L 5 ER 185/06 KR

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 8 ER 135/06 KR
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 ER 185/06 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Widerspruch und Klage gegen die Feststellung der Krankenkasse, dass die freiwillige Mitgliedschaft nach § 191 S. 1 Nr. 3 SGB V beendet ist, haben keine aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass die Krankenkasse weiterhin Leistungen erbringen müsste (Aufgabe von LSG Rheinland-Pfalz 17.6.2005 - L 5 ER 37/05 KR).
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 31.7.2006 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist das Weiterbestehen der freiwilligen Mitgliedschaft des Antragstellers bei der Antragsgegnerin. Im vorliegenden Verfahren geht es darum, ob der Antragsteller einen Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz hat.

Der 1927 geborene Antragsteller war freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 21.3.2005, 21.4.2005 und 25.5.2005 wies die Antragsgegnerin ihn auf rückständige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahngebühren hin und bat um Begleichung innerhalb einer Woche. Mit Schreiben vom 25.5.2005 teilte die Antragsgegnerin ihm mit, die Beitragsschulden betrügen 250,90 EUR; bei Nichtzahlung ende die Mitgliedschaft des Antragstellers bei ihr kraft Gesetzes und unwiderruflich mit Ablauf des 15.6.2005. Diesen Schreiben war jeweils als Anlage ein "Hinweis zur Rechtslage" beigefügt, der ua Angaben dazu enthielt, dass im Falle der nicht rechtzeitigen Zahlung der Beiträge eine weitere freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich sei, sowie, dass unter den Voraussetzungen des Sozialhilferechts die Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge durch den zuständigen Sozialhilfeträger in Betracht komme. Mit Schreiben vom 22.6.2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass dessen Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung mit Ablauf des 15.6.2005 geendet habe, nachdem er die ausstehenden Beiträge nicht fristgerecht bis zum 15.6.2005 gezahlt habe.
Mit Schreiben vom 2.7.2005 und 7.7.2005 wandte sich der Antragsteller gegen die "Kündigung". Sein monatlicher Beitrag sei schon seit etlichen Jahren herabzusetzen gewesen. Angesichts seiner geringen Rente sei ihm eine termingerechte Zahlung der Beiträge nicht möglich gewesen. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch des Antragstellers durch Widerspruchsbescheid vom 26.8.2005 zurück.

Am 14.9.2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage erhoben (Az S 8 KR 211/05) und vorgetragen: Obwohl die Antragsgegnerin am 22.6.2005 bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Verrechnung der ausstehenden Beiträge mit den ihm zustehenden Rentenleistungen beantragt habe, habe die Antragsgegnerin mit Bescheid vom gleichen Tag die Mitgliedschaft "gekündigt". Die "Kündigung" führe angesichts der geringen Höhe des Beitragsrückstandes zu einer unbilligen Härte. Aufgrund seiner geringen Rente habe ihm die Antragsgegnerin eine Ratenzahlung anbieten müssen. Die nach § 191 Satz 2 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) geforderten Hinweise seien nicht erfolgt.

Am 14.6.2006 hat der Antragsteller beim SG Mainz einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und geltend gemacht: Es bestehe Eilbedürftigkeit, da die Kreisverwaltung M einem von ihm am 13.11.2003 gestellten Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen bisher nicht stattgegeben habe; gegen den ablehnenden Bescheid der Kreisverwaltung habe er Widerspruch eingelegt. Seine Renteneinkünfte reichten nicht aus, um sich Medikamente zu kaufen und ärztlich behandeln zu lassen.

Durch Beschluss vom 31.7.2006 hat das SG den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Klage des Antragstellers habe keine aufschiebende Wirkung. Bei dem Schreiben vom 22.6.2005 habe es sich um eine deklaratorische Mitteilung gehandelt, mit der die Antragsgegnerin keine eigenständige Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts getroffen, sondern lediglich auf eine kraft Gesetzes eingetretene Rechtslage hingewiesen habe (Hinweis auf Landessozialgericht LSG Hamburg 21.2.2006 L 1 B 390/05 KR ER). Eine einstweilige Anordnung (§ 86b Abs 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ) sei nicht zu erlassen. Es mangele an einem Anordnungsanspruch, da die Klage in der Hauptsache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die von der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 25.5.2005 erteilten Hinweise entsprächen den Anforderungen des § 191 Satz 2 SGB V. Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller Angebote zur Ratenzahlung zu unterbreiten. Ob ein Anordnungsgrund bestehe, könne nach dieser Sachlage offen bleiben, sei aber angesichts der Möglichkeit, Krankenhilfeleistungen vom Sozialhilfeträger in Anspruch zu nehmen, zweifelhaft.

Gegen diesen ihm am 2.8.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 31.8.2006 beim SG Mainz eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das SG nicht abgeholfen hat. Er wiederholt seinen Vortrag, die Antragsgegnerin habe von ihm zu hohe Beiträge gefordert.

II.

Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Feststellung entsprechend § 86b Abs 1 Nr 2 SGG (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rz 15), dass seine Klage aufschiebende Wirkung hat mit der Folge, dass die Antragsgegnerin ihm vorläufig Krankenversicherungsleistungen zu erbringen hätte. Eine aufschiebende Wirkung kann nicht aus § 86a Abs 1 Satz 2 SGG, wonach die Anfechtungsklage auch bei feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung hat, hergeleitet werden.

Ob es zum Wirksamwerden des Endes einer dem Bürger eingeräumten Rechtsposition (zB Mitgliedschaft) des Erlasses eines Verwaltungsakts bedarf, hängt von der genauen Analyse der Gesetzeslage ab (vgl Pietzcker in Schoch, VwGO, § 42 Abs 1 Rz 26). Im Falle der Beendigung eines Status durch gesetzlich festgelegten Zeitablauf ohne weitere Voraussetzungen ist idR ein feststellender Verwaltungsakt nicht erforderlich. So ist die Rechtslage z.B., wenn ein Vertragsarzt das 68. Lebensjahr erreicht und deshalb seine Vertragsarzttätigkeit beenden muss. Bei einer solchen Sachlage, bei welcher das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Endes der Berechtigung ohne Schwierigkeiten festzustellen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Widerspruch bzw eine Klage des Arztes gegen eine Mitteilung über das Ende der Vertragsarzttätigkeit aufschiebende Wirkung habe, mit der Folge, dass der Arzt im Falle eines Widerspruchs bzw einer Klage über die Altersgrenze hinaus tätig werden dürfte. Dies ist soweit ersichtlich in der Rechtsprechung nicht umstritten (Hessisches LSG 15.12.04 L 7 KA 412/03 ER; Hessisches LSG 10.6.05 L 6/7 KA 58/04 ER, MedR 06, 237; LSG Nordrhein-Westfalen 17.5.05 L 10 B 10/04 KA ER, MedR 06, 124 = Breithaupt 05, 972; vgl Bundessozialgericht BSG 5.2.2003 B 6 KA 22/02 R).

In Bezug auf die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung nach § 191 Satz 1 Nr 3 SGB V haben das SG Berlin (1.8.2002 S 86 KR 2961/01 ER 02, Breithaupt 2003, 89), das Sächsische LSG (13.7.2005 L 1 B 68/05 KR-ER) und das SG Bremen (27.7.2005 S 7 KR 90/05 ER) die Auffassung vertreten, dass eine diesbezügliche Feststellung des Krankenversicherungsträgers gegenüber dem (früheren Mitglied) als Verwaltungsakt zu werten sei und Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben mit der Folge, dass das Mitglied auf einen Widerspruch bzw eine Klage hin vorläufig weiterhin Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen habe. Dieser Meinung hat sich der Senat angeschlossen (17.6.2005 L 5 ER 37/05 KR). Demgegenüber hat das LSG Hamburg (21.2.2006 L 1 B 390/05 ER KR) eine aufschiebende Wirkung verneint. Der Senat schließt sich dem nach nochmaliger Prüfung an und gibt seine gegenteilige Ansicht auf.

Gegen eine aufschiebende Wirkung mit der Folge eines vorläufigen Anspruchs auf weitere Krankenversicherungsleistungen spricht das Entfallen der aufschiebenden Wirkung nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Es leuchtet nicht ein, dass demgegenüber bei der Mitteilung des Endes der freiwilligen Versicherung, das seinen gesetzlichen Grund in dem nicht oder nicht rechtzeitig erfolgten Ausgleich von Beitragsrückständen hat, aufschiebende Wirkung mit der Folge eines Anspruchs auf vorläufige Weitergewährung von Krankenversicherungsleistungen gegeben sein soll (LSG Hamburg aaO). Hinzu kommt, dass ein Schwebezustand, während dem der Krankenversicherungsträger vorläufig Krankenversicherungsleistungen erbringen müsste, die geordnete Finanzplanung der Krankenkasse beeinträchtigen würde (LSG Hamburg, aaO). Dass eine solche Rechtslage vom Gesetzgeber beabsichtigt ist, kann nicht angenommen werden. Dies steht im Einklang damit, dass die Feststellung der Krankenkasse über das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft in der Rechtsprechung als "deklaratorisch" angesehen wird (vgl LSG Mecklenburg-Vorpommern 30.1.2002 L 4 KR 6/01; LSG Nordrhein-Westfalen 28.10.2004 L 15 KR 205/04).

Das BSG hat allerdings in seinem Urteil vom 23.2.1995 (12 RK 29/93, SozR 3 2500 § 191 Nr 2) für den Fall, dass sich ein freiwilliges Mitglied gegen das Ende seiner Krankenversicherung wendet, die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) als zulässig angesehen, was zu dem Schluss führen müsste, dass eine Feststellung des Endes der Mitgliedschaft mittels Verwaltungsakt durch die Krankenkasse mit der Folge der aufschiebenden Wirkung bei Widerspruch und Klage erforderlich wäre. Der Auffassung des BSG im Urteil vom 23.2.1995 (aaO) hinsichtlich der Zulässigkeit einer reinen Anfechtungsklage kann jedoch nicht gefolgt werden, weil das Ende der freiwilligen Versicherung kraft Gesetzes eintritt und deshalb ein Antrag auf Feststellung (§ 55 SGG) des weiteren Mitgliedschaftsverhältnisses erforderlich ist.

Im vorliegenden Zusammenhang kann nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob das Schreiben der Antragsgegnerin vom 22.6.2005 einen Verwaltungsakt darstellt. Wenn die Antragsgegnerin einen Verwaltungsakt erlassen hätte, obwohl über das Ende der freiwilligen Versicherung nicht mit konstitutiver Wirkung durch einen solchen entschieden werden musste, hätte dies nicht zur Folge, dass die Antragsgegnerin vorläufig weiter Krankenversicherungsleistungen erbringen müsste (vgl LSG Nordrhein-Westfalen 17.5.2005 L 10 B 10/04 KA ER, MedR 2006, 124).

Gegen diese rechtliche Beurteilung kann nicht eingewandt werden, der notwendige soziale Schutz des Mitgliedes der freiwilligen Krankenversicherung sei nicht sichergestellt. Dieser ist durch die Möglichkeit eines Antrages auf eine einstweilige Anordnung (§ 86b Abs 2 SGG) hinreichend gewahrt.

Zu Recht ist das SG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG nicht gegeben sind. Zwar kann bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden ein Anordnungsgrund nicht verneint werden. Es fehlt jedoch an einem Anordnungsanspruch. Die Voraussetzungen des Endes der Mitgliedschaft wegen der Nichtentrichtung der fälligen Beiträge für zwei Monate (§ 191 Satz 1 Nr 3 SGB V) sind erfüllt. Der Antragsteller hat die Beiträge für die Monate März und April 2005 nicht rechtzeitig bis zum 15.6.2005 entrichtet, obwohl er von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25.5.2005 über die Folgen der Nichtzahlung informiert worden war. Dieses Schreiben enthielt auch die in § 191 Abs 2 SGB V geforderten Hinweise.

Die Antragsgegnerin war nicht gehalten, von sich aus eine Ratenzahlung anzubieten, ohne dass der Antragsteller zuvor eine Notlage dargelegt hatte. Dem Umstand, dass die Antragsgegnerin nach dem Ablauf der von ihr gesetzten Frist zum 15.6.2005 ein Verrechnungsersuchen an den Rentenversicherungsträger gerichtet hat, kommt ebenfalls keine Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens zu. Soweit der Antragsteller die Höhe der Beiträge beanstandet, fehlt es bereits an der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die betreffenden Beitragsbescheide.

Ob die Antragsgegnerin berechtigt war, auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung einzuziehen, oder ob es insoweit Beitragsbescheiden der Pflegekasse bedurft hätte und welche Folgen eine fehlende Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die weitere Mitgliedschaft des Antragstellers in der sozialen Pflegeversicherung hat (vgl Sächsisches LSG 13.7.2005 aaO), bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz durch den Antragsteller bezieht sich nach dessen Vorbringen ersichtlich lediglich auf die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht angegriffen werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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