L 8 R 744/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 RA 7075/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 744/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. April 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Feststellung von Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Die Klägerin ist 1951 geboren worden. Am 27. Februar 1974 wurde ihr durch die Ingenieurhochschule D nach bestandener Abschlussprüfung das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur für Informationstechnik zu führen. Seit 1. März 1974 war sie im Kombinat VEB EWerke B als Hochschulingenieurin für Produktionsvorbereitung, ab Oktober 1978 für Absatz tätig. Am 27. Juni 1990 wurde die aus der Umwandlung des VEB entstandene EWerke B GmbH (E GmbH) in das Handelsregister des damaligen Stadtbezirksgerichts Berlin-Mitte eingetragen. Bei der GmbH war die Klägerin auch am 30. Juni 1990 beschäftigt. Im Rahmen eines von der Klägerin beantragten Kontenklärungsverfahrens lehnte die Beklagte es durch Bescheid vom 3. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2004 ab, die Zeit vom 1. März 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (Altersversorgung der technischen Intelligenz) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen. Eine Versorgungsanwartschaft sei nicht entstanden, da weder zu DDR-Zeiten eine Versorgungszusage erteilt noch am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Die Klägerin habe am 30. Juni 1990 nicht bei einem Arbeitgeber gearbeitet, der nach den Regeln der Versorgungssysteme in die Versorgung einbezogen war. Entscheidend sei die Eintragung in das Handelsregister. Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie die Voraussetzungen für eine "fiktive Einbeziehung" in die Altersversorgung der technischen Intelligenz nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfülle. Die von der Beklagten praktizierte "Stichtagsregelung" existiere nicht. Abgesehen davon sei die EAW GmbH nach dem Registerauszug des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg zu HRB 34437 dort erst am 3. Dezember 1990 eingetragen worden. Da es sich um eine Umwandlung gemäß der Umwandlungsverordnung vom 1. März 1990 gehandelt habe, seien die Rechtswirkungen der Umwandlung ohnehin erst zum 1. Juli 1990 und damit nach dem "Stichtag" eingetreten.

Durch Urteil vom 5. April 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das AAÜG sei auf die Klägerin nicht anwendbar, so dass die begehrten Feststellungen nicht getroffen werden könnten. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Versorgungsanwartschaft. Ihr sei zu DDR-Zeiten keine Versorgungszusage erteilt worden. Aber auch die Voraussetzungen für eine obligatorische Einbeziehung in ein Versorgungssystem seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe nicht, wie für die Altersversorgung der technischen Intelligenz nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich, am Stichtag 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Betrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb gearbeitet. Die E GmbH sei bereits am 27. Juni 1990 in das Register eingetragen worden, wie sich aus dem vorliegenden Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg ergebe. Nach der Umwandlungsverordnung vom 1. März 1990 sei der VEB mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft erloschen. Ein Betrieb in der Rechtsform einer GmbH sei nicht von der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfasst. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits entschieden habe, sei die Rechtsprechung des BSG zur "fiktiven Einbeziehung" einschließlich der Stichtagsregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der VEB sei erst am 3. Juli 1990 und damit nach dem "Stichtag" im Register der Volkseigenen Wirtschaft gelöscht worden. Für die Eintragung von Kapitalgesellschaften sei darüber hinaus das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg zuständig, wo eine Eintragung erst im Dezember 1990 erfolgt sei. Zumindest müsse die Klägerin im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nachträglich in die Versorgung einbezogen werden, da sich an den Umständen ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Umwandlung nichts geändert habe. Sie werde auch gegenüber Mitarbeitern von Betrieben ungleich behandelt, die entgegen dem Gesetz nicht schon in der ersten Jahreshälfte 1990 umgewandelt worden seien.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeiten vom 1. März 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Für Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss über die Berufung entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und angesichts der eindeutigen Sachlage und der höchstrichterlich geklärten Rechtslage eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Klägerin die begehrten Feststellungen nicht beanspruchen. Sie fällt nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG. Denn sie hatte bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 1. August 1991 keinen Versorgungsanspruch gegen einen Versorgungsträger und auch keine Versorgungsanwartschaft. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zum 1. August 1991 hätte die Klägerin nur gehabt, wenn sie einzelvertraglich vereinbart gewesen wäre oder ein nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebener Verwaltungsakt einer Versorgungsstelle der DDR oder eine Versorgungsbewilligung eines Funktionsnachfolgers einer solchen Stelle oder ein Verwaltungsakt eines Versorgungsträgers im Sinne von § 8 Abs. 4 AAÜG oder eine sonstige bindende Entscheidung eines solchen Versorgungsträgers über das Bestehen einer derartigen Versorgung ("Status-Feststellung", siehe dazu etwa BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R -, zitiert nach Juris) vorliegen würde. Keine dieser Alternativen ist erfüllt. Die Klägerin hatte aber auch am 1. August 1991 keinen Anspruch darauf, fiktiv so behandelt zu werden, als sei ihr eine Versorgungszusage erteilt worden. Dieser Anspruch kann seine Grundlage nur in der vom BSG vorgenommenen verfassungskonformen erweiterten Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG haben. Das Sozialgericht hat die Rechtsprechung des BSG ebenso ausführlich und zutreffend wiedergegeben wie die für eine Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz nach der Versorgungsordnung maßgeblichen Kriterien, soweit sie für die Anwendung des Bundesrechts des AAÜG heranzuziehen sind. Ebenso zutreffend hat es festgestellt, dass die Klägerin die sogenannte "betriebliche" Voraussetzung nicht erfüllt, weil sie am 30. Juni 1990 nicht in einem VEB, sondern in einer GmbH beschäftigt war, welche nicht dem Anwendungsbereich der Altersversorgung der technischen Intelligenz unterliegt (vom BSG nochmals bestätigt im Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 30/05 R -, zitiert nach Juris). Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts auf den Seiten 4, dritter Absatz, bis 8, erster Absatz, des angefochtenen Urteils Bezug, welche er sich zu eigen macht. Mit der Berufung hat die Klägerin nichts vorgetragen, was zu einer abweichenden Bewertung ihres Begehrens führen könnte. Wann die Löschung des VEB im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen worden ist, hat keine rechtliche Bedeutung. Das Sozialgericht hat auf Seite 6, zweiter Absatz, des angefochtenen Urteils bereits zutreffend ausgeführt, dass der VEB nach § 7 der Umwandlungsverordnung (bereits) mit der Eintragung der (aus der Umwandlung hervorgegangenen) Kapitalgesellschaft erloschen ist. Der Zeitpunkt der ausdrücklich so bezeichneten "Umschreibung" in das Handelsregister beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ist ebenfalls unbeachtlich. Dieses Gericht konnte vor dem Entstehen einer einheitlichen Gebietskörperschaft Berlin am 3. Oktober 1990 außerdem zwangsläufig nicht für die Eintragung von juristischen Personen im bis dahin völkerrechtlich selbständigen Ostteil Berlins zuständig sein. Ob die Klägerin vor dem 30. Juni 1990 angesichts ihrer Qualifikation, der Art ihrer Beschäftigung und des Beschäftigungsbetriebs zu bestimmten Zeiten die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein System der Zusatzversorgung erfüllt haben könnte, musste nicht geprüft werden, weil dies – da die Sachlage am 30. Juni 1990 maßgeblich ist - rechtlich keine Bedeutung hat. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG führt zu keinem anderen Ergebnis, weil diese Vorschrift voraussetzt, dass eine Rechtsposition (einzelvertragliche Vereinbarung, Versorgungszusage durch eine staatliche Stelle der DDR) tatsächlich bestand, die der Begünstigte vor dem 30. Juni 1990 verloren hatte (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 und 3; BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 16/04 R -, zitiert nach Juris). Ein Verstoß des § 1 AAÜG in der Auslegung des BSG gegen Verfassungsrecht, im Besonderen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), liegt – wie das Sozialgericht ebenfalls bereits dargelegt hat - nicht vor. Die Ungleichbehandlung (in Gestalt der Zugangsvoraussetzungen zu den Versorgungen) ist bereits in den Versorgungsordnungen der DDR angelegt. Der Gesetzgeber des Einigungsvertrags war von Verfassungs wegen nicht gehalten, sie nachträglich zu korrigieren. Auch der "Stichtag 30. Juni 1990" ist nicht zu beanstanden, da er an den Tag des In-Kraft-Tretens des Verbots der Neueinbeziehung in die Versorgungssysteme der DDR und damit an einen in der geschriebenen Rechtsordnung verankerten Zeitpunkt anknüpft (siehe Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts in SozR 4-8570 § 5 Nr. 4 und vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. -, zitiert nach www.bundesverfassungsgericht.de). Das Verbot der Neueinbeziehung (siehe dazu auch S. 7 des angefochtenen Urteils) ist durch die Rechtsprechung des BSG zur "fiktiven Einbeziehung" auch nicht beseitigt worden. Diese Rechtsprechung dient allein der Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustands angesichts der vom BSG gesehenen "Modifikation" des Einbeziehungsverbotes durch § 1 Abs. 1 AAÜG (s. zum Ganzen vor allem BSG SozR - 4-8570 § 1 Nr. 6 und SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, 3 und 8). Dem entsprechend hat weder Bedeutung, ob die Klägerin bis zum 26. Juni 1990 im VEB praktisch dieselbe Tätigkeit ausgeführt hat wie danach in der GmbH, noch aus welchen Gründen bestimmte VEB bis zum Stichtag nicht umgewandelt worden waren. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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