L 11 R 4189/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 10/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4189/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1953 in Schlesien geborene Klägerin, die seit November 1979 in der Bundesrepublik lebt, ist als Vertriebene anerkannt. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war bis einschließlich Januar 2001 versicherungspflichtig als Maschinenarbeiterin bei der Firma M. beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitslos, lediglich unterbrochen durch kurze Beschäftigungszeiten als Montagearbeiterin (März 2003 und Februar bis März 2004).

Ihr erster Rentenantrag vom 22.10.2002 wurde nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dipl. med. M. mit Bescheid vom 10.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2003 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei mit den Befunden:

1. Belastungs- und haltungsabhängige Kreuzschmerzen 2. Schulter-Arm-Syndrom rechts, 3. Übergewicht, 4. Bluthochdruck, 5. Diabetes mellitus Typ II, 6. Senk-Spreiz-Füße mit Hallux valgus rechts, 7. Coxarthrose rechts mehr als links und 8. Hyperuricämie

noch fähig leichte bis mittelschwere Arbeiten täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten, wobei Nachtschicht vermieden werden sollte, so dass eine Erwerbsminderung nicht vorliege. Ihre dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage nahm die Klägerin nach Anhörung der sie behandelnden Ärzte wieder zurück (S 6 RJ 1100/03).

Am 20.09.2004 beantragte sie erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung unter Hinweis auf arterielle Hypertonie und Diabetes.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung der Klägerin nach ambulanter Untersuchung. Die Allgemeinmedizinerin Dr. K. diagnostizierte einen nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ II, ein Zervikobrachialsyndrom sowie Adipositas. Bei der Untersuchung habe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geklagten, blumenreich ausgestalteten Beschwerden sowie dem flüssigen Aus- und Ankleiden bestanden. Die Klägerin könne ihrer Einschätzung nach noch die bisherige Tätigkeit vollschichtig, allerdings ohne Schicht- oder Akkordarbeit, ausüben. Weiterhin seien ihr leichte bis mittelschwere Frauenarbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar, wobei Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, häufig wechselnde Arbeitszeiten, schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken oder ständige Zwangshaltungen vermieden werden sollten.

Mit Bescheid vom 12.11.2004 wies dies Beklagte daraufhin den Antrag mit der Begründung zurück, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin noch weiterhin mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.

Ihren dagegen mit der Begründung erhobenen Widerspruch, ihre gesundheitlichen Probleme seien nicht ausreichend gewürdigt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2004 ohne weitere Ermittlungen zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund ihrer zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden könne. Die Benennung einer konkreten oder zumutbaren Tätigkeit sei nicht erforderlich. Insofern liege noch ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich vor.

Mit ihrer dagegen erneut beim SG erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, sie sei nicht in der Lage, leichte Arbeiten zu verrichten, da sie nicht lange stehen und sitzen könne. Unter Übergewicht würde sie hingegen nicht leiden.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG erneut die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört.

Der Hausarzt Dr. H. schloss sich der Beurteilung im Rentengutachten an. Die Klägerin leide an Diabetes mellitus Typ II und arterieller Hypertonie, die beide behandlungsbedürftig seien. Desweiteren würde sie über wechselnde Schmerzen im Bereich des gesamten muskuloskelettalen Systems mit Schwerpunkt im Schulter-Nacken-Bereich ebenso wie über eine allgemeine Erschöpfung und Schlafstörungen klagen. Reproduzierbare manifeste Funktionsstörungen hätte er nicht feststellen können.

Der behandelnde Orthopäde Dr. A. berichtete über die Behandlung wechselnder, jeweils kurzfristiger Beschwerden. Dem Rentengutachten, das sorgfältig und gründlich erhoben sei, könne er nichts hinzufügen.

Mit Urteil vom 29.06.2006, der Klägerin zugestellt am 15.07.2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, sondern könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Dies ergebe sich auf der Grundlage der eingeholten Befundberichte und des Rentengutachtens, wonach die Gesundheitsstörungen der Klägerin lediglich zu qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit führten. Die Klägerin sei zwar subjektiv beeinträchtigt, ihre Beschwerdeschilderung ließe sich jedoch nicht mit den objektiven Befunderhebungen der beteiligten Ärzte in Einklang bringen. Sie habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, vor allem wegen der schlechten Chancen, noch einmal eine Arbeit zu finden, besorgt zu sein. Dieses Arbeitsplatzrisiko falle jedoch in den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Der festgestellte Grad der Behinderung von 50 sei für das Rentenverfahren ohne Belang, denn der Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz bzw. dem Neunten Sozialgesetzbuch sei für die rentenrechtliche Beurteilung der im konkreten Einzelfall noch vorhandenen Leistungsfähigkeit nicht geeignet.

Zur Begründung ihrer dagegen am 31.07.2006 beim SG erhobenen Berufung macht die Klägerin geltend, sie sei in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Deswegen könne sie ohne Begleitung nicht mehr das Haus verlassen. Sie leide auch an Kreislaufbeschwerden. Eine Erwerbsminderungsrente wäre deswegen eine gute Lösung für sie, da sie weder sechs Stunden arbeiten noch eine geringfügige Tätigkeit ausüben könne.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Juni 2006 sowie den Bescheid vom 12. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01. September 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte ergäben, die eine Änderung des bisherigen Standpunktes zuließen.

Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und damit insgesamt zulässig. Sie ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid vom 12.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Zwar erfüllt sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, wie sich dies aus dem Versicherungsverlauf vom 12.11.2004 ergibt. Indessen fehlt es an einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im erforderlichen Umfang. Denn die Klägerin ist noch in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. H. und Dr. A. wie dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. K ... Diese haben sämtlich ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für leichte körperliche Arbeiten bestätigt. Der Senat nimmt auch insoweit auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug.

Im Vordergrund der gesundheitlichen Einschränkungen steht danach zum einen der nicht primär insulinabhängige Diabetes mellitus Typ II, der lediglich regelmäßige Blutzuckerkontrollen bedingt und Zwischenmahlzeiten erfordert. Beides steht jedoch einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit nicht im Wege, sondern kann in betriebsüblichen Pausen erledigt werden. Der Diabetes mellitus bedingt daher nur, dass die Klägerin keine Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr oder häufig wechselnden Arbeitszeiten verrichten kann.

Desweiteren leidet sie an einem Zervikobrachialsyndrom, welches die qualitative Leistungseinschränkung einer erforderlichen Vermeidung von Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, schwerem Heben und Tragen, häufigem Bücken oder in ständiger Zwangshaltung bedingt. Die Gutachterin hat für den Senat nachvollziehbar eine quantitative Leistungseinschränkung hieraus verneint, nachdem der Klägerin sowohl das Aus- und Ankleiden wie das Aufsuchen der Untersuchungsliege flüssig gelang, d.h. in Momenten, in denen sie sich unbeobachtet gefühlt hat. Nebenbefundlich liegt noch eine Adipositas vor.

Auch die von der Klägerin benannten Ärzte haben in ihrer sachverständigen Zeugenaussage sich der Leistungsbeurteilung der Beklagten angeschlossen und sogar hervorgehoben, dass das Gutachten sorgfältig und gründlich erstellt worden sei und den Befund exakt wiedergebe.

Ob die Klägerin mit diesem Leistungsvermögen noch ihre bisherige Tätigkeit als Montiererin ausüben kann, kann der Senat dahingestellt sein lassen, denn sie ist aufgrund ihres Werdeganges (keine Ausbildung, durchgehende Berufstätigkeit in ungelernten Tätigkeiten) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit den vorbeschriebenen qualitativen Einschränkungen besteht.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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