsion des Nervus femoralis nach Injektion rechts im Bereich des Leistenbandes. Stimmungsmäßig sei der Kläger bedrückt, allerdings nicht tiefgradig depressiv; der Antrieb sei reduziert, es lägen eine Fixierung auf die Schmerzproblematik, sozialer Rückzug und Anhedonie vor. Die angegebene und subjektiv so empfundene Schmerzproblematik im Leistenbereich erscheine durchaus glaubhaft; andernfalls hätte sich der Kläger kaum sechsmal operieren lassen. Mit Sicherheit bestehe aber eine psychische Überlagerung im Sinne einer Somatisierungsstörung. Festzustellen sei eine chronifizierte neurotische Depression im Sinne einer Dysthymie. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne der Kläger unter qualitativen Einschränkungen (hauptsächlich im Sitzen, anteilig im Stehen und Gehen) noch vollschichtig verrichten, wenngleich die Prognose hinsichtlich der Wiedereingliederung ungünstig sei. Der Kläger sei auch wegefähig. Als Staplerfahrer könne er aber nicht mehr tätig sein, da damit anteilig schwere Arbeiten verbunden seien. Dem Grunde nach ergäben sich keine Abweichungen zum Entlassungsbericht der S.klinik Bad B. und zum Gutachten der Dr. S ...

Mit Urteil vom 30.3.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger könne Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht beanspruchen, weil er Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das ergebe sich aus den vorliegenden Gutachten und ärztlichen Unterlagen. In orthopädischer Hinsicht liege sowohl nach Auffassung des behandelnden Orthopäden Dr. H. wie des Gutachters Dr. R. eine rentenberechtigende Erwerbsminderung nicht vor. Der Entlassungsbericht der S.klinik Bad B. vom 27.2.2002 bestätige diese Einschätzung. Auch die Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet schlössen die täglich sechsstündige Verrichtung leichter Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) nicht aus. Das gehe aus den Gutachten des Dr. P. überzeugend hervor. Die vom Kläger angegebenen Schmerzen im Bereich der rechten Leiste änderten daran nichts, zumal die erste Leistenoperation im Jahr 1986 durchgeführt worden sei und der Kläger danach noch bis 2001 vollschichtig - sechs Jahre lang als Staplerfahrer - gearbeitet habe; gerechtfertigt seien deswegen nur qualitative Leistungseinschränkungen. Auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI stehe dem Kläger nicht zu. Er müsse sich nämlich auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen. Ob er wegen der zeitweisen Arbeit als Maler (von 1971 bis 1980) trotz fehlender Berufsausbildung entsprechenden Berufsschutz beanspruche könne, sei dahingestellt, da nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststehe, dass sich der Kläger von dieser Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gelöst habe. Seine entsprechenden Angaben, für die er die objektive Beweislast trage, hätten sich nicht bestätigen lassen. Die erste Leistenoperation habe 1986 stattgefunden. Sein Hausarzt, Dr. H., könne zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen, weil er den Kläger erst ab 1988 behandelt habe. Außerdem habe der Kläger noch sechs Jahre lang als Staplerfahrer gearbeitet. Da diese Tätigkeit hinsichtlich der Arbeitshaltung für die Wirbelsäule aber besonders belastend sei, könnten die Angaben des Klägers, wegen Wirbelsäulenleiden die Malertätigkeit aufgegeben zu haben, nicht überzeugen.

Auf das ihm am 27.4.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.5.2005 Berufung eingelegt. Ergänzend trägt er vor, die Gesamtheit seiner Leistungseinschränkungen (er leide auch an einer chronischen Magenschleimhautentzündung) schlössen eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens drei Stunden täglich aus. Für ihn gebe es auch keine Arbeitsplätze; selbst in dem Unternehmen, in dem er beschäftigt gewesen sei, habe er erfolglos um einen Arbeitsplatz nachgefragt. Ihm stehe schließlich Berufsschutz als Maler bzw. als Staplerfahrer zu; Staplerfahrer sei ein Facharbeiterberuf.

Der Kläger hat noch ein Attest der Nervenärztin Dr. O. vom 11.5.2005 vorgelegt, in dem (u.a.) ausgeführt ist, der Kläger sehe sich mit seinen Beschwerden außer Stande, seine Arbeit wieder aufzunehmen und sei seit 3.7.2001 arbeitsunfähig; auch für andere Tätigkeiten fühle er sich nicht arbeitsfähig. Sein Leistungsvermögen sei auf täglich vier Stunden leichte körperliche Tätigkeit reduziert. In einem ebenfalls vorgelegten Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 16.2.2006 (Senatsakte S. 70) werden eine chronifizierte depressive Verstimmung und eine somatoforme Schmerzproblematik angegeben. Der Kläger klage (u.a.) über Schmerzen; er habe Appetitstörungen sowie ein Morgentief und sei deshalb durch Arbeit nicht belastbar. Außerdem hat der Kläger ein Schreiben der Firma Rhenus Logistics vom 15.7.2002 vorgelegt; darin heißt es, man könne ihm keinen alternativen Arbeitsplatz anbieten. In allen Lager- und Logistikgeschäften seien körperliche Arbeiten und das Heben von Lasten notwendig. Schließlich beruft er sich auf ein zuletzt noch vorgelegtes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. Sp. vom 08.04.2003 in der Schwerbehindertenstreitsache S 6 SB 1532/02 vor dem SG Stuttgart. Dieser hatte eine somatoforme Schmerzstörung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit diagnostiziert und den GdB mit 50 eingeschätzt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.3.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.6.2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe ab dem 1.6.2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Pe. vom 25.1.2006 und des Orthopäden Dr. B. vom 30.7.2006 eingeholt.

Dr. Pe. hat ausgeführt, der Kläger habe angegeben, er sei 1971 nach Deutschland gekommen und habe (zunächst) Malerei und Sandstrahlen gemacht. Bei der Untersuchung habe sich eine freie Beweglichkeit der Wirbelsäule gezeigt. Klopf- oder Druckschmerz sei nicht auszulösen gewesen. Auch ein Hartspann liege nicht vor. Groß- und Kleingelenke seien frei beweglich. Affektivität und Antrieb seien ungestört. Das gelte auch für die soziale Kompetenz. Ein sozialer Rückzug sei nicht ersichtlich. Beim Kläger liege der Verdacht auf subjektiv angegebene leichtgradige Ilioinguinalis-Hypästhesie rechts nach sechsmaliger Leistenbruchoperation vor; es bestehe eine Aggravationstendenz ohne Krankheitswert als Persönlichkeitsvariante. Hinsichtlich der Verrichtung leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts oder der Arbeit als Staplerfahrer gebe es aus neurologischer und psychiatrischer Hinsicht keine nennenswerten Beeinträchtigungen. Der Kläger sei auch wegefähig. Der Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr. P. werde weitgehend zugestimmt.

Dr. B. hat ausgeführt, nach Angaben des Klägers habe ein Landsmann ihm nach der Übersiedlung nach Deutschland im Jahr 1971 die Tätigkeit in einem Malergeschäft ("Firma A.-R.") vermittelt; dort sei er mit Sandstrahlarbeiten und Tankinnenbeschichtungen beschäftigt gewesen. Der Gutachter fand deutliche bis erhebliche paravertrebrale Verspannungen an allen Wirbelsäulenabschnitten. Bei allen Wirbelsäulenbewegungsprüfungen habe der Kläger deutliche Schmerzen geäußert. Bewegungsabläufe seien erkennbar verlangsamt und schwerfällig. Diagnostiziert wurden ein generalisiertes Wirbelsäulensyndrom mit erheblicher Leistungseinschränkung und verminderter Belastbarkeit, Coxarthrose, rechts stärker ausgeprägt als links mit deutlich eingeschränkter Steh- und Gehbelastungsfähigkeit, Schultergelenksarthrose mit Eckgelenksarthrose und Funktionseinschränkung, Sprunggelenksarthrose rechts mehr als links mit verminderter Stehbelastungsleistung, Senk-, Spreizfuß mit Großzehengrundgelenksarthrose und eingeschränkter Gehbelastungsfähigkeit sowie Adipositas mit insgesamt verminderter Leistungsfähigkeit. Möglich sei drei bis unter vier Stunden täglich leichte Arbeit vorwiegend im Sitzen mit ausreichender Bewegungsfreiheit (Adipositas), zusätzlichen Pausen, wechselnder Körperhaltung, ohne zu große Belastung für den rechten Arm, wenn überhaupt, nur kurzfristige Steharbeit, ohne Zugluft und wechselnde Temperaturen und ohne Stress und nervliche Belastung oder hohe intellektuelle Anforderung. Schichtarbeit und Arbeit mit Staub, Gasen oder Dämpfen und Arbeit im Freien sowie bei Nässe und übermäßiger Wärme scheide aus. Publikumsverkehr sei wegen sprachlicher Unzulänglichkeit nicht möglich. Gewichte über 5 Kg könnten nicht gehoben werden. Als Staplerfahrer könne der Kläger höchstens unter zwei Stunden täglich arbeiten. Die genannten Einschränkungen bestünden seit mindestens zwei Jahren. Die Wirbelsäulenbefunde hätten offensichtlich zugenommen, auch sei aus den Akten ein Übergewicht, wie jetzt festgestellt, nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat zum Gutachten des Dr. B. die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. St. vom 15.8.2006 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, bei Dr. B. habe der Kläger einen normalen Tagesablauf geschildert (ca. 7:00 Uhr Aufstehen, Frühstück von 8:00 bis 8:30 Uhr, dann Sitzen und Fernsehen, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr Mittagessen, nachmittags wieder Fernsehen, Abendessen ungefähr 18:00 bis 19:00 Uhr, abends wieder Fernsehen, gegen 22:00 bis 22:30 Uhr zu Bett Gehen; nachts häufig Schlafstörungen und notwendige Toilettengänge wegen Prostataproblemen). Dr. B. habe einen regelrechten Kräftezustand mit vorhandener grober Kraft gefunden. Das Gangbild werde zwar als schwerfällig, jedoch nicht als hinkend beschrieben. Zum An- und Auskleiden sei ebenfalls nur Verlangsamung berichtet. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule habe sich nur als mäßig eingeschränkt, der Finger-Boden-Abstand mit 35 Zentimeter als etwas reduziert erwiesen. Trotz der bei den Beweglichkeitsprüfungen angegebenen Beschwerden seien offenbar alle Untersuchungen durchführbar gewesen. Die oberen Extremitäten seien nicht bewegungseingeschränkt; sämtliche Griffarten und der Faustschluss hätten ausgeführt werden können. Da Differenzen bei der Händebeschwielung nicht gefunden worden seien, würden beide Hände regelmäßig eingesetzt. Die vom Gutachter angegebenen Bewegungsausmaße zeigten, dass hochgradige Bewegungseinschränkungen der oberen Extremitäten nicht vorlägen. Entsprechendes gelte für die Beine; von einer gravierenden oder gar hochgradigen Bewegungseinschränkung könne keine Rede sein. Röntgenologisch hätten sich im Bereich der Halswirbelsäule und der rechten Schulter nur leichte Abnutzungserscheinungen bzw. eine beginnende Arthrose gezeigt. In der Lendenwirbelsäule fänden sich sogar noch normgerechte Lendenwirbelkörper. Eine fundierte Diagnose zum vom Gutachter angenommenen Wirbelsäulensyndrom fehle. Die erhobenen Befunde könnten eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten nicht begründen. Auf die vorhandenen Beschwerden und Abnutzungserscheinungen werde durch qualitative Einschränkungen Rücksicht genommen. Der Kläger sei auch wegefähig, zumal ein hinkendes Gangbild nicht beschrieben sei. Auf orthopädischem Fachgebiet sei der Kläger unter qualitativen Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren; er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) der geltend gemachte Anspruch zu beurteilen ist, und weshalb der Kläger danach Rente nicht beanspruchen kann. Es hat die im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten und Arztberichte bzw. sonstigen Arztunterlagen, wie den Entlassungsbericht der S.klinik Bad B. vom 27.2.2002, zutreffend und fehlerfrei gewürdigt. Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts und verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG), die er sich zu Eigen macht. Das gilt auch hinsichtlich des vom Sozialgericht zu Recht abgelehnten Berufsschutzes. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter nicht beanspruchen kann (zu den Voraussetzungen für die Zuordnung eines Versicherten zum Leitberuf des Facharbeiters näher KassKomm-Niesel, SGB VI § 240 Rdnr. 30 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).

Der Kläger hat eine Berufsausbildung zum Maler unstreitig nicht absolviert. Ob er sich durch praktische Berufsausübung (von 1971 bis 1980) die zur wettbewerbsfähigen und damit vollwertigen Behauptung unter gelernten Malern notwendigen Kenntnisse angeeignet hatte, mag offen bleiben; dagegen spricht freilich Vieles, da der Kläger nach eigenen Angaben gegenüber den Gutachtern Dr. Pe. und Dr. B. nach der Übersiedlung nach Deutschland lediglich Maler- und Sandstrahltätigkeiten, offenbar im Zusammenhang mit der Entrostung bzw. dem Rostschutz von Tanks, ausgeführt hatte. Näheres ist von dem inzwischen insolventen Arbeitgeber dazu auch nicht mehr in Erfahrung zu bringen (vgl. dazu Bl. 13 der Verwaltungsakten der Beklagten). Zudem wäre für eine Lösung vom Malerberuf aus gesundheitlichen Gründen im Jahr 1980 bzw. 1981 ebenfalls nichts ersichtlich. Die entsprechende - erstmals im sozialgerichtlichen Verfahren nach der Begutachtung durch Dr. P. aufgestellte und auf Bandscheibenbeschwerden gestützte - Behauptung des Klägers kann, wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil (S. 9, 10 des Entscheidungsabdrucks) zutreffend dargelegt hat, nicht überzeugen. Hinzukommt, dass – so Dr. R. im Gutachten vom 30.10.2002 (S. 6) – ein Bandscheibenvorfall durch MRT im April 2001 ausgeschlossen und nur eine Bandscheibenprotrusion ohne Funktionseinschränkung und Wurzelreizzeichen beschrieben wurde und der Kläger außerdem aus einer im Jahr 1998 durchgeführten Rehabilitationsbehandlung in der Klinik Ü. arbeitsfähig mit der Befähigung zur vollschichtigen Verrichtung mittelschwerer Arbeit entlassen wurde. Nicht ersichtlich ist daher, weshalb der Kläger 17 Jahre zuvor aus den angegebenen gesundheitlichen Gründen außerstande gewesen soll, die fragliche Malertätigkeit fortzuführen. Weitere Feststellungen hierzu sind nicht möglich; insbesondere kann auch der Hausarzt des Klägers Dr. H. verwertbare Erkenntnisse nicht vermitteln, da er den Kläger erst seit 1988 behandelt; zu dieser Zeit hatte der Kläger die Verrichtung von Malertätigkeiten aber schon seit etwa sieben Jahren beendet. Bei der zuletzt geleisteten Arbeit des Staplerfahrers handelt es sich nicht um eine Facharbeitertätigkeit (für die eine Regelausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf von mehr als 2 Jahren, regelmäßig von drei Jahren - vgl. Niesel, a. a. O. m.w.N. zur Rechtsprechung - erforderlich wäre), weshalb es bei der breiten Verweisbarkeit des Klägers auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bleibt. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie die Beklagte im sozialgerichtlichen Verfahren (hilfsweise) vorgetragen hatte, auf den Beruf des Registrators zu verweisen wäre.

Die ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren haben eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit ebenfalls nicht ergeben. Dass der Kläger durch Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht daran gehindert ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) noch vollschichtig zu verrichten, hat Dr. Pe. in seinem auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 25.1.2006 schlüssig dargelegt. Zweifel an der Richtigkeit seiner Beurteilung bestehen nicht. Die vom Kläger vorgelegten Atteste der Dres O. und D. vom 11.5.2005 bzw. 16.2.2006 berichten im Wesentlichen über Klagen des Klägers und sind mit ihren nicht weiter begründeten Feststellungen zu dessen Restleistungsfähigkeit nicht geeignet, die fundierten und schlüssig dargelegten Erkenntnisse des Gutachters in Zweifel zu ziehen. Das zuletzt noch vorgelegte Gutachten des Dr. M. Sp. vom 08.04.2003 entspricht mit seiner Diagnose der somatoformen Schmerzstörung den Diagnosen der Sachverständigen Dr. S. und Dr. P., die den Kläger ca ein halbes Jahr zuvor am11.10.2002 bzw. danach am 03.12.2003 untersucht und begutachtet haben, enthält aber wegen der anderen rechtlichen Fragestellungen keine Würdigung der beruflichen Einsatzfähigkeit des Klägers. Da der Kläger im Laufe des Rentenverfahrens von drei Sachverständigen (Dr. S., Dr. P. und Dr. Pe.) auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gezielt auf seine berufliche Leistungsfähigkeit hin untersucht und mit einhelliger Beurteilung begutachtet worden ist, besteht kein Anlass zur Einholung weiterer Gutachten.

Auch wegen Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet ist das Leistungsvermögen nicht rentenberechtigend herabgesetzt. Auf diesem Fachgebiet steht der Kläger nach seinen eigenen Angaben vor Dr. B. nicht regelmäßig in fachärztlicher Behandlung. Dem auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten des Dr. B. vom 30.7.2006 folgt der Senat nicht. Dessen Einschätzung kann nicht überzeugen, wie Dr. St. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.8.2006 schlüssig dargelegt hat. Die unstreitig vorliegenden orthopädischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen danach zwar die von den Vorgutachtern im Einzelnen beschriebenen qualitativen, jedoch keine quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkungen. Seine Auffassung, wonach der Kläger allenfalls noch drei bis unter vier Stunden täglich arbeiten könne, hat Dr. B. nicht nachvollziehbar begründet. Sie findet in den erhobenen Befunden auch keine Stütze, wie aus der genannten beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. St. nachvollziehbar und überzeugend hervorgeht. So zeigte sich auch bei der Untersuchung durch Dr. B. ein regelrechter Kräftezustand mit vorhandener grober Kraft und ein zwar schwerfälliges, aber nicht hinkendes Gangbild. Auch hinsichtlich des An- und Auskleidens werden nur Verlangsamungen angegeben. Ein schwerfälliger Gang und verlangsamte Bewegungsabläufe stehen bei regelrechtem Kräftezustand der sechsstündigen Verrichtung körperlich leichter Arbeit in wechselnder Körperhaltung aber nicht entgegen, wie Dr. St. zutreffend dargelegt hat, zumal ungeprüft geblieben ist, ob die auch für den Senat in der mündlichen Verhandlung sichtbare Verlangsamung nicht nur eine Folge der ebenfalls unübersehbaren Adipositas ist. Hinzukommt, dass auch die Beweglichkeit der Wirbelsäule nur mäßig eingeschränkt war und sich hinsichtlich der oberen Extremitäten keine Bewegungseinschränkungen fanden; der Kläger konnte bei der Untersuchung durch Dr. B. sämtliche Griffarten und den Faustschluss ausführen und es zeigte sich eine mäßig ausgeprägte Beschwielung der Handflächen, was den regelmäßigen Einsatz der Hände belegt. Auch hinsichtlich der Beine waren hinreichend gewichtige Einschränkungen der Beweglichkeit nicht festzustellen. Die Annahme eines Wirbelsäulensyndroms durch Dr. B. gründet sich im Übrigen nicht auf eine fundierte Diagnose und wird durch die Röntgenbefunde auch nicht gestützt, nachdem, wie Dr. St. näher dargelegt hat, im Bereich der Halswirbelsäule und der rechten Schulter nur leichte Abnutzungserscheinungen bzw. eine beginnende Arthrose und in der Lendenwirbelsäule sogar normgerechte Lendenwirbelkörper zu finden sind. Bei den erhobenen Befunden insbesondere zu den unteren Extremitäten bestehen auch keine Zweifel an der Wegefähigkeit des Klägers. Insgesamt liegen nach der überzeugenden Einschätzung des Dr. St. auf orthopädischem Fachgebiet zwar Funktionseinschränkungen vor; diese stehen der täglich sechsstündigen Verrichtung leichter Arbeit in wechselnder Körperhaltung aber nicht entgegen. Die vom Kläger noch angeführte (behandelbare) chronische Magenschleimhautentzündung, die in den ärztlichen Unterlagen im Übrigen nicht dokumentiert ist und die bei den Begutachtungen auf die Frage nach Beschwerden auch nie angegeben worden war, ändert nichts, da für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente nicht Diagnosen, sondern Leistungseinschränkungen maßgeblich sind.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision besehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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