L 3 RJ 26/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 RJ 123/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 26/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.1998 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Bei der am ...1938 geborenen Klägerin wurde auf ihren erstmaligen Antrag vom 15.06.1981 eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen "G", "H" und "RF" wegen einer geistigen Behinderung und eines Diabetes mellitus anerkannt. Dem lag ein Bericht von Dr. S ... vom 17.07.1981 zugrunde, die bei der Klägerin eine geistige Behinderung bei frühkindlicher Hirnschädigung beschrieb.

Die Klägerin schloss die Volksschule im Jahre 1954 ab und besuchte im Anschluss eine hauswirtschaftliche Berufsschule. Sie begann eine Ausbildung zur Kindergärtnerin, die sie je doch nach einem halben Jahr abbrach. Wegen psychischer und körperlicher Störungen lebte die Klägerin vom 05.01.1956 bis 06.02.1956 und seit dem 05.04.1957 zunächst in der R ... Landesklinik für Jugendpsychiatrie und nach einer Verlegung wegen Unruhe- und Erregungszuständen depressiver Färbung mit Suizidabsichten seit dem 18.06.1957 in der R ... Landesheilanstalt B ... Seit der im Jahre 1980 erfolgten Aufnahme der Klägerin in das Heilpädagogische Heim B ..., wo sie seit 1981 auf einer offenen Frauengruppe der Abteilung Rehabilitation lebt, ist der Werdegang der Klägerin in den Entwicklungsberichten und -protokollen des Heilpädagogischen Heims vom 14.01.1986, 16.05.1988, Februar 1991 und vom 11.09.1992 dokumentiert. Seit dem 01.07.1982 erfolgte die Eingliederung der Klägerin in die B ... Werkstätten der Lebenshilfe B ... im Wege eines von der Arbeitsverwaltung durchgeführten Arbeitstrainings in der Zeit vom 01.07.1982 bis zum 30.06.1984. Seit dem 01.07.1984 war die Klägerin im Produktionsbereich Verpackung/Montage eingesetzt. Auf die Berichte der B ... Werkstätten über den Verlauf des Arbeitstrainings der Klägerin vom 31.08.1982, 30.05.1983 und 08.03.1984 sowie den Inhalt der Beurteilungsbögen zur Entgeltdefinition vom 06.09.1983, 05.07.1984, 15.11.1985 und 24.09.1998 wird Bezug genommen. Nachdem sich der Gesamtzustand der Klägerin mit Beginn des Jahres 1994 wegen einer akuten psychischen Dekompensation verschlechtert hatte, und sie in den Zeiten vom 26.01.1994 bis 09.03.1994 und 02.09.1994 bis 20.09.1994 in der Abteilung für Gerontopsychiatrie der R ... Landesklinik B ... behandelt werden musste (Berichte vom 14.04.1994 und 10.11.1994), wurde ihre Tätigkeit in den B ... Werkstätten in beiderseitigem Einvernehmen zum 30.11.1994 beendet. Die Klägerin entrichtete auf der Grundlage der Einbeziehung ihrer Werkstatttätigkeit in die Sozialversicherung in der Zeit vom 01.07.1982 bis 30.11.1994 Pflichtbeiträge.

Sie beantragte am 07.12.1994 die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der von der Beklagten beauftragte Arbeitsmediziner Dr. K ... führte in seinem Gutachten vom 06.02.1995 aus, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin seit dem 07.12.1994 dauernd nur noch weniger als zwei Stunden arbeiten.

Mit Bescheid vom 15.03.1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Sie führte aus, da die Klägerin seit dem Eintritt in das Erwerbsleben erwerbsunfähig gewesen sei, habe sie die für eine Rentenbewilligung wegen Erwerbsunfähigkeit erforderliche Wartezeit von 240 Kalendermonaten nicht zurückgelegt. Bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung fehlten 91 Monate. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe in der Werkstatt gut und gerne gearbeitet. Erst seit Anfang des Jahres 1994 habe sie nicht mehr in der Werkstatt tätig sein können. Ihr sei nicht verständlich, warum sie die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten für eine Rentenbewilligung nicht erfülle. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Ärztliche Beratungsdienst habe festgestellt, dass die Klägerin während der Zeit der in der Behindertenwerkstatt verrichteten Tätigkeit nicht auch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes habe tätig werden können.

Mit ihrer am 21.08.1995 bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, bei den von ihr verrichteten Verpackungs- und Montagetätigkeiten handele es sich um typische Arbeitsbereiche jeder Warenindustrie, die sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in vielfacher Form finden ließen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat sie weiter ausgeführt, die Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte und die Annahme von Erwerbsunfähigkeit seien miteinander vereinbar.

In ihrem auf Anforderung des SG erstellten Befundbericht vom 15.12.1995 hat Dr. S ... ausgeführt, sie behandele die Klägerin seit über 15 Jahren wegen einer Pfropfpsychose bei geistiger Behinderung mittleren Grades und Diabetes mellitus. Die Klägerin sei krankheitsuneinsichtig und sowohl in ihren psychischen wie körperlichen Einschränkungen nur sehr schwer zu führen, so dass es immer wieder zu diabetischen Entgleisungen und Harnwegsinfekten mangels Hygiene komme. Weiter forderte das SG einen Bericht von der Neurologin und Psychiaterin Dr. H ... vom 21.12.1995 an, auf des sen Inhalt verwiesen wird.

Die B ... Werkstätten teilten mit Schreiben vom 19.12.1995 und 23.08.1996 mit, die Klägerin habe innerhalb der Werkstatt im Produktionsbereich Verpackung gearbeitet. Nach Anleitung bzw. ihr entsprechender Einarbeitung sei sie in der Lage gewesen, die ihr aufgetragenen produktiven Arbeiten im Bereich der industriellen Lohnfertigung (z. B. Verpackungs-, Montage- und Sortierarbeiten) unter gelegentlicher Kontrolle selbständig durchzuführen.

Der vom SG beauftragte Neurologe und Psychiater H ... ist unter Berücksichtigung der während des Aufenthaltes der Klägerin in dem Heilpädagogischen Heim B ... erstellten Berichte zu der zusammenfassenden Beurteilung gelangt, bei der Klägerin bestehe ein überwiegend bisher hirnorganisch gedeutetes Defizit im emotionalen-, im Antriebs- und Kontaktbereich sowie im Bereich der Steuerung von Impulsen und der Frustrationstoleranz mit zeitweiligen akuten Auffälligkeiten. Im Längsschnitt habe die Klägerin zumindest im heimbetreuerischen Bereich ständig der Kontrolle, des Zuspruchs und der Zulieferung bei den das tägliche Leben regelnden Angelegenheiten bedurft. Obwohl die Äußerungen der B ... Werkstätten zur Qualität der arbeitsmäßigen Belastung der Klägerin nichts hergäben, könne auf der Grundlage der Entwicklungsberichte und der dokumentierten Erkrankungen angenommen werden, dass die Klägerin in der Zeit ab dem 01.07.1982 nicht zu Erwerbstätigkeiten in der Lage gewesen sei, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von nicht behinderten Erwerbstätigen wahrgenommen würden.

In dem Erörterungstermin vom 10.09.1998 hat das SG die Sozialarbeiterin in den B ... Werkstätten, Frau S ..., als Zeugin gehört. Wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift des Termins verwiesen.

Mit Urteil vom 15.12.1998 hat das SG die Beklagte antragsgemäß zur Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verurteilt und sich dabei maßgeblich auf die Zeugenaussage der Frau S ... gestützt. Diese habe anschaulich die Aufgabenbereiche der B ... Werkstätten beschrieben sowie klar und nachvollziehbar herausgestellt, dass die Klägerin bis zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung im Jahre 1994 in der Lage gewesen sei, im Bereich der Verpackungs-, Montage- und Sortierarbeiten wirtschaftlich verwertbare Produktionsergebnisse des allgemeinen Arbeitsmarktes zu erzielen. Die Zeugin, die selbst als Studentin im Montagebereich der Firma G ... gearbeitet habe, habe ihre damalige Beschäftigung mit der Tätigkeit der Klägerin bei den B ... Werkstätten verglichen und herausgestellt, dass die Klägerin gleichwertige Arbeiten verrichtet habe. Die Klägerin sei sehr pünktlich, sehr zuverlässig und selbständig gewesen. Sie habe nahezu fehlerfrei gearbeitet und sei bei ihrer Arbeit konzentriert gewesen.

Gegen das ihr am 13.01.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.01.1999 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Fallgestaltung, dass ein in einer Werkstatt für Behinderte Beschäftigter auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne, dürfe äußerst selten auftreten. Bei seiner Entscheidung habe das SG die medizinischen Unterlagen und insbesondere das Gutachten des Neurologen und Psychiaters H ... nicht ausreichend berücksichtigt. Da die Zeugenaussage der Sozialarbeiterin, Frau S ..., hierzu im krassen Widerspruch stehe, habe sich das SG zumindest zu weiteren Ermittlungen veranlasst sehen müssen. Die Beklagte hat sich auf ärztliche Stellungnahmen der Neurologin Dr. M ... vom 03.05.2000 und 20.06.2000 bezogen, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.12.1998 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2000 weder erschienen noch vertreten gewesen. Ihrem schriftsätzlichen Vorbringen ist zu entnehmen, dass sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Ausführungen des in erster Instanz gehörten Sachverständigen H ... seien unergiebig, da er lediglich Vermutungen hinsichtlich der Frage einer bereits seit 1982 bestehenden Erwerbsunfähigkeit der Klägerin aufgestellt habe. Im übrigen habe er die Entwicklungsmöglichkeiten und Fähigkeiten der Klägerin, deren Pflegschaft im Jahre 1987 aufgehoben worden sei, nicht thematisiert und bewertet. Im Hinblick auf die Regelung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) erscheine es als verfassungswidrig, dass in einer Werkstatt für Behinderte versicherungspflichtig beschäftigte Behinderte nach einer Wartezeit von fünf Jahren im Regelfall keine Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit erhielten.

Der Senat hat weitere Ermittlungen bei den B ... Werkstätten durchgeführt sowie einen Befundbericht von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H ... vom 15.05.2000 beigezogen, auf dessen Inhalt verwiesen wird. In dem Erörterungstermin vom 25.07.2000 ist der Werkstattleiter der B ... Werkstätten, Herr N ..., als Zeuge vernommen worden. Wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Rentenakte sowie der Schwerbehindertenakte der Klägerin beim Versorgungsamt K ... Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da sie mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -; § 126 SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 15.12.1998 ist zu ändern und die Klage abzuweisen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat.

Nach § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) ist Rente zu bewilligen, wenn die Versicherte erwerbsunfähig ist, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen und die Wartezeit erfüllt ist. Die besondere Wartezeitregelung des § 44 Abs. 3 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 3 SGB VI findet mangels einer ausreichenden Zahl von Kalendermonaten mit Beitragszeiten keine Anwendung. Im Falle der Klägerin genügt die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht, da sie bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit während ihrer Tätigkeit in den B ... Werkstätten erwerbsunfähig war.

Die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin ergibt sich allerdings nicht bereits aus der Tatsache, dass sie in einer Werkstatt für Behinderte tätig war. Die von den Behinderten in einer Werkstatt verrichtete Tätigkeit ist vielmehr nach Art, beruflichen Voraussetzungen und regelmäßig erreichten Sachertrag mit den durchschnittlichen Arbeitsergebnissen einer typgleichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vergleichen und daraufhin abzuschätzen, ob die Fähigkeiten der Behinderten ausreichen würden, einen Arbeitsplatz der typgleichen Tätigkeit im Umfang des § 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI - "gewisse Regelmäßigkeit" oder "Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt" - auszufüllen (wirtschaftliche Verwertbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt). Bei dieser Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist die in der Werkstatt von der Behinderten konkret verrichtete Tätigkeit zwingend zu berücksichtigen und zu beachten, dass die Tatsache der Ausübung einer konkreten Tätigkeit in der Regel einen stärkeren Beweiswert hat als scheinbar dies ausschließende medizinische Befunde (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 6 SGB VI; BSG Urteil vom 23.02.2000 - B 5 RJ 8/99 R -).

Zwar ist eine Werkstatt für Behinderte nach § 54 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) eine Einrichtung, welche denjenigen Behinderten, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, einen Arbeitsplatz oder Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit bieten soll. Unter Berücksichtigung der Vielfalt der Arten und Grade von Behinderungen sollen jedoch die Arbeits- und Beschäftigungsplätze in ihrer Ausstattung soweit wie möglich denjenigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechen (§ 5 Abs. 2 Werkstättenverordnung SchwbG), so dass eine Verschiedenartigkeit der Tätigkeiten von Behinderten in den einzelnen Aufgabensparten der Werkstatt für Behinderte gegeben ist. In einigen Arbeitsbereichen einer Werkstatt für Behinderte kann es daher vorkommen, dass sich die durchgeführten Arbeiten in ihren charakteristischen Merkmalen mit einem Tätigkeitstyp decken, der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreffen ist (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 1).

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die auf der Grundlage der Zeugenvernehmung der Sozialarbeiterin Frau S ... getroffene gegenteilige Feststellung des Sozialgerichts lässt sich nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht erhalten. Die Auswertung der regelmäßig erstellten Beobachtungs- und Beurteilungsbögen und die Zeugenaussage des Werkstattleiters N ... hat ergeben, dass die von der Klägerin im Arbeitsbereich Verpackung/Montage durchgeführten Tätigkeiten in Teilschritte des auf dem vergleichbaren allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Gesamtvorganges aufgeteilt werden. Die Arbeiten waren daher nach den äußeren Umständen ihrer Durchführung nicht mit einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreffenden Tätigkeitstyp gleichzustellen.

Es ist auch davon auszugehen, dass diese von den B ... Werkstätten im Arbeitsbereich der Klägerin vorgenommene Aufteilung der konkreten Arbeitsvorgänge notwendig war, da es sich um einen dem Leistungsvermögen der Klägerin entsprechenden durchschnittlich schwierigen Arbeitsplatz im Werkstattbereich handelte. Zwar sind die Angaben der Zeugin S ... zur Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Klägerin im wesentlichen durch den Zeugen N ... und den Inhalt der beigezogenen Beobachtungs- und Bewertungsbögen bestätigt worden. Im Bereich der Selbständigkeit hielten die betreuenden Mitarbeiter der B ... Werkstätten die Klägerin ausweislich der Beurteilungsbögen vom 05.07.1984, 15.11.1985 und 24.09.1988 jedoch nur für fähig, andere gleichartige Aufgaben zu erledigen. Sie sahen sich nicht imstande, der Klägerin eine Selbständigkeit bzw. vollkommene Selbständigkeit zu bestätigen, mit welcher die Beherrschung anderer bzw. verschieden schwieriger Aufgaben verbunden wäre. Zudem wurde die Arbeitsleistung der Klägerin in dem als durch schnittlich schwierig angesehenen Arbeitsbereich durchgehend nur als "langsam" bewertet.

Zusammenfassend äußert der Zeuge N ... die Einschätzung, bei einem Vergleich mit anderen Mitarbeitern der B ... Werkstätten habe die Klägerin ohne große Veränderungen in ihrer Arbeitsleistung durchgängig durchschnittliche Leistungen (Tendenz etwas besser) erbracht. Der Zeuge N ... betreute die Klägerin seit 1983 regelmäßig am Arbeitsplatz und war daher zu einer differenzierten Einschätzung ihrer Arbeitsleistung in der Lage. Im Gegensatz zu der Zeugin S ..., die als Sozialarbeiterin nur bei Konflikten im Arbeitsbereich und den monatlichen Besprechungen über die Qualität der arbeitsmäßigen Belastung der Klägerin Kenntnis erlangen konnte, beruht seine Aussage auf einer fundierten Grundlage. Die Aussage des Zeugen N ... wird durch den Inhalt des nach Abschluss des Einarbeitungstraining er stellten Beobachtungsbogens vom 08.03.1984 bestätigt. Dieser enthält die Angabe, dass die Klägerin gut in einer Werkstatt für Behinderte einsetzbar sei. Eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei hingegen unter keinen Umständen möglich.

Schließlich werden die Feststellungen zur Arbeitsleistung der Klägerin während ihrer Werkstattbeschäftigung auch durch das Gutachten des in erster Instanz gehörten Sachverständigen H ... bestärkt. Er hat nicht nur Vermutungen geäußert, sondern seine Aussagen nach Auswertung der umfangreichen Entwicklungsberichte des Heilpädagogischen Heims B ... getroffen. Er hat auf Defizite im Verhaltensbereich der Klägerin hingewiesen, die sich auch am Arbeitsplatz bei der geforderten Selbständigkeit und der Zusammenarbeit mit anderen Werkstattbeschäftigten auswirkt. Seine Feststellung, dass die Erkrankung der Klägerin einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entgegenstehe, wird durch die Angaben von Dr. S ... bestätigt, welche eine zeitweise begrenzte Steuerbarkeit der Klägerin beschrieb.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt § 44 SGB VI in dem dargelegten Verständnis nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, wonach "niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" darf. Die Vorschrift will verhindern, dass der Einzelne durch die Einordnung in eine durch Diskriminierung gefährdete Gruppe stigmatisiert und benachteiligt wird. Durch die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB VI wird indessen eine solche Diskriminierung nicht herbeigeführt oder gefördert. Behinderten wird mit dieser Vorschrift in Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz die Möglichkeit eröffnet, trotz Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit den Zugang zu einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu erlangen. Im übrigen spiegelt die Rentenversicherung eine vom Gesetzgeber nicht herbeigeführte, sondern vorgefundene Ungleichheit, die er als solche akzeptieren muß, will er nicht gerade damit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, dass er Ungleiches gleich behandelt (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 6 SGB VI; BSG, Urteil vom 23.02.2000 B 5 RJ 8/99 R -).

Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierzu eine Veranlassung gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben war.
Rechtskraft
Aus
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