L 4 P 3182/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 P 393/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3182/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) streitig.

Die am 1931 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Rentnerin pflegeversichert. Im März 2002 erlitt sie als Folge eines Sturzes eine subcapitale Oberarmtrümmerfraktur links, die operativ mittels Osteosynthese mit Platten, Schrauben und Zugdrähten versorgt wurde. Als Folge hiervon besteht bei der Klägerin nunmehr eine massive Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk. Sie leidet im Übrigen an einem essentiellen Tremor, einem Diabetes mellitus Typ II sowie an einer arteriellen Hypertonie. Bei ihr ist nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) ein Grad der Behinderung von 80 sowie das Merkzeichen G anerkannt. Die Klägerin lebt allein in einer im zweiten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegenen Zweieinhalbzimmerwohnung mit Dusche und Toilette. Sie wird von ihrer Tochter unterstützt, die die Klägerin zeitweise mit vorgekochtem Essen versorgt und ihr fallweise beim Duschen hilft, von ihrem Sohn, der ihr beim Einkaufen und Reinigen der Wohnung hilft, sowie von Freundinnen und Hausbewohnern, die beim Putzen und Bügeln bzw. beim Tragen der Einkäufe helfen. Zeitweise wird im Übrigen ein Ambulanter Pflegedienst für eine "Große Toilette" in Anspruch genommen

Am 22. April 2002 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung. Ihren Hilfebedarf gab sie wie folgt an: "beim Anziehen helfen, Spritzen, Armwickeln". Die Beklagte veranlasste eine gutachtliche Untersuchung der Klägerin im häuslichen Bereich, die am 26. Juni 2002 von der Pflegefachkraft S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in K./T. durchgeführt wurde. In ihrem Gutachten vom 08. Juli 2002 führte diese aus, die Klägerin könne den linken Arm lediglich noch bis zur Brustmitte anheben, links weder den Nacken- und Schürzengriff durchführen, noch schwere Gegenstände halten; im Bereich der linken Hand bestehe eine reduzierte Kraft, die Fingerbeweglichkeit sei jedoch frei. Eine Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Körperseite bestehe bei der rechtshändigen Klägerin nicht. Intermittierend trete ein Tremor beider Hände auf, weshalb sie teilweise Gegenstände fallen lasse. Die Klägerin benötige Hilfe bei Tätigkeiten über Kopf, beim Haarewaschen, beim sorgfältigen Kämmen, beim Schließen des BH, beim Öffnen von vollen Flaschen sowie gelegentlich beim Einschenken von Getränken. Wegen Ausrutschgefahr benötige sie Hilfe beim Transfer in und aus der Badewanne. Auf dieser Grundlage gelangte die Gutachterin im Bereich der Körperpflege zu einem täglichen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Oberkörpers von vier Minuten (fünfmal wöchentlich), beim Duschen von sechs Minuten (zweimal wöchentlich) sowie beim Kämmen von einer Minute (einmal täglich). Bei der Ernährung legte sie einen Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung von drei Minuten täglich (dreimal täglich) sowie bei der Mobilität von täglich zwei Minuten beim Ankleiden des Ober-/Unterkörpers (einmal täglich) sowie beim Stehen von täglich zwei Minuten (Transfer viermal wöchentlich) zugrunde. Insgesamt gelangte sie somit zu einem grundpflegerischen Hilfebedarf von 18 Minuten täglich; den Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung gab sie mit 39 Minuten täglich an. Mit Bescheid vom 16. Juli 2002 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, derzeit sei ein erheblicher Hilfebedarf, der die Einstufung in Pflegestufe I rechtfertige, nicht festzustellen. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Waschen des Oberkörpers, das Duschen und das Kämmen könne nicht in den errechneten elf Minuten erledigt werden. Zudem benötige sie Hilfe beim Richten der Kleidung. Auch die hauswirtschaftliche Versorgung sei nicht in der errechneten Zeit zu bewältigen. Ihre Tochter habe selbst einen Haushalt mit zwei Kindern zu führen, sodass es auch vorkomme, dass sie auf sich alleine gestellt sei. Bei einer Mietbelastung von EUR 343,58 beziehe sie lediglich eine Rente von EUR 662,00, von der sie auch nicht vorübergehend eine Putzhilfe bezahlen könne. Sie legte u.a. den Arztbrief des Kreiskrankenhauses N. vom 23. Juli 2002 sowie die Atteste des Orthopäden Dr. Sc. vom 24. Juli 2002 und der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. St. vom 30. Juli 2002 vor. Nachdem die nochmals hinzugezogene Pflegefachkraft S. unter dem 23. August 2002 an ihrer zuvor getroffenen Einschätzung festhielt, veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung der Klägerin im häuslichen Bereich, die durch Dr. R. vom MDK in K./T. am 30. September 2002 durchgeführt wurde. In ihrem Gutachten vom 01. Oktober 2002 bestätigte die Gutachterin, dass die Klägerin weiterhin erhebliche Probleme mit der Schulter habe, wobei der linke Arm nur geringgradig angehoben werden könne. Während der Faustschluss links vollständig möglich sei, sei die grobe Kraft der linken Hand herabgesetzt. Im Bereich der Körperpflege sah die Gutachterin dadurch bedingt einen täglichen Hilfebedarf beim Duschen von neun Minuten (dreimal wöchentlich) sowie beim Kämmen von zwei Minuten (einmal täglich). Im Bereich der Ernährung berücksichtigte sie einen täglichen Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung von zwei Minuten (einmal täglich), wobei Fleisch geschnitten werden müsse. Darüber hinaus legte sie im Bereich der Mobilität einen täglichen Hilfebedarf beim An bzw. Entkleiden von Ober-/Unterkörper von zwei Minuten bzw. einer Minute (jeweils dreimal wöchentlich) zugrunde. Ergänzend gab sie hierzu an, die Klägerin trage praktische Kleidung, die sie weitgehend alleine an- und ausziehen könne. Vor und nach dem Duschen sei die Tochter jeweils beim An- und Auskleiden im Oberkörperbereich behilflich. Insgesamt gelangte sie somit zu einem grundpflegerischen Hilfebedarf von 16 Minuten täglich; den Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung gab sie mit 45 Minuten täglich an. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 13. Januar 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 24. Januar 2003 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage und machte geltend, sie habe im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung einen täglichen Hilfebedarf von mindestens drei bis vier Stunden. Sie legte u.a. nochmals das Attest des Dr. Sc. vom 24. Juli 2002 vor, dessen an ihre früheren Bevollmächtigten gerichtetes Schreiben vom 13. November 2002 sowie weitere Arztbriefe des Kreiskrankenhauses N. und die Rechnung der P. GmbH vom 30. Januar 2003 (zweimal Große Toilette im Januar 2003) mit dem Hinweis, sie benötige für die große Toilette mit Hilfe einer Fachkraft mindestens eine Stunde. Im September 2003 sei im Übrigen eine Verschlimmerung dadurch eingetreten, dass die Kugel des linken Schultergelenks eingebrochen sei. Hierzu legte sie die an ihre früheren Bevollmächtigten gerichteten weiteren Schreiben des Dr. Sc. vom 23. Oktober und 03. November 2003 sowie den Arztbrief der Baumann-Klinik vom 28. Oktober 2002 vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen, wonach der Hilfebedarf der Klägerin den Mindestaufwand für die Pflegestufe I nicht erreiche. Sie legte die weitere Stellungnahme der Dr. R. vom 18. Juli 2003 vor sowie das im Hinblick auf die geltend gemachte Verschlimmerung veranlasste weitere Gutachten der Pflegefachkraft L., das dieser aufgrund einer Untersuchung im häuslichen Bereich am 27. April 2004 unter dem 28. April 2004 erstattet hatte. Darin wurde ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 27 Minuten täglich beschrieben (Ganzkörperwäsche zwölf Minuten, Duschen eine Minute, Kämmen zwei Minuten, mundgerechte Zubereitung der Nahrung fünf Minuten, An- bzw. Entkleiden fünf bzw. eine Minute, Stehen eine Minute). Das SG hörte Dr. F. St. unter dem 28. Mai 2003 und Dr. Sc. unter dem 18. Juni 2003 schriftlich als sachverständige Zeugen und erhob das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Sch. vom 26. August 2003 nebst ergänzender Stellungnahme vom 24. November 2003. Mit Urteil vom 10. Mai 2004 wies es die Klage mit der Begründung ab, der grundpflegerische Hilfebedarf der Klägerin erreiche lediglich 23 Minuten täglich, so dass der Mindesthilfebedarf für eine Zuordnung zu Pflegestufe I nicht erreicht werde. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den früheren Bevollmächtigten der Klägerin am 23. Juli 2004 zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen richtet sich die am 03. August 2004 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie stellt die von den am Verfahren beteiligten Gutachter bzw. Sachverständigen ermittelten Zeitwerte gegenüber und macht geltend, das SG habe davon jeweils die für sie günstigsten Werte zugrunde gelegt, diese ohne nachvollziehbare Begründung allerdings nicht bei der Teilwäsche des Oberkörpers sowie beim An- und Entkleiden übernommen. Wie im Gutachten vom 01. Oktober 2002 berücksichtigt, dusche sie dreimal wöchentlich, wobei der tägliche Hilfebedarf für das Duschen neun Minuten betrage. Die Teilwäsche des Oberkörpers sei dann noch viermal wöchentlich notwendig, wobei sich unter Berücksichtigung des Aufwands im Gutachten vom 28. April 2004 ein täglicher Hilfebedarf von acht Minuten ergebe. Zu Unrecht sei für die Teilwäsche des Unterkörpers kein Hilfebedarf berücksichtigt worden. Wegen Standschwierigkeiten müsse sie sich festhalten, was mit dem linken Arm jedoch nicht möglich sei. Für das Waschen von Beinen und Füßen benötige sie daher fremde Hilfe. Diese sei viermal wöchentlich notwendig, woraus sich ein täglicher Unterstützungsbedarf von vier Minuten ergebe. Beim Kämmen benötige sie Hilfe im Umfang von zwei Minuten täglich sowie bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung von fünf Minuten. Für das Ankleiden bestehe ebenfalls ein Unterstützungsbedarf von fünf Minuten täglich sowie für das Auskleiden von zwei Minuten. Da sie dreimal wöchentlich dusche, fielen für den Transfer drei Minuten an. Zu Unrecht sei ein Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme bisher nicht berücksichtigt worden. Sie leide an einem Aktionstremor beider Hände, der mit dem Begriff Zittern nur unzureichend beschrieben sei; es handle sich eher um ein Schütteln. Sie könne mit der linken Hand kein Besteck führen, also auch nicht mit Messer und Gabel essen. Durch den ausgeprägten Aktionstremor werde jede flüssige oder halbfeste Nahrung verschüttet und verkleckert; in ihrem Mund komme nichts bzw. nur wenig an. Auch könne sie nicht selbst aus einer Tasse oder einem Becher trinken. Der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf für die warme Mahlzeit betrage zehn Minuten und für die vier anderen Mahlzeiten je eine Minute, insgesamt insoweit mithin vierzehn Minuten. Unberücksichtigt geblieben sei ferner der Unterstützungsbedarf für das Treppensteigen. Sie leide an einer Arthrose beider Kniegelenke; wegen Gangunsicherheit mit diffuser Fallneigung sei sie beim Treppensteigen auf Hilfe angewiesen, insbesondere treppab. Bei einem zweimaligen Verlassen des Hauses pro Tag betrage der insoweit anfallende Hilfebedarf zehn Minuten. Im Bereich der Grundpflege fielen demnach im Tagesdurchschnitt mindestens 62 Minuten an Unterstützungsbedarf an. Bei ihr liege eine weitestgehende Gebrauchsminderung des linken Armes und damit eine funktionelle Einarmigkeit und Einhändigkeit vor, die in Wechselwirkung mit dem Aktionstremor der rechten Hand von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sch. nicht bewertet worden sei. Sie habe sich im Übrigen einer erneuten Operation im Bereich der linken Schulter unterziehen müssen. Zwischenzeitlich sei sie auch in der Gebrauchsfähigkeit des rechten Arms eingeschränkt, was dem vorgelegten Arztbericht der Sportklinik Stuttgart vom 24. März 2006 zu entnehmen sei. Das vom Senat eingeholte Gutachten der Sachverständigen R. sei im Übrigen nicht verwertbar, da diese von falschen Tatsachen ausgegangen sei. So habe diese dargelegt, sie habe die Sachverständige vollständig angezogen empfangen, während sie lediglich mit Unterwäsche, Pullover und Rock bekleidet gewesen sei, jedoch keinen BH und keine Strumpfhose getragen habe. Im Übrigen habe die Sachverständige aus dem Umstand, dass Butterbrezeln auf dem Tisch gestanden hätten, zu Unrecht geschlossen, dass sie diese selbst bestrichen habe. Auch habe die Sachverständige ausgeführt, sie habe beim selbstständigen Aus- und Ankleiden des Pullovers und beim Entnehmen der Teller aus dem Schrank den linken Arm aktiv eingesetzt. Dabei habe sie jedoch nicht deutlich gemacht, dass der linke Arm nur unterstützend eingesetzt worden sei. So verfüge der Pullover über einen sehr weiten Kragen, den sie auch mit der rechten Hand über die linke Schulter ziehen könne; die Teller habe sie mit der rechten Hand aus dem Schrank geholt, erst in Bauchhöhe auch mit der linken Hand gefasst und so auf den Tisch gestellt. Völlig unverständlich sei der von der Sachverständigen R. ermittelte grundpflegerische Hilfebedarf von acht Minuten, nachdem der Malteser Hilfsdienst bereits zum Duschen und Anziehen 45 Minuten benötige. Sie legte verschiedene weitere Unterlagen vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2003 zu verurteilen, ihr Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 22. April 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Sie verweist insbesondere auf die erhobenen Gutachten, die den grundpflegerischen Hilfebedarf korrekt erfasst hätten. Nicht zu berücksichtigen sei im Übrigen der zweimal täglich für das Verlassen der Wohnung angegebene Hilfebedarf, da insoweit zwar beispielsweise Arzt- und Apothekenbesuche berücksichtigt werden könnten, die Ärzte von der Klägerin alle zwei bis drei Wochen jedoch selbstständig aufgesucht würden.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Facharzt für Orthopädie T. unter dem 07. September 2005 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört und das Gutachten der Dipl.-Gerontologin R. vom 21. Januar 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 25. Mai 2006 erhoben.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2006 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Zu der erwogenen Verfahrensweise haben sich die Beteiligten nicht geäußert. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27. Juli 2006 nochmals ihre Situation dargelegt, eine Äußerung der A. A. hierzu sowie die Bestätigung des Malteser Hilfsdienstes e.V. vom 07. April 2006 vorgelegt, wonach im Januar 2006 dreimal eine Große Toilette durchgeführt worden sei, für die eine Mitarbeiterin jeweils 45 Minuten benötige.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Da der Hilfebedarf der Klägerin nicht den Mindestumfang für eine Zuordnung in Pflegestufe I erreicht, ist die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin Leistungen der Pflegeversicherung nach dieser Pflegestufe zur Verfügung zu stellen.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Beeinträchtigungen von Seiten des linken Armes bei zahlreichen Verrichtungen der Unterstützung dritter Personen benötigt, der hierbei erforderliche Hilfebedarf jedoch nicht den Umfang von mehr als 45 Minuten täglich erreicht, wie dies für eine Zuordnung zu Pflegestufe I notwendig wäre. Das SG ist dabei unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin, der Auskünfte der behandelnden Ärzte sowie des Sachverständigengutachtens des Dr. Sch. davon ausgegangen, dass die Klägerin im Bereich der grundpflegerischen Verrichtungen lediglich einen Hilfebedarf von 23 Minuten täglich hat, womit die Mindestvoraussetzungen für eine Zuordnung zur Pflegestufe I nicht erfüllt werden. Der Senat lässt dahinstehen, ob der vom SG mit 23 Minuten ermittelte Hilfebedarf exakt den Bedarf an Unterstützung widerspiegelt, den die Klägerin täglich bei den maßgeblichen Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Mobilität und der Ernährung benötigt und der in den MDK-Gutachten vom 08. Juli und 01. Oktober 2002 mit 18 Minuten bzw. 16 Minuten, in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. vom 26. August 2003 mit 18 Minuten, in dem weiteren Gutachten des MDK vom 27. April 2004 mit 27 Minuten sowie in dem vom Senat erhobenen Gutachten der Sachverständigen R. mit acht Minuten täglich ermittelt wurde. Denn sämtliche am Verfahren beteiligte Gutachter bzw. Sachverständigen haben bei der Klägerin einen Hilfebedarf ermittelt, mit dem der Mindesthilfebedarf für eine Zuordnung zu Pflegestufe I deutlich unterschritten wird. Auch die eigenen Darlegungen der Klägerin im Berufungsverfahren lassen es nicht zu, ihren Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit mehr als 45 Minuten täglich zu bewerten. So hat die Klägerin bei den Verrichtungen, bei denen auch sämtliche Gutachter einen Unterstützungsbedarf zu Grunde gelegt haben, wie folgt beziffert: Duschen neun Minuten, Teilwäsche Oberköper acht Minuten, Kämmen zwei Minuten, mundgerechte Zubereitung der Nahrung fünf Minuten, Ankleiden fünf Minuten, Auskleiden zwei Minuten, Stehen drei Minuten. Darüber hinaus hat sie zusätzlich einen von den Gutachtern bzw. Sachverständigen nicht berücksichtigten Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers von vier Minuten täglich angegeben und ferner einen Unterstützungsbedarf bei der Nahrungsaufnahme von insgesamt 14 Minuten täglich sowie beim Treppensteigen von weiteren zehn Minuten täglich, wodurch insgesamt ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 62 Minuten täglich erreicht würde. Ein Unterstützungsbedarf, mit dem die Pflegestufe I erreicht wird, ergibt sich auch unter Zugrundelegung dieser Zeitwerte nicht. Denn der angegebene Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme und beim Treppensteigen ist nicht berücksichtigungsfähig, so dass sich allenfalls ein Bedarf an Unterstützung von 38 Minuten täglich ergäbe. Soweit die Klägerin den Hilfebedarf für das Treppensteigen damit begründet, dass sie pro Tag zweimal das Haus verlasse und dabei beim Treppensteigen auf Hilfe angewiesen sei, käme eine entsprechende Anrechnung lediglich im Rahmen der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung in Betracht. Denn ein Hilfebedarf beim Treppensteigen kann nur Berücksichtigung finden, wenn innerhalb der Wohnung Treppen zu überwinden sind und diese nicht alleine bewältigt werden können. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall, da sich innerhalb ihrer Wohnung keine Treppen befinden. Was die Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anbelangt, hat die Beklagte jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass entsprechende Unterstützungsleistungen nur anrechnungsfähig sind, wenn Wege zu Stellen betroffen sind, an denen das persönliche Erscheinen des Versicherten notwendig ist, wie dies beispielsweise bei Arzt- oder Therapeutenbesuchen der Fall ist. Um solche Termine handelt es sich nach dem Vorbringen der Klägerin jedoch nicht, da entsprechende Besuche nicht zweimal täglich anfallen. Im Übrigen ist der von der Klägerin für die Nahrungsaufnahme geltend gemachte Hilfebedarf für den Senat nicht nachvollziehbar. Dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, die Nahrung selbstständig aufzunehmen, d.h. zum Mund zu führen und daher gefüttert werden muss, lässt sich nämlich weder den vorliegenden Gutachten noch den Auskünften der als sachverständige Zeugen gehörten Ärzten entnehmen. Auch die Lebensverhältnisse der Klägerin sprechen gegen einen derartigen Unterstützungsbedarf. Schließlich lebt die Klägerin alleine und es steht nicht ständig eine Pflegeperson bereit, die die entsprechende Verrichtung übernehmen könnte. Auch gegenüber der Sachverständigen R., die die Klägerin im Rahmen ihres Hausbesuchs am 20. Januar 2006 begutachtet hat, wurden entsprechende Unterstützungsleistungen nicht angegeben. Diese hat den Tremor im Bereich der Hände im Übrigen zwar erwähnt, jedoch ausdrücklich deutlich gemacht, dass die Aufnahme der Nahrung mit der rechten Hand ohne Hilfe erfolge, die Klägerin bei den Mahlzeiten zumeist alleine sei und das Trinken sowie das Essen der Suppe nach ihren Angaben mit einem Strohhalm erfolge. Wenn auch die Klägerin zahlreiche Einwendungen gegen dieses Gutachten erhoben hat, so hat sie im Hinblick auf diese Feststellungen der Sachverständigen gleichwohl nicht die Fehlerhaftigkeit gerügt und geltend gemacht, sie benötige bei der Einnahme der Mahlzeiten Unterstützung. Der Senat geht daher davon aus, dass die Aufnahme der Nahrung noch selbstständig erfolgen kann und insoweit daher kein Hilfebedarf besteht. Damit ergibt sich aber im Bereich der grundpflegerischen Verrichtungen - selbst wenn man die weiteren Zeitangaben der Klägerin als zutreffend zugrunde legt - allenfalls ein Hilfebedarf im Umfang von 38 Minuten täglich, der eine Zuordnung zu Pflegestufe I nicht rechtfertigt. Dass die Klägerin mit ihren Einkünften möglicherweise nicht in der Lage ist, die erforderlichen Unterstützungsleistungen sicherzustellen, rechtfertigt die Einstufung in Pflegestufe I nicht. Denn der Gesetzgeber hat die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Hilfebedürftigen abhängig gemacht, sondern von der Erreichung eines Mindestaufwands an Unterstützung, der bei der Klägerin (noch) nicht festgestellt werden kann. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der anlässlich einer Vorstellung in der Sportklinik Stuttgart im März 2006 diagnostizierten beginnenden Omarthose rechts, mit der, wie der vorgelegten Bescheinigung des Internisten Dr. Sp. vom 17. Februar 2006 zu entnehmen ist, lediglich eine geringe Einschränkung verbunden ist.

Danach konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Saved