Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 69/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Überprüfung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Familienangehörigen kann auf die Rechtsprechung zu der statusrechtlichen Einordnung von Fremdgeschäftsführern einer GmbH zurückgegriffen werden. 2. Derjenige, dem der Betrieb gehört, ist regelmäßig als Unternehmer anzusehen. Die für ihn tätigen Familienangehörigen sind - soweit kein Scheinarbeitsverhältnis oder eine lediglich familienhafte Mitarbeit vorliegt - regelmäßig abhängig Beschäftigte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich aus der Auszahlung des Arbeitsentgelts u. d. steuerrechtl. Behandlung ergibt, dass die Tätigkeit als Beschäftigungsverhältnis durchgeführt wurde. 3. Um über die aufgrund der fehlenden formalen Unternehmereigenschaft mangelnde Rechtsmacht hinweg zu kommen, bedarf es mehr als ein gleichberechtigtes Nebeneinander, um von einer selbständigen Tätigkeit des Nicht-Firmeninhabers ausgehen zu können.
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.2002 im Unternehmen des Vaters (dem Beigeladenen Ziffer 4.) sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Der im Jahr ... geborene Vater des Klägers führte bis zum 31.12.2002 die "Fleischerei ..." als Einzelunternehmen. Er war alleiniger Betriebsinhaber. Der im Jahr ... geborene Kläger hat genauso wie ein weiterer Bruder das Metzgerhandwerk erlernt. Ein zweiter Bruder des Klägers ist Steuerberater. Daneben hat der Kläger noch zwei Schwestern. Seit Abschluss der Metzgerlehre im Jahr ... arbeitete der Kläger im väterlichen Betrieb. Im Jahr ... wurde eine erste Filiale eröffnet. Im Zusammenhang mit einer Ortskernsanierung in ... wurde eine weitere Filiale, verbunden mit hohen Investitionen, aufgebaut. Der Kläger erhielt regelmäßige Lohnzahlungen. Er war zur Sozialversicherung gemeldet. Zum 01.01.2003 wurde der Einzelbetrieb in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt. Daran waren der Kläger und sein ebenfalls in der Metzgerei tätiger Bruder zu jeweils 40 % und der Beigeladene Ziffer 4. zu 20 % beteiligt.
Am 12.08.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit ab 01.01.1997. Er trug vor, ab 1985 die kaufmännische Leitung des Betriebs übernommen zu haben. Sein Vater und nachfolgend auch sein Bruder seien für die technische Seite und die Produktion zuständig gewesen. Im Jahr 2004 habe er verschiedene Darlehen an das Unternehmen gegeben. Der Kläger reichte einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein, wegen dessen Inhalt auf Bl. 26/28 Verwaltungsakte Bezug genommen wird.
Mit Bescheid vom 06.10.2005 stellte die Beklagte fest, der Kläger sei ab 01.01.2003 als Mitgesellschafter selbständiger Unternehmer. In der Zeit zuvor sei er abhängig beschäftigt gewesen. Die vom Kläger geleitete Filiale sei rechtlich nicht selbständig gewesen. Der Beigeladene Ziffer 4. sei Inhaber der Einzelfirma gewesen und habe als Produktionsverantwortlicher die Außenwirkung geprägt. Die klare Aufgabenzuweisung an den Kläger spreche für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Allein der Beigeladene Ziffer 4. habe für Verbindlichkeiten des Unternehmens gehaftet. Der Lohn des Klägers sei als Betriebsausgabe gebucht worden.
Wegen der zuletzt genannten Feststellung erhob der Kläger am 02.11.2005 Widerspruch. Er trug vor, eine Eingliederung im Sinne der Rechtsprechung habe nicht stattgefunden. Es habe ein gleichberechtigtes Nebeneinander bestanden. Der Kläger habe seine Tätigkeit weisungsfrei ausgeübt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag sei nicht abgefasst worden. Das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Ziffer 4. sei nicht durch eine gegensätzliche Interessenslage gekennzeichnet gewesen. Auf die Frage, ob an Stelle des Klägers eine fremde Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen, käme es nicht an, da es nicht um die Abgrenzung zu einem Scheinarbeitsverhältnis oder einer familienhaften Mithilfe gehe. Soweit die Beklagte auf einen Urlaubsanspruch und einen Kündigungsschutz abstelle, müsse bedacht werden, dass diese bereits gesetzlich vorausgesetzt würden. Die maßgeblichen Kriterien würden für das Bestehen einer selbständigen Tätigkeit sprechen. Indizien, wie etwa die Entrichtung von Lohnsteuer und die bisherige Verbuchung als Betriebsausgabe würden deutlich in den Hintergrund treten. Diese würden allein auf der in der Vergangenheit bestandenen Unkenntnis der Beteiligten von der Möglichkeit einer - im sozialversicherungsrechtlichen Sinn - selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses beruhen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe im streitbefangenen Zeitraum keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Er habe kein unmittelbares Unternehmerrisiko getragen. Bei leitenden Aufgaben innerhalb einer Beschäftigung käme die persönliche Abhängigkeit nicht durch Unterwerfung unter die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers sondern durch die Eingliederung in die bestehende Organisation des Betriebes zum Ausdruck. Als Eingliederung sei dabei die funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess zu verstehen. Im Übrigen wiederholt die Beklagte die Argumente aus dem Ausgangsbescheid.
Deswegen erhob der Kläger am 09.01.2006 Klage. Zur Begründung verweist er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Die Beklagte erschöpfe sich in Spekulationen. Der Kläger und der Beigeladene Ziffer 4. seien nicht in der Lage gewesen, zwischen einer selbständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung zu differenzieren. In der mündlichen Verhandlung ergänzt der Kläger der Aufbau der neuen Filiale in ... sei ausschließlich seine Angelegenheit gewesen. Zeitlich gesehen treffe dies in etwa die Entwicklung vom abhängig Beschäftigten zum selbständig Tätigen. Deshalb sei als Beginn des Antragszeitraums der 01.01.1997 gewählt worden. Seit Beginn der 90er Jahre habe sich der Beigeladene Ziffer 4. aus gesundheitlichen Gründen mehr und mehr aus dem Betrieb zurückziehen müssen. Der Beigeladene Ziffer 4. habe sich für den kaufmännischen Bereich nicht interessiert und habe es zum Schluss auch nicht mehr machen können. Er habe sich auf die Kontrolle der Einnahmen beschränkt. An der OHG sei der Beigeladene Ziffer 4. beteiligt, da er noch Eigentümer der Immobilien, in denen sich die Betriebe befänden, sei. In der mündlichen Verhandlung ließ sich der Beigeladene Ziffer 4., dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen. Anwesend war allerdings der als Steuerberater tätige Bruder des Klägers. Auf Nachfrage des Vorsitzenden, warum 2003 die OHG gegründet wurde, antwortete dieser, weil seine Brüder den Betrieb übernehmen wollten. Hierzu erläuterte er weiter, die Überlegungen hinsichtlich der Betriebsübernahme hätten bereits Mitte bis Ende der 90er Jahre angefangen. Das Problem sei gewesen, dass 5 Kinder vorhanden gewesen seien. Zudem sei von dem Kläger und seinem anderen Bruder verlangt worden, mit ihren jeweiligen Ehefrauen Regelungen betreffend die Übernahme des väterlichen Betriebs abzuschließen. Dies alles habe nicht immer an erster Stelle gestanden.
Der Kläger beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom 06. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2005 wird aufgehoben;
2. es wird festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit im väterlichen Betrieb, der Firma Fleischerei ..., in der Zeit vom 01. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2002 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, die Versicherungspflicht sei weder vom Kläger noch dem Beigeladenen Ziffer 4. jemals angezweifelt worden. Auch an der OHG sei der Beigeladene Ziffer 4. weiter beteiligt. Dieser habe auch im kaufmännischen Bereich Erfahrung gehabt. In der Rechtsprechung würde auf die Haftungseigenschaften abgestellt. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beigeladenen Ziffer 4. und dem Kläger sei ernsthaft gewollt gewesen. Der Beklagten seien die Firmenverhältnisse hinreichend bekannt. Es habe sich um ein typisches Beschäftigungsverhältnis mit Familienbeteiligung gehandelt. Es bestehe der Eindruck, das Verfahren sei wegen dem Begehren, eine hohe Beitragserstattung zu erlangen, eingeleitet worden.
Der Kläger hat zusammen mit der Klagebegründung eine für ihn erstellte Gehaltsabrechnung für Dezember 2002 vorgelegt. Wegen deren Inhalt wird auf Bl. 6 Gerichtsakte Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-/Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.2002 im väterlichen Betrieb eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Nach § 28h Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entscheidet die Krankenkasse als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet sich in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach besonderen Bestimmungen (§§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 SGB VI für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI für die soziale Pflegeversicherung). Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist für die im vorliegenden Verfahren einzig denkbare Alternative jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 SGB IV.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Von der Rechtsprechung wurden in Anknüpfung zu den im Gesetz vorgegebenen, nicht abschließenden Anhaltspunkten Kriterien entwickelt, die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechen. Dazu gehören eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit, eine Weisungsunterworfenheit hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Inhalt der Tätigkeit, eine Schutzbedürftigkeit, eine Eingliederung in einen Betrieb, das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, das Fehlen einer vertraglichen Haftung für Verluste und Fehlleistungen, die regelmäßig fehlende Möglichkeit der Beschäftigung von Hilfskräften, die fehlende Notwendigkeit einer Beschaffung von Arbeitsmaterial und Geräten auf eigene Kosten und ein fehlendes Unternehmerrisiko. Aus den zuletzt genannten, negativen Kriterien (fehlend) geht deutlich hervor, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis in Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit eines Unternehmers zu sehen ist.
Bei dem Kriterium der Weisungsunterworfenheit besteht eine gefestigte Rechtsprechung dahingehend, dass die Weisungsunterworfenheit insbesondere bei Diensten höherer Art sehr verfeinert sein kann. Als ausreichend ist insoweit zu erachten, wenn die betreffende Person wenigstens funktionsgerecht dienend in einen Arbeitsorganismus eingegliedert ist.
Bei einer Tätigkeit von Familienangehörigen lassen sich die charakteristischen Merkmale einer Beschäftigung relativ schlecht feststellen. Dies gilt insbesondere für die Ausübung des Weisungsrechts und die Dauer und Einhaltung der Arbeitszeit. Unter Umständen muss als wesentliches Kennzeichen auf eine zumindest in etwa leistungsgerechte Bezahlung und auf die Frage, ob ansonsten ein Beschäftigungsverhältnis angenommen wird und etwa Lohnsteuer eingeführt wird, abgestellt werden (Kassler Kommentar § 7 SGB IV Randnr. 103 bis 105).
Die steuerrechtliche Behandlung der erzielten Einkünfte stellt zwar keine bindende Vorgabe für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit dar. Sie kann als Indiz bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung aber berücksichtigt werden. Denn maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Tätigkeit. Im Rahmen einer Abwägung ist zu prüfen, welche Umstände die Tätigkeit maßgeblich prägen.
Für die hier vorzunehmende Überprüfung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Familienangehörigen kann nach Auffassung der Kammer zudem auf die Rechtsprechung zu der statusrechtlichen Einordnung von Fremdgeschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zurückgegriffen werden. Bei Fremdgeschäftsführern, also nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführern, hat das BSG regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern im Einzelfall aufheben (BSG 06.03.2003 B 11 AL 25/02 zitiert nach Juris). Der Umstand, dass ein Geschäftsführer allein über das besondere "Know how" bezüglich der von der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeit verfügt, rechtfertigt allein nicht bereits den Schluss, dass in jedem Fall eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Denn es ist durchaus üblich, dass Geschäftsführer spezielle Fachkenntnisse aufweisen und diese sind vielfach gerade Voraussetzung für die Übertragung dieser Aufgabe (BSG 30.06.1999 B 2 U 35/98 R zitiert nach Juris). Bei einem Minderheitsgesellschafter oder einem Fremdgeschäftsführer einer GmbH muss deshalb anhand der Umstände des Einzelfalls geprüft werden, ob die rechtliche Abhängigkeit des Geschäftsführers von Weisungen der Gesellschafterversammlung durch den ihm tatsächlich eingeräumten Einfluss aufgehoben ist. Dies ist etwa der Fall, wenn er kraft Fachkunde und Erfahrung und von der Gesellschafterversammlung sowie der übrigen Geschäftsführung geduldet in der GmbH "das Sagen hat" oder er aufgrund von Fachkunde und Erfahrung "Kopf und Seele" des Unternehmens ist (LSG Nordrhein-Westfalen 19.04.2004 L 12 AL 102/03 zitiert nach Juris).
Zurückkommend auf die Prüfung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Familienangehörigen ist damit zuerst, umgangssprachlich ausgedrückt, die Frage zu stellen, "wem der Betrieb gehört". Derjenige, dem der Betrieb gehört, ist regelmäßig als Unternehmer anzusehen. Die für ihn tätigen Familienangehörigen sind - soweit kein Scheinarbeitsverhältnis oder eine lediglich familienhafte Mitarbeit, was hier nicht im Raum steht, vorliegt - regelmäßig abhängig Beschäftigte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich aus der konkreten Durchführung dieser Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Auszahlung des Arbeitsentgelts und die steuerrechtliche Behandlung ergibt, dass die Tätigkeit als Beschäftigungsverhältnis durchgeführt wurde. Regelmäßig hat derjenige, dem der Betrieb gehört "das Sagen" und ist "Kopf und Seele" dieses Betriebs. Etwas anderes kann nach Überzeugung der Kammer nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, dass ein gleichberechtigtes Nebeneinander bestanden habe. Ein solches gleichberechtigtes Nebeneinander reicht nicht aus, um denjenigen, dem der Betrieb eben nicht gehört, ebenfalls als "Kopf und Seele" anzusehen. Um über die aufgrund der fehlenden formalen Unternehmereigenschaft mangelnde Rechtsmacht und das als wichtiges Abgrenzungskriterium fehlende Unternehmerrisiko hinweg zu kommen, würde es mehr als ein gleichberechtigtes Nebeneinander bedürfen, um von einer selbständigen Tätigkeit des Nicht-Firmeninhabers ausgehen zu können.
Diese Auffassung steht nach Überzeugung der Kammer mit der Bedeutung, die nach allgemeiner Lebenserfahrung gerade bei Handwerksbetrieben dem Zeitpunkt der Betriebsübergabe von einem Elternteil auf ein Kind beigemessen wird, in Einklang. Diese Betriebsübergabe stellt für alle Beteiligten einen ganz deutlichen Einschnitt dar. Es sind keine Gründe ersichtlich, weswegen dieser Einschnitt nicht auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich sein sollte. Dabei ist es üblich und auch zu erwarten, dass Kinder, die in den elterlichen Betrieb einsteigen, mehr und mehr Verantwortung übertragen bekommen und mit wachsender Erfahrung immer freier in ihrer Entscheidung werden. Dies reicht jedoch nicht aus, um von einem Wechsel von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in eine selbständige Tätigkeit auszugehen. Ein solcher Wechsel müsste in zeitlicher Hinsicht auch völlig willkürlich festgestellt werden, da sich kein allgemein gültiger Maßstab finden lässt, ab welchem Grad der Freiheit oder Verantwortungsübertragung auf ein Kind im elterlichen Betrieb von dessen eigener selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden könnte.
Zutreffend ist, dass wiederholt in der Rechtsprechung auf die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Ausübung eines Direktionsrechts abgestellt wurde. (Siehe die Widerspruchsbegründung mit Verweis auf Urteil des BSG vom 11.02.1993 7 RAR 48/92). Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht missverstanden werden. Zum einen müssen die tatsächlichen Verhältnisse die Annahme einer selbständigen Tätigkeit auch tatsächlich rechtfertigen. Wie bereits ausgeführt, reicht hierzu insbesondere ein gleichberechtigtes Nebeneinander nicht generell aus. Zum anderen ist zu beachten, dass die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, in der Regel vorausschauend zu erfolgen hat. Vorrangig ist daher die Möglichkeit der Ausübung eines Weisungsrechts maßgeblich. Eine rückschauende Betrachtungsweise mit der Argumentation, ein Weisungsrecht sei tatsächlich nicht ausgeübt worden, ist daher äußerst problematisch. Schwierig ist zudem der Umstand, dass bei einer derartigen Betrachtungsweise eine große Unsicherheit entsteht, da bei einem formal bestehenden Weisungsrecht, das lediglich faktisch nicht ausgeübt wurde, stets die Möglichkeit verbleibt, dass sich an dieser Tatsachenlage etwas ändert. Inwieweit unter Berücksichtigung dieser Argumente an der möglicherweise auch zu weit verstandenen Rechtsprechung des BSG festzuhalten ist, kann dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall auch so eine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann.
Bei der zu treffenden Gesamtabwägung überwiegen hier nämlich die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ganz deutlich.
Der Kläger war bis zum 31.12.2002 nicht Unternehmer. Er arbeitete im väterlichen Betrieb. Bezogen auf den Vater und auch auf seinen Bruder kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger abweichend von den tatsächlichen Inhaberverhältnissen "Kopf und Seele" des Betriebs war bzw. ein damit vergleichbares "Sagen" im Betrieb hatte. Dabei wird nicht verkannt, dass der Kläger kaufmännische Belange im Wesentlichen selbständig und in eigener Verantwortung regelte. Diese Form der Arbeitsteilung spricht jedoch, selbst wenn der Vater zuletzt nicht mehr die notwendigen Kompetenzen hierzu gehabt haben sollte, nicht zwingend für eine selbständige Tätigkeit. Wie oben ausgeführt ist es beispielsweise bei Fremdgeschäftsführern durchaus üblich, dass alleine diese über die maßgeblichen und notwendigen Branchenkenntnisse verfügen, während diese Kenntnisse den Gesellschaftern selbst fehlen. Eine gänzlich fehlende Branchenkenntnisse lag beim Vater im Übrigen zu keinem Zeitpunkt vor. Der Kläger selbst räumte ein, dass der Beigeladene Ziffer 4. bis zuletzt die Einnahmen kontrollierte. Zudem konnte der Beigeladene Ziffer 4. alterdbedingt immer auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Aus der Verteilung der Gesellschaftsanteile in der OHG ergibt sich im Übrigen, dass auch der Bruder im gleichen Maß wie der Kläger an der Entwicklung des Betriebs beteiligt gewesen sein muss.
Der Kläger und sein Bruder waren sich selbst und in Übereinstimmung mit der Auffassung der übrigen Geschwister im klaren darüber, dass sie den Betrieb vor dem 31.12.2002 noch nicht übernommen hatten. Dies ergibt sich aus der Mitteilung des steuerberatenden Bruders in der mündlichen Verhandlung. Die von ihm verwandte Formulierung, die OHG sei 2003 geschaffen worden, weil seine Brüder den Betrieb übernehmen wollten, bestätigt, dass selbst aus Sicht des Klägers bis dahin allein der Vater Unternehmer war und er selbst folglich Angestellter. Maßgeblich ist der genaue Zeitpunkt der Betriebsumwandlung in die OHG und nicht der Umstand, dass diesbezügliche Überlegungen bereits Mitte/Ende der 90er Jahre anfingen. Der Zeitpunkt der Betriebsumwandlung ist insoweit auch stimmig, als der Beigeladene Ziffer 4. im Jahr 2003 sein 65. Lebensjahr vollendete, also das Alter erreichte, in dem abhängig Beschäftigte regelmäßig in Altersrente gehen.
Der Termin, ab dem die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit begehrt wird, ist völlig willkürlich unter vager Bezugnahme auf eine Ortskernsanierung in ... und den Aufbau einer dortigen Filiale gewählt worden. Wie bereits ausgeführt, kommt eine derartige vage Betrachtungsweise für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht in Betracht. Ebenfalls wurde bereits darauf hingewiesen, dass das vom Kläger vorgetragene gleichberechtigte Nebeneinander nicht ausreicht, um von einer selbständigen Tätigkeit des Klägers unter Außerachtlassung des bei ihm fehlenden Unternehmerrisikos auszugehen.
Es wurde nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene Ziffer 4. als Betriebsinhaber "nur noch auf dem Papier" stand. Dagegen spricht auch, dass er nach wie vor an der OHG beteiligt ist.
Nicht glaubhaft ist, dass die Einordnung des Klägers als abhängig Beschäftigter bis zum 31.12.2002 auf Unkenntnis und Ungewandtheit in rechtlichen Belangen beruhte. Dagegen spricht bereits, dass der Bruder des Klägers offensichtlich als Steuerberater tätig wurde und insoweit über die maßgeblichen Kenntnisse verfügen muss. Die vorgelegte Gehaltsabrechnung für Dezember 2002 belegt zudem, dass hier sehr ernsthaft ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgerechnet wurde. So wurden Überstundenvergütungen teilweise mit Zuschlägen in der Lohnabrechnung ausgewiesen. Es wurde ein extra Rechnungsposten für "Sachbezug/Kost" ausgewiesen. Urlaubsgeld und Arbeitgeberanteile an vermögenswirksamen Leistungen wurden ausgezahlt. Mit der vom Kläger jetzt aufgestellten Behauptung, bereits ab dem 01.01.1997 selbständig tätig gewesen zu sein, würde auch die gesamte steuerrechtliche Behandlung der Lohnzahlungen sowohl arbeitnehmer-, als auch arbeitgeberbezogen in Frage gestellt. Würde eine selbständige Tätigkeit festgestellt werden, müsste dies auch im Steuerrecht Berücksichtigung finden. Die vom Kläger am Ende seiner Widerspruchsbegründung formulierte "Möglichkeit einer - im sozialversicherungsrechtlichen Sinn - selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses" ist der Kammer nicht bekannt. Der Status des Klägers ist eindeutig entweder im Sinne einer selbständigen Tätigkeit oder im Sinne einer abhängigen Beschäftigung zu beurteilen. Letzteres lag beim Kläger vor.
Die Klage war nach alledem in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2) Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.2002 im Unternehmen des Vaters (dem Beigeladenen Ziffer 4.) sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Der im Jahr ... geborene Vater des Klägers führte bis zum 31.12.2002 die "Fleischerei ..." als Einzelunternehmen. Er war alleiniger Betriebsinhaber. Der im Jahr ... geborene Kläger hat genauso wie ein weiterer Bruder das Metzgerhandwerk erlernt. Ein zweiter Bruder des Klägers ist Steuerberater. Daneben hat der Kläger noch zwei Schwestern. Seit Abschluss der Metzgerlehre im Jahr ... arbeitete der Kläger im väterlichen Betrieb. Im Jahr ... wurde eine erste Filiale eröffnet. Im Zusammenhang mit einer Ortskernsanierung in ... wurde eine weitere Filiale, verbunden mit hohen Investitionen, aufgebaut. Der Kläger erhielt regelmäßige Lohnzahlungen. Er war zur Sozialversicherung gemeldet. Zum 01.01.2003 wurde der Einzelbetrieb in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt. Daran waren der Kläger und sein ebenfalls in der Metzgerei tätiger Bruder zu jeweils 40 % und der Beigeladene Ziffer 4. zu 20 % beteiligt.
Am 12.08.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit ab 01.01.1997. Er trug vor, ab 1985 die kaufmännische Leitung des Betriebs übernommen zu haben. Sein Vater und nachfolgend auch sein Bruder seien für die technische Seite und die Produktion zuständig gewesen. Im Jahr 2004 habe er verschiedene Darlehen an das Unternehmen gegeben. Der Kläger reichte einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein, wegen dessen Inhalt auf Bl. 26/28 Verwaltungsakte Bezug genommen wird.
Mit Bescheid vom 06.10.2005 stellte die Beklagte fest, der Kläger sei ab 01.01.2003 als Mitgesellschafter selbständiger Unternehmer. In der Zeit zuvor sei er abhängig beschäftigt gewesen. Die vom Kläger geleitete Filiale sei rechtlich nicht selbständig gewesen. Der Beigeladene Ziffer 4. sei Inhaber der Einzelfirma gewesen und habe als Produktionsverantwortlicher die Außenwirkung geprägt. Die klare Aufgabenzuweisung an den Kläger spreche für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Allein der Beigeladene Ziffer 4. habe für Verbindlichkeiten des Unternehmens gehaftet. Der Lohn des Klägers sei als Betriebsausgabe gebucht worden.
Wegen der zuletzt genannten Feststellung erhob der Kläger am 02.11.2005 Widerspruch. Er trug vor, eine Eingliederung im Sinne der Rechtsprechung habe nicht stattgefunden. Es habe ein gleichberechtigtes Nebeneinander bestanden. Der Kläger habe seine Tätigkeit weisungsfrei ausgeübt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag sei nicht abgefasst worden. Das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Ziffer 4. sei nicht durch eine gegensätzliche Interessenslage gekennzeichnet gewesen. Auf die Frage, ob an Stelle des Klägers eine fremde Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen, käme es nicht an, da es nicht um die Abgrenzung zu einem Scheinarbeitsverhältnis oder einer familienhaften Mithilfe gehe. Soweit die Beklagte auf einen Urlaubsanspruch und einen Kündigungsschutz abstelle, müsse bedacht werden, dass diese bereits gesetzlich vorausgesetzt würden. Die maßgeblichen Kriterien würden für das Bestehen einer selbständigen Tätigkeit sprechen. Indizien, wie etwa die Entrichtung von Lohnsteuer und die bisherige Verbuchung als Betriebsausgabe würden deutlich in den Hintergrund treten. Diese würden allein auf der in der Vergangenheit bestandenen Unkenntnis der Beteiligten von der Möglichkeit einer - im sozialversicherungsrechtlichen Sinn - selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses beruhen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe im streitbefangenen Zeitraum keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Er habe kein unmittelbares Unternehmerrisiko getragen. Bei leitenden Aufgaben innerhalb einer Beschäftigung käme die persönliche Abhängigkeit nicht durch Unterwerfung unter die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers sondern durch die Eingliederung in die bestehende Organisation des Betriebes zum Ausdruck. Als Eingliederung sei dabei die funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess zu verstehen. Im Übrigen wiederholt die Beklagte die Argumente aus dem Ausgangsbescheid.
Deswegen erhob der Kläger am 09.01.2006 Klage. Zur Begründung verweist er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Die Beklagte erschöpfe sich in Spekulationen. Der Kläger und der Beigeladene Ziffer 4. seien nicht in der Lage gewesen, zwischen einer selbständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung zu differenzieren. In der mündlichen Verhandlung ergänzt der Kläger der Aufbau der neuen Filiale in ... sei ausschließlich seine Angelegenheit gewesen. Zeitlich gesehen treffe dies in etwa die Entwicklung vom abhängig Beschäftigten zum selbständig Tätigen. Deshalb sei als Beginn des Antragszeitraums der 01.01.1997 gewählt worden. Seit Beginn der 90er Jahre habe sich der Beigeladene Ziffer 4. aus gesundheitlichen Gründen mehr und mehr aus dem Betrieb zurückziehen müssen. Der Beigeladene Ziffer 4. habe sich für den kaufmännischen Bereich nicht interessiert und habe es zum Schluss auch nicht mehr machen können. Er habe sich auf die Kontrolle der Einnahmen beschränkt. An der OHG sei der Beigeladene Ziffer 4. beteiligt, da er noch Eigentümer der Immobilien, in denen sich die Betriebe befänden, sei. In der mündlichen Verhandlung ließ sich der Beigeladene Ziffer 4., dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen. Anwesend war allerdings der als Steuerberater tätige Bruder des Klägers. Auf Nachfrage des Vorsitzenden, warum 2003 die OHG gegründet wurde, antwortete dieser, weil seine Brüder den Betrieb übernehmen wollten. Hierzu erläuterte er weiter, die Überlegungen hinsichtlich der Betriebsübernahme hätten bereits Mitte bis Ende der 90er Jahre angefangen. Das Problem sei gewesen, dass 5 Kinder vorhanden gewesen seien. Zudem sei von dem Kläger und seinem anderen Bruder verlangt worden, mit ihren jeweiligen Ehefrauen Regelungen betreffend die Übernahme des väterlichen Betriebs abzuschließen. Dies alles habe nicht immer an erster Stelle gestanden.
Der Kläger beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom 06. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2005 wird aufgehoben;
2. es wird festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit im väterlichen Betrieb, der Firma Fleischerei ..., in der Zeit vom 01. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2002 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, die Versicherungspflicht sei weder vom Kläger noch dem Beigeladenen Ziffer 4. jemals angezweifelt worden. Auch an der OHG sei der Beigeladene Ziffer 4. weiter beteiligt. Dieser habe auch im kaufmännischen Bereich Erfahrung gehabt. In der Rechtsprechung würde auf die Haftungseigenschaften abgestellt. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beigeladenen Ziffer 4. und dem Kläger sei ernsthaft gewollt gewesen. Der Beklagten seien die Firmenverhältnisse hinreichend bekannt. Es habe sich um ein typisches Beschäftigungsverhältnis mit Familienbeteiligung gehandelt. Es bestehe der Eindruck, das Verfahren sei wegen dem Begehren, eine hohe Beitragserstattung zu erlangen, eingeleitet worden.
Der Kläger hat zusammen mit der Klagebegründung eine für ihn erstellte Gehaltsabrechnung für Dezember 2002 vorgelegt. Wegen deren Inhalt wird auf Bl. 6 Gerichtsakte Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-/Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.2002 im väterlichen Betrieb eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Nach § 28h Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entscheidet die Krankenkasse als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet sich in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach besonderen Bestimmungen (§§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 SGB VI für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI für die soziale Pflegeversicherung). Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist für die im vorliegenden Verfahren einzig denkbare Alternative jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 SGB IV.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Von der Rechtsprechung wurden in Anknüpfung zu den im Gesetz vorgegebenen, nicht abschließenden Anhaltspunkten Kriterien entwickelt, die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechen. Dazu gehören eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit, eine Weisungsunterworfenheit hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Inhalt der Tätigkeit, eine Schutzbedürftigkeit, eine Eingliederung in einen Betrieb, das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, das Fehlen einer vertraglichen Haftung für Verluste und Fehlleistungen, die regelmäßig fehlende Möglichkeit der Beschäftigung von Hilfskräften, die fehlende Notwendigkeit einer Beschaffung von Arbeitsmaterial und Geräten auf eigene Kosten und ein fehlendes Unternehmerrisiko. Aus den zuletzt genannten, negativen Kriterien (fehlend) geht deutlich hervor, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis in Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit eines Unternehmers zu sehen ist.
Bei dem Kriterium der Weisungsunterworfenheit besteht eine gefestigte Rechtsprechung dahingehend, dass die Weisungsunterworfenheit insbesondere bei Diensten höherer Art sehr verfeinert sein kann. Als ausreichend ist insoweit zu erachten, wenn die betreffende Person wenigstens funktionsgerecht dienend in einen Arbeitsorganismus eingegliedert ist.
Bei einer Tätigkeit von Familienangehörigen lassen sich die charakteristischen Merkmale einer Beschäftigung relativ schlecht feststellen. Dies gilt insbesondere für die Ausübung des Weisungsrechts und die Dauer und Einhaltung der Arbeitszeit. Unter Umständen muss als wesentliches Kennzeichen auf eine zumindest in etwa leistungsgerechte Bezahlung und auf die Frage, ob ansonsten ein Beschäftigungsverhältnis angenommen wird und etwa Lohnsteuer eingeführt wird, abgestellt werden (Kassler Kommentar § 7 SGB IV Randnr. 103 bis 105).
Die steuerrechtliche Behandlung der erzielten Einkünfte stellt zwar keine bindende Vorgabe für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit dar. Sie kann als Indiz bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung aber berücksichtigt werden. Denn maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Tätigkeit. Im Rahmen einer Abwägung ist zu prüfen, welche Umstände die Tätigkeit maßgeblich prägen.
Für die hier vorzunehmende Überprüfung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Familienangehörigen kann nach Auffassung der Kammer zudem auf die Rechtsprechung zu der statusrechtlichen Einordnung von Fremdgeschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zurückgegriffen werden. Bei Fremdgeschäftsführern, also nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführern, hat das BSG regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern im Einzelfall aufheben (BSG 06.03.2003 B 11 AL 25/02 zitiert nach Juris). Der Umstand, dass ein Geschäftsführer allein über das besondere "Know how" bezüglich der von der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeit verfügt, rechtfertigt allein nicht bereits den Schluss, dass in jedem Fall eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Denn es ist durchaus üblich, dass Geschäftsführer spezielle Fachkenntnisse aufweisen und diese sind vielfach gerade Voraussetzung für die Übertragung dieser Aufgabe (BSG 30.06.1999 B 2 U 35/98 R zitiert nach Juris). Bei einem Minderheitsgesellschafter oder einem Fremdgeschäftsführer einer GmbH muss deshalb anhand der Umstände des Einzelfalls geprüft werden, ob die rechtliche Abhängigkeit des Geschäftsführers von Weisungen der Gesellschafterversammlung durch den ihm tatsächlich eingeräumten Einfluss aufgehoben ist. Dies ist etwa der Fall, wenn er kraft Fachkunde und Erfahrung und von der Gesellschafterversammlung sowie der übrigen Geschäftsführung geduldet in der GmbH "das Sagen hat" oder er aufgrund von Fachkunde und Erfahrung "Kopf und Seele" des Unternehmens ist (LSG Nordrhein-Westfalen 19.04.2004 L 12 AL 102/03 zitiert nach Juris).
Zurückkommend auf die Prüfung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Familienangehörigen ist damit zuerst, umgangssprachlich ausgedrückt, die Frage zu stellen, "wem der Betrieb gehört". Derjenige, dem der Betrieb gehört, ist regelmäßig als Unternehmer anzusehen. Die für ihn tätigen Familienangehörigen sind - soweit kein Scheinarbeitsverhältnis oder eine lediglich familienhafte Mitarbeit, was hier nicht im Raum steht, vorliegt - regelmäßig abhängig Beschäftigte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich aus der konkreten Durchführung dieser Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Auszahlung des Arbeitsentgelts und die steuerrechtliche Behandlung ergibt, dass die Tätigkeit als Beschäftigungsverhältnis durchgeführt wurde. Regelmäßig hat derjenige, dem der Betrieb gehört "das Sagen" und ist "Kopf und Seele" dieses Betriebs. Etwas anderes kann nach Überzeugung der Kammer nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, dass ein gleichberechtigtes Nebeneinander bestanden habe. Ein solches gleichberechtigtes Nebeneinander reicht nicht aus, um denjenigen, dem der Betrieb eben nicht gehört, ebenfalls als "Kopf und Seele" anzusehen. Um über die aufgrund der fehlenden formalen Unternehmereigenschaft mangelnde Rechtsmacht und das als wichtiges Abgrenzungskriterium fehlende Unternehmerrisiko hinweg zu kommen, würde es mehr als ein gleichberechtigtes Nebeneinander bedürfen, um von einer selbständigen Tätigkeit des Nicht-Firmeninhabers ausgehen zu können.
Diese Auffassung steht nach Überzeugung der Kammer mit der Bedeutung, die nach allgemeiner Lebenserfahrung gerade bei Handwerksbetrieben dem Zeitpunkt der Betriebsübergabe von einem Elternteil auf ein Kind beigemessen wird, in Einklang. Diese Betriebsübergabe stellt für alle Beteiligten einen ganz deutlichen Einschnitt dar. Es sind keine Gründe ersichtlich, weswegen dieser Einschnitt nicht auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich sein sollte. Dabei ist es üblich und auch zu erwarten, dass Kinder, die in den elterlichen Betrieb einsteigen, mehr und mehr Verantwortung übertragen bekommen und mit wachsender Erfahrung immer freier in ihrer Entscheidung werden. Dies reicht jedoch nicht aus, um von einem Wechsel von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in eine selbständige Tätigkeit auszugehen. Ein solcher Wechsel müsste in zeitlicher Hinsicht auch völlig willkürlich festgestellt werden, da sich kein allgemein gültiger Maßstab finden lässt, ab welchem Grad der Freiheit oder Verantwortungsübertragung auf ein Kind im elterlichen Betrieb von dessen eigener selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden könnte.
Zutreffend ist, dass wiederholt in der Rechtsprechung auf die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Ausübung eines Direktionsrechts abgestellt wurde. (Siehe die Widerspruchsbegründung mit Verweis auf Urteil des BSG vom 11.02.1993 7 RAR 48/92). Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht missverstanden werden. Zum einen müssen die tatsächlichen Verhältnisse die Annahme einer selbständigen Tätigkeit auch tatsächlich rechtfertigen. Wie bereits ausgeführt, reicht hierzu insbesondere ein gleichberechtigtes Nebeneinander nicht generell aus. Zum anderen ist zu beachten, dass die Beurteilung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, in der Regel vorausschauend zu erfolgen hat. Vorrangig ist daher die Möglichkeit der Ausübung eines Weisungsrechts maßgeblich. Eine rückschauende Betrachtungsweise mit der Argumentation, ein Weisungsrecht sei tatsächlich nicht ausgeübt worden, ist daher äußerst problematisch. Schwierig ist zudem der Umstand, dass bei einer derartigen Betrachtungsweise eine große Unsicherheit entsteht, da bei einem formal bestehenden Weisungsrecht, das lediglich faktisch nicht ausgeübt wurde, stets die Möglichkeit verbleibt, dass sich an dieser Tatsachenlage etwas ändert. Inwieweit unter Berücksichtigung dieser Argumente an der möglicherweise auch zu weit verstandenen Rechtsprechung des BSG festzuhalten ist, kann dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall auch so eine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann.
Bei der zu treffenden Gesamtabwägung überwiegen hier nämlich die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ganz deutlich.
Der Kläger war bis zum 31.12.2002 nicht Unternehmer. Er arbeitete im väterlichen Betrieb. Bezogen auf den Vater und auch auf seinen Bruder kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger abweichend von den tatsächlichen Inhaberverhältnissen "Kopf und Seele" des Betriebs war bzw. ein damit vergleichbares "Sagen" im Betrieb hatte. Dabei wird nicht verkannt, dass der Kläger kaufmännische Belange im Wesentlichen selbständig und in eigener Verantwortung regelte. Diese Form der Arbeitsteilung spricht jedoch, selbst wenn der Vater zuletzt nicht mehr die notwendigen Kompetenzen hierzu gehabt haben sollte, nicht zwingend für eine selbständige Tätigkeit. Wie oben ausgeführt ist es beispielsweise bei Fremdgeschäftsführern durchaus üblich, dass alleine diese über die maßgeblichen und notwendigen Branchenkenntnisse verfügen, während diese Kenntnisse den Gesellschaftern selbst fehlen. Eine gänzlich fehlende Branchenkenntnisse lag beim Vater im Übrigen zu keinem Zeitpunkt vor. Der Kläger selbst räumte ein, dass der Beigeladene Ziffer 4. bis zuletzt die Einnahmen kontrollierte. Zudem konnte der Beigeladene Ziffer 4. alterdbedingt immer auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Aus der Verteilung der Gesellschaftsanteile in der OHG ergibt sich im Übrigen, dass auch der Bruder im gleichen Maß wie der Kläger an der Entwicklung des Betriebs beteiligt gewesen sein muss.
Der Kläger und sein Bruder waren sich selbst und in Übereinstimmung mit der Auffassung der übrigen Geschwister im klaren darüber, dass sie den Betrieb vor dem 31.12.2002 noch nicht übernommen hatten. Dies ergibt sich aus der Mitteilung des steuerberatenden Bruders in der mündlichen Verhandlung. Die von ihm verwandte Formulierung, die OHG sei 2003 geschaffen worden, weil seine Brüder den Betrieb übernehmen wollten, bestätigt, dass selbst aus Sicht des Klägers bis dahin allein der Vater Unternehmer war und er selbst folglich Angestellter. Maßgeblich ist der genaue Zeitpunkt der Betriebsumwandlung in die OHG und nicht der Umstand, dass diesbezügliche Überlegungen bereits Mitte/Ende der 90er Jahre anfingen. Der Zeitpunkt der Betriebsumwandlung ist insoweit auch stimmig, als der Beigeladene Ziffer 4. im Jahr 2003 sein 65. Lebensjahr vollendete, also das Alter erreichte, in dem abhängig Beschäftigte regelmäßig in Altersrente gehen.
Der Termin, ab dem die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit begehrt wird, ist völlig willkürlich unter vager Bezugnahme auf eine Ortskernsanierung in ... und den Aufbau einer dortigen Filiale gewählt worden. Wie bereits ausgeführt, kommt eine derartige vage Betrachtungsweise für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht in Betracht. Ebenfalls wurde bereits darauf hingewiesen, dass das vom Kläger vorgetragene gleichberechtigte Nebeneinander nicht ausreicht, um von einer selbständigen Tätigkeit des Klägers unter Außerachtlassung des bei ihm fehlenden Unternehmerrisikos auszugehen.
Es wurde nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene Ziffer 4. als Betriebsinhaber "nur noch auf dem Papier" stand. Dagegen spricht auch, dass er nach wie vor an der OHG beteiligt ist.
Nicht glaubhaft ist, dass die Einordnung des Klägers als abhängig Beschäftigter bis zum 31.12.2002 auf Unkenntnis und Ungewandtheit in rechtlichen Belangen beruhte. Dagegen spricht bereits, dass der Bruder des Klägers offensichtlich als Steuerberater tätig wurde und insoweit über die maßgeblichen Kenntnisse verfügen muss. Die vorgelegte Gehaltsabrechnung für Dezember 2002 belegt zudem, dass hier sehr ernsthaft ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgerechnet wurde. So wurden Überstundenvergütungen teilweise mit Zuschlägen in der Lohnabrechnung ausgewiesen. Es wurde ein extra Rechnungsposten für "Sachbezug/Kost" ausgewiesen. Urlaubsgeld und Arbeitgeberanteile an vermögenswirksamen Leistungen wurden ausgezahlt. Mit der vom Kläger jetzt aufgestellten Behauptung, bereits ab dem 01.01.1997 selbständig tätig gewesen zu sein, würde auch die gesamte steuerrechtliche Behandlung der Lohnzahlungen sowohl arbeitnehmer-, als auch arbeitgeberbezogen in Frage gestellt. Würde eine selbständige Tätigkeit festgestellt werden, müsste dies auch im Steuerrecht Berücksichtigung finden. Die vom Kläger am Ende seiner Widerspruchsbegründung formulierte "Möglichkeit einer - im sozialversicherungsrechtlichen Sinn - selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses" ist der Kammer nicht bekannt. Der Status des Klägers ist eindeutig entweder im Sinne einer selbständigen Tätigkeit oder im Sinne einer abhängigen Beschäftigung zu beurteilen. Letzteres lag beim Kläger vor.
Die Klage war nach alledem in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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