Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 134/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für den Antragsteller vorläufig, längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Kosten für die Hyperthermiebehandlungen zu übernehmen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
I. Der 1957 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Bei ihm wurde Mitte Mai 2005 ein Gehirntumor (Glioblastom) festgestellt. Der Tumor wurde operativ entfernt. Danach erfolgte eine Chemotherapie und Strahlenbehandlung. Dennoch wurde am 01.09.2005 ein Tumorrezidiv festgestellt. Der Antragsteller begab sich daraufhin im Oktober 2005 in eine Tiefen-Hyperthermiebehandlung in das Grönemeyer-Institut Bochum.
Im Dezember 2005 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Erstattung der Kosten für die im Grönemeyer-Institut durchgeführte Behandlung mit der Begründung, ein Stillstand des Tumorwachstums sei erreicht worden, damit ein Erfolg dieser Behandlung. Der von der Antragsgegnerin mit einer Begutachtung beauftragte sozialmedizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MdK) wies darauf hin, beim Antragsteller sei nach Feststellung des Rezidivs eine chemotherapeutische Behandlung durchgeführt worden. Zusätzlich sei im Grönemeyer-Institut eine Hyperthermiebehandlung erfolgt. Dabei sei die Tumorregion für etwa 60 Sekunden auf eine Temperatur von 42° erhitzt worden. Ein Wachstum des Tumors sei nicht festzustellen. Das Rezidiv bestehe jedoch weiterhin. Bei der Tiefen-Hyperthermie handele es sich um ein neues Verfahren im Sinne des § 135 SGB V, dass im Rahmen einer entsprechenden Überprüfung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen negativ zu bewerten war. Die verschiedenen Hyperthermieverfahren befänden sich unter der Nr. 42 in der Anlage B der BUB-Richtlinien und gehörten damit zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürften. Die Entscheidungen des Bundesausschusses seien verbindlich für alle Beteiligten. Vom Bundesausschuss negativ beurteilte Verfahren könnten daher grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht der GKV fallen. Hinzuzufügen sei, dass unter Berücksichtigung des vorliegenden Berichts vom 28.11.2005 aus der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Essen im Rahmen einer MRT-Untersuchung zunächst lediglich der Verdacht auf ein mögliches Tumorrezidiv bestanden habe. Sofern überhaupt von einer spezifischen Wirkung der laufenden Tumortherapie auszugehen sei, sei dieser am ehesten auf die seit Monaten stattfindende Chemotherapie mit Themodal zurückzuführen, welche dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse aufgrund des Nachweises der Wirksamkeit in aussagefähigen Studien entspreche. Für die Tiefen-Hyperthermie fehle hingegen ein entsprechender genereller Wirksamkeitsnachweis, und auch im vorliegenden Fall könne von einem Nachweis der Wirksamkeit nicht ausgegangen werden, da der aktuell günstige Verlauf überhaupt der Chemotherapie zuzuschreiben sei.
Mit Bescheid vom 19.01.2006 erging ein ablehnender Bescheid der Antragsgegnerin. Sie führte aus: Ein Versicherter, der sich eine in den Richtlinien ausgeschlossene Behandlung auf eigene Rechnung beschaffe, könne nicht einwenden, die Methode sei zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen. Der gemeinsame Bundesausschuss habe das Verfahren negativ bewertet. Die verschiedenen Hyperthermieverfahren befänden sich jetzt unter der Nr. 42 in der Anlage b der BUB-Richtlinien und gehörten damit zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen der Krankenkassen erbracht werden dürften. Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung scheide daher aus. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, tatsächlicher wie rechtlicher Art, bestehe keine Möglichkeit, die Kosten der beantragten Therapie zu übernehmen. Als Alternative sei eine konsequente Weiterführung der Tumortherapie angezeigt. Den hiergegen binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2006 zurück.
Der Antragsteller hat hiergegen am 11.05.2006 vor dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben (S 11 KR 84/06).
Am 19.07.2006 hat er zudem beim Sozialgericht Duisburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung führt er aus: Die bei dem Antragsteller durchgeführte Therapie bestehe aus einer Kombination zwischen Chemotherapie und Tiefen-Hyperthermiebehandlung stelle eine neue, noch nicht anerkannte Behandlungsmethode dar, die allerdings bei ihm wirksam sei und tatsächlich Besserung zeige. Die reine Chemotherapie sei, wie die vorliegenden Befunde belegten, allein nicht ausreichend. Dies zeige sich bereits daran, dass in der Pause, in der keine Tiefen-Hyperthermiebehandlung durchgeführt worden sei und allein die Chemotherapie eingesetzt wurde, der Tumor gewachsen sei. Nach Wiederaufnahme der Kombinationstherapie seien die Symptome wiederrum rückläufig. Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 06.12.2005 entschieden, dass es mit den Grundrechten nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, von einer ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Voraussetzung müsse sein, dass eine schulmedizinische Behandlungsmethode nicht bestehe; die Chemotherapie alleine reiche jedoch eben nicht aus.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Kosten für die vom Antragsteller in Anspruch zu nehmende Tiefen-Hyperthermiebehandlung in Höhe von 145,14 Euro je Sitzung zuzüglich 60,00 Euro für eine zu erstellende Anamnese je Sitzung zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung scheitere bereits am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. In der Hauptsache bestehe keine überwiegende Aussicht auf Erfolg. Der Bundesausschuss habe im Januar 2005 entschieden, dass hinsichtlich der Hyperthermieverfahren bei keinem der überprüften onkologischen Indikationen nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Nutzen, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Methoden nachgewiesen wurde. Die bestehende Vielfalt von Hyperthermieverfahren befinde sich immer noch im Stadium der Forschung und Entwicklung. Aus diesem Grund sei beschlossen worden, diese Therapiemethode in die Anlage B der Richtlinien aufzunehmen. Die Methode dürfe daher nicht in der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung angewendet werden. Eine Kostenbeteiligung scheide daher aus. Soweit Zweifel am Erfolg der durchgeführten Chemotherapiebehandlung beständen, und von der Gegenseite der Behandlungserfolg der streitgegenständliche Leistung zugesprochen werde, werde dies bestritten. Bei der in Anspruch genommenen schulmedizinischen Methode handele es sich um eine allgemein anerkannte, dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode, deren Wirksamkeit durch aussagefähige Studien nachgewiesen werde. Aussagefähige Studien bzgl eines Wirksamkeitsnachweises seien nicht vorgelegt worden. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht geltend gemacht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller, der die Kosten bisher selbst getragen habe, diese nunmehr nicht weiter tragen könne.
Das Gericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten des Antragstellers eingeholt. Der Onkologe Dr. V. wies darauf hin, dass nach Durchführung von vier der sechs geplanten Chemotherapiekurse kein Patientenkontakt mehr stattgefunden habe. Eine Abschlussuntersuchung zur Bewertung des Therapieergebnisses habe ebenfalls nicht stattgefunden. Mit der Tiefen-Hyperthermiebehandlung habe er keine Erfahrungen und er könne daher zu diesem Therapieverfahren auch keine Stellung beziehen. Dr. H. wies darauf hin, dass es nach Zustand der durchgeführten Chemotherapie zu gehäuften Fokalanfällen gekommen sei, die in kleinerer Form zum Teil täglich, in größerem Ausmaß ein- bis zweimal wöchentlich aufgetreten seien. Die Tiefen-Hyperthermiebehandlung habe eine Verbesserung des Zustandes erbracht und sei aus ärztlicher Sicht indiziert, da der Kläger an einer Erkrankung leide, die schulmedizinisch bisher nicht heilbar sei. Überreicht wurde auch eine Bescheinigung des Grönemeyer-Instituts von März 2006. Danach wurde beim Antragsteller von Oktober 2005 bis Dezember 2005 eine Elektrohyperthermie durchgeführt. Kontrollaufnahmen hätten eine Regress des Tumors und eine Verbesserung der Symptomatik gezeigt. In der therapiefreien Zeit sei es unter laufender Chemotherapie zu einer Verschlechterung des klinischen Zustandes gekommen. Eine durchgeführte Kernspintomographie habe einen Tumorprogress gezeigt. Es seien in einer onkologischen Konferenz andere Therapieoptionen erörtert, jedoch keine Alternativen im Sinne einer erneuten OP, Strahlentherapie einschließlich Gammaneif oder Chemotherapie angeboten worden. Am 05.02.2006 sei erneut die Kombinationstherapie durchgeführt worden. Die klinischen Symptome im Sinne von epileptischen Anfällen und Sprachstörungen seien erneut rückläufig. Eine im August 2006 durchgeführte weitere Kernspinaufnahme zeige eine weitere Tumorrückbildung, klinische Symptome sowie Gang, Sprach-, Wortfindungs- und Konzentrationsstörungen hätten sich fast vollständig zurück gebildet. Seit März 2006 befindet sich der Kläger in der onkologischen Mitbehandlung in der Privatklinik für integrative Onkologie in Soest. Dort wird nunmehr die kombinierte Thermo-Chemotherapie durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verbundes der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Kosten für die Hyperthermiebehandlung.
Nach § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des betreffenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraus. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine summarische Prüfung der Rechtslage des Hauptsacheverfahrens und der für die erforderlichen Interessenabwägung maßgeblichen Gesichtspunkte vorzunehmen.
Im Fall der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 06.12.2005 betont, dass behördlich und gerichtliche Verfahren der Bedeutung des im Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art 2 Abs 2 Satz 1 des Grundgesetzes enthaltenden grundliegenden Wertentscheidung Rechnung tragen müssen und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts zu berücksichtigen haben. Zwar folge aus den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkasse auf Bereitstellung bestimmter oder spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherungen habe sich jedoch an der objektiv rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sie schützend und fordernd vor die Rechtsgüter des Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz zu stellen. Daraus leitet das Bundesverfassungsgericht eine grundrechtsorientierte Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ab. Zwar ist der Antragsgegnerin insoweit zuzustimmen, dass nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung es die Gewährleistung optimaler Sicherheit der Versicherten gebietet, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Behandlungsmethode in den dafür vorgesehenen Verfahren nachzuweisen sind. Gesetzlich wäre die Anwendung der Behandlungsmethode wegen des Wortlauts von § 135 Abs 1 SGB V von der vorherigen Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abhängig, um eine Versorgung zu bejahen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der gemeinsame Bundesausschuss ist im Jahr 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Hyperthermietherapie, die auf sehr unterschiedlichen Bereichen angewendet wird, noch nicht genug aussagefähige Nachweise vorliegen, um Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Behandlungsmethode abschließend beurteilen zu können. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts folgt jedoch, dass die Übernahme von Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung in den Fällen einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit möglich sein muss, wenn noch keine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden existieren, oder solche nicht wirksam sind. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 ist es mit dem Grundgesetz unvereinbar, wenn ein gesetzlich Krankenversicherter im Fall einer lebensbedrohlichen Krankheit auf eine private Finanzierung der Behandlung verwiesen wird, wenn die vom Versicherten angestrebte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Von einer solchen Fallkonstellation muss ausgegangen weden. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 3 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dazu gehören grundsätzlich alle anerkannten Behandlungsmethoden. Aus Sicht des Gerichts ist es im Fall des Antragstellers jedoch sehr wahrscheinlich, dass eine Chemotherapie allein in seinem Fall nicht ausreicht, um das Tumorwachstum einzudämmen und die mit dem Tumor in Zusammenhang stehenden neurologischen Symptome einzugrenzen. Auch für das Gericht ist es noch nicht abschließend beurteilbar, ob mit der Hyperthermietherapie letztendlich der begehrte Behandlungserfolg längerfristig eintreten wird. Die veröffentlichen Erkenntnisse über Qualität und Wirksamkeit der Methode lassen jedoch Aussagen über den medizinischen Nutzen der Therapie in der Krebsbekämpfung zu. So wird in einem Bericht in der Ärztezeitung vom 11.07.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung eine Ausbreitung des Krebsgewebes jedenfalls für eine Weile eingedämmt werden kann, durch Erwärmung des Tumors. Angestrebt werde dabei eine Erwärmung des Tumors auf über 40°, besser auf über 42° (Erläuterungen des Prof. Wust in der Charitee Berlin auf dem 23. Jahreskongress der Europlan Society for Hyperthermieoneology in Berlin). Dass damit therapeutische Erfolge erzielt werden können, legten mehrere Studien nah, die in den vergangenen Jahren publiziert worden seien. In durchgeführten Studien habe sich gezeigt, dass das Gesamtüberleben bei zusätzlicher Verwendung von Hyperthermie signifikant besser sei, als in den Kontrollgruppen, in denen keine Hyperthermie zusätzlich zur Standardtherapie angewandt worden sei. Die Folgen seien bei unterschiedlichen Krebsarten unterschiedlich ausgeprägt. In anderen Ländern, wie zB den Niederlanden gehöre das Verfahren (zB bei fortgeschrittenen Cervixkarzinomen) zur Regelversorgung. In der Ärztezeitung wird darauf hingewiesen, dass eine Bezahlung der Therapie durch die GKV bei Patienten in Studien möglich sei, wenn die Behandlung an stationären Zentren erfolge, die sich auf die Methode spezialisiert hätten.
Beim Kläger hat sich konkret gezeigt, dass bei ihm die Nebenwirkungen des Tumors unter der durchgeführten Hyperthermiebehandlung auf jeden Fall rückläufig sind bzw gar nicht vorhanden sind. Eine Tumorregression ist jeweils auch nur in der Kombination von Chemotherapie und Hyperthermie erreicht worden.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Angesichts des Krankheitsbildes des Klägers kann das Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden, da in diesem weitere umfangreiche medizinische Ermittlungen erforderlich sind, bis zu einer Entscheidung daher noch Zeit vergehen wird.
Erst im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, von wem die Kosten der Therapie endgültig zu tragen sein werden. Der Antragsgegnerin bleibt ggf die Möglichkeit, etwaige zu Unrecht getragene Kosten von dem Antragsteller zurückzufordern.
Die Entscheidung des Gerichts betrifft allein die zukünftig durchgeführte Behandlungszyklen. Über die Möglichkeit der Erstattung bereits verauslagter Kosten des Klägers wird im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die ersten Behandlungen durchgeführt worden sind, bevor überhaupt ein Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt worden ist.
Zu berücksichtigen ist auch, dass von der Antragsgegnerin vorläufig nur die Kosten der Hyperthermiebehandlung zu tragen sind. Soweit diese als Kombinationstherapie mit Chemotherapie durchgeführt werden, ist die Chemotherapiebehandlung unmittelbar über die gesetzliche Krankenversicherung abrechenbar. Soweit der Kläger sich inzwischen in eine rein privatärztliche Behandlung in die Privatklinik für intigrative Onkologie begeben haben sollte, ist zu beachten, dass Behandlungsmethoden, die im System der gesetzlichen Krankenversicherung bei zugelassenen Leistungserbringern erbracht werden können, von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu zahlen sind, wenn diese aufgrund eines privaten Behandlungsvertrages bei privaten Anbietern durchgeführt werden.
Die Antragsgegnerin sollte überprüfen, ob eine stationäre Erbringung der Hyperthermiebehandlung im Rahmen einer Studie möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe:
I. Der 1957 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Bei ihm wurde Mitte Mai 2005 ein Gehirntumor (Glioblastom) festgestellt. Der Tumor wurde operativ entfernt. Danach erfolgte eine Chemotherapie und Strahlenbehandlung. Dennoch wurde am 01.09.2005 ein Tumorrezidiv festgestellt. Der Antragsteller begab sich daraufhin im Oktober 2005 in eine Tiefen-Hyperthermiebehandlung in das Grönemeyer-Institut Bochum.
Im Dezember 2005 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Erstattung der Kosten für die im Grönemeyer-Institut durchgeführte Behandlung mit der Begründung, ein Stillstand des Tumorwachstums sei erreicht worden, damit ein Erfolg dieser Behandlung. Der von der Antragsgegnerin mit einer Begutachtung beauftragte sozialmedizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MdK) wies darauf hin, beim Antragsteller sei nach Feststellung des Rezidivs eine chemotherapeutische Behandlung durchgeführt worden. Zusätzlich sei im Grönemeyer-Institut eine Hyperthermiebehandlung erfolgt. Dabei sei die Tumorregion für etwa 60 Sekunden auf eine Temperatur von 42° erhitzt worden. Ein Wachstum des Tumors sei nicht festzustellen. Das Rezidiv bestehe jedoch weiterhin. Bei der Tiefen-Hyperthermie handele es sich um ein neues Verfahren im Sinne des § 135 SGB V, dass im Rahmen einer entsprechenden Überprüfung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen negativ zu bewerten war. Die verschiedenen Hyperthermieverfahren befänden sich unter der Nr. 42 in der Anlage B der BUB-Richtlinien und gehörten damit zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürften. Die Entscheidungen des Bundesausschusses seien verbindlich für alle Beteiligten. Vom Bundesausschuss negativ beurteilte Verfahren könnten daher grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht der GKV fallen. Hinzuzufügen sei, dass unter Berücksichtigung des vorliegenden Berichts vom 28.11.2005 aus der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Essen im Rahmen einer MRT-Untersuchung zunächst lediglich der Verdacht auf ein mögliches Tumorrezidiv bestanden habe. Sofern überhaupt von einer spezifischen Wirkung der laufenden Tumortherapie auszugehen sei, sei dieser am ehesten auf die seit Monaten stattfindende Chemotherapie mit Themodal zurückzuführen, welche dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse aufgrund des Nachweises der Wirksamkeit in aussagefähigen Studien entspreche. Für die Tiefen-Hyperthermie fehle hingegen ein entsprechender genereller Wirksamkeitsnachweis, und auch im vorliegenden Fall könne von einem Nachweis der Wirksamkeit nicht ausgegangen werden, da der aktuell günstige Verlauf überhaupt der Chemotherapie zuzuschreiben sei.
Mit Bescheid vom 19.01.2006 erging ein ablehnender Bescheid der Antragsgegnerin. Sie führte aus: Ein Versicherter, der sich eine in den Richtlinien ausgeschlossene Behandlung auf eigene Rechnung beschaffe, könne nicht einwenden, die Methode sei zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen. Der gemeinsame Bundesausschuss habe das Verfahren negativ bewertet. Die verschiedenen Hyperthermieverfahren befänden sich jetzt unter der Nr. 42 in der Anlage b der BUB-Richtlinien und gehörten damit zu den Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen der Krankenkassen erbracht werden dürften. Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung scheide daher aus. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, tatsächlicher wie rechtlicher Art, bestehe keine Möglichkeit, die Kosten der beantragten Therapie zu übernehmen. Als Alternative sei eine konsequente Weiterführung der Tumortherapie angezeigt. Den hiergegen binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2006 zurück.
Der Antragsteller hat hiergegen am 11.05.2006 vor dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben (S 11 KR 84/06).
Am 19.07.2006 hat er zudem beim Sozialgericht Duisburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung führt er aus: Die bei dem Antragsteller durchgeführte Therapie bestehe aus einer Kombination zwischen Chemotherapie und Tiefen-Hyperthermiebehandlung stelle eine neue, noch nicht anerkannte Behandlungsmethode dar, die allerdings bei ihm wirksam sei und tatsächlich Besserung zeige. Die reine Chemotherapie sei, wie die vorliegenden Befunde belegten, allein nicht ausreichend. Dies zeige sich bereits daran, dass in der Pause, in der keine Tiefen-Hyperthermiebehandlung durchgeführt worden sei und allein die Chemotherapie eingesetzt wurde, der Tumor gewachsen sei. Nach Wiederaufnahme der Kombinationstherapie seien die Symptome wiederrum rückläufig. Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 06.12.2005 entschieden, dass es mit den Grundrechten nicht vereinbar sei, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, von einer ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Voraussetzung müsse sein, dass eine schulmedizinische Behandlungsmethode nicht bestehe; die Chemotherapie alleine reiche jedoch eben nicht aus.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Kosten für die vom Antragsteller in Anspruch zu nehmende Tiefen-Hyperthermiebehandlung in Höhe von 145,14 Euro je Sitzung zuzüglich 60,00 Euro für eine zu erstellende Anamnese je Sitzung zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung scheitere bereits am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. In der Hauptsache bestehe keine überwiegende Aussicht auf Erfolg. Der Bundesausschuss habe im Januar 2005 entschieden, dass hinsichtlich der Hyperthermieverfahren bei keinem der überprüften onkologischen Indikationen nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Nutzen, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Methoden nachgewiesen wurde. Die bestehende Vielfalt von Hyperthermieverfahren befinde sich immer noch im Stadium der Forschung und Entwicklung. Aus diesem Grund sei beschlossen worden, diese Therapiemethode in die Anlage B der Richtlinien aufzunehmen. Die Methode dürfe daher nicht in der kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung angewendet werden. Eine Kostenbeteiligung scheide daher aus. Soweit Zweifel am Erfolg der durchgeführten Chemotherapiebehandlung beständen, und von der Gegenseite der Behandlungserfolg der streitgegenständliche Leistung zugesprochen werde, werde dies bestritten. Bei der in Anspruch genommenen schulmedizinischen Methode handele es sich um eine allgemein anerkannte, dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode, deren Wirksamkeit durch aussagefähige Studien nachgewiesen werde. Aussagefähige Studien bzgl eines Wirksamkeitsnachweises seien nicht vorgelegt worden. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht geltend gemacht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller, der die Kosten bisher selbst getragen habe, diese nunmehr nicht weiter tragen könne.
Das Gericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten des Antragstellers eingeholt. Der Onkologe Dr. V. wies darauf hin, dass nach Durchführung von vier der sechs geplanten Chemotherapiekurse kein Patientenkontakt mehr stattgefunden habe. Eine Abschlussuntersuchung zur Bewertung des Therapieergebnisses habe ebenfalls nicht stattgefunden. Mit der Tiefen-Hyperthermiebehandlung habe er keine Erfahrungen und er könne daher zu diesem Therapieverfahren auch keine Stellung beziehen. Dr. H. wies darauf hin, dass es nach Zustand der durchgeführten Chemotherapie zu gehäuften Fokalanfällen gekommen sei, die in kleinerer Form zum Teil täglich, in größerem Ausmaß ein- bis zweimal wöchentlich aufgetreten seien. Die Tiefen-Hyperthermiebehandlung habe eine Verbesserung des Zustandes erbracht und sei aus ärztlicher Sicht indiziert, da der Kläger an einer Erkrankung leide, die schulmedizinisch bisher nicht heilbar sei. Überreicht wurde auch eine Bescheinigung des Grönemeyer-Instituts von März 2006. Danach wurde beim Antragsteller von Oktober 2005 bis Dezember 2005 eine Elektrohyperthermie durchgeführt. Kontrollaufnahmen hätten eine Regress des Tumors und eine Verbesserung der Symptomatik gezeigt. In der therapiefreien Zeit sei es unter laufender Chemotherapie zu einer Verschlechterung des klinischen Zustandes gekommen. Eine durchgeführte Kernspintomographie habe einen Tumorprogress gezeigt. Es seien in einer onkologischen Konferenz andere Therapieoptionen erörtert, jedoch keine Alternativen im Sinne einer erneuten OP, Strahlentherapie einschließlich Gammaneif oder Chemotherapie angeboten worden. Am 05.02.2006 sei erneut die Kombinationstherapie durchgeführt worden. Die klinischen Symptome im Sinne von epileptischen Anfällen und Sprachstörungen seien erneut rückläufig. Eine im August 2006 durchgeführte weitere Kernspinaufnahme zeige eine weitere Tumorrückbildung, klinische Symptome sowie Gang, Sprach-, Wortfindungs- und Konzentrationsstörungen hätten sich fast vollständig zurück gebildet. Seit März 2006 befindet sich der Kläger in der onkologischen Mitbehandlung in der Privatklinik für integrative Onkologie in Soest. Dort wird nunmehr die kombinierte Thermo-Chemotherapie durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verbundes der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Kosten für die Hyperthermiebehandlung.
Nach § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des betreffenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraus. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine summarische Prüfung der Rechtslage des Hauptsacheverfahrens und der für die erforderlichen Interessenabwägung maßgeblichen Gesichtspunkte vorzunehmen.
Im Fall der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 06.12.2005 betont, dass behördlich und gerichtliche Verfahren der Bedeutung des im Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art 2 Abs 2 Satz 1 des Grundgesetzes enthaltenden grundliegenden Wertentscheidung Rechnung tragen müssen und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts zu berücksichtigen haben. Zwar folge aus den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkasse auf Bereitstellung bestimmter oder spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherungen habe sich jedoch an der objektiv rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sie schützend und fordernd vor die Rechtsgüter des Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz zu stellen. Daraus leitet das Bundesverfassungsgericht eine grundrechtsorientierte Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ab. Zwar ist der Antragsgegnerin insoweit zuzustimmen, dass nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung es die Gewährleistung optimaler Sicherheit der Versicherten gebietet, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer Behandlungsmethode in den dafür vorgesehenen Verfahren nachzuweisen sind. Gesetzlich wäre die Anwendung der Behandlungsmethode wegen des Wortlauts von § 135 Abs 1 SGB V von der vorherigen Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abhängig, um eine Versorgung zu bejahen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der gemeinsame Bundesausschuss ist im Jahr 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Hyperthermietherapie, die auf sehr unterschiedlichen Bereichen angewendet wird, noch nicht genug aussagefähige Nachweise vorliegen, um Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Behandlungsmethode abschließend beurteilen zu können. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts folgt jedoch, dass die Übernahme von Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung in den Fällen einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit möglich sein muss, wenn noch keine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden existieren, oder solche nicht wirksam sind. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 ist es mit dem Grundgesetz unvereinbar, wenn ein gesetzlich Krankenversicherter im Fall einer lebensbedrohlichen Krankheit auf eine private Finanzierung der Behandlung verwiesen wird, wenn die vom Versicherten angestrebte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Von einer solchen Fallkonstellation muss ausgegangen weden. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 3 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dazu gehören grundsätzlich alle anerkannten Behandlungsmethoden. Aus Sicht des Gerichts ist es im Fall des Antragstellers jedoch sehr wahrscheinlich, dass eine Chemotherapie allein in seinem Fall nicht ausreicht, um das Tumorwachstum einzudämmen und die mit dem Tumor in Zusammenhang stehenden neurologischen Symptome einzugrenzen. Auch für das Gericht ist es noch nicht abschließend beurteilbar, ob mit der Hyperthermietherapie letztendlich der begehrte Behandlungserfolg längerfristig eintreten wird. Die veröffentlichen Erkenntnisse über Qualität und Wirksamkeit der Methode lassen jedoch Aussagen über den medizinischen Nutzen der Therapie in der Krebsbekämpfung zu. So wird in einem Bericht in der Ärztezeitung vom 11.07.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung eine Ausbreitung des Krebsgewebes jedenfalls für eine Weile eingedämmt werden kann, durch Erwärmung des Tumors. Angestrebt werde dabei eine Erwärmung des Tumors auf über 40°, besser auf über 42° (Erläuterungen des Prof. Wust in der Charitee Berlin auf dem 23. Jahreskongress der Europlan Society for Hyperthermieoneology in Berlin). Dass damit therapeutische Erfolge erzielt werden können, legten mehrere Studien nah, die in den vergangenen Jahren publiziert worden seien. In durchgeführten Studien habe sich gezeigt, dass das Gesamtüberleben bei zusätzlicher Verwendung von Hyperthermie signifikant besser sei, als in den Kontrollgruppen, in denen keine Hyperthermie zusätzlich zur Standardtherapie angewandt worden sei. Die Folgen seien bei unterschiedlichen Krebsarten unterschiedlich ausgeprägt. In anderen Ländern, wie zB den Niederlanden gehöre das Verfahren (zB bei fortgeschrittenen Cervixkarzinomen) zur Regelversorgung. In der Ärztezeitung wird darauf hingewiesen, dass eine Bezahlung der Therapie durch die GKV bei Patienten in Studien möglich sei, wenn die Behandlung an stationären Zentren erfolge, die sich auf die Methode spezialisiert hätten.
Beim Kläger hat sich konkret gezeigt, dass bei ihm die Nebenwirkungen des Tumors unter der durchgeführten Hyperthermiebehandlung auf jeden Fall rückläufig sind bzw gar nicht vorhanden sind. Eine Tumorregression ist jeweils auch nur in der Kombination von Chemotherapie und Hyperthermie erreicht worden.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Angesichts des Krankheitsbildes des Klägers kann das Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden, da in diesem weitere umfangreiche medizinische Ermittlungen erforderlich sind, bis zu einer Entscheidung daher noch Zeit vergehen wird.
Erst im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, von wem die Kosten der Therapie endgültig zu tragen sein werden. Der Antragsgegnerin bleibt ggf die Möglichkeit, etwaige zu Unrecht getragene Kosten von dem Antragsteller zurückzufordern.
Die Entscheidung des Gerichts betrifft allein die zukünftig durchgeführte Behandlungszyklen. Über die Möglichkeit der Erstattung bereits verauslagter Kosten des Klägers wird im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die ersten Behandlungen durchgeführt worden sind, bevor überhaupt ein Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt worden ist.
Zu berücksichtigen ist auch, dass von der Antragsgegnerin vorläufig nur die Kosten der Hyperthermiebehandlung zu tragen sind. Soweit diese als Kombinationstherapie mit Chemotherapie durchgeführt werden, ist die Chemotherapiebehandlung unmittelbar über die gesetzliche Krankenversicherung abrechenbar. Soweit der Kläger sich inzwischen in eine rein privatärztliche Behandlung in die Privatklinik für intigrative Onkologie begeben haben sollte, ist zu beachten, dass Behandlungsmethoden, die im System der gesetzlichen Krankenversicherung bei zugelassenen Leistungserbringern erbracht werden können, von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu zahlen sind, wenn diese aufgrund eines privaten Behandlungsvertrages bei privaten Anbietern durchgeführt werden.
Die Antragsgegnerin sollte überprüfen, ob eine stationäre Erbringung der Hyperthermiebehandlung im Rahmen einer Studie möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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