L 8 AL 5285/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 2451/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 5285/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
"Erstmalige Ausbildung" iSd § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist jede Ausbildung, für die nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften (hier: Verordnung des Kultusministeriums des Landes Baden-Württemberg über die Ausbildung und Prüfung am Berufskolleg für Formgebung - Schmuck und Gerät vom 27.06.1995, GBl S. 539) eine Ausbldungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Ob es sich dabei um einen anerkannten Ausbildungsberuf iSd § 60 Abs. 1 SGB III handelt, ist unerheblich (Anschluss an LSG Schleswig-Holstein 22.07.2005 - L 3 AL 92/04).
(Die Revision wurde vom Senat zugelassen)
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hat.

Die am 1984 geborene Klägerin besuchte nach dem Realschulabschluss im Jahre 2000 das dreijährige Berufskolleg für Formgebung (Design) - Schmuck und Gerät - an der Gewerblichen Schule S. G., das sie im Juli 2003 mit der Abschlussprüfung erfolgreich beendete. Nach dem Abschlusszeugnis vom 18.07.2003 ist sie berechtigt, die Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfte Designerin für Schmuck und Gerät" zu führen. Vom 01.09.2003 bis zum 31.08.2004 absolvierte die Klägerin in U. eine Ausbildung zur Goldschmiedin, die sie erfolgreich abschloss.

Bereits am 15.05.2003 hatte die Klägerin beim Arbeitsamt Aalen (AA) einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe gestellt und angegeben, sie werde am 01.09.2003 eine bis 28.02.2005 dauernde Berufsausbildung zur Goldschmiedin in einem Betrieb in Ulm beginnen. Sie wohne während der Ausbildung in U. zur Miete (320,00 EUR monatlich für zwei Personen); ihre monatliche Ausbildungsvergütung betrage 330,00 EUR. Nach Vorlage von Unterlagen zu den (aktuellen) Einkommensverhältnissen der (geschiedenen) Eltern der Klägerin und Einholung einer Auskunft der Berufsberatung beim AA lehnte das AA den Antrag mit Bescheid vom 26.08.2003 ab. Die Ausbildung könne nicht gefördert werden, weil bereits eine Ausbildung abgeschlossen worden sei. Die Klägerin habe ihre Ausbildung zur staatlich geprüften Designerin für Schmuck und Gerät nach dem Besuch eines dreijährigen Berufskollegs abgeschlossen. Die zweite Ausbildung zur Goldschmiedin könne daher nicht gefördert werden.

Dagegen legte die Klägerin am 09.09.2003 Widerspruch ein und machte geltend, es handle sich bei ihrer Ausbildung zur Goldschmiedin nicht um eine zweite Ausbildung. Den Beruf des Goldschmieds könne man sowohl durch eine dreijährige Ausbildungszeit in einem anerkannten Ausbildungsbetrieb als auch durch die Absolvierung des dreijährigen Berufskollegs und einer praktischen Anschlussausbildung in einem anerkannten Ausbildungsbetrieb, die in diesem Fall eineinhalb Jahre kürzer, aber vorgeschrieben sei, erlernen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2003 wies das AA den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 01.10.2003 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit ihrer praktischen Ausbildung als Goldschmiedin geltend gemacht. Unter Hinweis auf Auskünfte des Berufskollegs für Schmuck und Gerät und des Berufsinformationszentrums des AA hat sie zur Begründung vorgebracht, um beruflich als Goldschmiedin tätig werden zu können, benötige sie im Anschluss an das Berufskolleg eine eineinhalbjährige praktische Anschlussausbildung bei einem Goldschmied. Für die jetzt angetretene Ausbildung erhalte sie eine monatliche Ausbildungsvergütung von 250 EUR. Die Ausbildung am Berufskolleg bereite nur auf eine berufliche Tätigkeit vor und bilde die Basis für eine weiterführende betriebliche oder schulische Ausbildung. Die Anschlusslehre bei einem Goldschmied sei daher keine Zweitausbildung, sondern Teil der Ausbildung zur Goldschmiedin, da ohne dieses anschließende Praktikum nach dem Besuch des Berufskollegs und der abgelegten Gesellenprüfung kein (handwerklich) anerkannter Berufsabschluss vorliege. Vor allem bestehe dann keine Möglichkeit der Anstellung bei einem Goldschmied oder einem entsprechenden Atelier. Sie habe von Anfang an Goldschmiedin und hierauf aufbauend eventuell Restauratorin werden, mindestens jedoch die Meisterprüfung ablegen wollen. Für beides benötige sie die Gesellenprüfung im Goldschmiedehandwerk. Zudem sei vom Verwaltungsgericht Karlsruhe (4 K 1886/97) entschieden worden, dass die Ausbildung zum Goldschmied über das dreijährige Berufskolleg und die sich hieran anschließende, zur Hälfte verkürzte praktische Ausbildung mit Gesellenprüfung als eine Einheit anzusehen sei. Im Übrigen hätte ihr das Arbeitsamt auch nicht den Weg über die Absolvierung des Berufskollegs vorschlagen dürfen, wenn dieser zu einem völlig anderen Berufsabschluss führe. Schließlich hat sie noch darauf hingewiesen, dass sie mit einer Ausbildungsvergütung von 250,00 EUR (netto) nicht ihre Wohnung und ihren Lebensunterhalt finanzieren könne und ihre Eltern (außer dem Kindergeld) keinen Zuschuss leisten könnten.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, bei der weiteren Ausbildung der Klägerin zur Goldschmiedin handle es sich um eine zweite Ausbildung. Die Klägerin habe das dreijährige Berufskolleg als staatlich geprüfte Designerin für Schmuck und Gerät abgeschlossen und damit bereits eine Berufsausbildung vorzuweisen. In den beim Arbeitsamt vorhandenen und über das Internet auch für jeden einsehbaren Unterlagen zum Beruf Designerin werde die Qualifizierung zur Goldschmiedin als Anpassungsweiterbildung bezeichnet. Im Übrigen sei sie verpflichtet gewesen, über beide Wege der Ausbildung zur Goldschmiedin zu informieren. Die Beklagte hat ein Merkblatt des Beruflichen Schulzentrums Schwäbisch Gmünd über das dreijährige Berufskolleg für Design - Schmuck und Gerät - und das entsprechende Anmeldungsformular sowie Auszüge aus den Datenbanken KURSnet und BERUFEnet vorgelegt.

Mit Urteil vom 26.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, da gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III (nur) die erstmalige Ausbildung förderungsfähig sei und sie durch den Besuch des Berufskollegs in Schwäbisch Gmünd den Berufsabschluss als staatlich geprüfte Designerin für Schmuck und Gerät erworben habe. Dabei handle es sich nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 28.02.1997 in der Fassung vom 28.03.2003 um einen Bildungsgang der Berufsfachschulen, der zu einem Berufsausbildungsabschluss führt. Auch wenn dies von Anfang an nicht ihr Berufsziel gewesen sei, könnte die Klägerin in diesem Beruf tätig sein. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe könne hieran nichts ändern, da diese zu einer Bestimmung des Wehrpflichtgesetzes ergangen und dabei die Frage zu beantworten gewesen sei, ob ein Wehrpflichtiger wegen einer besonderen Härte vom Wehrdienst zurückzustellen sei. In diesem Zusammenhang sei die Ausbildung zum Goldschmied durch den Besuch des Berufskollegs und der praktischen Anschlussausbildung als ein Ausbildungsabschnitt angesehen worden. § 60 Abs. 2 SGB III stelle jedoch nicht auf den Ausbildungsabschnitt, sondern auf die Berufsausbildung ab, sodass sich schon der Gesetzeswortlaut der entsprechenden Bestimmung im Wehrpflichtgesetz von dem des SGB III unterscheide. Zudem handle es sich auch um verschiedene Gesetzesmotive.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.11.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.12.2005 Berufung eingelegt, mit der sie wegen entsprechender Verkürzung der Ausbildung zur Goldschmiedin nur noch Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 geltend macht. Sie bringt vor, bei der Anschlussausbildung bei einem Goldschmied handle es sich entgegen der Ansicht des SG um keine Qualifikation, sondern um den praktischen Ausbildungsabschnitt im Rahmen der Ausbildung zum Goldschmied. Ein Gesellenbrief könne nur nach Nachweis der praktischen Ausbildungszeit erworben werden. Der von ihr gewählte Ausbildungsweg stelle daher eine einheitliche Ausbildung dar. Bei der dreijährigen Ausbildung am Berufskolleg handle es sich um den theoretischen Teil der Gesellenprüfung und bei der Anschlussausbildung um den praktischen Teil. Die Beklagte habe im Übrigen selbst eine Stellungnahme vorgelegt, nach der ihr bundesweit keinerlei Stellenangebote für eine Beschäftigung als Designerin für Schmuck und Gerät vorlägen. Das spräche ebenfalls dafür, dass der Abschluss des Berufskollegs lediglich eine Zwischenstufe - ähnlich beispielsweise dem Physikum des Medizinstudiums - im Rahmen der Ausbildung zum Goldschmied darstelle, ohne die Ausbildung tatsächlich abzuschließen. Dass es bei dem von ihr gewählten Ausbildungsweg um eine einheitliche Ausbildung handele, sei bereits im besagten Urteil des VG Karlsruhe ausdrücklich festgestellt worden. Diese Entscheidung könne nicht allein unter dem Blickwinkel der Zurückstellung vom Wehrdienst gesehen werden und es sei unverständlich, dass für die Frage der Berufsausbildungsbeihilfe ein anderer Maßstab gelten solle. Ferner trägt die Klägerin vor, sie habe von Anfang an Goldschmiedin werden wollen und habe sich vor Beginn der Ausbildung bei der Berufsberatung der Beklagten über die Ausbildung informiert. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass es hierfür zwei unterschiedliche Wege (einerseits eine dreieinhalbjährige Ausbildung bei einem Goldschmied und andererseits eine dreijährige Ausbildung am Berufskolleg mit anschließender praktischer Ausbildung von 12 bis 18 Monaten bei einem Goldschmied) gebe. Die Beklagte habe sie aber nicht darauf hingewiesen, dass die Förderung in Form der Berufsausbildungsbeihilfe je nach Ausbildungsweg unterschiedlich sein könnte. Im Falle der Entscheidung für die dreieinhalbjährige Ausbildung bei einem Goldschmied hätte sie für die gesamte Ausbildungsdauer Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe gehabt. Stattdessen habe sie sich für die kostengünstigere Alternative mit einer dreijährigen schulischen Ausbildung entschieden, während der sie weiterhin zu Hause habe wohnen können, und werde nun für diese Vorgehensweise "bestraft". Dies sei weder mit dem Sozialstaatsprinzip noch mit dem Gleichheitssatz vereinbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. September 2003 bis 31. August 2004 Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG und die Beklagte haben zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die Ausbildung zur Goldschmiedin in der Zeit vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 hat.

Nach § 59 Abs. 1 SGB III haben Auszubildende Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung, wenn u.a. die berufliche Ausbildung förderungsfähig ist. Eine berufliche Ausbildung ist nach § 60 Abs. 1 SGB III förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Förderungsfähig ist nach § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III aber nur die erstmalige Ausbildung. Bei der von der Klägerin in der Zeit vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 durchgeführten Ausbildung zur Goldschmiedin handelt es sich zwar um eine nach § 60 Abs. 1 SGB III förderungsfähige berufliche Ausbildung. Die Ausbildung zur Goldschmiedin ist in der Goldschmiede-Ausbildungsverordnung vom 02.04.1982 (BGBl I S. 756) geregelt. Danach ist dieser Beruf ein nach der Handwerksordnung anerkannter Ausbildungsberuf (§ 1 der Goldschmiede-Ausbildungsverordnung). Die Ausbildung der Klägerin zur Goldschmiedin ist aber deshalb nicht förderungsfähig, weil es nicht die erstmalige Ausbildung iSd § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III ist.

Der erkennende Senat ist ebenso wie das Schleswig-Holsteinische LSG (Urteil vom 22.07.2005 -L 3 AL 92/04 -) der Auffassung, dass bereits derjenige von der Förderung ausgeschlossen ist, der einen Berufsabschluss erlangt hat, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, auch wenn er für die erste Ausbildung nicht oder nach einem anderen Gesetz (z.B. dem Bundesausbildungsförderungsgesetz) gefördert worden ist. Ob es sich bei der Erstausbildung um einen anerkannten Ausbildungsberuf iSd § 60 Abs. 1 SGB III gehandelt hat, ist unerheblich.

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, weil die Ausbildung zur staatlich geprüften Designerin für Schmuck und Gerät eine Ausbildung iSd § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III ist. Die Ausbildung der Klägerin zur Designerin beruhte noch auf der in Baden-Württemberg geltenden "Verordnung des Kultusministeriums über die Ausbildung und Prüfung am Berufskolleg für Formgebung – Schmuck und Gerät" vom 27.06.1995 (GBl S. 539), die auf Grund einer Ermächtigung im baden-württembergischen Schulgesetz erlassen worden ist. Nach § 1 der Verordnung ist Zweck der Ausbildung die Förderung der gestalterischen und fachpraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie vermittelt vertiefte Kenntnisse im Bereich Schmuck und Gerät. Darüber hinaus wird die Allgemeinbildung weiter geführt und durch Zusatzunterricht der Erwerb der Fachhochschulreife ermöglicht. Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung dauert die Ausbildung drei Schuljahre und endet mit einer Abschlussprüfung, durch deren Bestehen die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfte Formgeberin für Schmuck und Gerät" erworben wird. Die Abschlussprüfung am Berufskolleg wurde von der Handwerkskammer als theoretischer (schriftlicher) Teil der Gesellenprüfung im Goldschmiedehandwerk gewertet, wenn die Anmeldung zum praktischen Teil der Prüfung innerhalb von zwei Jahren ab Bestehen der Schulabschlussprüfung erfolgte (vgl. VG Karlsruhe Urteil vom 20.08.1997 - 4 K 1886/97 -). Damit stellt die Ausbildung am Berufskolleg zwar keine Ausbildung iSd § 60 Abs. 1 SGB III dar, weil es sich bei dem Beruf der Designerin für Schmuck und Gerät nicht um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf iS des Bundesbildungsgesetzes, der Handwerksordnung oder des Seemannsgesetzes handelt, aber es ist eine Erstausbildung iS des § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III.

Durch die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfte Designerin für Schmuck und Gerät" hat die Klägerin einen Berufsabschluss erlangt, der es ihr ermöglicht Tätigkeiten als Arbeitnehmerin oder Selbständige auszuüben. Dieser Umstand rechtfertigt es, die Ausbildung am Berufskolleg als eine erstmalige Ausbildung iSd § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III zu werten, obwohl es sich um eine schulische und nicht um eine betriebliche Ausbildung handelt. Unerheblich ist auch, ob die Klägerin mit dieser Ausbildung mehr oder weniger gute Aussichten auf Erlangung eines Arbeitsplatzes hat. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob und wie viele offene Stellen es für den Beruf der Designerin für Schmuck und Gerät gab oder gibt. Aus Sicht des Senats ist allein maßgebend die Berechtigung zur Führung einer staatlich anerkannten Berufsbezeichnung.

Die Tatsache, dass die Klägerin von Anfang an die Absicht hatte, über den Weg des Berufskollegs und einer praktischen Anschlussausbildung Goldschmiedin zu werden, vermag hieran nichts zu ändern. Es kommt allein auf einen formalen Berufsabschluss, der zur Ausübung eines Berufes in einem mehr als zweijährigen Ausbildungsberuf befähigt, an. Dass die Ausbildung der Klägerin zur Designerin für Schmuck und Gerät in schulischer Form (Berufsfachschule) erfolgt ist, führt ebenfalls nicht zur Förderungsfähigkeit der (verkürzten) Ausbildung zur Goldschmiedin (vgl. Gagel, SGB III, § 60 Rdnr. 47). Die Auffassung der Klägerin, wonach es sich bei dem Besuch des Berufskollegs und der praktischen Ausbildung bei einem Goldschmied um eine einheitliche Ausbildung (zur Goldschmiedin) gehandelt habe, berücksichtigt nicht, dass der Besuch des dreijährigen Berufskollegs zu einem eigenen Berufsabschluss geführt hat. Nur wenn diese Ausbildung noch mit keinem Berufsabschluss verbunden gewesen wäre, käme unter dem Gesichtspunkt der "Stufenausbildung" eine andere Betrachtungsweise in Frage. Als "Stufenausbildung" können nämlich nur solche Bildungsgänge angesehen werden, die Teile einer Gesamtbildungsmaßnahme sind und bei denen die einzelnen, voneinander getrennten Abschnitte (Stufen) noch zu keinem Abschluss der Ausbildung führen, auch wenn die Stufen jeweils mit einer Prüfung beendet werden (vgl. BSG SozR 4100 § 41 Nr. 1).

Die zur Frage der Zurückstellung vom Wehrdienst wegen einer besonderen Härte ergangene Entscheidung des VG Karlsruhe ist nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die jeweiligen Gesetzesmotive im Wehrpflichtgesetz einerseits und im SGB III andererseits unterschiedlich sind. Hinzu kommt, dass die Frage des formalen Berufsabschlusses durch eine Erstausbildung, auf die es im vorliegenden Rechtsstreit entscheidend ankommt, bei dieser Entscheidung nicht die Bedeutung wie im vorliegenden Verfahren hatte.

Soweit die Klägerin vorbringt, sie sei bei der Berufsberatung der Beklagten nicht auf die unterschiedlichen förderungsrechtlichen Folgen der beiden Ausbildungswege zum Beruf der Goldschmiedin hingewiesen worden und damit einen Beratungsfehler der Beklagten mit der Folge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend machen will, sind die hierfür erforderlichen Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Klägerin vor Beginn der Ausbildung über die beiden bestehenden Ausbildungswege zum Beruf der Goldschmiedin zutreffend informiert. Ein Beratungsfehler der Beklagten liegt somit nicht vor. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehen würde, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sie (auch) über die mögliche unterschiedliche Förderung der beiden Ausbildungswege in Kenntnis zu setzen, scheitert ein Herstellungsanspruch bereits daran, dass die - unter Umständen von vielen Faktoren abhängige - Wahl des Ausbildungsweges vom Auszubildenden frei getroffen wird. Die Klägerin kann deshalb von der Beklagten nicht im Wege des Herstellungsanspruchs so gestellt werden als habe sie den unter Förderungsgesichtspunkten für sie günstigeren Ausbildungsweg (dreieinhalbjährige Ausbildung bei einem Goldschmied) gewählt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, was unter Ausbildung iS des § 60 Abs. 2 S. 1 SGB III zu verstehen ist, grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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