L 7 R 5889/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 637/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 5889/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. November 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1948 in der T. geborene Klägerin absolvierte nach ihren Angaben im Heimatland nach dem Abschluss der Schule eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Sie lebt seit 1966 in Deutschland, ist verheiratet und hat drei Töchter und einen Sohn. Bis zum Jahr 1979 war die Klägerin als Fabrikarbeiterin beschäftigt, zwischen 1989 und Januar 2002 arbeitete sie als Putzfrau, zuletzt über längere Zeit beim Amtsgericht M ... Am 2. Januar 2002 erlitt die Klägerin einen Wegeunfall bei Glatteis, bei dem sie eine distale Radiusfraktur rechts erlitt, die durch Anlegen eines Unterarmgipses versorgt wurde, sowie Verletzungen am linken Knie und eine Wirbelsäulenprellung.

In einem sozialmedizinischen Gutachten vom 4. November 2002 diagnostizierte Dr. B. vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg bei ihr eine Depression mit schwerer Somatisierungsstörung sowie ein Wirbelsäulensyndrom bei multisegmentalen Protrusionen ohne Prolaps, außerdem eine beeinträchtigte Handgelenksbeweglichkeit mit Reizzustand bei Zustand nach Radiusfraktur. Aufgrund dessen bestehe bei ihr bis auf Weiteres Arbeitsunfähigkeit und eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit.

Am 21. März 2003 beantragte die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Fachberichte die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die LVA Baden-Württemberg (LVA) veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin Schwalbach; dieser diagnostizierte im Gutachten vom 12. Mai 2003 eine konversionsneurotische Entwicklung nach Glatteisunfall mit chronischem Schmerzsyndrom des rechten Armes bei histrionischer Persönlichkeitsstörung mit sekundärem Krankheitsgewinn und bewusstseinsnahem Agieren, rechtsbetonte Kniegelenksarthrose ohne Funktionseinschränkung, mit Hörgeräten korrigierte Schwerhörigkeit beidseits sowie Übergewicht. Zum Leistungsbild wird ausgeführt, die Klägerin sei weiterhin in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in vollschichtigem Umfang zu verrichten. Tätigkeiten mit vermehrtem Einsatz des rechten Armes sollten ihr nicht zugemutet werden, auch keine Arbeiten mit ständig erhöhtem Zeitdruck, keine Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an das Hörvermögen, keine Arbeiten mit häufigem Knien oder Hocken. Arbeiten mit vermehrter Kälte- und Nässeexposition sollten nicht zugemutet werden. Prinzipiell bestehe auch eine Vermittelbarkeit, wobei die Klägerin aber nicht gewillt sei, nochmals erwerbstätig zu sein.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2003 lehnte die LVA den Rentenantrag der Klägerin ab, da weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vorliege. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die LVA mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2004 zurück mit der Begründung, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, da sie noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Die Klägerin hat am 8. März 2004 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und im Wesentlichen die Begründung aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Das SG hat Dr. J. (Facharzt für Orthopädie), Dr. G. (Fachärztin für Allgemeinmedizin) und Dr. S. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Dr. J. vertritt in der Stellungnahme vom 19. Juli 2004 die Auffassung, aus orthopädischer Sicht seien leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne häufiges Ersteigen von Leitern und Treppen, ohne Zurücklegung längerer Wegstrecken, ohne vermehrte Bückbelastung, überwiegend sitzende Tätigkeit und ohne vermehrte feinmotorische Beanspruchung der rechten Hand sechs Stunden möglich. Dr. G. führt unter dem 26. Juli 2004 aus, aufgrund diverser Erkrankungen (degeneratives WS-Syndrom, insbesondere chronische Lumboischialgie links, Gonarthrose rechts, Heuschnupfen bei bekannter Pollenallergie, Ellbogengelenkarthrose rechts, Funktionseinschränkung rechtes Handgelenk, Karpaltunnelsyndrom beidseits, paranoide Schizophrenie, Depression, somatoforme Schmerzstörung und rezidivierender angina pectoris) sei die Klägerin nicht arbeitsfähig. Wie sich ihr Zustand in der Zukunft entwickeln werde, sei nicht beurteilbar. Dr. S. diagnostiziert unter dem 27. Juli 2004 eine Radius- und Ulnarfraktur nach Unfall am 2. Januar 2002, LWS-Prellung, reaktive depressive Entwicklung mit Somatisierungsstörung und eine kurzfristige psychotische Episode. Er kommt zur Auffassung, die Klägerin sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage, einer Arbeit nachzugehen; sie sei unter drei Stunden zu beschäftigen.

Das SG hat außerdem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. zum Sachverständigen bestellt. Im Gutachten vom 24. August 2004 diagnostiziert der Sachverständige eine Depression mit ausgeprägten Somatisierungstendenzen. Bei fehlenden objektiven Befunden in Richtung Demenz müsse von einer erheblichen Aggravationsneigung ausgegangen werden. Dieses Fixiertsein im seelischen Leiden habe offensichtlich im Kreise der Familie zu einem erheblichen sekundären Krankheitsgewinn dahin gehend geführt, dass die ganze Familie bemüht sei, die Leidende nach Kräften zu entlasten. Nachweisbare hirnorganisch-psychische Störungen seien nicht vorhanden. Auch eine neurologische Störung im peripheren Bereich habe nicht verifiziert werden können, obwohl die Klägerin über Taubheitsgefühle am ganzen rechten Bein geklagt habe. Zumutbar seien körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten, die einfach und überschaubar und ohne besondere Verantwortung seien. Diese Tätigkeiten könnten vollschichtig verrichtet werden. Einschließlich des Wegs zum Arbeitsplatz seien bis zu neun Stunden Arbeit zumutbar. Das Arbeitsgerät sollte einfach gestaltet und leicht zu handhaben sein. Besondere Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsweges bestünden nicht. Der ganz von der Psyche dominierte Gesundheitszustand habe sich nach dem Unfall im Januar 2002 entwickelt und sich im Laufe der Zeit sicherlich verfestigt. Aus der Zusammenschau sämtlicher erhobener Untersuchungsbefunde sei zu schließen, dass die Klägerin möglicherweise vorhandene leichte Beschwerden im Bereich des verunfallten Armes derartig aggraviere, dass sie ihre Umgebung auch glauben mache, dass sie in ihrer Persönlichkeit zu nichts mehr zu gebrauchen sei. Sie lege also ein pseudodementes Verhalten an den Tag.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2004 hat das SG die Klage, gerichtet auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, abgewiesen; wegen der Einzelheiten wird auf den dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Dezember 2004 zugestellten Gerichtsbescheid verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 30. Dezember 2004 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung, mit welcher die Klägerin vorbringt, ihre Erkrankungen seien vom SG unzutreffend gewürdigt worden. Sie verweist auf eine Stellungnahme der Diplom-Psychologin P. vom 28. September 2004; darin seien die vom Gutachter Dr. W. gesehenen Aggravationstendenzen nicht festgestellt worden. Auch Dr. B. vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg habe unter dem 4. November 2002 bei der Klägerin eine schwere psychische Störung in Form einer Depression mit schwerer Somatisierungsstörung festgestellt. Die Klägerin sei wegen ihrer Erkrankungen seit dem 12. April 2005 zu 80 % schwerbehindert. Ergänzend hat die Klägerin ein Attest von Dr. U. (Fachärztin für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde) vom 10. August 2006 vorgelegt, in welchem unter Anderem ausgeführt wird, die Klägerin klage seit langem über starke Schwindelanfälle mit Unsicherheitsgefühl.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. November 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2004 zu verurteilen, ihr ab 1. März 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Bei der Klägerin lägen aufgrund ihrer Krankheiten zwar qualitative Einschränkungen vor, jedoch keine quantitative Leistungsminderung. Sie verweist hierzu auf das (zweite) Rentengutachten des Dr. K. (Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie) vom 24. Juni 2005, wonach dieser unter Einbeziehung der Unfallfolgen und der sonstigen Leiden der Klägerin lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um insgesamt 10 % festgestellt habe. Zudem habe auch Dr. K. Aggravationstendenzen in Bezug auf die primär demonstrierte Funktionsstörung der rechten oberen Extremität und die Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk festgestellt.

Der Senat hat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. D. (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) als Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 11. April 2006 führen dieser und Dr. Sc. (Arzt für Neurologie) aus, bei der Klägerin bestehe eine schwer ausgeprägte gemischte dissoziative Störung. Hierbei handele es sich um eine seelische Erkrankung ohne fassbares organisches Korrelat. Als Folgen bzw. Teilsymptome dieser Erkrankung bestünden eine Pseudodemenz, ein depressives Syndrom, Gefühlsstörungen auf der rechten Körperhälfte, chronische Schmerzen an Kopf, Wirbelsäule und rechtem Arm sowie eine Minderbewegung der rechten Körperhälfte, insbesondere des rechten Arms und eine Gangstörung. Es ergäben sich bei der Klägerin auch Hinweise auf eine psychogene Symptombildung; die Vielzahl sowohl der neurologischen als auch psychopathologischen Symptome sei im Kontext einer chronifizierten konversionsneurotischen Störung einzuordnen. Außerhalb des nervenärztlichen Gebiets bestehe eine Arthrose der Kniegelenke, Adipositas sowie eine beidseitige Schwerhörigkeit. Diese Erkrankungen seien allerdings insgesamt und für die Beantwortung der Beweisfragen nicht von großer Relevanz. Die meisten dargebotenen Symptome seien seelischer Ursache ohne organisches Korrelat. Nach Einschätzung der Gutachter seien die Symptome Ausdruck der zugrunde liegenden Erkrankung und nicht einer bewussten Simulation. Es sei allerdings nicht möglich, zweifelsfrei auszuschließen, ob eine psychische Symptombildung nicht doch willentlich beeinflusst werden könne. Die Symptompräsentation lasse stellenweise auch eine gewisse Aggravationstendenz annehmen. Bei der Klägerin bestehe eine vollständige Erwerbsunfähigkeit von 100 %. Seit dem Unfall im Jahre 2002 sei es offensichtlich zu einer ständigen Befundverschlechterung gekommen. Die Prognose dieser Erkrankung sei schlecht. Es sei nicht anzunehmen, dass in den nächsten Monaten eine Besserung eintreten werde, da der sekundäre Krankheitsgewinn symptomverstärkend wirke und keine Behandlungsmotivation bestehe. Ein Heilverfahren sei aufgrund der eingetretenen Chronifizierung nicht Erfolg versprechend.

Zu diesem Gutachten hat der sozialmedizinische Dienst der Beklagten Stellung genommen; MUDr. H. (Ärztin für Psychiatrie) führt unter dem 14. Juli 2006 aus, ausweislich des Gutachtens habe sich die Klägerin bei der psychopathologischen Erhebung kooperativ gezeigt und über drei Stunden gut und konzentriert mitgearbeitet; bestimmte Fragen hätten jedoch angeblich nicht beantwortet werden können. Die subjektiv geklagten Gedächtnisstörungen würden von den Gutachtern als Pseudodemenz eingeordnet ("Die Probandin gibt schwerste kognitive Störungen an, kann jedoch einem mehrstündigen Gespräch folgen und in einer Fremdsprache antworten", Seite 28). Bei den von den Gutachtern gut beschriebenen Inkonsistenzen bei der psychopathologischen Befunderhebung erscheine die Feststellung verwunderlich, dass sich hier nicht der Eindruck einer eingesetzten Simulation oder Aggravation ergebe. In den weiteren Ausführungen zur Zusammenfassung und Bewertung der Untersuchungsbefunde räumten die Gutachter auch eine gewisse Aggravationstendenz ein (Seite 33), im Vordergrund stehe nach deren Einschätzung jedoch eine eigendynamisch verlaufende und der Willenskontrolle weitgehend entzogene neurotische Symptombildung. Das gesamte Leben der Probandin sei offensichtlich um die vielfältigen neurotischen Symptome zentriert und bestimme auch das Leben des Ehemannes und der übrigen Familienmitglieder. Hinsichtlich dieser Beurteilung sei den Gutachtern jedoch nur teilweise zustimmen: Bei der Klägerin stünden nämlich massive Aggravationstendenzen im Vordergrund; in dem sehr gut dokumentierten Verlauf würden von mehreren Kollegen immer wieder massive histrionische Komponenten mit bewusstseinsnahem Agieren beschrieben. Die Klägerin verfüge danach trotz der beschriebenen Hilflosigkeit immer noch über ausgeprägte manipulative Tendenzen; durch ihr manipulatives Verhalten werde das Familienleben bestimmt und sie erhalte dadurch Unmengen an sekundären Gratifikationen. Dieses Verhalten der Klägerin sei als ein bewusstseinsnahes Agieren anzusehen, das dem Erhalt von Macht und Kontrolle dienen solle und das der Willenskontrolle der Klägerin keineswegs völlig entzogen sei. Die diagnostische Schlussfolgerung einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit von 100% sei daher nicht nachvollziehbar. Die Störung sei diagnostisch als dissoziative Störung eingeordnet worden. Diese Diagnose sollte indessen bei einer früher gut angepassten Person mit normalen Familien- und Sozialbeziehungen sehr zurückhaltend gestellt werden. Eine bewusste Simulation sei sehr schwer von dissoziativen Störungen zu unterscheiden. Trotz der unstrittigen, mehrfach beschriebenen Aggravationstendenzen der Klägerin sowie den massiven sekundären Gratifikationen bzw. Krankheitsgewinn, die sie von ihrer Familie im Rahmen einer erheblichen Zuwendung erhalte, sei diagnostisch zum Teil von einer konversionsneurotischen Entwicklung nach einem Glatteisunfall auszugehen. Im Unterschied zu den Gutachtern werde jedoch bei der histrionisch geprägten Persönlichkeit in hohem Maße auch ein manipulatives, bewusstseinsnahes Agieren mit erheblichem sekundärem Krankheitsgewinn gesehen. Bei der Klägerin, die z.B. bei der Begutachtung in der Lage gewesen sei, drei Stunden gut und konzentriert mitzuarbeiten, könne nämlich nicht von einer völligen Desintegration psychischer Funktionen ausgegangen werden. Die Gutachter schrieben auf Seite 39, dass der sekundäre Krankheitsgewinn, den die Patientin durch die Zuwendung der Familie erfahre, krankheitsstabilisierend wirke und eine Änderung nur durch eine völlige Verhaltensänderung der Familie zu erreichen wäre. Das pathologische Verhalten im gesamten Familiensystem, welches die Klägerin in der hilflosen Haltung mit unterstütze, werde ebenfalls erkannt. Allerdings müsse davon ausgegangen werden, dass eine Berentung der Klägerin eine weitere sekundäre Gratifikation darstellen und mit einer großer Wahrscheinlichkeit die massiv ausgeprägten regressiven Anteile ihrer histrionisch-manipulativen Persönlichkeitsstruktur unterstützen würde. Insgesamt sei daher mit dem Vorgutachter Dr. W. von einem vollschichtigen Leistungsbild für einfache leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Verantwortung auszugehen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Rentenakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 SGG), hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 des SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Maßgeblich ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin erst ab 1. März 2003 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2 a.a.O.). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein BSG - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Kläger ebenso erfüllt wie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGBVI). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin jedoch keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, weil sie in der streitbefangenen Zeit ab 1. März 2003 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gewesen ist.

Diese Überzeugung hat der Senat aufgrund der Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten, der schriftlichen Aussagen der sachverständigen Zeugen und der sonstigen fachkundigen Stellungnahmen gewonnen, die eine umfassende Einschätzung des positiven und negativen Leistungsbildes der Klägerin ermöglichen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin berühren das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet; die übrigen Beschwerden aus anderen Fachgebieten, namentlich die orthopädischen Beschwerden erscheinen demgegenüber weniger relevant in Bezug auf die geltend gemachte Erwerbsminderung, wie sich auch der überzeugenden, von der Kläger-Seite nicht substantiiert angegriffenen schriftliche Stellungnahme des Orthopäden Dr. J. vom 19. Juli 2004 entnehmen lässt. Die - somit insbesondere auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet liegenden - Beeinträchtigungen führen zu keinen die begehrten Renten begründenden Leistungseinschränkungen.

Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin wurden von den Sachverständigen als Depression mit Somatisierungstendenzen (Dr. W. ), als dissoziative Störung (Dr. D. ) von dem Rentengutachter Schwalbach, dessen Beurteilung urkundsbeweislich zu verwerten ist, als konversionsneurotische Entwicklung mit chronischem Schmerzsyndrom bei histrionischer Persönlichkeitsstörung mit sekundärem Krankheitsgewinn und bewusstseinsnahem Agieren sowie von Frau Dr. H. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten, deren Stellungnahme als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu verwerten ist (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 118 SGG), als - jedenfalls teilweise - konversionsneurotische Entwicklung nach einem Glatteisunfall beschrieben. Damit sind die bei der Klägerin vorhandenen, rentenrechtlich relevanten Gesundheitsstörungen vollständig erfasst; diese schränken ihr Leistungsvermögen allerdings in zeitlicher Hinsicht nicht ein. Der Senat folgt den hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens übereinstimmenden Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. W. , des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Schwalbach und der Ärztin für Psychiatrie Dr. H ... Danach kann die Klägerin trotz ihrer psychischen Erkrankung - und der sonstigen Funktionsbeeinträchtigungen - weiterhin leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig bzw. jedenfalls in einem Umfang von mehr als sechs Stunden täglich ausüben. Nicht zu folgen vermag der Senat der abweichenden Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. D. , der - ohne auf die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin einzugehen - eine vollständige Erwerbsunfähigkeit von 100 % angenommen hat. Diesem Gutachten hat Dr. H. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten unter dem 14. Juli 2005 überzeugend die Aggravationstendenzen entgegengehalten, die nicht nur der Vorgutachter Dr. W. und der Rentengutachter Dr. K. festgestellt haben, sondern die auch der Sachverständige Dr. D. selbst nicht ausgeschlossen hat. Soweit dieser (gleichwohl) eine aus der psychischen Problematik folgende Erwerbsunfähigkeit von 100 % angenommen hat, vermag diese Einschätzung schon deswegen nicht zu überzeugen, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zwar versorgungs- bzw. schwerbehindertenrechtlich relevant ist, indem insoweit die Auswirkungen körperlicher Einschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit beurteilt werden; für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommt es demgegenüber (allein) darauf an, ob und ggf. in welchem zeitlichen und sonstigen Umfang das gesundheitliche Vermögen der Versicherten eine erwerbsbringende Arbeit noch zulässt. Hierzu verhält sich das Gutachten von Prof. Dr. D. indessen nicht.

Danach ist unter Würdigung der genannten Befunde davon auszugehen, dass es der Klägerin weiterhin über sechs und mehr Stunden arbeitstäglich möglich und zumutbar ist, leichte (bis anteilmäßig mittelschwere) Betätigungen auszuüben. Nach den schlüssigen Einschätzungen insbesondere des Sachverständigen Dr. W. und des Rentengutachters Schwalbach, denen sich der Senat anschließt, lässt sich den Beeinträchtigungen der Klägerin hinreichend mit qualitativen Leistungseinschränkungen Rechnung tragen. So sollten die Tätigkeiten einfach und überschaubar sein und ohne besondere Verantwortung ausgeübt werden können. Das Arbeitsgerät sollte einfach gestaltet und leicht zu handhaben sein. Zudem sollten der Klägerin Tätigkeiten mit vermehrtem Einsatz des rechten Armes nicht zugemutet werden, auch keine Arbeiten mit ständig erhöhtem Zeitdruck, keine Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an das Hörvermögen, keine Arbeiten mit häufigem Knien oder Hocken. Auch Arbeiten mit vermehrter Kälte- und Nässeexposition sollten nicht zugemutet werden. Besondere Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsweges bestehen nicht.

Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Auch liegt eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit, d. h. das Fehlen eines Minimums an Mobilität als Teil des versicherten Risikos (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; SozR 3-5868 § 13 Nr. 19), nicht vor. Insoweit ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 56; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - (juris)) ein generalisierender Maßstab anzulegen; danach ist in der Regel erst voll erwerbsgemindert, wer auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Gehstützen) nicht mehr in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (jeweils innerhalb von zwanzig Minuten) zu Fuß zurückzulegen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Eine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit in diesem Sinne vermag der Senat ausgehend von dem überzeugenden Befund des Sachverständigen Dr. W. nicht zu erkennen.

Die Klägerin ist damit nicht erwerbsunfähig. Eine - u. U. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende - Ausnahme von der bei ungelernten und angelernten Arbeitern - wie der Klägerin - grundsätzlich entbehrlichen Pflicht zur Benennung von Verweisungstätigkeiten ist allerdings dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)).

Derartige Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis jedoch nicht vor. Das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild begründet nach der Überzeugung des Senats keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Der als sachverständige Zeuge vom SG gehörte Dr. J. führt dazu in seiner Stellungnahme vom 19. Juli 2004 aus, aus orthopädischer Sicht seien leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne häufiges Ersteigen von Leitern und Treppen, ohne Zurücklegung längerer Wegstrecken, ohne vermehrte Bückbelastung, überwiegend sitzende Tätigkeit und ohne vermehrte feinmotorische Beanspruchung der rechten Hand sechs Stunden möglich. Eine "funktionale Einarmigkeit" oder eine vergleichbare spezifische Leistungsbehinderung lässt sich hieraus jedoch nicht ansatzweise herleiten; auch die Rentengutachterin Schwalbach hat - wie ausgeführt - lediglich Tätigkeiten mit vermehrtem Einsatz des rechten Armes für unzumutbar gehalten, nicht aber jegliche Tätigkeit. Eine solche Leistungseinschränkung wird im Übrigen auch von der Kläger-Seite nicht behauptet.

Eine Vielzahl der bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist zudem bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z. B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen (z.B. Tätigkeiten sollten einfach und überschaubar, ohne besondere Verantwortung ausgeübt werden können, keine Arbeiten mit ständig erhöhtem Zeitdruck, keine Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an das Hörvermögen, keine Arbeiten mit vermehrter Kälte- und Nässeexposition); sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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