L 11 R 1242/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3157/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1242/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Januar 2006 sowie der Bescheid vom 6. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rückzahlung von Übergangsgeld (Übg) für den Zeitraum vom 04.07. bis 31.08.2002 streitig.

Dem 1961 geborenen Kläger, der zuletzt bis 2001 beschäftigt und dann arbeitslos war, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2002 eine berufliche Integrationsmaßnahme vom 21.05. bis 22.11.2002 in der IQ-Akademie N. als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Es wurde darauf hingewiesen, dass während der Teilnahme an der Leistung Anspruch auf Übg bestehe. Unter "Ergänzende Bestimmungen" wurde ausgeführt, die Wirksamkeit des Bescheides stehe unter der Bedingung, dass bis zum planmäßigen Ende der Leistung keine Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art einträten, die die Durchführung der Leistung als nicht oder nicht mehr angezeigt erscheinen ließen. Dies sei der Fall, wenn aus leistungsmäßigen oder gesundheitlichen Gründen ein erfolgreicher Abschluss der Leistung nicht mehr zu erwarten sei, der Kläger selbst aus eigenem Entschluss oder in Absprache mit dem Rehabilitationsberater die Leistung vorzeitig beende oder die Leistung in Absprache mit der Rehabilitationseinrichtung aus disziplinarischen Gründen abgebrochen werde. Mit Ablauf des Tages, an dem eines der genannten Ereignisse eintrete, verliere dieser Bescheid seine Wirksamkeit, ohne dass es eines gesonderten Aufhebungsbescheides bedürfe.

Mit Bescheid vom 26.06.2002 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 21.05.2002 Übg in Höhe von kalendertäglich 40.20 EUR. Unter "Auflagen, Vorbehalte und Mitteilungen" wurde darauf hingewiesen, dass Übg, sofern allein aus gesundheitlichen Gründen die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben unterbrochen werde, bis zur Dauer von sechs Wochen, längstens jedoch bis zum Ende der Leistung zustehe. Von der Übg-Zahlung unterrichtete die Beklagte die Krankenkasse des Klägers (BKK K.-T. + P.) und das Arbeitsamt N ...

Das Arbeitsamt übersandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Chirurgen Dr. O. vom 31.05. und 14.06.2002 sowie des Internisten Dr. B. vom 22.7. und 19.08.2002 und teilte mit Schreiben vom 08.07.2002 mit, der Kläger sei seit dem 06.05.2002 krank geschrieben. Weiter übersandte das Arbeitsamt eine Anwesenheitsbescheinigung für den Zeitraum vom 21.05. bis 31.07.2002 sowie Anwesenheitslisten, derzufolge der Kläger am 21. und 22.05.2002 an der Maßnahme teilgenommen hatte und in der Folge krank war. In einem Telefonvermerk vom 04.09.2002 über eine telefonische Rücksprache mit der IQ-Akademie hielt die Beklagte einen Maßnahmeabbruch zum 04.07.2002 (letzter Tag 03.07.2002) fest. Der Versicherte sei schon telefonisch informiert worden und melde sich bei der Krankenkasse.

Mit Schreiben vom 06.09.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Bescheid vom 07.06.2002 sei am 04.07.2002 unwirksam geworden. Ab diesem Zeitpunkt ende die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und bestehe kein Anspruch mehr auf ergänzende Leistungen, z.B. Übg. Der Kläger könne sich erneut an die Reha-Beratung wenden, falls er weiterhin an Leistungen zur Teilhabe interessiert sei. Durch den Abbruch der Leistung sei Übg vom 04.07. bis 31.08.2002 = 57 Tage x 40,20 EUR = 2.291,40 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Gemäß § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) seien Leistungen zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien. Die Zahlung des Übg sei ohne Verwaltungsakt erfolgt, da aufgrund des Übergangsgeldbescheids vom 26.06.2002 Übg nur für die Dauer der Leistung zugestanden habe. Hierauf sei der Kläger im genannten Bescheid hingewiesen worden.

Am 09.09.2002 übersandte das Arbeitsamt der Beklagten weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. B. vom 26.08. und 02.09.2002 sowie die Austrittsmeldung der IQ-Akademie. Die Maßnahme sei am 03.07.2002 abgebrochen worden.

Dem Abschlussbericht der IQ-Akademie ist zu entnehmen, dass der Kläger (trotz Krankschreibung auch für diese Zeit) lediglich die ersten zwei Tage des Seminars anwesend war.

Die Beklagte wandte sich an die Krankenkasse des Klägers BKK K.-T. und machte einen Erstattungsanspruch für die die Zeit vom 04.07. bis 31.08.2002 geltend.

Der Kläger legte der Beklagten im Dezember 2002 ein Schreiben an das Arbeitsamt N. vor und bat um Bestätigung, dass von einer Rückforderung des Betrages abgesehen werde. Hierzu äußerte sich die Beklagte mit Schreiben vom 08.01.2003 dahingehend, dass die an den Kläger gesandte Mahnung ein Versehen gewesen sei. Mit Bescheid vom 06.09.2002 sei das überzahlte Übg in Höhe von 2.291,40 EUR bei der BKK K.-T. per Erstattungsanspruch zurückgefordert worden, da der Kläger am 04.07.2002 Anspruch auf Krankengeld gehabt habe. Eine Begleichung durch die Kasse sei nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 06.06.2003 wandte sich die Beklagte erneut an den Kläger mit dem Hinweis, dass bereits mit Schreiben vom 06.09.2002 die Übg-Überzahlung für die Zeit vom 04.07. bis 31.08.2002 in Höhe von 2.291,40 EUR zu Recht festgestellt worden sei. Das überzahlte Übg sei zwar von der Krankenkasse zurückgefordert worden, die BKK K.-T. habe aber das Krankengeld bereits an den Versicherten ausbezahlt und zwar für die Zeit vom 04.07. bis 21.07.2002, 23.07. bis 26.07.2002 und 20.08. bis 21.08.2002. Außerdem sei vom Arbeitsamt N. für die Zeit vom 16.09.2002 bis 05.02.2003 Arbeitslosengeld gezahlt worden. Da der Erstattungsanspruch in Höhe von 2.291,40 EUR von der zuständigen Krankenkasse nicht befriedigt worden sei, sei der überzahlte Betrag vom Versicherten zurückzuzahlen. Die Überzahlung sei zu Recht festgestellt worden. Der Kläger habe die Ausbildung bei der IQ-Akademie lediglich am 21.05. und 22.05.2002 besucht und sei ab dem 23.05.2002 durchgehend krankgemeldet gewesen. Nach § 51 Abs. 3 könne Übg für längstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt werden. Die 6-Wochen-Frist habe vom 23.05. bis 03.07.2002 gedauert. Da es zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise gegeben habe, dass aus gesundheitlichen Gründen die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wieder aufgenommen und auch bewältigt werden könne, sei diese Leistung auf den 03.07.2002 mit Wirkung ab 04.07.2002 abzubrechen gewesen. Da das Übg aber bis 31.08.2002 ausbezahlt worden sei, sei eine Überzahlung in Höhe von 2.291,40 EUR entstanden.

Der Kläger legte gegen den Rückforderungsbescheid vom 06.09.2002 und den Bescheid vom 06.06.2003 Widerspruch ein und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Beklagte habe selbst mit Schreiben vom 08.01.2003 mitgeteilt, dass der Bescheid vom 06.09.2002 den Erstattungsanspruch bei der Krankenkasse betreffe und dass die Anforderung dieses Betrages bei ihm ein Versehen gewesen sei. Aufgrund dessen sei dieser Bescheid vom 06.09.2002 aufgehoben worden. Wenn es zwischen der Beklagten und der Krankenkasse zu Fehlzahlungen gekommen sei, könne dies nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe für die gesamte Zeit einen Anspruch auf Vergütung, sei es Übg, sei es Krankengeld. Er sei bis zum 13.09.2002 krankgeschrieben gewesen, ohne dass ihm in der gesamten Zeit von irgendeinem Leistungsträger mitgeteilt worden sei, dass Ansprüche nicht mehr bestünden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Nach § 51 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) könne Übg bis längstens sechs Wochen weitergezahlt werden, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch genommen werden könnten. Die 6-Wochen-Frist habe vom 23.05. bis 03.07.2002 gedauert. Da es zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise gegeben habe, dass die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wieder aufgenommen werden könne, sei diese Leistung auf den 03.07.2002 mit Wirkung ab dem 04.07.2002 abzubrechen gewesen. Dass Übg bei Krankmeldung für längstens sechs Wochen zustehe, sei schon im Bescheid vom 26.06.2002 ausgesagt worden. Ein Übg-Anspruch habe daher kraft Gesetzes längstens bis zum 03.07.2002 bestanden. Da das Übg aber bis zum 31.08.2002 ausbezahlt gewesen sei, sei die Überzahlung für die Zeit vom 04.07. bis 31.08.2002 in Höhe von 2.291,40 EUR zu Recht festgestellt und auch zu Recht zurückgefordert worden.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, er habe den Kurs am 21.05.2002 begonnen, sei jedoch bereits am 22.05.2002 erkrankt und habe im Krankenhaus H. behandelt werden müssen. Die entsprechenden Krankmeldungen seines Hausarztes und des Chefarztes der Klinik in H. habe er jeweils sofort weitergegeben. Zum Zeitpunkt der Bewilligung des Übg mit Bescheid vom 26.06.2002 sei er weiterhin krankgeschrieben gewesen. Während der Ferien der Akademie vom 29.07. bis 16.08.2002 sei er zwar noch arbeitsunfähig gewesen, habe jedoch während der Ferienzeit seine Krankmeldungen nicht abgegeben und diese erst nach den Ferien vorgelegt. Obwohl er seine Krankmeldungen jeweils sofort der Beklagten zur Verfügung gestellt habe, sei ihm erst mit dem Bescheid vom 06.09.2002 rückwirkend die Leistung ab 04.07.2002 entzogen worden. Eine solche rückwirkende Entziehung des Übg sei nicht zulässig, zumal er ohne Verschulden den Kurs nicht habe weiter besuchen können. Er sei zu keinem Zeitpunkt während der Krankmeldungen darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte nach Ablauf von sechs Wochen Übg nicht mehr zu zahlen bereit sei. Dies sei ihm erst mit Schreiben vom 06.09.2002 mitgeteilt worden. Er hätte ab etwa Mitte September 2002 den Kurs fortsetzen können, nachdem er bis 13.09.2002 krankgeschrieben gewesen sei, sei dann jedoch von der Maßnahme durch die Abmeldung der Beklagten ausgeschlossen worden. Die Abmeldung bei der IQ-Akademie sei zu Unrecht erfolgt und die Einstellung des Übg ab 04.07.2002 hätte nicht erfolgen dürfen. Sowohl das Arbeitsamt wie auch die Krankenkasse hätten sich geweigert zu zahlen. Erst im Nachhinein seien ihm durch die Krankenkasse Zahlungen geleistet worden, nicht jedoch für den in Frage stehenden Zeitraum.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das Übg habe lediglich für die Dauer der Maßnahme sowie sich anschließender maximal sechswöchiger Dauer zugestanden. Diese sei mit dem 03.07.2002 abgelaufen. Insoweit werde auf die ergänzenden Bestimmungen im Bescheid vom 07.06.2002 und den Bescheid vom 26.06.2002, mit dem für die Dauer der Leistung zur Teilhabe Übg gewährt worden sei, und auch das Schreiben vom 06.09.2002 verwiesen. Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien, seien sie zu erstatten (§ 50 Abs. 2 SGB X). § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X greife entsprechend. Die Vermutung, dass der Kläger die Maßnahme ab etwa Mitte September 2002 hätte fortsetzen können, sei rein spekulativ.

Die Krankenkasse des Klägers (K.-Q. BKK und BKK K.-T. + P.) teilte auf Anfrage des SG mit, dass der Kläger vom 04.07. bis 21.07.2002, vom 23.07. bis 26.07.2002 und vom 20.08. bis 21.08.2002 Krankengeld erhalten habe. Für den 22.07.2002 und 19.08.2002 habe der Kläger kein Krankengeld erhalten, da der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an entstehe, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge und laut ärztlicher Bescheinigung die Arbeitsunfähigkeit am 22.07. und 19.08.2002 festgestellt worden sei.

Mit Urteil vom 24.01.2006, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 14.02.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 48 SGB X lägen vor. Übg sei im Zeitraum vom 04.07. bis 31.08.2002 an den Kläger zu Unrecht erbracht worden, da die 6-Wochen-Frist der Fortzahlung des Übg bei Erkrankung überschritten gewesen sei. Die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der IQ-Akademie habe laut Feststellung der Beklagten am 04.07.2002 geendet, so dass die Bewilligung, die mit einer auflösenden Bedingung getroffen worden sei, mit Eintritt dieser Bedingung geendet habe. Die Bedingung sei gemäß § 32 Abs. 2 Ziff. 2 SGB X bei der als Ermessensleistung zu gewährenden beruflichen Rehabilitation rechtmäßig verfügt worden. Die Beklagte sei auch zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass aufgrund der langen Erkrankung des Klägers bei nur zweitägigem Maßnahmebesuch Umstände tatsächlicher Art eingetreten seien, die einen erfolgreichen Abschluss der insgesamt nur sechs Monate dauernden Maßnahme nicht mehr erwarten ließen. Mit Eintritt der auflösenden Bedingung sei Übg ohne Rechtsgrund gewährt worden. Einer Aufhebungsentscheidung habe es aufgrund der in der Entscheidung über die Bewilligung in der Integrationsmaßnahme verfügten Bedingung nicht bedurft. Die Erstattung sei auch für die Vergangenheit vorzunehmen, insbesondere liege ein atypischer Fall nicht vor. Die Voraussetzungen des Rückforderungsgrundes des § 50 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 4 lägen nach Überzeugung des Gerichts vor, denn der Kläger habe aufgrund einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße nicht gewusst, dass der Übg-Anspruch weggefallen gewesen sei. Aufgrund des klar und übersichtlich gefassten Hinweises der Beklagten im Bescheid über die Bewilligung des Übg hätte der Kläger wissen müssen, dass im Falle der Erkrankung die Leistung nach sechs Wochen ende.

Hiergegen richtet sich die am 10.03.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Er wiederholt im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, es sei zwar zutreffend, dass der Bescheid vom 22.06.2002 eine Vielzahl von Auflagen, Vorbehalte und Mitteilungen enthalten habe, in denen u.a. ein Satz stehe, wonach die Leistung zur Teilnahme am Arbeitsleben im Falle der Erkrankung bis zu sechs Wochen, längstens bis zum Ende der Leistung gewährt werde; es könne ihm jedoch nicht vorgeworfen werden, dass er hätte wissen müssen, dass nach sechs Wochen der Kurs für ihn beendet sei und die Leistung nicht mehr gewährt werde. Entscheidend sei, dass vorliegend die Zusammenarbeit zwischen der IQ-Akademie und der Beklagten offenbar nicht funktioniert habe und dies auf seinem Rücken ausgetragen werde. Für ihn wäre es zunächst unerheblich gewesen, an welche Stelle er seine Krankmeldungen abgebe, an die Beklagte oder die IQ-Akademie. Durch den Hinweis und die ausdrückliche mündliche Belehrung durch den Leiter während der Einführung, dass die Krankmeldungen ausschließlich an die Akademie selbst zu richten seien, habe er dies befolgt. Wenn nun der Kostenträger - was der Akademie im Gegensatz zu ihm bekannt sei - nur für die Dauer von sechs Wochen bezahle, wäre es Aufgabe der Akademie gewesen, unmittelbar nach Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die die Dauer von sechs Wochen überschritten hätten, der Beklagten hierüber Informationen zu erteilen, damit entweder direkt die Beklagte ihn durch ein entsprechendes Schreiben oder einen Bescheid darauf hinweise, dass für ihn der Kurs beendet sei oder dass dies dann direkt durch die Akademie geschehen müsste. Er habe in jedem Fall davon ausgehen müssen, dass der Kurs für ihn lediglich unterbrochen, aber nicht abgebrochen sei. Wenn er erst mehr als zwei Monate nach Ablauf der 6-Wochen-Frist zum 04.07.2002 einen Bescheid vom 06.09.2002 erhalte, mit dem rückwirkend zum 04.07.2002 der Kurs für ihn als beendet gelte, so könne dies Rechtswirkungen in Form der Rückzahlung des Bescheides nicht erzeugen. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass, solange er die Krankmeldungen ordnungsgemäß abgebe, er auch ordnungsgemäß bei der IQ-Akademie als Teilnehmer geführt werde. Als juristischer Laie habe er das getan, was von ihm verlangt worden sei. Es könne ihm nicht angelastet werden, wenn er in dem Papierwust den Hinweis der 6-Wochen-Frist übersehe. Hinzu komme, dass er weder zu Beginn des Kurses noch bei den jeweiligen Abgaben der Krankmeldungen darauf hingewiesen worden sei, dass er den Kurs nicht erfolgreich absolvieren könne. Bei der Einführung sei nichts davon geredet worden, wie lange ein Fehlen möglich sei, um dieses Fehlen zum erfolgreichen Abschluss des Kurses zu überbrücken. Auch zu einem späteren Zeitpunkt habe er keinerlei Hinweise erhalten, dass für ihn der Kurs nicht mehr durchführbar wäre. Wenn insoweit die Auffassung der Beklagten und des SG richtig wäre, dass lediglich ein erfolgreicher Abschluss eines Kurses die Rückzahlung des Übg verhindere, so läge bei jedem Teilnehmer eines solchen Kurses ein erhebliches Risiko vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 06. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, einem Bescheidsempfänger obliege es, Bescheide zu lesen. Infolge des klar und übersichtlich gefassten Hinweises im Bescheid über die Bewilligung des Übg habe der Kläger wissen müssen, dass im Falle der Erkrankung die Leistung nach sechs Wochen ende.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten in einer nichtöffentlichen Sitzung erörtert. Auf die Niederschrift vom 18.07.2006 wird verwiesen.

Die Beklagte hält daran fest, dass aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 26.06.2002 ersichtlich sei, dass für die Dauer der Leistung zur Teilhabe Übg gewährt worden sei. Es sei also eine Befristung ausgesprochen worden. Der Bescheid enthalte auch die Aussage, dass sofern allein aus gesundheitlichen Gründen die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben unterbrochen werde, Übg bis zur Dauer von sechs Wochen, längstens jedoch bis zum Ende der Leistung zustehe. Bei diesem Text handle es sich um eine Nebenbestimmung nach § 32 SGB X. Verwaltungsrechtlich gehörte die Nebenbestimmung eines Verwaltungsaktes zu dessen Verfügungssatz. Der Bescheid vom 26.06.2002 habe nicht gesondert aufgehoben werden müssen, denn er habe sich durch Zeitablauf bei Eintritt der Bedingung erledigt.

Der Kläger bleibt dabei, bei dem Bescheid vom 26.06.2003 (richtig: 26.06.2002) handle es sich nicht um eine Befristung bei Eintritt einer Bedingung, vielmehr sei ihm die Leistung zugebilligt worden und zwar unbefristet. Bei Versagen der Leistung hätte ein neuer Bescheid ergehen müssen, der unzweifelhaft nicht erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die Beklagte kann vom Kläger nicht die Erstattung von 2.291,40 EUR verlangen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, ob die Beklagte rückwirkend das für die Zeit vom 04.07.2002 bis 31.08.2002 gezahlte Übg vom Kläger zurückfordern kann. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage, welche sich gegen den Bescheid vom 06.06.2003 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, richtet. In diesem Widerspruchsbescheid hat die Beklagte auch die im Schreiben vom 06.09.2002 festgestellte Übergangsgeldüberzahlung (nochmals) bestätigt.

Da die Beklagte die bewilligte Integrationsmaßnahme nicht durch Verwaltungsakt abgebrochen und den Bescheid über die Bewilligung des Übg nicht aufgehoben hat, § 50 Abs. 1 SGB X mithin nicht zur Anwendung kommt, kann sich das Verlangen der Beklagten nur auf § 50 Abs. 2 SGB X stützen. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind (Satz 1). § 45 und § 48 SGB X gelten entsprechend (Satz 2). Ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht ist eine Leistung immer dann, wenn sie weder formell auf einer ausgesprochenen Bewilligung noch materiell auf einem gesetzlichen Anspruch des Empfängers beruht. Ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht ist hiernach nicht nur eine Sozialleistung, die trotz rechtmäßiger Aufhebung der Bewilligung weiter gezahlt worden ist, sondern z. B. auch Doppelzahlungen auf bewilligte Sozialleistungen.

Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 SGB X sind hier indes nicht gegeben, denn Rechtsgrund für das Übg auch über den 03.07.2002 hinaus ist weiterhin der Bewilligungsbescheid vom 26.06.2002. Da dieser Beginn und Ende des Anspruchs auf Übg festlegt, nämlich ab 21.05.2002 für die Dauer der Leistung zur Teilhabe (Maßnahme), und ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 SGB X), bestimmt die Vorschrift über die Weiterzahlung der Leistungen gemäß § 51 Abs. 3 SGB IX, von welchem Zeitpunkt an eine rechtserhebliche und damit wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten ist, die eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides rechtfertigt. Die Anwendung des § 51 Abs. 3 SGB IX ist auf Fälle der gesundheitsbedingten Unterbrechung der Leistung beschränkt (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 16 SGB VI Rdnr. 54). Die Zahlung von Übg ist dagegen in den Fällen ausgeschlossen, in denen feststeht, dass der Versicherte die berufsfördernde Leistung nicht weiter in Anspruch nehmen kann und diese daher abgebrochen wird. Das Übg ist eine unselbständige, sog. akzessorische Leistung, d. h. sie wird in der Regel nur zusammen mit der eigentlichen Reha-Leistung (der Hauptleistung) gewährt; auf die Zahlung besteht ein Rechtsanspruch (§ 20 SGB VI).

Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger gegenüber einen Abbruch der Maßnahme ab 04.07.2002 nicht verfügt geschweige denn den Kläger angehört. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Bescheid vom 07.06.2002 mit einer zulässigen Nebenbestimmung versehen wurde. Der Verfügungssatz lautet auf Bewilligung einer beruflichen Integrationsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für die voraussichtliche Dauer vom 21.05. bis 22.11.2002. Soll ein Verwaltungsakt nur unter einer Bedingung wirksam sein, muss dem Adressaten Inhalt und Umfang der Bedingung hinreichend bestimmt mitgeteilt werden. Hier hat die Beklagte die Wirksamkeit des Bescheides unter die Bedingung gestellt, dass bis zum planmäßigen Ende der Leistung keine Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art eintreten, die die Durchführung der Leistung als nicht oder nicht mehr angezeigt erscheinen lassen. Es wird dann ausgeführt, wann dies der Fall ist, nämlich wenn aus leistungsmäßigen oder gesundheitlichen Gründen ein erfolgreicher Abschluss der Leistungen nicht mehr zu erwarten ist, der Versicherte selbst aus eigenem Entschluss oder in Absprache mit dem Rehabilitationsberater die Leistung vorzeitig beenden oder die Leistung in Ansprache mit der Rehabilitationseinrichtung aus disziplinarischen Gründen abgebrochen wird. Unklar ist hier schon, wie der Kläger feststellen soll, ob ein erfolgreicher Abschluss der Leistung nicht mehr zu erwarten ist. Wenn die Beklagte dann weiter ausführt, dass mit Ablauf des Tages, an dem eines der oben genannten Ereignisse eintritt, "der Bescheid seine Wirksamkeit verliert, ohne dass es eines gesonderten Aufhebungsbescheides bedarf", so ist zu fragen, wie der Kläger denn Kenntnis von einem Abbruch der Maßnahme und damit verbundenen Konsequenzen erhält. Eine derartige auflösende Bedingung steht nicht in Einklang mit einem fairen Verfahren und verletzt das Recht des Versicherten auf rechtliches Gehör (§ 24 SGB X).

Die Verpflichtung der Beklagten, einen Sachverhalt, der einen Abbruch der Leistung rechtfertigt, zu ermitteln, den Versicherten hierzu anzuhören und gegebenenfalls eine Abbruchsentscheidung zu erlassen, gegen die der Versicherte Rechtsmittel einlegen kann, darf nicht dadurch umgangen werden, dass der Versicherte durch eine unter Bedingungen stehende Wirksamkeit des Bewilligungsbescheides in Unkenntnis über die Durchführung der Maßnahme und die ihm zustehenden Leistungen gelassen wird und mit ungewissen Rückforderungen rechnen muss. Nach alledem bestehen für den Senat erhebliche Zweifel, ob die im Bescheid vom 07.06.2002 bestimmte bedingte Wirksamkeit des Bescheides zulässig und rechtmäßig ist.

Letztlich braucht dies nicht abschließend entschieden zu werden, da der Bescheid über die Bewilligung von Übg vom 26.06.2002 hiervon nicht berührt wird. Dieser Bescheid enthält keine Befristung auf 6 Wochen bei gesundheitsbedingter Unterbrechung der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Entscheidend ist insoweit der Verfügungssatz, demzufolge für die Dauer der Leistung zur Teilhabe Übg bewilligt wurde und der Anspruch ab 21.05.2002 bestand. Eine Befristung kann insbesondere nicht dem Hinweis entnommen werden, dass sofern allein aus gesundheitlichen Gründen die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben unterbrochen wird, Übg bis zur Dauer von 6 Wochen, längstens jedoch bis zum Ende der Leistung zusteht. Dieser Hinweis gibt die materielle Rechtslage wieder und hat Bedeutung für eine rückwirkende Aufhebung der Übg-Bewilligung gemäß §§ 45, 48 SGB X im Sinne einer Bösgläubigkeit des Klägers, er entbindet die Beklagte aber nicht davon, die Übg-Bewilligung nach Anhörung des Klägers aufzuheben. Entgegen der Auffassung des SG ist eine Aufhebung des Übg-Bescheides selbst dann nicht entbehrlich, wenn der Auffassung des SG gefolgt würde, dass mit der begründeten Feststellung der Beklagten, dass die Maßnahme nicht erfolgreich fortgeführt werden konnte, die auflösenden Bedingungen eingetreten seien. Der Übg-Bescheid ist solange existent und Rechtsgrundlage, solange er nicht aufgehoben ist. Der Hinweis im Bescheid vom 26.06.2002 stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Nebenbestimmung nach § 32 SGB X (Befristung bei Eintritt einer Bedingung) dar, die der Verwaltung durch Gesetz vorgeschrieben ist. § 51 Abs. 3 SGB IX ist insoweit nichts zu entnehmen, sondern lediglich die materiellrechtliche Begrenzung des Übg-Anspruchs bei gesundheitsbedingter Unterbrechung der Leistung, die zur Aufhebung nach 6 Wochen berechtigt. Der Hinweis setzt Versicherte über die bestehende Rechtslage in Kenntnis, lässt den Bewilligungsbescheid aber nicht gegenstandslos werden nach Ablauf der 6 Wochen, insbesondere hat er sich nicht durch Zeitablauf erledigt.

Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass das Schreiben vom 06.09.2002 eine Aufhebung des Übg-Bewilligungsbescheides enthält. Darin heisst es lediglich, dass ab dem 04.07.2007 kein Anspruch mehr auf ergänzende Leistungen (z. B. Übg) besteht. Dies stellt keine Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes dar.

Nach alledem war dem Berufungsbegehren des Klägers stattzugeben. Einer Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2002 bedarf es nicht, da darin kein Erstattungsanspruch bezüglich des Übg ab 04.07.2002 gegenüber dem Kläger verfügt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved