L 1 U 1867/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1229/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1867/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen seiner als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente zusteht.

Der 1942 geborene Kläger war nach eigenen Angaben von 1969 bis 1972 bei verschiedenen Arbeitgebern keinem oder nur geringem Lärm ausgesetzt. Von 1972 bis 1998 war er bei der Firma K. Maschinenfabrik in B. beschäftigt, wo er an Schleif- und Bohrmaschinen, ab 1977 auch an großen Bohrwerken sowie an einer Kombistanze und zu verschiedenen Hilfstätigkeiten bei Montage- und Richtarbeiten eingesetzt wurde. Der Beurteilungspegel in den jeweiligen Werkhallen, in denen der Kläger zum Einsatz kam, betrug zwischen 91 dB(A) im Zeitraum von 1972 bis 1976, 93 dB(A) im Zeitraum von 1977 bis 1980, 91,5 dB(A) im Zeitraum von 1981 bis 1996 und aufgrund geringer Auslastung 89,5 dB(A) im Zeitraum bis 1998. Soweit der Kläger während seiner gesamten Tätigkeit bei der Firma K. für Tage oder mehrere Wochen in der Schmiede zu Schleifearbeiten herangezogen worden war, addieren sich diese verschiedenen Zeiträume auf drei Jahre einer Tätigkeit mit einem Beurteilungspegel von 95 dB(A) unter Berücksichtigung des stark impulshaltigen Lärms in der Schmiede (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 21.03.2001).

Nach ärztlicher Anzeige einer Schwerhörigkeit des Klägers durch Dr. D. im Januar 2001 holte die BG, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur noch Beklagte), eine Arztauskunft bei Dr. M. mit Audiogrammen von 1982 bis 2000 (Stellungnahme vom 02.03.2001) ein. Ein Gutachtensauftrag bei Dr. M. wurde wegen nicht durchführbarer audiometrischer Untersuchungen aufgrund sprachlicher Probleme trotz Hinzuziehung eines Dolmetschers zurückgegeben (Schreiben vom 03.07.2001).

In seinem Gutachten vom 30.11.2001 beschrieb Prof. Dr. J. einen Hörverlust des Klägers nach dem Sprachaudiogramm von 50% rechts und 80% links. Wegen mangelhafter Sprachkenntnisse sei der Berechnungen der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) jedoch das Tonaudiogramm mit Hörverlusten von 35% rechts und 60% links zugrundegelegt worden. Daraus ergebe sich eine MdE von 20 v.H. Einen Zusammenhang der Schwerhörigkeit des Klägers mit seiner beruflichen Tätigkeit verneinte Professor Dr. J. jedoch, da nach den vorliegenden Audiogrammen der seit 1981 erkennbare Verlauf lärmuntypisch sei und mittlere und tiefe Frequenzen in den Hörverlust einbezogen seien. Dieser Beurteilung schloss sich der Staatliche Gewerbearzt Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 07.01.2002 an. Mit Bescheid vom 07.02.2002 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2002 zurück.

Der Kläger hat beim Sozialgericht Konstanz am 03.07.2002 Klage erhoben

Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten von Prof. Dr. Z. vom 15.12.2003 und dessen ergänzenden Stellungnahmen vom 14.06.2004, 06.09.2005 und 18.01.2006 eingeholt. Der Sachverständige hat eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit aus gutachterlicher Sicht als zumindest sehr wahrscheinlich beurteilt, weil sowohl der zeitliche Bezug zwischen Lärmexposition und Entwicklung der Schwerhörigkeit als auch ein lärmtypischer Verlauf der Hörschwelle gegeben sei. Die Audiogramme aus den Jahren 1981 bis 1987 seien von schlechter Qualität, sodass nur eine grobe Abschätzung der tatsächlichen Hörschwelle möglich sei. Das von ihm erstellte Tonaudiogramm habe einen prozentualen Hörverlust von 50% rechts und 60% links ergeben. Aus dem Sprachaudiogramm errechne sich ein beidseitiger prozentualer Hörverlust von 40%. Die im Vorgutachten von Prof. Dr. J. durchgeführte Sprachaudiometrie habe deutlich schlechtere Ergebnisse erbracht, weshalb im Vorgutachten korrekterweise der prozentuale Hörverlust nach dem Tonaudiogramm erfolgt sei. Bei der jetzigen Untersuchung seien die Ergebnisse des Sprachaudiogramms mit dem Tonaudiogramm gut vereinbar, weshalb, wie im Normalfall üblich, der Hörverlust aus der Sprachaudiometrie errechnet worden sei. Dies entspreche den Empfehlungen des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt). Bei der Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm ergäben sich zumeist höhere Werte als aus dem Sprachaudiogramm. Die bei der eigenen Untersuchung gewonnenen besseren Werte des Sprachaudiogramms ergäben gerade keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Untersuchungsergebnisse durch schlechte Deutschkenntnisse, weshalb ein Rückgriff auf das Tonaudiogramm nicht geboten sei. Der schriftliche Hinweis der Audiometristin auf mangelhafte deutsche Sprachkenntnisse ergebe keinen Zwang, das Sprachaudiogramm gutachterlich nicht zu verwerten. Die Ergebnisse der Sprachaudiometrie mit Zahlen korrelierten gut mit den aus dem Tonaudiogramm zu erwartenden Ergebnissen. Der ermittelte Hörverlust von 40% beidseits entspreche einer geringgradigen Schwerhörigkeit beidseits mit einer MdE von 15 v.H.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht von Dr. P. das Gutachten vom 17.03.2005, ergänzt unter dem "19.04.2005" nach erneuter Einbestellung des Klägers zum 22.04.2005, sowie dessen ergänzenden Stellungnahmen vom 29.11.2005 und vom 15.02.2005 (richtig 15.02.2006) eingeholt. Nach Dr. P. liege beim Kläger eine berufsbedingte Schwerhörigkeit vor. Ein Sprachaudiogramm habe wegen mangelhafter Sprachkenntnisse lediglich mit Zahlen durchgeführt werden können. Danach habe sich ein Hörverlust für Zahlen mit 40 dB rechts und 50 dB links ergeben, Wörter seien nicht verstanden worden. Auch ein erneuter Versuch zur Durchführung eines Sprachaudiogramms am 22.04.2005 sei gescheitert. Das Tonaudiogramm habe einen prozentuale Hörverlust von 60% beidseits ergeben. Hieraus sei eine MdE von 30 v.H. zu folgern. Prof. Dr. Z. habe trotz des handschriftlichen Vermerks der Audiometristin unter dem Sprachaudiogramm: "Werte aufgrund eventuell mangelnder Deutschkenntnisse nicht sicher beurteilbar!" die Werte der Sprachaudiometrie bei der Berechnungen des Hörverlustes herangezogen. Dies sei nicht nachvollziehbar, da bei der eigenen gutachterlichen Untersuchung keine Ergebnisse eines Sprachaudiogramms zu gewinnen gewesen seien. Nach dem Königsteiner Merkblatt sei der Hörverlust in diesen Fällen aus dem Tonaudiogramm zu bestimmen. Wegen der auffälligen Diskrepanz des Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm mit 75 % rechts und 100 % links gegenüber dem Hörverlust bei Zahlen von 40 % rechts und 45 % links sei die MdE auf 30 v.H. zu korrigieren gewesen.

Die Beklagte hat auf die vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. N. vom 01.07.2005 verwiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.10.2005 hat die Beklagte eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt und hierzu ein Teilanerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2006 hat das Sozialgericht die über das angenommene Teilanerkenntnis vom 19.10.2005 hinausgehende Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente bestehe nicht, da die aus der anerkannten Berufskrankheit resultierende MdE 15 v.H. betrage. Nach Prof. Dr. Z. ergebe sich aus dem Sprachaudiogramm kein konkreter Hinweis darauf, dass dessen Ergebnisse durch mangelnde Deutschkenntnisse verfälscht worden seien. Auf das Tonaudiogramm sei lediglich dann zurückzugreifen, wenn das Sprachaudiogramm keine verlässlichen Werte ergeben habe. Die Ergebnisse der Sprachaudiometrie mit Zahlen korrelierten gut mit den aus dem Tonaudiogramm zu erwartenden Ergebnissen.

Gegen den dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 15.03.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12.04.2006 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Verwertung der Sprachaudiometrie im Gutachten von Prof. Dr. Z. sei fehlerhaft. Bei der Funktionsüberprüfung bei Dr. P. habe er sich lediglich über seine Ehefrau verständigen können. Eine Unterhaltung zwischen ihm und der Arzthelferin sei nicht möglich gewesen. Soweit Prof. Dr. Z. das Zahlenverständnis zum Vergleich mit den Werten der Tonaudiometrie heranziehe, sei zu berücksichtigen, dass er schon lange in Deutschland berufstätig sei und zwar die deutsche Sprache nicht beherrsche, aber mit ein- und zweisilbigen Zahlen besser umgehen könne. In mehreren ärztlichen Stellungnahmen sei auf seine mangelhaften Sprachkenntnisse hingewiesen worden. Auch seien die Gutachten zu völlig unterschiedlichen MdE-Einschätzungen gelangt, nämlich zu 15 v.H., 20 v.H. und 30 v.H. Es werde die Einholung eines Obergutachtens, hilfsweise eine weitere ergänzende Stellungnahme bei Dr. P. nach § 109 SGG beantragt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Konstanz vom 10.03.2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2002 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 19.10.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und auf die für zutreffend erachteten Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Hierauf und auf die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird im übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII SGB VII). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Eine Berufskrankheit liegt vor. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV (Lärmschwerhörigkeit) mit Teilanerkenntnis vom 19.10.2005 an. Die Beklagte lehnte die Zahlung einer Rente aber zu Recht ab, da die Folgen der (anerkannten) Berufskrankheit keine MdE von wenigstens 20 v.H. bedingen.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII; vgl. auch BSGE 63, 207, 209 = SozR 2200 § 581 Nr. 28). Dabei kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung; sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 22 und 23). Bei der Beurteilung der MdE sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27). Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Anhaltspunkte für die MdE Einschätzung im Einzelfall. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte bilden lediglich die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, und gewährleisten, dass alle Betroffenen bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden. Den MdE Tabellen kommt nicht der Rechtscharakter einer gesetzlichen Norm zu. Sie können vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten angesehen werden, um den unbestimmten Rechtsbegriff der MdE auszufüllen (BSG SozR 3 2200 § 581 Nr. 5).

Nach diesen Grundsätzen sind die von der als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit verursachten funktionellen Beeinträchtigungen nicht mit einer MdE um mehr als 15 v.H. zu bemessen.

Dies ergibt sich aus der überzeugenden Beurteilung von Prof. Dr. Z., die im Einklang steht mit den Empfehlungen des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt), 4. Aufl. 1995 (abgedruckt in Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301; vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 418 ff). Danach ist der prozentuale Hörverlust hilfsweise aus dem Tonaudiogramm zu ermitteln, wenn die sprachaudiometrische Untersuchung keine verlässlichen Werte aufzeigt, beispielsweise wenn der Versicherte nur über geringe Deutschkenntnisse verfügt oder ein Aktengutachten ohne verlässliches Sprachaudiogramm zu erstatten ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O., S. 432). Allein aus der Tatsache, dass der Kläger über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügt, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die in der Sprachaudiometrie ermittelten Werte kein verlässliches Bild von seiner Hörbeeinträchtigung geben. Prof. Dr. Z. hat nachvollziehbar dargelegt, dass bei Personen mit ausreichenden Sprachkenntnissen die Werte der Sprachaudiometrie i. d. R. einen geringeren Hörverlust ergeben als der mit der Tonaudiometrie ermittelte, was wiederum im Einklang mit den im Königsteiner Merkblatt niedergelegten allgemeinen medizinischen Erfahrungen steht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O.). Prof. Dr. Z. hat bei seiner Untersuchung einen Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm von 40% beidseits erhoben, der gegenüber dem erhobenen Hörverlust aus dem Tonaudiogramm mit 50% rechts und 60% links entsprechend dieser Erwartung geringer ausfällt. Außerdem korreliert nach Prof. Dr. Z. der bei seiner Untersuchung ermittelte Hörverlust bei den Zahlwörtern im Sprachaudiogramm gut mit dem Hörverlust im Tonaudiogramm (vgl. ergänzende Äußerungen vom 06.09.2005 und 18.01.2006), was nach medizinischer Erfahrung bei der Lärmschädigung für die tonaudiometrisch erhobenen Hörverluste bei den Frequenzen von 250, 500 und 1000 Hz im Vergleich zu dem Hörverlust für Zahlen gerade zu erwarten ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O., S. 434). Aus dem Vergleich der von Prof. Dr. Z. ermittelten Werte aus seinem Tonaudiogramm und seinem Sprachaudiogramm ergibt sich deshalb zur Überzeugung des Senats ein stimmiges Bild der diagnostizierten Schwerhörigkeit. Zudem ist eine auffällige Abweichung der Ergebnisse der sprachunabhängigen Hörprüfungen von Prof. Dr. Z. gegenüber den Ergebnissen der Hörprüfungen von Prof. Dr. J. und Dr. P. den beigezogenen Akten nicht zu entnehmen. Bei allen gutachtlichen tonaudiometrischen Untersuchungen ergab sich durchgehend für das linke Ohr ein Hörverlust von 60%. Der Hörverlust aus dem Tonaudiogramm von Prof. Dr. Z. mit 50% rechts ist noch annähernd vereinbar mit dem Ergebnis von Dr. P. von 60% rechts und weicht nur um 15 % von dem von Prof. Dr. J. erhobenen Befund mit 35% für das rechte Ohr ab. Mängel der audiometrischen Untersuchung durch Prof. Dr. Z., die Rückschlüsse auf ein fehlerhaft erhobenes Sprachaudiogramm zuließen, sind für den Senat daher nicht zu erkennen. Es ist somit nach den Darlegungen von Prof. Dr. Z. zur Festlegung der MdE zutreffend auf den aus dem Sprachaudiogramm ersichtlichen Hörverlust abgestellt worden.

Der Einwand des Klägers, bei den Werten aus dem Sprachaudiogramm handele es sich um Zufallsergebnisse, da ihm deutsche ein- und zweisilbige Zahlwörter besonders vertraut seien, überzeugt nicht. Gerade dies spräche für die Validität der verwerteten Hörprüfung, die letztlich keine Prüfung der Deutschkenntnisse, sondern des Hörvermögens bezweckt. Außerdem wurden durch Prof. Dr. Z. am 14.11.2003 viersilbige Zahlwörter, bezogen auf die 50-%ige Verständlichkeit, getestet (Gutachten vom 15.12.2003, S. 14). Mit dem Maßstab der 50-%igen Verständlichkeit, da von dieser Grenze ab die Zahlen ansonsten zunehmend geraten werden können (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O., S. 429), werden Zufallsergebnisse gerade ausgeschlossen. Das Sprachaudiogramm vom 14.11.2003 beruht zudem noch auf einsilbigen Testwörtern nach dem Freiburger Sprachverständlichkeitstest, bei dem über Tonträger und Kopfhörer einsilbige Hauptwörter dargeboten werden (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin a. a. O.). Das Einsilberverständnis liegt auch beim Gesunden deutlich schlechter als das Zahlwortverständnis, da die Einsilber vollständig erfasst werden müssen und Näherungswerte bei der phonetischen Unterscheidung (Lied statt Glied) nicht herangezogen werden können (vgl. Schönberger u. a., a. a. O.), was wiederum Zufallsergebnisse durch Erraten des richtigen Wortes unwahrscheinlich macht.

Prof. Dr. Z. wertet die diagnostizierte Hörstörung mit einem beidseitigen Hörverlust von 40% als eine geringgradige Schwerhörigkeit. Dies führt nach der anzuwendenden Tabelle von Feldmann (1995) zu einer MdE von 15 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O., S. 437). Die fachärztlich vorgenommene MdE-Einstufung mit 15 v.H. ist für den Senat daher überzeugend.

Die MdE-Bewertung anderer Ärzte ist dagegen nicht überzeugend. Prof. Dr. J. hat, ausgehend von seinen Untersuchungsergebnissen durchaus konsequent, eine MdE von 20 v.H. angenommen, da er sich auf die Hörverluste des Tonaudiogramms gestützt hat. Dies führt in der Regel aber, wie ausgeführt, immer zu höheren MdE-Ansätzen, auf die nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden kann. Vorliegend sind jedoch die zuverlässigeren Werte der Sprachaudiometrie von Prof. Dr. Z. verwertbar. Dies gilt auch für die MdE-Einschätzung von Dr. P., der seine MdE-Bewertung mit 30 v.H. ebenfalls auf den aus dem Tonaudiogramm ermittelten beidseitigen Hörverlust von 60% stützt. Die in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.11.2005 referierten höheren Hörverluste aus dem Tonaudiogramm, die ohne nähere Begründung von denen in seinem Gutachten dargelegten Werten abweichen, hielt Dr. P. selbst für nicht uneingeschränkt verwertbar.

Der Senat sah daher keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen. Der medizinische Sachverhalt ist geklärt. Ein weiteres Gutachten ist zur Sachaufklärung nicht erforderlich. Eine nochmalige ergänzende Äußerung von Dr. P. zum Verständnis seines Gutachtens war nicht geboten, da keine erläuterungsbedürftigen Unklarheiten mehr bestehen. Allein der Umstand, dass der Senat dem Gutachten nicht folgt, rechtfertigt nicht die Einholung einer - weiteren - Gutachtensergänzung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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