L 25 B 738/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 4228/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 738/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2006 wird der Beschluss geändert: Die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Mietschulden der Antragstellerin in Höhe von 720 Euro durch Gewährung eines Darlehens entfällt. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Beschwerdeverfahren ist im Streit die Verpflichtung des Antragsgegners durch Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 26. Juli 2006 zur Übernahme von Mietschulden. Der Antragsgegner hat den Beschluss im Übrigen nicht angegriffen.

Die Antragsstellerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner entrichtet zur Zeit direkt an die Vermieterin der von der Klägerin bewohnten Wohnung im W Kosten für Unterkunft. Der von der Antragstellerin und ihrer Vermieterin geschlossene Mietvertrag sieht eine monatlich zu entrichtende Bruttomiete von 720 Euro vor. Mit Schreiben vom 28. Mai 2006 hat die Vermieterin die Wohnung fristlos gekündigt mit Räumungsaufforderung zum 30.Juni 2006 wegen verspätete gezahlter Miete und eines Rückstandes für die Mieten April und Mai 2006.

Mit Schreiben vom 01. Juni 2006 hat die Antragstellerin bei dem Antragsgegner beantragt, für den Monat April ein Darlehen für die Miete in Höhe von 720 Euro zu gewähren. Am selben Tage hat die Antragstellerin beim SG Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,

ihr, der Antragstellerin, den Mietzins für den Monat April 2006 in Höhe von 720 Euro für die Wohnung W in B, 1. Obergeschoss vorschussweise als Darlehen zur Verfügung zu stellen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, der Antragsgegner sei bereit, Kosten der Unterkunft direkt an die Vermieterin zu zahlen. Dies könne bereits ab Juni 2006 erfolgen. Weitere Mietrückstände seien daher nicht zu befürchten, so dass der Rückstand überschaubar bleibe. Es sei davon auszugehen, dass die Vermieterin sich unter dieser Bedingung auf eine Ratenzahlung einlassen werde. Der Antragsgegner gehe nicht davon aus, dass die Antragstellerin von Wohnungslosigkeit bedroht sei. Die Vermieterin habe nunmehr die Gewähr der Mietzinszahlungen durch den Antragsgegner.

Durch Beschluss vom 26. Juli 2006 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin seit vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache weitere 240 Euro monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen und Mietschulden in Höhe von 720 Euro durch Gewährung eines Darlehens zu übernehmen. Zur Begründung der Übernahme der Mietschulden hat das SG insbesondere ausgeführt, die Verpflichtung dafür rechtfertige sich insbesondere aus dem im Eilverfahren nicht aufzuklärenden Beginn des Leistungsanspruchs. Sofern die Antragstellerin tatsächlich bereits am 28. März 2006 einen Leistungsantrag gestellt hätte, würde den Antragstellern bereits vor dem 28. April 2006 ein Leistungsanspruch und damit auch ein solcher auf Kosten der Unterkunft zustehen. Selbst wenn die Antragstellung am 28. März 2006 nicht bewiesen werden könne, ermögliche jedenfalls § 22 Abs. 5 SGB II die darlehensweise Übernahme von Mietschulden. Zudem bestehe ein Anordnungsgrund. Der drohende Verlust der Wohnung rechtfertige den Erlass der einstweiligen Anordnung. Die Kündigung sei bereits ausgesprochen.

Gegen den dem Antragsgegner am 01. August 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 24. August 2006 beim Landessozialgericht für das Land Berlin - Brandenburg eingegangene Beschwerde des Antragsgegners. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, der Antragsgegner akzeptiere mit dem Bescheid vom 01. August 2006, dass der Lebensgefährte der Antragstellerin nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung wohne. Die Antragstellerin erhalte daher 240 Euro mehr an laufenden Leistungen. Es bestehe jedoch keine Bereitschaft, die Mietschulden der Antragstellerin zu übernehmen. Die Miete werde vom Antragsgegner nunmehr direkt an die Vermieterin überwiesen, so dass keine weiteren Mietschulden entstünden. Zudem bewohne die Antragstellerin mit ihrem Kind eine weit über den Begrenzungsgrenzen der AV-Wohnen liegende Wohnung. Die Übernahme der Mietschulden stelle eine ungerechte Privilegierung der Antragstellerin gegenüber Personen dar, die nicht Empfänger von Sozialleistungen seien. Dieser Personenkreis sei gezwungen, sich entweder eine günstigere Wohnung zu suchen oder eine Vereinbarung mit dem Vermieter über die Stundung o. ä. der Mietschulden zu schließen. Nach Auffassung des Antragsgegners sei die Antragstellerin keineswegs von Wohnungslosigkeit bedroht. Bereits fraglich sei, ob die Vermieterin die Kündigung aufrechterhalte, da die Miete nunmehr gezahlt werde. Zudem sei der Berliner Wohnungsmarkt übersättigt. Die Antragstellerin müsse sich in absehbarer Zeit ohnehin eine andere Wohnung suchen, da die jetzige nicht angemessen sei. Sie könne bereits jetzt in eine angemessene Wohnung ziehen. Eine entsprechende Mietübernahmegarantie könne ausgestellt, die Zahlung direkt an den Vermieter vorgenommen werden. Die "alten Schulden" könne die Antragstellerin direkt bei der Vermieterin in Raten abzahlen. Dass diese einer Ratenzahlung ablehnend gegenüber stehe, habe die Antragstellerin weder vorgetragen noch nachgewiesen.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2006 dahingehend zu ändern, dass die Mietschulden i. H. von 720 Euro durch die Beschwerdeführerin nicht zu übernehmen sind. 2. Die Vollziehung des vorbenannten Beschlusses auszusetzen.

Die Antragstellerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Antragsgegners zum Geschäftszeichen und den Inhalt der Gerichtsakte, die bei der Beschlussfassung des Senats vorgelegen haben.

II.

Die zulässige und im Übrigen statthafte Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Mietschulden in Höhe von 720 Euro durch Gewährung eines Darlehens von dem Antragsgegner zu erhalten. Der Beschluss des SG Berlin vom 26. Juli 2006 war insoweit zu ändern.

Das Gericht kann nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG – auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG ist § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung, ZPO, entsprechend anzuwenden. Danach sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Dem vorliegenden Verfahren sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Von einem Anordnungsanspruch ist auszugehen, wenn nach summarischer Prüfung die Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der Fall.

Soweit das SG seine Entscheidung mit einem etwaigen früheren Leistungsbeginn begründet, ist der dazu erfolgte Vortrag der Antragstellerin bereits nicht glaubhaft gemacht.

Auch nach den Anspruchsvoraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II ist ein Anordnungsanspruch auch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs.5 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Bislang ist weder vorgetragen noch sonst glaubhaft gemacht, dass die Übernahme der Schulden durch den Antragsgegner zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass ohne die Übernahme der Mietschulden Wohnungslosigkeit eintreten würde. Die Antragstellerin selbst hat dies nicht vorgebracht.

Insbesondere nachdem der Antragsgegner die Mietzahlungen an die Vermieterin direkt erbringt, ist dies nach Aktenlage nicht glaubhaft. Die Räumung der Wohnung sollte bereits zum 30. Juni 2006 erfolgen. Dass die Vermieterin ihren Räumungsanspruch durchsetzen wird, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen, obgleich der Antragsgegner dies substantiiert in Frage gestellt hat. Hingegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. Juli 2006 dem SG Berlin mitgeteilt, sie habe mit der Vermieterin Kontakt aufgenommen, die ihr mitgeteilt habe, dass sie den Verlauf abwarte.

Nach allem fehlt es auch an einem Anordnungsgrund. Dieser setzt Notwendigkeit der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile voraus. Entscheidend ist dabei, ob nach den Umständen des Einzelfalls dem Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr unzumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass nicht glaubhaft ist, dass der Antragstellerin gegenwärtig wesentliche Nachteile drohen. Sie hat weder drohenden Wohnungsverlust glaubhaft gemacht, noch hat sie nicht dargelegt, dass sie erfolglos geblieben wäre im Hinblick auf Bemühungen um eine neue Wohnungssuche für den Fall des Fortbestehens ihrer Verpflichtung zur Räumung der Wohnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Antrag des Antragsgegners, die Vollziehung des vorgenannten Beschlusses auszusetzen, ist mit der Entscheidung gegenstandslos geworden.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
Saved