L 5 B 614/06 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 R 1501/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 614/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.06.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 13.959,05 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Beitrags- und Umlage-Nachforderungsbescheid aufgrund einer Betriebsprüfung durch die Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin ist ein Taxiunternehmen in der Form der Offenen Handelsgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafter beide einzeln vertretungsberechtigt sind (Handelsregisterauszug Amtsgericht M. Registergericht HRA 77166). Die persönlich haftende Gesellschafterin betreibt zusammen mit dem persönlich haftenden Gesellschafter noch die P. Taxi OHG (Register-Nr. HRA 77167). Die persönlich haftende Gesellschafterin betreibt zusätzlich alleine mindestens noch folgende Taxiunternehmen:

- B. Taxi GmbH in Liquidation, Auflösung der Gesellschaft handelsregisterlich am 14.12.2005 eingetragen Liquidator die persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin; - M. Taxi e.K. (HRA 74431); - U. Taxi OHG, handelsregisterlich nicht eingetragen; - M. Taxi OHG, handelsregisterlich nicht eingetragen; zudem ist der persönlich haltende Gesellschafter auch Geschäftsführer und Kommanditist der B.-Taxivermittlung und Dienstleistung GmBH (& Co. KG). Die Unternehmen haben z.T. unter identischer Telefonnummer ihren Standort in der H.straße in M. , wo auch die A. Internationale Spedition und Handels-GmbH sowie die D. Fuhrpark- und Tanksysteme GmbH angesiedelt sind.

Aufgrund einer Betriebsprüfung vom 27.09.2005 bis 04.01.2006 an vier Tagen machte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23.02.2006 für den Prüfzeitraum 01.03.2001 bis 31.12.2004 eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie Umlagen über EUR 41.877,15 geltend. Die Antragstellerin habe für beschäftigte Taxifahrer zu Unrecht Entgeltbestandteile als beitragsfrei behandelt. Die Antragstellerin habe variierend einen prozentualen Entgeltanteil als Nacht-, Schicht- bzw. Sonntagszuschlag behandelt, obgleich dieser nicht ausdrücklich als solcher ausgewiesen und konkreten Zeiten zugewiesen gewesen sei. Infolge hiervon überschritten die Entgelte für einzelne Taxifahrer die Grenze der Entgeltgeringfügigkeit, so dass z.T. voll umfänglich Sozialversicherungspflicht eingetreten sei, z.T. seien die Entgelte der beschäftigten Fahrer der Gleitzonenregelung zu unterwerfen. Im Übrigen seien die Umlagen U 1 und U 2 nach dem Lohnfortzahlungsgesetz nachzufordern.

Dagegen hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides beantragt. Die Abrechnung der Antragsgegnerin sei nicht nachvollziehbar, Zuschläge und Verpflegungsmehraufwandsentschädigungen seien zutreffend abgerechnet und beitragsfrei behandelt worden. Die Handlungsweise der Antragstellerin sei vorher weder von den Sozialversicherungsbehörden noch von den Steuerbehörden beanstandet worden, so dass Vertrauensschutz bestehe.

Am 30.05.2006 hat die Antragstellerin den strittigen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht München gestellt mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe zu Unrecht eine Bezahlung der Taxifahrer in Höhe von 50 % der Umsatzbeteiligung angesetzt. Vielmehr hätten die Fahrer zunächst eine Abschlagszahlung von 40 %/Umsatz pro Monat erhalten, welche durch Abrechnung tatsächlich geleisteter Einsätze im Folgemonat mit der dann fälligen Umsatzbeteiligung ausgeglichen worden sei. Dabei habe die Antragstellerin dann auch zutreffend steuerfreie Zuschläge und Entschädigungen ausgekehrt. Diese Vorgehensweise sei nicht beanstandet und insbesondere gemäß Bestätigung der DAK München vom 31.05.2006 für rechtens erklärt worden. Der Bescheid sei gravierend und offensichtlich fehlerhaft, insbesondere seien für die gleichen Mitarbeiter für den gleichen Zeitraum unterschiedliche Berechnungen und Abzüge vorgenommen worden. Zudem betrage der Kontostand der Antragstellerin zum 23.06.2006 lediglich 1.568,81 EUR im Haben, die Geschäftsführerin der Antragstellerin sei mittellos.

Mit Beschluss vom 30.06.2006 hat das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin eine Sicherheitsleistung in der Höhe des Nachforderungsbetrages erbringt und Sicherheitsleistung durch Bürgschaft zugelassen. Das Sozialgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der gebotenen summarischen Überprüfung bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht. Von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherungen von Taxifahrern, dass diese grundsätzlich nur 40 % des Umsatzes erhalten hätten, seien irrelevant, weil diese Personen nicht bei der Antragstellerin, sondern bei anderen Gesellschaften tätig gewesen seien. Dem Akteninhalt sei zu entnehmen, dass die Beklagte zu Recht Beitragspflicht der gesamten gezahlten Entgelte angenommen habe, weil die Antragstellerin keine zusätzlichen Leistungen in Form von Zuschlägen erbracht habe, sondern nach unnachvollziehbaren Aufteilungen Umsatzbeteiligungen zwischen 35 und 60 % geleistet habe. Aus den Prüf- und Buchhaltungsunterlagen seien die Nachforderungsbeträge nachvollziehbar zu entnehmen. Eine unmittelbare Härte oder Existenzgefährdung durch die Nachforderungen sei nicht belegt, insbesondere ergäbe ein Kontoauszug zu einem bestimmten Tag nichts hinsichtlich des tatsächlichen wirtschaftlichen Zustandes der Antragstellerin.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2006 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.02.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht München erhoben (Az.: S 47 R 2195/06).

Zur Weiterverfolgung ihres Begehrens hat die Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.06.2006 Beschwerde eingelegt und beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.06.2006 dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet wird.

Ergänzend zum bisherigen Vorbringen hat die Antragstellerin vorgetragen, das Finanzamt M. habe als zuständige Lohnsteueraußenprüfstelle rechtskräftig für den strittigen Zeitraum festgestellt, dass keine Nachforderungen bestünden. Deshalb sei die Behandlung der Zuschläge als steuer- und damit als abgabenfrei durch die Steuerbehörden genehmigt. Die Antragstellerin dürfe beitragsrechtlich nicht schlechter stehen als steuerrechtlich. Zudem hätten auch zuständige Einzugsstellen die Abrechnungspraxis der Antragstellerin für zutreffend befunden.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Beschwerde abzuweisen.

Tatsächliche Nachweise über das Vorliegen einer unbilligen Härte oder der drohenden Zahlungsunfähigkeit habe die Antragstellerin nicht erbracht, im Übrigen bestünde die Möglichkeit, Stundung nach § 76 Sozialgesetzbuch (SGB) IV zu beantragen. Die Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge habe die Antragstellerin nicht als zusätzliche Zahlung erbracht, sondern als Teil der Umsatzbeteiligung, so dass diese nicht beitragsfrei behandelt werden dürften.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.

Das Gericht der Hauptsache kann nach § 86 b SGG auf Antrag vorläufigen Rechtsschutz gewähren. In Anfechtungssachen - wie vorliegend gegen den strittigen Nachforderungsbescheid vom 23.02.2006/Widerspruchsbescheid vom 01.08.2006 - kann bei gesetzlichem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (§ 86 a Abs.2 Nr.1 SGG) diese ganz oder teilweise angeordnet werden, § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG. Diese Regelung gilt während des Verwaltungs- und des Klageverfahrens. Der am 30.05.2006 beim Sozialgericht München gestellte Antrag wirkt über den Erlass des Widerspruchsbescheids und die mittlerweile erfolgte Klageerhebung fort.

Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes steht im Ermessen des Gerichts (" ...kann ...") und erfordert eine Interessenabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange bei Gewährung oder Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes sowie eine Abschätzung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Diese Grundsätze hat das Sozialgericht zutreffend erläutert und angewandt. Der Senat weist deshalb die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 142 Abs.2 Satz 3 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die von der Antragstellerin vorgelegte Bestätigung der DAK München vom 31.05.2006 sich nicht auf die Antragstellerin, sondern auf die Firma M. Taxi e.K. bezieht. Darüber hinaus wird dort eben nicht gerade bestätigt, dass die Art und Weise, in der die Antragstellerin "Nacht- und Feiertagszuschläge berücksichtigt", auch den beanstandeten Weg der variablen Ausgestaltung der Zuschläge betrifft.

Die Behauptung, die Antragstellerin sei durch die Nachforderung in der Existenz gefährdet, ist nicht ausreichend belegt. Denn der Mitgesellschafter M. A. haftet ebenfalls mit dem persönlichen Vermögen unbeschränkt für die Nachforderung. Dafür, dass dieser ebenfalls mittellos sei, fehlt es an Hinweisen. Im Übrigen nimmt die Geschäftsführerin und persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin in erheblichem Umfange am wirtschaftlichen Verkehr teil, sie ist (Mit-)Betreiberin von wenigstens fünf Taxigesellschaften, die seit mehreren Jahren existieren und die mehrere Fahrer beschäftigen. Anzeichen für eine drohende Insolvenz im Falle der Realisierung der Beitrags- und Umlagenachforderungen sind deshalb nicht vorhanden.

Die Beschwerde, die darauf gerichtet war, die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin herzustellen, ohne dass dabei Sicherheit zu leisten wäre, bleibt somit in vollem Umfange ohne Erfolg. Es verbleibt somit bei der gesetzlich normierten sofortigen Vollziehbarkeit der Beitragsnachforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Streitwert entspricht dem vom Sozialgericht festgesetzten sowie im Hinblick auf das Begehren des vorläufigen Rechtsschutzes einem Drittel der strittigen Nachforderung (§ 197 a SGG in Verbindung mit §§ 52, 53, 72 Nr.1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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