Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 353/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 56/03 -16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1950 geborene Kläger war nach seinen Angaben ab 1971 durchgehend als Steinsetzer, zuletzt bei der S- u T GmbH R in M beschäftigt. Im Dezember 2000 erstattete die AOK Berlin Anzeige wegen einer BK und gab an, der Kläger sei seit 10. Oktober 2000 wegen einer Bandscheibenerkrankung arbeitsunfähig. Wegen dieser Krankheit habe bereits am 11. und 12. März sowie vom 23. April bis 21. Mai 1993 und vom 07. November 1994 bis 18. September 1995 Arbeitsunfähigkeit bestanden.
Auf entsprechenden Fragebögen der Beklagten gab der Kläger an, am 31. August 1987 hätten sich erstmals Rückenbeschwerden im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit bemerkbar gemacht. Die Beurteilung einer Computertomographie der Lendenwirbelsäule vom 13. November 2000 ergab eine rechts paramediane Prolapsformation bei L4/5 mit Kompression des rechten L5-Wurzelabganges, Irritation auch der rechten L4-Wurzel durch breitflächig protrude "Rest-BS", linksbetonte Protrusion L5/S1 mit Irritation der L5-Wurzeln links mehr als rechts und möglicher Affektion des rechten S1-Abganges, Osteochondrose und rechtsbetonte Spondylarthrose (L4/5/S1) mit ossärer Enge der NF L4/5/S1 beiderseits.
Vom 28. März bis 18. April 2001 unterzog sich der Kläger einem von dem Rentenversicherungsträger veranlassten Heilverfahren in der Rehabilitationsklinik R-W in B K. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Entlassungsberichts wurde der Kläger als Steinsetzer für weniger als drei Stunden täglich, für leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden und mehr einsatzfähig gehalten.
In einer ärztlichen Stellungnahme vom 06. Juli 2001 kam der Arzt für Arbeitsmedizin Dr. R zu dem Ergebnis, dass eine primäre bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliege und diese Schäden einen chronisch oder chronisch-rezidivierenden Krankheitsverlauf mit wesentlichen Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule bedingten. Er empfahl die Einholung eines Gutachtens, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien.
In einer von dem technischen Angestellten (TAB) H vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten ua. aufgrund einer persönlichen Befragung zur Arbeitsplatzanamnese abgegebenen Beurteilung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) wurde eine Gesamtbelastungsdosis von 18,02 MNh ermittelt. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass je 20 Prozent der Arbeitszeit auf das Verlegen von Granitplatten (Tagesdosis 8686,19 Nh, Gesamtdosis 9,26 MNh) und auf das Verlegen von Kopfsteinpflaster (Tagesdosis 8213,19 Nh, Gesamtdosis 8,756 MNh) entfalle und die restliche Arbeitszeit auf je 20 Prozent Verbundpflasterverlegung, Gehwegplattenverlegung und Mosaikverlegung, bei denen die Tagesmindestdosis von 5500 Nh nicht erreicht worden sei.
Entgegen der Empfehlung des Gewerbearztes Dr. E, der in seiner vorläufigen Stellungnahme vom 21. September 2001 im Hinblick darauf, dass der vorgeschlagene Grenzwert nach dem MDD nur knapp verfehlt worden sei, eine Begutachtung des Klägers als erforderlich angesehen hatte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Januar 2002 die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der nach dem MDD geforderte Gesamtdosiswert von 25 MNh nicht erreicht worden sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. April 2002 zurück.
Das Sozialgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Einholung eines medizinischen Gutachtens gefordert hat, durch Urteil vom 27. Mai 2003 abgewiesen, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 nach der von dem TAD der Beklagten vorgenommenen MDD-Berechnung nicht erfüllt seien.
Gegen das am 15. August 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. September 2003 Berufung eingelegt. Er hat Zweifel geäußert, ob das MDD ein geeignetes Modell zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 sei, und darauf hingewiesen, dass die mit seiner Arbeit verbundenen Belastungen, nämlich die von ihm durchgeführten Transporte mit der Schubkarre, bei der Berechnung der Belastungsdosis nach dem MDD keine Berücksichtigung gefunden hätten. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass er die belastenden Tätigkeiten im Akkord verrichtet habe und deshalb die tägliche Arbeitszeit deutlich über der vom TAD angenommenen Dauer von 8 Stunden gelegen habe.
In einer hierzu abgegebenen Stellungnahme vom 22. März 2004 hat der TAB H darauf hingewiesen, dass die bei der MDD-Berechnung zugrunde gelegten Lastgewichte sowie die Dauer und Häufigkeit der einzelnen Hebe- und Tragevorgänge auf den Angaben des Klägers sowie auf Lasttabellen, Kalkulationswerten und praxisorientierten Maximalwerten beruhten. Auch die Transportvorgänge mit der Schubkarre seien in die Berechnung eingeflossen. Der Kläger hat an seiner Auffassung, dass das MDD kein geeignetes Berechnungsmodell sei, unter Hinweis auf die in der Literatur geäußerte Kritik festgehalten und eine eigene Berechnung unter Zugrundelegung von zum Teil abweichenden Werten vorgelegt, aus der sich eine Gesamtbelastungsdosis von 38,84 MNh ergab.
Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme vom 04. März 2005 der Tiefbauingenieurin E H von der Abteilung Prävention vorgelegt, der zwei weitere MDD-Berechnungen beigefügt waren, die Gesamtbelastungsdosen von 17,41 und 16,67 MNh erbrachten.
Der Senat hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärztin für Orthopädie Dr. H vom 10. März 2005 sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie M vom 22. März 2005 eingeholt.
Des Weiteren ist die Schwerbehindertenakte des Klägers von dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin beigezogen worden. Nachdem der Arzt Dr. G in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 10. Februar 2001 für die Behinderung "Bandscheibenschäden L4-S1, LWS-Syndrom" einen Grad der Behinderung (GdB) von 10 in Ansatz gebracht hatte, schlug der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S in einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 04. Juni 2002 vor, die Behinderung "Abnutzungserscheinungen der Lendenwirbelsäule, Bandscheibenvorfall Höhe L4/5, Forameneinengungen Höhe L5/S1, anhaltende Reizzustände, Funktionsbeeinträchtigung, Wirbelsäulenfehlform" mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Mit Beweisanordnung vom 30. Mai 2005 hat der Senat den Arzt für Orthopädie Prof. Dr. N, Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des E W S, zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens beauftragt, wobei der Sachverständige gebeten wurde, bei seiner Bewertung davon auszugehen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt seien. Nachdem das von dem Sachverständigen im Zusammenwirken mit dem Facharzt für Orthopädie R erstattete Gutachten vom 07. September 2005 – am 14. November 2005 – eingegangen war, hat der Senat Prof. Dr. N mit Schreiben vom 15. November 2005 um eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten ersucht, die von ihm am 19. Januar 2006 abgegeben worden ist. Hierin ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei dem Kläger festgestellten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nicht im Sinne der erstmaligen Entstehung auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen, jedoch mit Wahrscheinlichkeit im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung durch seine berufliche Tätigkeit als Steinsetzer mit verursacht worden seien. Es sei davon auszugehen, dass die Beendigung der versicherten Tätigkeit teilweise aufgrund der durch die berufliche Exposition mit verursachten Gesundheitsstörungen erfolgt sei. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bedingten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH ... Bei einer jeweils hälftigen Verursachung durch exponierte und nicht exponierte Faktoren betrage die beruflich verursachte MdE 10 vH.
Der Kläger ist der Auffassung, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorlägen, seien aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. N die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK als erfüllt anzusehen. Ihm sei eine Verletztenrente zuzusprechen, weil im Bereich der Lendenwirbelsäule eine MdE von 20 vH bestehe und die von dem Sachverständigen abgegeben Beurteilung, dass der berufliche Anteil der Verursachung nur eine MdE von 10 vH rechtfertige, nicht nachvollzogen werden könne. Entscheidend sei, dass trotz der anlagebedingten Vorschädigung das bei ihm heute vorhandene Schadensbild ohne die berufliche Belastung erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2002 zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm ab 01. Dezember 2000 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung kann dem Gutachten Prof. Dr. N insoweit nicht gefolgt werden, als er eine wesentliche Verschlimmerung des degenerativen Leidens durch die berufliche Tätigkeit angenommen habe. Zur weiteren Begründung bezieht sich die Beklagte auf ein von ihr veranlasstes orthopädisches Fachgutachten des Arztes für Orthopädie Dr. W-R vom 08. Mai 2006.
Hierzu hat der Senat eine gutachterliche Rückäußerung des Sachverständigen Prof. Dr. N vom 22. Juli 2006 eingeholt, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Schwerbehindertenakte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihm steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als BK nicht zu. Er kann deshalb auch keine Verletztenrente beanspruchen. Die Voraussetzungen der hierfür allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) sind nicht erfüllt.
Hiernach sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzusehen.
Für die Anerkennung und Entschädigung als BK nach Nr. 2108 muss bei dem Versicherten mithin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch das langjährige berufsbedingte Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Im vorliegenden Fall sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen (haftungsbegründende Kausalität) für die Entstehung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Dies ergibt sich aus den von dem TAD der Beklagten erstellten Belastungsbeurteilungen nach dem MDD, wonach die aus der beruflichen Tätigkeit des Klägers errechnete Belastungsgesamtdosis den Richtwert zur Mindestexposition von 25 MNh für Männer deutlich unterschreitet. Hierbei kann dahinstehen, ob die von dem TAB H aufgrund der persönlichen Befragung zur Arbeitsplatzanamnese im Verwaltungsverfahren abgegebene Beurteilung nach dem MDD, bei der eine Gesamtbelastungsdosis von 18,02 MNh ermittelt wurde, zu Grunde zu legen ist oder die von der Tiefbauingenieurin H in der Stellungnahme vom 04. März 2005 erstellten MDD-Berechnungen, die etwas geringere Gesamtbelastungsdosen von 17,41 und 16,67 MNh erbracht haben. Nicht maßgebend für die rechtliche Beurteilung kann die von dem (Prozessbevollmächtigten des) Kläger(s) vorgenommene eigene Berechnung sein, die eine – mehr als doppelt so hohe – Gesamtbelastungsdosis von 38,84 MNh ergab. Dieser Berechnung lagen zum Teil abweichende Werte zu Grunde, die sich aus den von Herrn H und Frau H berücksichtigten Lasttabellen, Kalkulationswerten und praxisorientierten Maximalwerten nicht herleiten lassen und deshalb nicht als gesichert oder sogar nachgewiesen angesehen werden können.
Die von dem Kläger gegen das MDD vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (Urteile vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R – veröffentlicht in SozR 4-2700 § 9 Nr. 1 sowie vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R -), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteile vom 11. November 2004 – L 3 U 1/03 und 03. März 2005 – L 3 U 117/02 -), stellt das MDD ein zumindest derzeit geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das gesamte Berufsleben zu ermitteln und in Bezug zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen. Es orientiert sich an medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich auf die in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten stützen. Es knüpft an die in dem vom seinerzeit zuständig gewesenen Bundesministerium für Arbeit herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2108 getroffenen Vorgaben der Langjährigkeit und der nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmten Mindestlastgewichte an. Das Herausfiltern von Hebe- und Tragetätigkeiten aus dem Tätigkeitsfeld des Betroffenen, bei welchem ein geschlechtsspezifischer Belastungsgrenzwert (Druckkraft bei L5/S1) erreicht bzw. überschritten wird, entspricht dem Grundprinzip dieser BK. Auch nach der Auffassung der unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 S. 20, 21; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 573) ist der Belastungsrichtwert wissenschaftlich begründet. Das Erfassen der relevanten Tätigkeiten nach ihrer Häufigkeit sowie nach der Dauer der Hebe- und Tragevorgänge entspricht den von der BK Nr. 2108 erfassten Pathomechanismen. Der schichtkumulierte Mittelwert wird mit Hilfe von epidemiologischen Referenzdaten begründet. Die das MDD-Modell charakterisierende überproportionale quadratische Gewichtung der Bandscheibenkompression in Relation zur Häufigkeit und Dauer der belastenden Vorgänge wird sowohl biomechanisch als auch epidemiologisch überzeugend begründet. Gerade dem Schädigungsmechanismus durch Mikrotraumatisierungen bei übermäßigen Kompressionsbelastungen wird dadurch Rechnung getragen. Bei der Anwendung dieses Verfahrens konzentriert sich die individuelle Kausalitätsprüfung, soweit es sich um das Kriterium "Schädigungspotential" der äußeren Einwirkung handelt, im Wesentlichen auf die nach diesem Verfahren ermittelte Gesamtbelastungsdosis, als deren Maßstab der sogenannte Beurteilungsrichtwert gilt.
Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass gegen die Heranziehung des MDD zur Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 Einwendungen erhoben wurden, gleichwohl hat das BSG in seiner Entscheidung vom 19. August 2003 (B 2 U 1/02 R) an diesem Modell festgehalten. Es ist kein Verfahren zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 bekannt, das als Alternative zum MDD in Betracht zu ziehen wäre. Es bestehen daher jedenfalls zur Zeit keine Bedenken gegen die Anwendung dieses Modells.
Nach dem MDD sind bei Männern nur Hebe- und Tragevorgänge zu berücksichtigen, die zu einer Druckkraft von 3200 Newton (N) auf die Bandscheibe L5/S1 führen. Diese Hebe- und Tragevorgänge werden unter Einbeziehung ihrer zeitlichen Dauer pro Arbeitstag aufaddiert und, wenn sie eine Tagesdosis von 5500 Nh überschreiten, wird dieser Arbeitstag als wirbelsäulenbelastend angesehen und für die weitere Berechnung berücksichtigt. Bei einer Summe der Werte dieser belastenden Arbeitstage (Gesamtdosis) von über 25 MNh wird das Vorliegen einer Einwirkung i.S. der BK Nr. 2108 bejaht. Diese Werte sind keine Grenzwerte, sondern Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen.
Die von dem TAB H und später im gerichtlichen Verfahren von der Tiefbauingenieurin H durchgeführten Berechnungen halten einer Überprüfung stand. Der Kläger kann mit seinem Einwand, es hätten bestimmte belastende Tätigkeiten keine Berücksichtigung gefunden bzw. es sei von zu geringen Belastungswerten und einer zu geringen Arbeitszeit ausgegangen worden, da häufig im Akkord gearbeitet worden sei, nicht durchdringen. Die vorgenannten Mitarbeiter der Beklagten haben glaubhaft bestätigt, dass die Berechnungen aufgrund einer Befragung des Versicherten erfolgt seien. Dass der TAB H den Kläger am 15. August 2001 aufgesucht und persönlich zur Arbeitsplatzanamnese befragt hat, hat letzterer durch seine Unterschrift auf dem Formblatt der Beklagten bestätigt (Bl. 77 der VA).
Die von der Beklagten vorgelegten drei MDD-Berechnungen, deren Ergebnisse nur unwesentlich voneinander abweichen, erbrachten alle eine deutliche Unterschreitung des maßgeblichen Orientierungswertes von 25 MNh. Die Tagesdosis von 5500 Nh wurde dabei nur für die Teiltätigkeiten Verlegung von Granitplatten – 8686,19 Nh Verlegung von Kopfsteinpflaster – 8213,91 Nh erreicht und für die übrigen Teiltätigkeiten Verlegung von Verbundpflaster Gehwegplattenverlegung Mosaikverlegung zum Teil deutlich verfehlt. In die Berechnung waren daher nur die Teiltätigkeiten Verlegung von Granitplatten und von Kopfsteinpflaster einzubeziehen. Für diese hat der TAB Herms einen Zeitanteil von je 20 Prozent = 40 Prozent der Gesamtarbeitszeit in Ansatz gebracht, was von dem Kläger nicht beanstandet worden ist.
Dem Senat ist aus mehreren vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten bekannt, dass der Dosiswert von 25 MN von langjährig als Steinsetzer beschäftigten Versicherten regelmäßig nur dann erreicht wird, wenn langjährig in größerem Umfang besonders schwere Steine (Granitplatten, A4 Borde) verlegt wurden, da nur bei diesen Tätigkeiten von erheblichen Belastungen der Lendenwirbelsäule durch das Heben und Tragen von Lasten über 20 bis 25 Kilogramm und Arbeiten in ständiger Rumpfbeuge ausgegangen werden kann. Derartige Arbeiten sind vom Kläger nur im Umfang von ca. 40 Prozent verrichtet worden.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 03. März 2005 - L 3 U 117/02 - und vom 09. Juni 2005 - L 3 U 113/02 -) kann bei einer Unterschreitung des Orientierungswertes von 25 MNh nach dem MDD die Anerkennung einer BK Nr. 2108 (nur) dann in Betracht gezogen werden, wenn einerseits die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Gesamtdosis, also 12,5 MNh, übertroffen wurde und andererseits die Ermittlungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang eindeutig zu dem Ergebnis geführt haben, dass eine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule hinreichend wahrscheinlich ist.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Vielmehr sind auch die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK Nr. 2108 nicht als erfüllt anzusehen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Sinne der erstmaligen Entstehung oder zumindest im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines bestehenden Leidens ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind.
Soweit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung von dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N bejaht wurde, ist dem im Ergebnis nicht zu folgen. Der Sachverständige hat deutliche chronisch degenerative Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule festgestellt. Neben zahlreichen Schädigungen der Halswirbelsäule hat Prof. Dr. N im Bereich der Brustwirbelsäule eine Fehlhaltung mit osteochondrotischen Veränderungen im Bereich des thoraco-lumbalen Wirbelsäulenübergangs, insbesondere im Bereich der Bewegungssegmente Th 10/11, Th 11/12 und Th 12/L1 beschrieben. Diese habe zu einer veränderten statischen Beanspruchung der gesamten Wirbelsäule mit einer erhöhten Belastung der Lendenwirbelsäule geführt. Die dort bestehenden degenerativen Veränderungen der Bandscheibenfächer L4/5 und L5/S1 sowie die begleitende deutliche Arthrose der kleinen Wirbelgelenke, die als bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108 zu werten seien, seien nicht im Sinne der erstmaligen Entstehung auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen, sondern durch die Fehlhaltung im Bereich der Brustwirbelsäule verursacht worden. Diese Einschätzung des Sachverständigen ist schlüssig und entspricht den unfallmedizinischen Abgrenzungskriterien.
Nicht nachvollziehbar jedoch ist die Auffassung Prof. Dr. N, die berufliche Tätigkeit des Klägers sei im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung mit ursächlich für die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. In dem Gutachten vom 07. September 2005 sind eine Vielzahl von Kriterien aufgeführt worden, die gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung hat der Sachverständige zunächst ausschließlich mit der Berücksichtigung der Arbeitsplatzanamnese, also allein damit begründet, dass der Kläger lendenwirbelsäulenbelastend gearbeitet habe. Prof. Dr. N hat also die von ihm zu unterstellende Tatsache, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt seien, ausreichen lassen, um die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen beruflicher Exposition und dem Eintritt des Gesundheitsschadens im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung zu bejahen. Nachdem er mit gerichtlichem Schreiben vom 15. November 2005 darauf hingewiesen wurde, dass er für seine Schlussfolgerung kein einziges medizinisches Argument angeführt habe, und aufgefordert wurde, die für und gegen einen Kausalzusammenhang sprechenden medizinischen Umstände zu diskutieren und abzuwägen, hat Prof. Dr. N in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Januar 2006 ausgeführt, für eine expositionsbedingte Mitverursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule spreche zum Einen der Beschwerdebeginn, der vor dem zu erwartenden Altersmittel einer nicht exponierten Bevölkerung gelegen habe, und zum Anderen die Tatsache, dass die durch die berufliche Exposition mechanisch am stärksten belasteten unteren Lendenwirbelsäulensegmente am meisten betroffen seien.
Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die von dem Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung einer beruflich bedingten Mitverursachung der Lendenwirbelsäulenschäden zu stützen.
Nach den eigenen Angaben des Klägers traten erstmals 1987 Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule auf, also im Alter von 37 Jahren. Die medizinischen Unterlagen (Heilverfahrensentlassungsbericht der Rehabilitationsklinik R-W vom 07. Mai 2001) belegen, dass seit ca. 1987 rezidivierende progrediente belastungsabhängige Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereicht auftraten. Arbeitsunfähigkeit wegen Wirbelsäulenbeschwerden trat kurzfristig im Jahre 1993 sowie vom 07. November 1994 bis 18. September 1995 ein (Mitteilung der AOK Berlin). Eine im Jahr 1995 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme führte zu einer langfristigen Besserung der Beschwerden.
Da Wirbelsäulenbeschwerden auch bei der nicht exponierten Bevölkerung häufig im vierten und fünften Lebensjahrzehnt auftreten, ist die Aussage des Sachverständigen, bei dem Kläger habe der Beschwerdebeginn vor dem zu erwartenden Altersmittel der nicht exponierten Bevölkerung gelegen, nicht zutreffend. In seiner Stellungnahme vom 22. Juli 2006 widerlegt Prof. Dr. N das von ihm für den Kausalzusammenhang angeführte Argument des frühzeitigen Beschwerdebeginns selbst, in dem er ausführt, durch die aus innerer Ursache bedingte Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule sei es jedoch zu einem früheren Verschleiß der unteren Lendenwirbelsäule gekommen. Hiernach beruht der frühere Verschleiß nicht auf der beruflichen Belastung, sondern auf der durch die innere Ursache (Fehlhaltung im Bereich des thoraco-lumbalen Wirbelsäulenübergangs) zurückzuführende Minderbelastbarkeit.
Diese erklärt auch das Auftreten der schwersten Schädigungen im Bereich von L4/5 und L5/S1. Prof. Dr. N hat hierzu in der ergänzenden Stellungnahme vom 19. Januar 2006 ausgeführt, die bei dem Kläger nachweisbare Fehlhaltung im Bereich der Brustwirbelsäule habe zu einer veränderten statischen Beanspruchung der gesamten Wirbelsäule mit daraus resultierender erhöhter Belastung der Lendenwirbelsäule geführt. Deshalb kann der Umstand, dass die stärksten Schäden bei L4/5 und L5/S1 aufgetreten sind, wenn überhaupt, nur als schwaches Argument für die von dem Sachverständigen angenommene berufliche Mitverursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule akzeptiert werden. Angesichts der eindeutig gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechenden Umstände reicht es jedoch nicht aus, eine berufliche Mitverursachung im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung plausibel oder sogar hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Selbst wenn die nach dem MDD zu ermittelnde Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh erreicht oder sogar übertroffen worden wäre, könnte die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Mitverursachung nicht bejaht werden, da insgesamt mehr und gewichtigere Faktoren gegen als für den zu fordernden Kausalzusammenhang sprechen.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1950 geborene Kläger war nach seinen Angaben ab 1971 durchgehend als Steinsetzer, zuletzt bei der S- u T GmbH R in M beschäftigt. Im Dezember 2000 erstattete die AOK Berlin Anzeige wegen einer BK und gab an, der Kläger sei seit 10. Oktober 2000 wegen einer Bandscheibenerkrankung arbeitsunfähig. Wegen dieser Krankheit habe bereits am 11. und 12. März sowie vom 23. April bis 21. Mai 1993 und vom 07. November 1994 bis 18. September 1995 Arbeitsunfähigkeit bestanden.
Auf entsprechenden Fragebögen der Beklagten gab der Kläger an, am 31. August 1987 hätten sich erstmals Rückenbeschwerden im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit bemerkbar gemacht. Die Beurteilung einer Computertomographie der Lendenwirbelsäule vom 13. November 2000 ergab eine rechts paramediane Prolapsformation bei L4/5 mit Kompression des rechten L5-Wurzelabganges, Irritation auch der rechten L4-Wurzel durch breitflächig protrude "Rest-BS", linksbetonte Protrusion L5/S1 mit Irritation der L5-Wurzeln links mehr als rechts und möglicher Affektion des rechten S1-Abganges, Osteochondrose und rechtsbetonte Spondylarthrose (L4/5/S1) mit ossärer Enge der NF L4/5/S1 beiderseits.
Vom 28. März bis 18. April 2001 unterzog sich der Kläger einem von dem Rentenversicherungsträger veranlassten Heilverfahren in der Rehabilitationsklinik R-W in B K. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Entlassungsberichts wurde der Kläger als Steinsetzer für weniger als drei Stunden täglich, für leichte bis mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden und mehr einsatzfähig gehalten.
In einer ärztlichen Stellungnahme vom 06. Juli 2001 kam der Arzt für Arbeitsmedizin Dr. R zu dem Ergebnis, dass eine primäre bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliege und diese Schäden einen chronisch oder chronisch-rezidivierenden Krankheitsverlauf mit wesentlichen Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule bedingten. Er empfahl die Einholung eines Gutachtens, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien.
In einer von dem technischen Angestellten (TAB) H vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten ua. aufgrund einer persönlichen Befragung zur Arbeitsplatzanamnese abgegebenen Beurteilung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) wurde eine Gesamtbelastungsdosis von 18,02 MNh ermittelt. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass je 20 Prozent der Arbeitszeit auf das Verlegen von Granitplatten (Tagesdosis 8686,19 Nh, Gesamtdosis 9,26 MNh) und auf das Verlegen von Kopfsteinpflaster (Tagesdosis 8213,19 Nh, Gesamtdosis 8,756 MNh) entfalle und die restliche Arbeitszeit auf je 20 Prozent Verbundpflasterverlegung, Gehwegplattenverlegung und Mosaikverlegung, bei denen die Tagesmindestdosis von 5500 Nh nicht erreicht worden sei.
Entgegen der Empfehlung des Gewerbearztes Dr. E, der in seiner vorläufigen Stellungnahme vom 21. September 2001 im Hinblick darauf, dass der vorgeschlagene Grenzwert nach dem MDD nur knapp verfehlt worden sei, eine Begutachtung des Klägers als erforderlich angesehen hatte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Januar 2002 die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der nach dem MDD geforderte Gesamtdosiswert von 25 MNh nicht erreicht worden sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. April 2002 zurück.
Das Sozialgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Einholung eines medizinischen Gutachtens gefordert hat, durch Urteil vom 27. Mai 2003 abgewiesen, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 nach der von dem TAD der Beklagten vorgenommenen MDD-Berechnung nicht erfüllt seien.
Gegen das am 15. August 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. September 2003 Berufung eingelegt. Er hat Zweifel geäußert, ob das MDD ein geeignetes Modell zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 sei, und darauf hingewiesen, dass die mit seiner Arbeit verbundenen Belastungen, nämlich die von ihm durchgeführten Transporte mit der Schubkarre, bei der Berechnung der Belastungsdosis nach dem MDD keine Berücksichtigung gefunden hätten. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass er die belastenden Tätigkeiten im Akkord verrichtet habe und deshalb die tägliche Arbeitszeit deutlich über der vom TAD angenommenen Dauer von 8 Stunden gelegen habe.
In einer hierzu abgegebenen Stellungnahme vom 22. März 2004 hat der TAB H darauf hingewiesen, dass die bei der MDD-Berechnung zugrunde gelegten Lastgewichte sowie die Dauer und Häufigkeit der einzelnen Hebe- und Tragevorgänge auf den Angaben des Klägers sowie auf Lasttabellen, Kalkulationswerten und praxisorientierten Maximalwerten beruhten. Auch die Transportvorgänge mit der Schubkarre seien in die Berechnung eingeflossen. Der Kläger hat an seiner Auffassung, dass das MDD kein geeignetes Berechnungsmodell sei, unter Hinweis auf die in der Literatur geäußerte Kritik festgehalten und eine eigene Berechnung unter Zugrundelegung von zum Teil abweichenden Werten vorgelegt, aus der sich eine Gesamtbelastungsdosis von 38,84 MNh ergab.
Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme vom 04. März 2005 der Tiefbauingenieurin E H von der Abteilung Prävention vorgelegt, der zwei weitere MDD-Berechnungen beigefügt waren, die Gesamtbelastungsdosen von 17,41 und 16,67 MNh erbrachten.
Der Senat hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärztin für Orthopädie Dr. H vom 10. März 2005 sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie M vom 22. März 2005 eingeholt.
Des Weiteren ist die Schwerbehindertenakte des Klägers von dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin beigezogen worden. Nachdem der Arzt Dr. G in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 10. Februar 2001 für die Behinderung "Bandscheibenschäden L4-S1, LWS-Syndrom" einen Grad der Behinderung (GdB) von 10 in Ansatz gebracht hatte, schlug der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S in einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 04. Juni 2002 vor, die Behinderung "Abnutzungserscheinungen der Lendenwirbelsäule, Bandscheibenvorfall Höhe L4/5, Forameneinengungen Höhe L5/S1, anhaltende Reizzustände, Funktionsbeeinträchtigung, Wirbelsäulenfehlform" mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Mit Beweisanordnung vom 30. Mai 2005 hat der Senat den Arzt für Orthopädie Prof. Dr. N, Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des E W S, zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens beauftragt, wobei der Sachverständige gebeten wurde, bei seiner Bewertung davon auszugehen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt seien. Nachdem das von dem Sachverständigen im Zusammenwirken mit dem Facharzt für Orthopädie R erstattete Gutachten vom 07. September 2005 – am 14. November 2005 – eingegangen war, hat der Senat Prof. Dr. N mit Schreiben vom 15. November 2005 um eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten ersucht, die von ihm am 19. Januar 2006 abgegeben worden ist. Hierin ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei dem Kläger festgestellten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nicht im Sinne der erstmaligen Entstehung auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen, jedoch mit Wahrscheinlichkeit im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung durch seine berufliche Tätigkeit als Steinsetzer mit verursacht worden seien. Es sei davon auszugehen, dass die Beendigung der versicherten Tätigkeit teilweise aufgrund der durch die berufliche Exposition mit verursachten Gesundheitsstörungen erfolgt sei. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bedingten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH ... Bei einer jeweils hälftigen Verursachung durch exponierte und nicht exponierte Faktoren betrage die beruflich verursachte MdE 10 vH.
Der Kläger ist der Auffassung, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorlägen, seien aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. N die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK als erfüllt anzusehen. Ihm sei eine Verletztenrente zuzusprechen, weil im Bereich der Lendenwirbelsäule eine MdE von 20 vH bestehe und die von dem Sachverständigen abgegeben Beurteilung, dass der berufliche Anteil der Verursachung nur eine MdE von 10 vH rechtfertige, nicht nachvollzogen werden könne. Entscheidend sei, dass trotz der anlagebedingten Vorschädigung das bei ihm heute vorhandene Schadensbild ohne die berufliche Belastung erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2002 zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm ab 01. Dezember 2000 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung kann dem Gutachten Prof. Dr. N insoweit nicht gefolgt werden, als er eine wesentliche Verschlimmerung des degenerativen Leidens durch die berufliche Tätigkeit angenommen habe. Zur weiteren Begründung bezieht sich die Beklagte auf ein von ihr veranlasstes orthopädisches Fachgutachten des Arztes für Orthopädie Dr. W-R vom 08. Mai 2006.
Hierzu hat der Senat eine gutachterliche Rückäußerung des Sachverständigen Prof. Dr. N vom 22. Juli 2006 eingeholt, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Schwerbehindertenakte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihm steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als BK nicht zu. Er kann deshalb auch keine Verletztenrente beanspruchen. Die Voraussetzungen der hierfür allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) sind nicht erfüllt.
Hiernach sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzusehen.
Für die Anerkennung und Entschädigung als BK nach Nr. 2108 muss bei dem Versicherten mithin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch das langjährige berufsbedingte Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Im vorliegenden Fall sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen (haftungsbegründende Kausalität) für die Entstehung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Dies ergibt sich aus den von dem TAD der Beklagten erstellten Belastungsbeurteilungen nach dem MDD, wonach die aus der beruflichen Tätigkeit des Klägers errechnete Belastungsgesamtdosis den Richtwert zur Mindestexposition von 25 MNh für Männer deutlich unterschreitet. Hierbei kann dahinstehen, ob die von dem TAB H aufgrund der persönlichen Befragung zur Arbeitsplatzanamnese im Verwaltungsverfahren abgegebene Beurteilung nach dem MDD, bei der eine Gesamtbelastungsdosis von 18,02 MNh ermittelt wurde, zu Grunde zu legen ist oder die von der Tiefbauingenieurin H in der Stellungnahme vom 04. März 2005 erstellten MDD-Berechnungen, die etwas geringere Gesamtbelastungsdosen von 17,41 und 16,67 MNh erbracht haben. Nicht maßgebend für die rechtliche Beurteilung kann die von dem (Prozessbevollmächtigten des) Kläger(s) vorgenommene eigene Berechnung sein, die eine – mehr als doppelt so hohe – Gesamtbelastungsdosis von 38,84 MNh ergab. Dieser Berechnung lagen zum Teil abweichende Werte zu Grunde, die sich aus den von Herrn H und Frau H berücksichtigten Lasttabellen, Kalkulationswerten und praxisorientierten Maximalwerten nicht herleiten lassen und deshalb nicht als gesichert oder sogar nachgewiesen angesehen werden können.
Die von dem Kläger gegen das MDD vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (Urteile vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R – veröffentlicht in SozR 4-2700 § 9 Nr. 1 sowie vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R -), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteile vom 11. November 2004 – L 3 U 1/03 und 03. März 2005 – L 3 U 117/02 -), stellt das MDD ein zumindest derzeit geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das gesamte Berufsleben zu ermitteln und in Bezug zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen. Es orientiert sich an medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich auf die in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten stützen. Es knüpft an die in dem vom seinerzeit zuständig gewesenen Bundesministerium für Arbeit herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2108 getroffenen Vorgaben der Langjährigkeit und der nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmten Mindestlastgewichte an. Das Herausfiltern von Hebe- und Tragetätigkeiten aus dem Tätigkeitsfeld des Betroffenen, bei welchem ein geschlechtsspezifischer Belastungsgrenzwert (Druckkraft bei L5/S1) erreicht bzw. überschritten wird, entspricht dem Grundprinzip dieser BK. Auch nach der Auffassung der unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 S. 20, 21; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 573) ist der Belastungsrichtwert wissenschaftlich begründet. Das Erfassen der relevanten Tätigkeiten nach ihrer Häufigkeit sowie nach der Dauer der Hebe- und Tragevorgänge entspricht den von der BK Nr. 2108 erfassten Pathomechanismen. Der schichtkumulierte Mittelwert wird mit Hilfe von epidemiologischen Referenzdaten begründet. Die das MDD-Modell charakterisierende überproportionale quadratische Gewichtung der Bandscheibenkompression in Relation zur Häufigkeit und Dauer der belastenden Vorgänge wird sowohl biomechanisch als auch epidemiologisch überzeugend begründet. Gerade dem Schädigungsmechanismus durch Mikrotraumatisierungen bei übermäßigen Kompressionsbelastungen wird dadurch Rechnung getragen. Bei der Anwendung dieses Verfahrens konzentriert sich die individuelle Kausalitätsprüfung, soweit es sich um das Kriterium "Schädigungspotential" der äußeren Einwirkung handelt, im Wesentlichen auf die nach diesem Verfahren ermittelte Gesamtbelastungsdosis, als deren Maßstab der sogenannte Beurteilungsrichtwert gilt.
Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass gegen die Heranziehung des MDD zur Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 Einwendungen erhoben wurden, gleichwohl hat das BSG in seiner Entscheidung vom 19. August 2003 (B 2 U 1/02 R) an diesem Modell festgehalten. Es ist kein Verfahren zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 bekannt, das als Alternative zum MDD in Betracht zu ziehen wäre. Es bestehen daher jedenfalls zur Zeit keine Bedenken gegen die Anwendung dieses Modells.
Nach dem MDD sind bei Männern nur Hebe- und Tragevorgänge zu berücksichtigen, die zu einer Druckkraft von 3200 Newton (N) auf die Bandscheibe L5/S1 führen. Diese Hebe- und Tragevorgänge werden unter Einbeziehung ihrer zeitlichen Dauer pro Arbeitstag aufaddiert und, wenn sie eine Tagesdosis von 5500 Nh überschreiten, wird dieser Arbeitstag als wirbelsäulenbelastend angesehen und für die weitere Berechnung berücksichtigt. Bei einer Summe der Werte dieser belastenden Arbeitstage (Gesamtdosis) von über 25 MNh wird das Vorliegen einer Einwirkung i.S. der BK Nr. 2108 bejaht. Diese Werte sind keine Grenzwerte, sondern Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen.
Die von dem TAB H und später im gerichtlichen Verfahren von der Tiefbauingenieurin H durchgeführten Berechnungen halten einer Überprüfung stand. Der Kläger kann mit seinem Einwand, es hätten bestimmte belastende Tätigkeiten keine Berücksichtigung gefunden bzw. es sei von zu geringen Belastungswerten und einer zu geringen Arbeitszeit ausgegangen worden, da häufig im Akkord gearbeitet worden sei, nicht durchdringen. Die vorgenannten Mitarbeiter der Beklagten haben glaubhaft bestätigt, dass die Berechnungen aufgrund einer Befragung des Versicherten erfolgt seien. Dass der TAB H den Kläger am 15. August 2001 aufgesucht und persönlich zur Arbeitsplatzanamnese befragt hat, hat letzterer durch seine Unterschrift auf dem Formblatt der Beklagten bestätigt (Bl. 77 der VA).
Die von der Beklagten vorgelegten drei MDD-Berechnungen, deren Ergebnisse nur unwesentlich voneinander abweichen, erbrachten alle eine deutliche Unterschreitung des maßgeblichen Orientierungswertes von 25 MNh. Die Tagesdosis von 5500 Nh wurde dabei nur für die Teiltätigkeiten Verlegung von Granitplatten – 8686,19 Nh Verlegung von Kopfsteinpflaster – 8213,91 Nh erreicht und für die übrigen Teiltätigkeiten Verlegung von Verbundpflaster Gehwegplattenverlegung Mosaikverlegung zum Teil deutlich verfehlt. In die Berechnung waren daher nur die Teiltätigkeiten Verlegung von Granitplatten und von Kopfsteinpflaster einzubeziehen. Für diese hat der TAB Herms einen Zeitanteil von je 20 Prozent = 40 Prozent der Gesamtarbeitszeit in Ansatz gebracht, was von dem Kläger nicht beanstandet worden ist.
Dem Senat ist aus mehreren vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten bekannt, dass der Dosiswert von 25 MN von langjährig als Steinsetzer beschäftigten Versicherten regelmäßig nur dann erreicht wird, wenn langjährig in größerem Umfang besonders schwere Steine (Granitplatten, A4 Borde) verlegt wurden, da nur bei diesen Tätigkeiten von erheblichen Belastungen der Lendenwirbelsäule durch das Heben und Tragen von Lasten über 20 bis 25 Kilogramm und Arbeiten in ständiger Rumpfbeuge ausgegangen werden kann. Derartige Arbeiten sind vom Kläger nur im Umfang von ca. 40 Prozent verrichtet worden.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 03. März 2005 - L 3 U 117/02 - und vom 09. Juni 2005 - L 3 U 113/02 -) kann bei einer Unterschreitung des Orientierungswertes von 25 MNh nach dem MDD die Anerkennung einer BK Nr. 2108 (nur) dann in Betracht gezogen werden, wenn einerseits die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Gesamtdosis, also 12,5 MNh, übertroffen wurde und andererseits die Ermittlungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang eindeutig zu dem Ergebnis geführt haben, dass eine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule hinreichend wahrscheinlich ist.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Vielmehr sind auch die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK Nr. 2108 nicht als erfüllt anzusehen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Sinne der erstmaligen Entstehung oder zumindest im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines bestehenden Leidens ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind.
Soweit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung von dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N bejaht wurde, ist dem im Ergebnis nicht zu folgen. Der Sachverständige hat deutliche chronisch degenerative Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule festgestellt. Neben zahlreichen Schädigungen der Halswirbelsäule hat Prof. Dr. N im Bereich der Brustwirbelsäule eine Fehlhaltung mit osteochondrotischen Veränderungen im Bereich des thoraco-lumbalen Wirbelsäulenübergangs, insbesondere im Bereich der Bewegungssegmente Th 10/11, Th 11/12 und Th 12/L1 beschrieben. Diese habe zu einer veränderten statischen Beanspruchung der gesamten Wirbelsäule mit einer erhöhten Belastung der Lendenwirbelsäule geführt. Die dort bestehenden degenerativen Veränderungen der Bandscheibenfächer L4/5 und L5/S1 sowie die begleitende deutliche Arthrose der kleinen Wirbelgelenke, die als bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108 zu werten seien, seien nicht im Sinne der erstmaligen Entstehung auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen, sondern durch die Fehlhaltung im Bereich der Brustwirbelsäule verursacht worden. Diese Einschätzung des Sachverständigen ist schlüssig und entspricht den unfallmedizinischen Abgrenzungskriterien.
Nicht nachvollziehbar jedoch ist die Auffassung Prof. Dr. N, die berufliche Tätigkeit des Klägers sei im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung mit ursächlich für die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule. In dem Gutachten vom 07. September 2005 sind eine Vielzahl von Kriterien aufgeführt worden, die gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung hat der Sachverständige zunächst ausschließlich mit der Berücksichtigung der Arbeitsplatzanamnese, also allein damit begründet, dass der Kläger lendenwirbelsäulenbelastend gearbeitet habe. Prof. Dr. N hat also die von ihm zu unterstellende Tatsache, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt seien, ausreichen lassen, um die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen beruflicher Exposition und dem Eintritt des Gesundheitsschadens im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung zu bejahen. Nachdem er mit gerichtlichem Schreiben vom 15. November 2005 darauf hingewiesen wurde, dass er für seine Schlussfolgerung kein einziges medizinisches Argument angeführt habe, und aufgefordert wurde, die für und gegen einen Kausalzusammenhang sprechenden medizinischen Umstände zu diskutieren und abzuwägen, hat Prof. Dr. N in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Januar 2006 ausgeführt, für eine expositionsbedingte Mitverursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule spreche zum Einen der Beschwerdebeginn, der vor dem zu erwartenden Altersmittel einer nicht exponierten Bevölkerung gelegen habe, und zum Anderen die Tatsache, dass die durch die berufliche Exposition mechanisch am stärksten belasteten unteren Lendenwirbelsäulensegmente am meisten betroffen seien.
Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die von dem Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung einer beruflich bedingten Mitverursachung der Lendenwirbelsäulenschäden zu stützen.
Nach den eigenen Angaben des Klägers traten erstmals 1987 Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule auf, also im Alter von 37 Jahren. Die medizinischen Unterlagen (Heilverfahrensentlassungsbericht der Rehabilitationsklinik R-W vom 07. Mai 2001) belegen, dass seit ca. 1987 rezidivierende progrediente belastungsabhängige Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereicht auftraten. Arbeitsunfähigkeit wegen Wirbelsäulenbeschwerden trat kurzfristig im Jahre 1993 sowie vom 07. November 1994 bis 18. September 1995 ein (Mitteilung der AOK Berlin). Eine im Jahr 1995 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme führte zu einer langfristigen Besserung der Beschwerden.
Da Wirbelsäulenbeschwerden auch bei der nicht exponierten Bevölkerung häufig im vierten und fünften Lebensjahrzehnt auftreten, ist die Aussage des Sachverständigen, bei dem Kläger habe der Beschwerdebeginn vor dem zu erwartenden Altersmittel der nicht exponierten Bevölkerung gelegen, nicht zutreffend. In seiner Stellungnahme vom 22. Juli 2006 widerlegt Prof. Dr. N das von ihm für den Kausalzusammenhang angeführte Argument des frühzeitigen Beschwerdebeginns selbst, in dem er ausführt, durch die aus innerer Ursache bedingte Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule sei es jedoch zu einem früheren Verschleiß der unteren Lendenwirbelsäule gekommen. Hiernach beruht der frühere Verschleiß nicht auf der beruflichen Belastung, sondern auf der durch die innere Ursache (Fehlhaltung im Bereich des thoraco-lumbalen Wirbelsäulenübergangs) zurückzuführende Minderbelastbarkeit.
Diese erklärt auch das Auftreten der schwersten Schädigungen im Bereich von L4/5 und L5/S1. Prof. Dr. N hat hierzu in der ergänzenden Stellungnahme vom 19. Januar 2006 ausgeführt, die bei dem Kläger nachweisbare Fehlhaltung im Bereich der Brustwirbelsäule habe zu einer veränderten statischen Beanspruchung der gesamten Wirbelsäule mit daraus resultierender erhöhter Belastung der Lendenwirbelsäule geführt. Deshalb kann der Umstand, dass die stärksten Schäden bei L4/5 und L5/S1 aufgetreten sind, wenn überhaupt, nur als schwaches Argument für die von dem Sachverständigen angenommene berufliche Mitverursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule akzeptiert werden. Angesichts der eindeutig gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechenden Umstände reicht es jedoch nicht aus, eine berufliche Mitverursachung im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung plausibel oder sogar hinreichend wahrscheinlich zu machen.
Selbst wenn die nach dem MDD zu ermittelnde Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh erreicht oder sogar übertroffen worden wäre, könnte die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Mitverursachung nicht bejaht werden, da insgesamt mehr und gewichtigere Faktoren gegen als für den zu fordernden Kausalzusammenhang sprechen.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved