L 11 R 1143/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3988/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1143/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Januar 2006 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist allein noch eine Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Zimmerer und übte diesen Beruf bis 1980 aus, seitdem ist er als Hausmeister versicherungspflichtig beschäftigt.

Aus einer im Frühjahr 2002 durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in Bad S. wurde er als arbeitsfähig mit den Diagnosen: 1. chronisch rezidivierende Cervicobrachialgien und Lumboischialgien beidseits bei degenerativen Veränderungen der HWS und LWS, 2. arterielle Hypertonie und 3. Hypercholesterinämie entlassen. Im Vordergrund der Behandlung habe Schmerzlinderung einerseits und Funktionsverbesserung andererseits gestanden. HWS und LWS hätten sich bei der Abschlussuntersuchung als eine endgradig eingeschränkte schmerzhafte Beweglichkeit bei Innen- und Reklination gezeigt. Der Kläger könne zwar seine bisherige berufliche Tätigkeit 3 bis 6 Stunden täglich fortsetzen, fühle sich dieser aber nicht gewachsen. Seit November 2002 ist er arbeitsunfähig krank geschrieben.

Seinen am 17.07.2002 gestellten Rentenantrag begründete er unter Verweis auf ein Wirbelsäulensyndrom. Gestützt auf den Entlassungsbericht wies die Beklagte seinen Rentenantrag mit Bescheid vom 20. August 2002 ab. Auf seinen Widerspruch veranlasste sie nach Beiziehung des orthopädischen Gutachtens von Dr. K. (erstattet anlässlich des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) wie des Befundberichts des behandelnden Orthopäden Dr. W. eine internistische und orthopädische Begutachtung nach ambulanter Untersuchung. Der Internist Dr. L. beschrieb eine arterielle Hypertonie bei den Risikofaktoren Lipidämie, Hyperuricämie und Übergewicht sowie chronisch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Das Leistungsvermögen für die Tätigkeit eines Hausmeisters sei auf drei bis unter sechs Stunden abgesunken, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger aber noch unter Vermeidung von gebückter Körperhaltung oder Überkopfarbeit und ohne Heben von Lasten über fünf bis sechs kg bis zu sechs Stunden verrichten. Der Orthopäde Dr. N. diagnostizierte ein chronisch rezidivierendes LWS- und HWS-Syndrom, einen Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom rechts und einen Zustand nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion der rechten Schulter mit Narbenbildung. Bei der klinischen Untersuchung seien die Funktionseinschränkungen an der Halswirbelsäule nur mäßig erkennbar gewesen, etwas stärker seien diese an der Lendenwirbelsäule. Ursache dafür seien degenerative Veränderungen, vor allem Spondylarthrosen und Osteochondrosen in beiden Abschnitten. Die Kribbelparästhesien in den Armen ließen sich durch das Karpaltunnelsyndrom, aber auch die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule, vor allem durch die Einengung der Neuroforamen, erklären. Die Beinbeschwerden beruhten auf den degenerativen Veränderungen der LWS. Seiner Auffassung nach könne der Kläger sowohl in seinem letzten Beruf als Hausmeister wie auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten, wobei regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten, die mehr als zehn kg wögen, ebenso wie häufiges Bücken und Zwangshaltungen sowie Überkopfarbeiten vermieden werden sollten.

Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte dem Kläger mit (Teilabhilfe-) Bescheid vom 01.09.2003 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.12.2002. Den weitergehenden Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie mit der Begründung ab, nach den medizinischen Feststellungen könne er noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er leide an einer somatoformen Schmerzstörung und sei deswegen auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2003 wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme den Widerspruch mit der Begründung zurück, die angegebenen Gesundheitsstörungen seien bereits bei den medizinischen Feststellungen während des Rentenverfahrens bekannt gewesen und deswegen bei der Beurteilung des Leistungsvermögens berücksichtigt worden. Er habe somit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine neuen Tatsachen vorgebracht, die die ärztlichen Untersuchungsergebnisse widerlegen könnten. Nach der getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne er mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage Woche regelmäßig ausüben und sei daher nicht voll erwerbsgemindert.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, bei ihm liege eine so genannte somatoforme Schmerzstörung bzw. eine Fibromyalgie vor. Seine Krankheit sei deswegen nicht das Wirbelsäulenleiden, sondern der Schmerz.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das Gericht die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt sowie den Kläger anschließend neurologisch, orthopädisch und psychiatrisch begutachten lassen.

Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S. erachtete den Kläger, da er neurologisch keine schwerwiegenden Ausfälle hätte finden können, für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gesundheitsgefährdung einsetzbar. Der Hausarzt, Allgemeinmediziner Dr. S., erachtete sich für außerstande, die Leistungsfähigkeit des Klägers zu beurteilen. Der Orthopäde Dr. W. beschrieb therapieresistente Beschwerden ohne relevante Befundänderung und erachtete den Kläger für weniger als drei Stunden leistungsfähig.

Die Neurologin Dr. K. beschrieb in ihrem nervenfachärztlichen Gutachten eine leichte bis mäßig ausgeprägte beinbetonte Pallhypästhesie ohne eindeutige funktionelle Einschränkungen dadurch sowie ein schmerzhaftes Lumbal- und Zervikalsyndrom mit leichter beidseitiger radikulärer Reizsymptomatik ohne Zeichen einer radikulären Schädigung. Im psychischen/psychiatrischen Bereich habe der Kläger keine sichtbaren Auffälligkeiten gezeigt. Die ausgeprägten lumbal und zervikal angegebenen Schmerzbeschwerden müssten von orthopädischer Seite beurteilt werden. Ihrer Auffassung nach ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine somatoforme Schmerzstörung, sprich pathologische Schmerzverarbeitung, so dass insgesamt aus nervenfachärztlicher Sicht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht sichtbar wäre. Einer vollschichtigen beruflichen Leistungsfähigkeit stehe somit aus rein neurologisch-psychiatrischer Sicht nichts im Wege.

Der Orthopäde Dr. P., dem der Kläger über seine sportlichen Aktivitäten im Radsport sowie Walking berichtete und angab, derzeit würden keine besonderen ambulanten Therapien durchgeführt, beschrieb 1. eine chronifizierte Schmerzsymptomatik im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule bei röntgenologisch sichtbarer mäßig fortgeschrittener Spondylosteochondrose insbesondere im Segment L3/L4, L4/L5 bei mäßiger S-förmiger thorakolumbaler Fehlstatik, funktionell ohne Einschränkung der Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule und ohne peripher neurologische Ausfälle im Bereich der unteren Extremitäten, 2. chronisch rezidivierende Cervicodorsalgien bei nachgewiesener fortgeschrittener Osteochondrose der Halswirbelsäulensegmente C5 - C7 mit funktionell endgradig bis mäßig eingeschränkter Halswirbelsäulenbeweglichkeit ohne eindeutig peripher neurologische Ausfälle im Bereich der oberen Extremitäten, 3. ein gutes funktionelles Ergebnis nach operativer Rotatorenmanschettennaht an der rechten Schulter mit kraftvoller Anhebung und Seitwärtsführung des rechten Armes über die Horizontale, ohne Hinweis für Schultersteife, mit verbliebener Restschmerzsymptomatik im Sinne eines Impingements der rechten Schulter. Der Kläger könne daher noch leichte bis maximal mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung, ohne Mehrbelastung der Wirbelsäule sowie in Überkopfhöhe bis sechs Stunden pro Tag verrichten.

Die nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Sachverständige, die Psychiaterin Dr. F., diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie akzentuierte Persönlichkeitszüge. Zu seinem Tagesablauf habe der Kläger berichtet, dass er seinen Haushalt noch selbst versorge und keinerlei Unterstützung habe, sich aber seine Arbeit gut einteilen müsse. Er gehe täglich mehrere Kilometer walken, da dies gut für seinen Rücken sei. Über soziale Kontakte verfüge er kaum noch. Er habe sich als gut schwingungsfähig ohne Auslenkung ins depressive oder manische mit keinerlei Auffälligkeiten in Bezug auf Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeiten während des mehrstündigen Explorationsgespräches gezeigt. An Medikamenten nehme er lediglich Jodid ein. Weitere Behandlungsmaßnahmen auch psychosomatischer oder psychotherapeutischer Natur würden nicht durchgeführt. Ihrer Auffassung nach werde durch die somatoforme Schmerzstörung die Aufmerksamkeitsfähigkeit, die Konzentrationsmöglichkeit und die Gedächtnisleistung erheblich beeinträchtigt, so dass dem Kläger derzeit keine Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr möglich wären. Die beschriebene Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bestehe seit 01.07.2002. Eine Besserung des Gesundheitszustandes hielte sie für möglich. Nach intensiver psychotherapeutischer Behandlung mit flankierender psychopharmakologischer Behandlung könne mit einer Besserung nach einem Behandlungszeitraum von mindestens 18 Monaten gerechnet werden.

Mit Urteil vom 19.01.2006, der Beklagten zugestellt am 13.02.2006, verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer sowie einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 11.11.2002 ab dem 01.06.2003 bis zum 31.05.2006 zu gewähren und wies im übrigen die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach dem sachverständigen Gutachten von Dr. F. sei der Kläger nachvollziehbar voll erwerbsgemindert. Demgegenüber könne der Leistungsbeurteilung von Dr. K. und Dr. P. nicht gefolgt werden. Auch der behandelnde Orthopäde Dr. W. habe von therapieresistenten Beschwerden gesprochen. Dr. F. habe diese als somatoforme Schmerzstörung qualifiziert. Welchen Stellenwert die Schmerzsymptomatik im Leben des Klägers inzwischen einnehme, sei zu wenig gewürdigt worden. Der Tagesablauf zeige ein hohes bzw. höchstes Maß an Einschränkungen und Behinderungen. Da der Kläger seit 11.11.2002 arbeitsunfähig sei, müsse von einer Zunahme der Beschwerden bis zum November 2002 ausgegangen werden, so dass der Leistungsfall abweichend von der Gutachterin nicht auf den 01.07.2002 (die Rentenantragstellung) festzulegen sei. Eine Befristung der Rente sei deswegen auszusprechen gewesen, da Dr. F. eine Besserung des Leistungsvermögens bei entsprechender Behandlung für möglich erachtet habe.

Mit ihrer dagegen am 07.03.2006 eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, wesentliche Funktionseinschränkungen seien von Dr. F. nicht festgestellt worden. Die Halswirbelsäulenbeweglichkeit sei frei gewesen, im Bereich der Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule werde eine nicht beeinträchtigende Rotation und ein FBA von 25 cm beschrieben. Es bestehe allein eine diffuse Klopfschmerzhaftigkeit und ein mäßiger Muskelhartspann. Hieraus ergäben sich allein qualitative Einschränkungen für schweres Heben und Tragen, Tätigkeit in Zwangshaltung mit häufigem oder andauerndem Bücken, Knien oder Hocken und in Kälte, Nässe, jedoch keine unter 6-stündige Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes. Wesentliche neurologische Ausfälle oder Zeichen einer Nervenwurzelkompression habe Dr. F. ebenfalls nicht festgestellt. Deswegen könne ihre Aussage, die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei erheblich beeinträchtigt, nicht ausreichend nachvollzogen werden. Hiergegen spreche auch ihre Beobachtung, dass die spontane Körperhaltung und die Bewegungsabläufe in den Extremitäten unauffällig gewesen wären. Wesentliche Probleme beim Sitzen habe kein Vorgutachter beobachtet. Auch der psychische Befund sei unauffällig gewesen. Desweiteren könne nicht nachvollzogen werden, wie eine erhebliche Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsfähigkeit und Konzentrationsmöglichkeit habe festgestellt werden können, wenn während der mehrstündigen Exploration keinerlei Auffälligkeiten derselben bestanden hätten. Auch ein höchstes Maß an Einschränkungen und Behinderungen sei nicht nachzuvollziehen, da der Kläger in der Lage sei, seinen Haushalt (Aufräumen, Saubermachen, Kochen) bzw. das Haus ohne Unterstützung allein zu versorgen und täglich mehrere Kilometer zu walken. Auch der von Dr. K. erhobene Tagesablauf zeige keinen wesentlichen sozialen Rückzug. Der Kläger habe dieser einen aktiven Tagesablauf mit Spaziergängen und Walken (ca. 10 km), Fahrrad fahren, Schwimmen, einer Sitzbelastbarkeit bis zu einer Stunde, Fernsehen, gelegentlichen Besuchen der Freundin und der Kinder und einmal täglichem Treffen mit der Mutter beschrieben. Insofern wäre auch die diagnostische Einordnung des Beschwerdebildes im Rentenverfahren nicht maßgeblich. Dr. F. habe sich nicht ausreichend mit den Befunden der Vorgutachten auseinandergesetzt. Gegen eine besonders schwere Schmerzsymptomatik und einen starken Leidensdruck spreche letztlich auch die fehlende Einnahme von Analgetika bzw. einer schmerzdistanzierenden Medikation. Auch eine Psychotherapie habe der Kläger bislang nicht durchgeführt. Insofern seien auch die therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 11. November 2002 ab dem 01. Juni 2003 bis zum 31. Mai 2006 gewährt wurde.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise Dr. F. ergänzend zu dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. zu befragen, hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. H. einzuholen.

Er ist der Auffassung, dass Dr. F. plausibel und ausführlich dargelegt habe, dass bei ihm von einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen sei. Es komme insofern nicht auf Funktionseinschränkungen bei der Feststellung einer somatoformen Schmerzstörung an, sondern der Schmerz sei die eigentliche Krankheit. Deswegen sei auch nicht relevant, welche Körperfunktionen noch erhalten seien bzw. welche nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt. Er könne gerade nicht seinen Haushalt alleine versorgen. So seien Gartenarbeiten seit Jahren ausgeschlossen. Radsport betreibe er inzwischen nicht mehr, weil dabei Arme und Beine einschliefen. Im übrigen mache er in sportlicher Hinsicht genau dass, was ihm in Kuren und von den ihn behandelnden Ärzten immer empfohlen worden wäre. Hierbei richte er sich nach einem Trainingsplan seines Hausarztes. Würde er nicht mehr walken und schwimmen, würde er immer mehr versteifen und auch von Medikamenten abhängig werden.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten bei Prof. Dr. Dr. W. eingeholt. Dieser diagnostizierte ein chronisches HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Ausfälle. Aus nervenfachärztlicher Sicht bestehe kein Grund, warum leichte körperliche Arbeiten bis sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht durchgeführt werden könnten. Die qualitativen Einschränkungen resultierten allein aus orthopädischen Beschwerden. Die von Dr. F. gestellte Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung sei nicht nachvollziehbar, insbesondere fänden sich keine Angaben zu Einschränkungen in verschiedenen Leistungsbereichen des alltäglichen und sozialen Lebens. Bei der aktuellen Untersuchung habe sich in psychopathologischer Hinsicht ein weitgehend unauffälliger Befund gezeigt. Konzentration, Antrieb, Gedächtnis und Merkfähigkeit schienen ungestört. Der Kläger versorge nach wie vor seinen Haushalt alleine, schlafe gut, gehe täglich zweimal zum walken. Nach dem Abendessen besuche er Angehörige oder seine Partnerin, die er seit 17 Jahren kenne und mit der er nicht zusammen lebe. Einen Schmerztherapeuten habe er nicht und nehme an Medikamenten Keltican N 2 x täglich. Eine schmerzdistanzierende Medikation werde nicht verabreicht. Zuhause mache er noch zusätzlich 15 Minuten Krankengymnastik sowie Entspannungstechniken nach Jacobsen. Partnerprobleme gebe es nicht, auch bezüglich der Sexualität habe er keine Schwierigkeiten. Seine sozialen Kontakte seien seit der Scheidung reduziert, seitdem jedoch unverändert, auch wenn er an manchen Freizeitaktivitäten aufgrund des langen Sitzens nicht mehr teilnehmen könne. Früher sei der Kläger viel gewandert und auch Rad gefahren, inzwischen gehe er walken und löse Kreuzworträtsel.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 153, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst, und damit insgesamt zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Unter Berücksichtigung des von dem Senat eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W., des orthopädischen Gutachtens von Dr. P. sowie neurologischen Gutachtens von Dr. K. ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger nicht voll erwerbsgemindert ist, sondern noch zumutbar leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten kann.

Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Insoweit bedurfte es nicht einer erneuten Anhörung von Dr. F. zu dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. W ... Dass zwischenzeitlich ein Gutachten von Amts wegen eingeholt wird, begründet in der Regel nicht das Erfordernis der erneuten Anhörung des ersten Gutachters, sondern nur dann, wenn sich dadurch entscheidende Gesichtspunkte ergeben haben, zu denen sich der Gutachter nach § 109 SGG noch nicht hatte äußern können; diesem muss nicht das "letzte Wort" verbleiben (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG 8. Auflage 2005, § 109 Rdnr. 10 b). Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor, nachdem beide Gutachter von den im wesentlichen gleichen Befunden (keine Depressivität, keine Störung der Aufmerksamkeit oder Konzentrationsfähigkeiten) ausgegangen sind und auch die Feststellungen über den Tagesablauf bzw. die Einschränkungen im Alltagsleben im wesentlichen identisch waren. Lediglich die hieraus gezogenen Bewertungen unterscheiden sich, nämlich einerseits in der gestellten Diagnose (die aber für die Beurteilung der Erwerbsminderung nicht relevant ist, maßgebend sind hier allein die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen), andererseits in der Einschätzung des zeitlichen Leistungsvermögens. Dass und inwieweit das Gutachten von Dr. F. nicht schlüssig ist, wurde bereits mit dem Berufungsschriftsatz der Beklagten dezidiert vorgetragen. Allein der Umstand, dass ein Gutachter Psychiater und der andere Neurologe ist, berechtigt schließlich aufgrund der Sachnähe der beiden Fachrichtungen ebenfalls nicht zur erneuten Anhörung von Dr. F., zumal Prof. Dr. Dr. W. auch Psychiater ist und ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten erstattet hat. Das Antragsrecht nach § 109 SGG ist schließlich durch die Einholung des Gutachtens von Dr. F. verbraucht (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O.).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Zwar hat er die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich dies aus dem Versicherungsverlauf vom 01.09.2003 ergibt. Indessen fehlt es an einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im erforderlichen Umfang. Denn der Kläger ist noch in der Lage, leichte bis maximal mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung, schweres Heben und Tragen, häufigem oder andauerndem Bücken, Knien oder Hocken und in Kälte, Nässe zu verrichten. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem vom SG eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. P. wie des nervenfachärztlichen Gutachtens von Dr. K. und dem vom Senat eingeholten Gutachten von Prof. Dr. Dr. W ...

Danach steht im Vordergrund des Krankheitsbildes das chronische HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Ausfälle. Dieses führt dazu, dass der Kläger Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule vermeiden muss. Die Wirbelsäule ist nur noch eingeschränkt belastbar. Demgegenüber ist das postoperative Ergebnis im Bereich der rechten Schulter nach Rotatorenmanschettennaht als gut zu bezeichnen, so dass der Kläger wieder seinen rechten Arm aktiv und kraftvoll über die Horizontale anheben und seitwärts führen kann.

Die von Dr. F. in den Vordergrund ihrer leistungsmindernden Beurteilung gestellte somatoforme Schmerzstörung lässt sich hingegen nicht nachweisen. Hiergegen spricht bereits, dass es selbst nach der Anamnese von Dr. F. an einer Einnahme von Analgetika bzw. einer schmerzdistanzierenden Medikation fehlt und der Kläger auch keinerlei Psychotherapie in Anspruch nimmt. Bei einem starkes Schmerzerleben müsste aber mit einer entsprechenden Behandlung gerechnet werden. Die Leistungseinschätzung von Prof. Dr. Dr. W. war demgegenüber für den Senat schlüssig, da der Kläger noch über einen strukturierten Tagesablauf verfügt, seinen Haushalt alleine versorgen kann und der soziale Rückzug allein auf seiner Scheidung, nicht aber einem Schmerzerleben in den letzten Jahren beruht. Der Kläger hat nämlich Prof. Dr. Dr. W. gegenüber geschildert, dass seit seiner Trennung sein Sozialleben im wesentlichen unverändert geblieben ist, somit kein schmerzbedingter sozialer Rückzug vorliegt. Er hat auch über regelmäßige Kontakte im Freundes- und Verwandtenkreis sowie mit seiner Partnerin berichtet, mit der er auch noch in der Lage ist, ein befriedigendes Miteinander (auch in sexueller Hinsicht) zu führen. Der Kläger ist auch so aktiv mit spazieren gehen und walken, schwimmen, fernsehen, täglichen Treffen mit seiner Mutter und mit Bekannten beschäftigt, dass ein sozialer Rückzug nicht belegt werden kann. Wie Dr. F. einerseits von keinerlei Auffälligkeiten der Aufmerksamkeit und Konzentration während der mehrstündigen Exploration berichten kann, dann aber in den Vordergrund eine erhebliche Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsfähigkeit, Konzentrationsmöglichkeit und Gedächtnisleistung stellt, ist auch für den Senat nicht nachvollziehbar. Insofern war das von Prof. Dr. Dr. W. gezogene Ergebnis nachvollziehbar und schlüssig.

Der Kläger ist deswegen nicht voll erwerbsgemindert, weswegen auf die Berufung der Beklagten das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen war. Insofern hat der Senat berücksichtigt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gar nicht streitig war, da die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren einen solchen Anspruch anerkannt hat. Streitbefangen war somit allein die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Insofern hätte es einer Tenorierung der Berufsunfähigkeitsrente weder bedurft noch ist diese im Ausspruch zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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