L 7 AL 3473/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 2162/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 3473/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 22. Februar 2004 zu Recht aufgehoben und die Erstattung der in diesem Zeitraum überzahlten Leistungen sowie der in der Zeit vom 1. November 2003 bis 22. Februar 2004 gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verlangt hat.

Der am 1944 geborene Kläger stand bei der Beklagten in der Vergangenheit wiederholt im Leistungsbezug. Nach einer befristeten Beschäftigung im Rahmen der Hilfe zur Arbeit bei den O. Werkstätten für Behinderte GmbH (OWB) in M. in der Zeit 15. Juli 2002 bis 14. Juli 2003 bewilligte die Beklagte ab 15. Juli 2003 Alg (vom 15. Juli bis 31. Dezember 2003 wöchentlich 117,81 Euro (Bescheid vom 30. Juli 2003), ab 1. Januar 2004 119,91 Euro wöchentlich (Änderungsbescheid von Januar 2004)).

In der Zeit vom 1. bis 31. Oktober 2003 war der Kläger erneut bei der OWB als Aushilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt; hiervon erfuhr das Arbeitsamt Balingen (AA) erstmals durch eine Überschneidungsmitteilung vom 25. November 2003. Erst am 23. Februar 2004 sprach der Kläger auf der Geschäftsstelle Sigmaringen des AA wieder vor.

Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte die Bewilligung von Alg durch Bescheid vom 6. April 2004 für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 22. Februar 2004 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte die Erstattung von in diesem Zeitraum zu Unrecht gezahlten Leistungen in Höhe von 2.456,25 Euro nach § 50 Abs. 1 SGB X sowie der in der Zeit vom 1. November 2003 bis 22. Februar 2004 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (577,72 Euro) und zur sozialen Pflegeversicherung (59,16 Euro) auf der Grundlage des § 335 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch; weiter war verfügt, dass der Gesamtbetrag von 3.093,13 &61509;uro in Höhe von wöchentlich 59,95 Euro im Rahmen des § 51 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch mit den Leistungsansprüchen des Klägers aufgerechnet werde. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2004 zurück; der mittels Einschreiben zur Post aufgegebene Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 13. Mai 2004 durch Übergabe zugestellt. Die seitens der Beklagten im April 2004 aufgenommene Aufrechnung (Einbehaltungsrate insgesamt 436,56 Euro) wurde ab 1. Juni 2004 beendet, nachdem der Kläger am 2. Juni 2004 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache einen Fragebogen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht hatte. Anlässlich seiner Vorsprache war dem Kläger ferner die vorgenannte Aufhebungsentscheidung erläutert und er außerdem auf die Klagemöglichkeit beim Sozialgericht Konstanz (SG) hingewiesen worden. Darauf kündigte der Kläger im Schreiben vom 3. Juni 2004 an, einen Teil der Erstattungsforderung von 3.093,13 Euro zu zahlen, sobald er wieder eine Arbeit gefunden habe. Mit Schreiben vom 29. Mai 2005 erging durch den Forderungseinzug der Beklagten eine Mahnung bezüglich eines Forderungsbetrages von insgesamt 2.624,01 Euro (einschließlich Mahngebühren).

Am 22. August 2005 hat der Kläger zum SG Klage erhoben und um Überprüfung gebeten. Er sei bei der OWB zur Aushilfe tätig gewesen; ihm sei völlig unklar, wie die Forderung des AA entstanden sei. Außerdem könne er die Forderung wegen Schulden in Höhe von 8.000,00 bis 10.000,00 Euro nicht zurückzahlen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, weil diese verfristet sei. Mit Urteil vom 24. Mai 2006 hat das SG die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 20. Juni 2006 zugestellte Urteil verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 10. Juli 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er hat die Auffassung geäußert, dass die Beklagte im Unrecht sei; außerdem sei er Hartz VI-Empfänger.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat von der Deutschen Post AG den Auslieferungsbeleg mit Empfangsbestätigung des Klägers vom 13. Mai 2004 beigezogen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)); Einwände gegen eine derartige Verfahrensweise haben sie nicht erhoben.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 500,00 Euro beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Senat ist bereits an einer Sachentscheidung gehindert, weil die Klage zum SG verspätet eingelegt und damit unzulässig ist; dies hat das SG zutreffend erkannt.

Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben; hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG ist der Widerspruchsbescheid schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekanntzugeben. Nimmt die Behörde eine Zustellung vor, gelten die §§ 2 bis 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG; vgl. § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG). Die Beteiligten sind hierbei über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Gerichts zu belehren (§ 85 Abs. 3 Satz 3 SGG). Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt - hier also die Zustellung - fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Vorliegend ist die Klagefrist versäumt, ohne dass Wiedereinsetzungsgründe gegeben sind.

Das mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2004 ist dem Kläger am 13. Mai 2004 mittels Einschreiben wirksam zugestellt worden; er gilt damit am 15. Mai 2004 als zugestellt. Damit endete die Klagefrist am 15. Juni 2004. Demgegenüber ist die Klage beim SG erst am 22. August 2005 eingegangen. Die Klage ist sonach um über ein Jahr verspätet erhoben.

Wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung der Klage kann dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn gemäß § 67 Abs. 3 SGG ist ein Wiedereinsetzungsgesuch nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Ein solcher Ausnahmefall ist indessen nur dann gegeben, wenn es sich um ein Ereignis (z.B. eine Naturkatastrophe oder andere unabwendbare Zufälle) handelt, das auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles von dem Beteiligten zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 67 Rdnr. 14a m.w.N.). Derartige Gründe sind indes vom Kläger weder vorgebracht noch sonst wie ersichtlich.

Eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache ist dem Senat mithin verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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