L 3 SB 3526/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2174/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3526/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist der Grad der Behinderung (GdB).

Die am 3.4.1949 geborene Klägerin beantragte am 26.1.2004 erstmals die Feststellung eines GdB nach dem Schwerbehindertenrecht.

Mit Bescheid vom 27.2.2004 stellte der Beklagte einen GdB von 20 unter Berücksichtigung einer Schwerhörigkeit als Funktionsbeeinträchtigung fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 26.5.2004 zurück. Dem lag nunmehr als Funktionsbeeinträchtigung eine Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen zu Grunde.

Dagegen hat die Klägerin am 7.6.2004 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Feststellung eines höheren GdB unter Berücksichtigung einer Polyarthrose weiterverfolgt hat.

Das SG hat den behandelnden Orthopäden Dr. H. als sachverständigen Zeugen befragt, der in seinem Bericht vom 14.1.2005 u. a. über eine Fußwurzelarthrose bei Knick-Senk-Füßen sowie eine Polyarthrose der Langfinger mit Einschränkung der Greiffunktion berichtet hat.

Dr. Franke vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 26.4.2005 unter Berücksichtigung einer Gebrauchseinschränkung beider Füße als weitere Funktionsbeeinträchtigung mit einem Einzel-GdB von 10 weiterhin einen Gesamt-GdB von 20 angenommen und ausgeführt, dass eine Funktionseinschränkung der Hände auf Grund der Auskunft nicht nachvollzogen werden könne.

Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 29.7.2005 abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung maßgeblichen Voraussetzungen und Rechtsvorschriften entschieden, dass die von Dr. H. dargelegte Gebrauchseinschränkung beider Füße lediglich geringergradig sei und deshalb nach S. 127 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sei. Hinsichtlich der nicht näher präzisierten Einschränkung der Greiffunktion der Langfinger sei ebenso allenfalls ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Insbesondere sei kein Zustand festzustellen, der im Sinne von S. 121 der AHP einer Versteifung beider Daumengelenke und des Mittelhandhandwurzelgelenkes in günstiger Stellung entspräche. Die weiteren Einzel-GdB von 10 führten nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 24.8.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 25.8.2005 Berufung eingelegt, mit der sie eine nicht ausreichende Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung ihrer Hände geltend macht.

Der Senat hat Dr. H. befragt, der in seiner Stellungnahme vom 12.5.2006 insoweit eine Beugefähigkeit bis 90 bzw. 100 ° und eine Streckhemmung von 5 ° bei endgradig möglichem Faustschluss angibt und insgesamt von einer deutlichen Funktionseinschränkung spricht.

Hierzu liegt die versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes Deppisch vom 5.7.2006 vor, wonach insgesamt keine Beeinträchtigung vorliege, die z. B. dem Verlust eines Langfingers mit einem Einzel-GdB von 10 vergleichbar wäre bzw. diesen übersteige. Die Bezeichnung der Gesundheitsstörungen könne um eine Fingerpolyarthrose mit einem Einzel-GdB von 10 ohne Änderung des Gesamt-GdB ergänzt werden.

Sodann hat der Senat noch Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. W. vom 17.8.2006. Erhoben worden sind darin eine mäßiges degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkung und Nervenwurzelreizung (Einzel-GdB 10) sowie eine mäßige Arthrose der Langfingermittel- und Endgelenke (Einzel-GdB höchstens 10). Die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Befunde bedingten keinen GdB. Den Gesamt-GdB schätzte er mit 20 ein.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2004 zu verurteilen, einen GdB von 30 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Ein höherer GdB als 20 kann nicht festgestellt werden.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).

Bezüglich der von der Klägerin im Berufungsverfahren ausschließlich geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigung der Hände ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. W., dass hinsichtlich der Hand- und Fingergelenke ein weitgehend unauffälliger Befund bei freier Beweglichkeit sämtlicher Fingergelenke und seitengleich kräftig vollständigem Faustschluss gegeben ist. Jedenfalls ein höherer Einzel-GdB als 10 kann hierfür unter Berücksichtigung von S. 121 der AHP nicht festgestellt werden.

Unter Berücksichtigung des anderweitig vorzunehmenden Ansatzes von 20 für die Schwerhörigkeit - Anhaltspunkte dafür, dass die Bewertung insoweit unrichtig sein sollte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen - und weiteren Einzel-GdB von - allenfalls - jeweils 10 (Füße, Wirbelsäule und Hände) kann kein höherer Gesamt-GdB als 20 festgestellt werden.

Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich nämlich nicht rechnerisch ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet. In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die - wie hier - (allenfalls) einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Selbst bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP). Anhaltspunkte dafür, warum hier von diesen dargelegten Grundsätzen abgewichen werden sollte, liegen nicht vor.

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG vom 24.6.1998 - B 9 SB 17/97 R -). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Auch eine gerichtliche Feststellung weiterer Funktionsbeeinträchtigungen scheidet daher aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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