S 6 AS 414/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 414/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Wohnbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten streitig.

Die am 1955 geborene Klägerin bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Sie bewohnte bei Erstantragstellung gemeinsam mit ihrer Tochter V., geb. am 1985, eine 3 Zimmer-Wohnung mit 98 qm (Warmmiete 847,22 EUR) in der Z.straße in Augsburg. Die Tochter erhielt damals selbst von der Beklagten Arbeitslosengeld II. Im Oktober 2005 nahm die Tochter das Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Augsburg auf und bezieht seither BAFöG-Leisung in Höhe von monatlich 377,00 EUR. Der Ehemann der Klägerin, geb. am 1949, liegt seit 26.03.2004 im Wachkoma und ist daher auf nicht absehbare Zeit in einem Pflegeheim (Sozialzentrum H. in Augsburg) untergebracht.

Mit Schreiben vom 23.11.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Unterkunftskosten über der für einen 2 Personen-Haushalt liegenden Angemessenheitsgrenze von 447,50 EUR lägen und forderte die Klägerin auf, ihre Unterkunftskosten deshalb zu senken. Mit Schreiben vom 17.01.2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie der Aufforderung vom 23.11.2005 Folge geleistet habe. Sie habe jetzt eine 2 Zimmer-Wohnung in der J.straße in Augsburg gefunden. Mietbeginn sei der 01.03.2006. Die Miete für die neue Wohnung betrage abzüglich des Tiefgaragenstellplatzes 583,00 EUR warm und sei damit erheblich günstiger als die bisher bewohnte. Sie beantrage daher die Zusicherung der Kostenübernahme der Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und weiterer Umzugskosten. Sie reichte dazu auch Kostenvoranschläge von Umzugsfirmen ein sowie Unterlagen hinsichtlich des am 09.01.2006 geschlossenen Mietvertrags.

Mit Bescheid vom 31.01.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der geltend gemachten Kosten ab. Die von der Klägerin angemietete Wohnung entspreche nicht den Angemessenheitskriterien der Beklagten, so dass eine Übernahme der Umzugskosten ausscheide.

Hiergegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 09.02.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Zur Widerspruchsbegründung wurde vorgetragen, dass in dem Schreiben vom 23.11.2005, durch das die Klägerin aufgefordert worden sei, ihre Kosten der Unterkunft und Heizung zu reduzieren, kein Hinweis darauf enthalten sei, dass vor der Anmietung der neuen angemessenen Wohnung die Zustimmung der Beklagten einzuholen sei. Die Anmietung der neuen Wohnung erfolgte auch nicht aus freien Stücken, sondern auf Aufforderung der Beklagten. Es sei auch zu bedenken, dass die bisherige Gesamtmiete von 847,22 EUR durch den Umzug erheblich gesenkt worden sei. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei daher das Verhalten der Klägerin als angemessen zu bewerten. Ferner sei mit zu bedenken, dass der Ehemann der Klägerin momentan noch im Wachkoma liege. Es bestehe nach wie vor die Hoffnung, dass dieser in den gemeinsamen Haushalt zurückkehren könne. Es konnte daher der Klägerin nicht zugemutet werden, eine kleinere Wohnung anzumieten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2006 zurück.

Dagegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 29. Mai 2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist weiter vorgetragen worden, dass der Ehemann der Klägerin schwerst pflegebedürftig sei. Ob er wieder in den gemeinsamen Haushalt zurückkehren könne, sei derzeit unklar. Mit Schreiben vom 23.11.2005 sei die Klägerin darüber aufgeklärt worden, dass die Leistungen für Unterkunft und Heizung nur dann in tatsächlicher Höhe zu erbringen seien, soweit diese angemessen seien. Die Angemessenheitsgrenze liege bei 447,50 EUR. Handschriftlich sei noch vermerkt worden, dass die Klägerin derzeit 60 qm zustehen würden. Es ergebe sich danach eine Kaltmiete von 306,60 EUR bzw. eine Warmmiete von 447,50 EUR. Am 09.01.2006 habe sodann die Klägerin gemeinsam mit ihrer Tochter V. einen Mietvertrag bezüglich des Mietobjekts J.straße in Augsburg abgeschlossen. Die Wohnungsgröße betrage 72,66 qm und die Miete 436,00 EUR kalt bzw. 552,00 EUR warm. Die Ablehnung der Übernahme der beantragten Umzugskosten sei ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe in ihrem Bewilligungsbescheid vom 23.11.2005 in Bezug auf die ehemalige Wohnung in der Z.straße nämlich lediglich den Mietanteil der Klägerin in Höhe von 416,26 EUR übernommen. Da jedoch weder die Tochter der Klägerin noch die Klägerin selbst in der Lage gewesen seien, den Differenzbetrag zur tatsächlichen Miete über einen längeren Zeitraum selbst abzudecken, seien diese gezwungen gewesen, sich kurzfristig eine neue Wohnung zu suchen und dort auch einzuziehen. Ferner sei in der Ermessensentscheidung nicht mitberücksichtigt worden, dass möglicherweise der Ehemann der Klägerin wieder in den gemeinsamen Haushalt zurückkehren könne, soweit eine gesundheitliche Besserung eintrete. Die Mietsache in der J.straße müsse daher insoweit als durchaus angemessen bezeichnet werden. Hierauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.06.2006 geantwortet. Nach Auskunft der Klägerin am 14.04.2005 sei der Ehemann dauerhaft im Pflegeheim untergebracht. Dies sei auch von dem Bezirk Schwaben bestätigt worden. Von einer Rückkehr des Ehemanns in den Haushalt der Klägerin sei damit nicht auszugehen. Darüber hinaus hätte die Klägerin, wenn sie der Beklagten, wozu sie auch verpflichtet gewesen sei, rechtzeitig mitgeteilt hätte, dass sie einen Wohnungswechsel plane, auch die diesbezüglichen Informationen über die Voraussetzung einer Bewilligung von Umzugskosten erhalten. Der Wohnungswechsel sei der Beklagten jedoch nicht rechtzeitig mitgeteilt worden. Im Übrigen sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, auf jegliche Art der Leistungsvoraussetzungen hinzuweisen. Sowohl dem Merkblatt SGB II als auch dem Gesetzestext könne entnommen werden, dass vor Vertragsabschluss über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einzuholen sei und Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten nur bei vorheriger Zusicherung gewährt werden könnten.

In der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2006 beantragt die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 31.01.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2006 zu verurteilen, ihr die beantragten Umzugskosten zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin geltend gemachten Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten zu übernehmen.

Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II können durch den kommunalen Träger Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung übernommen werden. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist danach nach Satz 1 eine vorherige Zusicherung durch die Beklagte. Aufgrund des klaren Wortlauts ("bei vorheriger Zusicherung") können ohne Zusicherung keine Kosten übernommen werden. Das Zusicherungsverfahren hat nämlich den Zweck, dem Hilfebedürftigen vor der Unterzeichnung eines neuen Mietvertrags und vor dem Umzug die erforderliche Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Aufwendungen für die neue Wohnung angemessen sind und ob Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden. Der Hilfebedürfige soll auf diese Weise davor geschützt werden, dass er Verpflichtungen eingeht, die vom Leistungsträger nicht übernommen werden. Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht werden, wenn der Hilfesuchende bereits vor der Durchführung des Zusicherungsverfahrens neue mietvertragliche Verpflichtungen eingeht und damit auch die Notwendigkeit des Umzugs verursacht. Da vorliegend die Klägerin bereits durch Abschluss des Mietvertrages am 09.01.2006 die nun geltend gemachten Umzugskosten ohne vorherige Zusicherung der Beklagten begründet hat, scheidet die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten durch die Beklagte hier nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II aus (so auch SG Berlin Urteil vom 15.11.2005, Az: S 63 AS 7217/05).

Nach Ansicht des Gerichts kommt hier auch keine nachträgliche Genehmigung im Wege einer Ermessensentscheidung durch die Beklagte, wie sie im Fall des § 22 Abs. 2 SGB II möglich ist, in Betracht. Bei den Zusicherungen nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II handelt es sich nämlich um rechtlich getrennte Zusicherung. Dafür spricht der enge Wortlaut des Absatzes 2 ("Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft") und die gesetzliche Trennung in zwei verschiedenen Absätzen mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Zusicherung (Schmid in Oestreicher, SGB II, § 22 Rdnr 80). Damit ist für die Erteilung einer Zusicherung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II unerheblich, ob die Voraussetzungen für eine nachträgliche Genehmigung einer Anmietung einer sich als angemessen darstellenden Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 2 vorliegen. Nach der Gesetzessystematik und dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 Satz 1 ist es für die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten kein Entscheidungskriterium, ob der Kläger in eine für ihn angemessene Unterkunft gezogen ist, wenn er dies ohne vorherige Zustimmung getan hat.

Selbst jedoch wenn man annehmen würde, dass auch im Fall des § 22 Abs. 3 SGB II bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 SGB II noch nachträglich eine Zusicherung bzw. Genehmigung erteilt werden könne, scheitert hier ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme ihrer geltend gemachten Umzugskosten daran, dass die Klägerin nicht in eine Unterkunft gezogen ist, die den Angemessenheitskriterien der Beklagten entspricht. Anstelle der von der Beklagten für einen 2 Personen-Haushalt als angemessen erachtete Warmmiete in Höhe von 447,50 EUR hat sich die Klägerin zur Zahlung einer Warmmiete von 552,00 EUR verpflichtet. Richtigerweise konnte auch der Ehemann der Klägerin nicht als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, da er nach § 7 Abs. 4 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II erhalten kann. Er ist nämlich für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht. Da somit die Klägerin in eine neue Unterkunft gezogen ist, die nicht den Angemessenheitskriterien der Beklagten entspricht, kann der Umzug nicht im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 Satz 2 SGB II als von der Beklagten veranlasst angesehen werden. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Klägerin durch den Unterkunftswechsel tatsächlich eine Reduzierung ihrer bisherigen Unterkunftskosten durchgeführt hat. Sinn und Zweck eines Umzugs aus einer unangemessenen teuren Wohnung ist es nämlich, die Kosten der Unterkunft durch den Umzug auf ein angemessenes Maß zu senken, mit der Folge, dass ein Umzug aus Steuermitteln durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch dann nicht finanziert werden kann, wenn er in eine Unterkunft erfolgt, die zwar günstiger ist, aber das angemessene Maß noch (selbst geringfügig) überschreitet (so auch SG Dresden Beschluss vom 1. März 2006 Az: S 23 AR 122/05 AS-PKH).

Die für die Klägerin angefallenen Umzugskosten können auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches erstattet werden. Der Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden. Er verpflichtet die Behörde, dort, wo dem Versicherten durch Verwaltungsfehler ein Nachteil in seinen Sozialrechten entstanden ist, den sozialrechtlichen Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Behörde von Anfang an richtig gehandelt hätte. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, setzt er auch kein Verschulden voraus (BSG Entscheidung 49, 56). In Betracht käme hier nur ein Beratungsfehler, der dazu geführt hat, dass die Klägerin sich vertraglich zu dem Umzug verpflichtet hatte, ohne vorher sich um eine Zusicherung zu bemühen. Ein solcher Beratungsfehler vermag das Gericht hier jedoch nicht zu erkennen, da die Beklagte nicht gehalten ist sog. Spontanberatungen durchzuführen. Vielmehr liegt ein Beratungsfehler nur dann vor, wenn die Beklagte anlässlich von konkreten Hinweisen auf einen Beratungsbedarf hierauf nicht reagiert. Dies wäre vorliegend z. B. der Fall gewesen, wenn anlässlich einer Vorsprache oder einer Mitteilung der Klägerin, dass sie einen Umzug erwäge, die Beklagte auf die Voraussetzungen von Bewilligung von Umzugskosten sie nicht hingewiesen hätte. Hier hat die Klägerin jedoch die Beklagte nicht vorab über ihre Umzugsabsichten informiert. Insoweit hat die Klägerin auch zumindest fahrlässig gegen sich selbst den erforderlichen Antrag nicht gestellt bzw. Informationen nicht eingeholt, so dass selbst bei Verletzung einer Informationspflicht diese nicht wesentlich für die Beeinträchtigung ihrer sozialen Rechte gewesen wäre (s. BSG Urteil vom 06.03.2003 Az: B 4 RA 38/02 R). Zusätzlich müsste der Beklagten auch noch möglich sein, durch eine zulässige Amtshandlung die Folgen der behaupteten Fehlberatung zu beseitigen. Hier hat aber die Klägerin durch ihren tatsächlich durchgeführten Umzug in eine unangemessen teure Wohnung die Tatsachen geschaffen, aufgrund derer jetzt zulässigerweise keine Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten erfolgen kann. Wegen der tatsächlichen Nichtrückgängigmachung des Umzugs kann die Klägerin jetzt auch tatsächlich nicht mehr so gestellt werden, wie sie bei einer ordnungsgemäßen Beratung gestanden wäre.

Insgesamt war daher der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2006 rechtlich nicht zu beanstanden und die Klage daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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