Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 959/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 283/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Aufrechterhaltung der Pflichtmitgliedschaft bei der Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V setzt nur voraus, dass die/der Versicherte zum Zeitpunkt der "an sich" endende Pflichtmitgliedschaft Elternzeit in Anspruch nimmt. Das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft während des Bezug von oder des Anspruch auf Mutterschaftsgeld ist nicht erforderlich.
Der Bescheid vom 02.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 24.08.2005 als versicherungspflichtiges Mitglied beitragsfrei zu versichern.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die beitragsfreie Fortführung einer Pflichtmitgliedschaft während der Elternzeit nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Die Klägerin war und ist bei der C. K. AG abhängig beschäftigt. 2003 gebar sie ein Kind. Seit 01.09.2003 war sie bei der Beklagten wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig krankenversichert. Ihr Ehemann ist nicht gesetzlich krankenversichert. Ab dem 01.11.2003 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch. Am selben Tag nahm sie eine Teilzeitbeschäftigung bei ihrem Schwager auf, die sie am 30.11.2004 beendete. In dieser Beschäftigung war sie versicherungspflichtig. Dies ist mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.02.2005 (Bl. 6 Verwaltungsakte), abgeändert durch den Bescheid vom 28.02.2005 (Bl. 7 Verwaltungsakte) festgestellt worden. Ab dem 01.12.2004 befand sich die Klägerin ausschließlich in Elternzeit, bis sie am 25.08.2005 ihre Beschäftigung bei der C. K. AG wieder aufnahm. Seit diesem Tag ist die Klägerin bei der Beklagten pflichtversichert (keine Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze).
In dem Bescheid vom 28.02.2005 bat die Beklagte die Klägerin zusätzlich um die Beantwortung einer Einkommensanfrage für die Zeit nach dem 30.11.2004.
Im Schreiben vom 27.04.2005 (Bl. 12 Verwaltungsakte) zeigte sich die Klägerin verwundert über die Einkommensanfrage, da sie keine freiwillige Versicherung beantragen wolle. Sie sei vielmehr der Rechtsauffassung, dass die bestehende Pflichtversicherung fortgeführt werden müsse.
Mit Bescheid vom 02.05.2005 (Bl. 22 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte es ab, die Klägerin ab dem 01.12.2004 als Pflichtmitglied zu führen. Vielmehr bestehe, so die Rechtsauffassung der Beklagten, ab diesem Zeitpunkt eine freiwillige Mitgliedschaft. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klägerin nicht im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in die Elternzeit gewechselt sei. Ab Beginn der Elternzeit sei die Klägerin grundsätzlich dem Personenkreis der "sonstig freiwillig Versicherten" zuzuordnen, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26.05.2004, B 12 P 6/03 R) auch während des Erziehungsgeldbezugs bzw. während der Elternzeit Beiträge von Mitgliedern zu zahlen seien, die davor wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und freiwillig versichert gewesen seien. Die Spitzenverbände der Krankenkassen verträten die Auffassung, dass diesem Personenkreis nur dann Beitragsfreiheit eingeräumt werden könne, wenn der oder die freiwillig Versicherte bei Nutzung der Elternzeit über keine weiteren beitragspflichtigen Einnahmen verfüge und ohne die freiwillige Versicherung dem Grunde nach Anspruch auf Familienversicherung bestünde. Demnach könne freiwillig versicherten Mitgliedern, deren Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre, keine Beitragsfreiheit während des Erziehungsgeldbezugs bzw. der Elternzeit eingeräumt werden. Das Einkommen des nicht gesetzlich versicherten Ehegatten sei während dieser Zeit bei dem freiwillig versicherten Mitglied zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 26.03.1998, B 12 KR 45/96 R). Der bisher freiwillig versicherte Arbeitnehmer müsse sich während der Elternzeit wie alle anderen freiwillig Versicherten behandeln lassen. Aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses werde die freiwillige Versicherung nicht beendet, sondern lediglich verdrängt, da nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer des Erziehungsgeldbezugs bzw. der Elternzeit fortbestehe. Somit lebe die freiwillige Versicherung der Klägerin zum 01.12.2004 wieder auf, mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt Beiträge von der Klägerin zu zahlen seien.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 11.05.2005 (Bl. 23 Verwaltungsakte) Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005 (Bl. 40 Verwaltungsakte) zurückgewiesen wurde.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Normzweck des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V darin bestehe, die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Personen noch für eine gewisse Zeit über das nach den allgemeinen Regeln an sich eintretende Ende der Mitgliedschaft hinaus fortbestehen zu lassen. Die Mitgliedschaft bleibe dann erhalten, wenn der Versicherte während eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in die Schutzfrist gehe, Mutterschaftsgeld erhalte und in der späteren zeitlichen Folge Erziehungsgeld gezahlt oder Elternzeit in Anspruch genommen werde. Diese Aufzählung sei nicht einzeln zu bewerten. Vielmehr werde die Regelung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch das erste Ereignis dieser Kette ausgelöst. Die Klägerin sei zum Eintritt des Ereignisses, das die Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ausgelöst habe, bei der Beklagten freiwillig versichert gewesen. Die Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V komme deshalb nicht zum Tragen. Es sei deshalb ohne Bedeutung, dass die Klägerin im Anschluss an ihre Schutzfrist während der Elternzeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.
Die Klägerin hat am 29.12.2005 (Bl. 1 Gerichtsakte) zum Sozialgericht Frankfurt/Main Klage erhoben.
Sie vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass sie über den 30.11.2004 hinaus Pflichtmitglied bei der Beklagten ist.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 02.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab dem 01.12.2004 bis einschließlich 24.08.2005 als Pflichtmitglied beitragsfrei zu versichern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte zu dem Rechtsstreit beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht eingelegt worden. Das Gericht hat vorliegend eine reine Anfechtungsklage oder eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage wegen der Weigerungshaltung der Beklagten hinsichtlich der Durchführung einer beitragsfreien Pflichtmitgliedschaft nicht aus ausreichend angesehen, so dass es als statthafte Klageart eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angenommen hat.
Die Klage führt auch in der Sache zum Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Pflichtversicherung, die bis zum 30.11.2004 aufgrund des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bestanden hatte, über den 30.11.2004 hinaus fortgeführt wird. Diese ist beitragsfrei.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen hierfür vor:
§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestimmt, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibt, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird.
Die Vorschrift setzt – damit von einem "Erhaltenbleiben" gesprochen werden kann – voraus, dass die Versicherungspflicht an sich enden würde. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheids vom 25.02.2005, abgeändert durch den bestandskräftigen Bescheid vom 28.02.2005, bestand in der Teilzeitbeschäftigung, die während der Elternzeit wahrgenommen wurde (vgl. § 15 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz) Versicherungspflicht. Diese Pflichtversicherung wäre an sich zum 30.11.2004 beendet gewesen, da an diesem Tag das Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt endete. § 190 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages endet, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet.
Die an sich endende Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt jedoch erhalten, solange Anspruch auf die in § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V genannten Leistungen besteht oder diese bezogen werden oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Vorliegend wurde von der Klägerin Elternzeit in Anspruch genommen.
Damit sind bereits nach dem Gesetzeswortlaut alle Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erfüllt.
Aus dem Gesetzeszweck ergibt sich keine hiervon abweichende (einschränkende) Auslegung. Der Gesetzeszweck liegt, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, darin, die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Personen noch für eine gewisse Zeit über das nach allgemeinen Regeln an sich eintretende Ende der Mitgliedschaft hinaus fortbestehen zu lassen. Die Regelung hat ihren Grund hinsichtlich der Inanspruchnahme von Elternzeit oder Erziehungsgeld darin, dass die Weiterführung oder der Erwerb einer Mitgliedschaft, insbesondere durch Fortführung oder Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung, infolge von Kindererziehung auf Schwierigkeiten stößt (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 1. Band, Loseblattsammlung Stand Mai 2006, § 192 Rz. 2). Dass diesem Normzweck eine Fortführung der Pflichtmitgliedschaft im vorliegenden Fall zuwiderlaufen würde, ist nicht erkennbar. Eine mangelnde Schutzbedürftigkeit der Klägerin kann nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass sie vor dem Eintritt in das Teilzeitbeschäftigungsverhältnis freiwillig versichert gewesen war, denn zur Ermittlung der Schutzbedürftigkeit muss auf die Zeit abgestellt werden, zu der die Vorschrift ihre Wirkung entfalten soll. Dies war der Zeitraum vom 01.12.2004 bis zur Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung bei der C. K. AG, in der sich die Klägerin ausschließlich der Kindererziehung gewidmet hatte. In dieser Zeit wäre die Begründung einer anderweitigen Pflichtmitgliedschaft mangels Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) schwerlich möglich gewesen. Dass die Klägerin im vorliegenden Fall wegen Erfüllens der Vorversicherungszeit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied hätte beitreten können, kann nicht dazu führen, dass sie von der Regelung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ausgeschlossen wird. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, hätte er es im Gesetz zum Ausdruck bringen müssen, indem er etwa die Rechtsfolge für solche Versicherte ausgeschlossen hätte, die ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung haben. Aus einem diesbezüglichen Schweigen des Gesetzgebers kann bei eindeutigem Gesetzeswortlaut keine für die Versicherte belastende Regelung abgeleitet werden.
Insbesondere die Rechtsauffassung der Beklagten, man müsse bei § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf "das erste Ereignis der Kette" abstellen, findet im Gesetz keine Stütze. Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, welches "Ereignis" vorliegend das erste in der Kette gewesen sein soll. Wahrscheinlich bezieht sie sich aber auf den Bezug von Mutterschaftsgeld, der wohl während des Bestehens der freiwilligen Mitgliedschaft stattgefunden hatte. Das Gesetz differenziert jedoch nicht zwischen den einzelnen Leistungen oder Tatbeständen, die zum Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft führen. Vielmehr stellt es auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Pflichtmitgliedschaft an sich enden würde. Dies ist hier der 30.11.2004 (s. o.).
Die Berufung der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geht an der Sache vorbei:
Der Entscheidung des BSG vom 26.03.1998 (B 12 KR 45/96 R) lag ein Fall zugrunde, in dem die dortige Klägerin als freiwillig Versicherte Mutterschaftsgeld bezog, dann Erziehungsurlaub nahm und Erziehungsgeld bezog. Eine Pflichtmitgliedschaft wie bei der hiesigen Klägerin wurde nicht begründet.
Die Entscheidung des BSG vom 26.05.2004 (B 12 P 6/03 R) beschäftigt sich ebenfalls mit einem Fall, in dem die Versicherte freiwilliges Mitglied der Krankenkasse war und es während des Bezugs von Mutterschaftsgeld, der Inanspruchnahme von Elternzeit und des Bezugs von Erziehungsgeld auch blieb; eine Pflichtversicherung wie bei der Klägerin wurde dort nicht begründet.
Aus diesen beiden Entscheidungen des BSG kann daher über die hier vorliegende Problematik nichts abgeleitet werden.
Auch die Rechtsauffassung der Beklagten, die freiwillige Mitgliedschaft sei nur während der Zeit der Pflichtmitgliedschaft aufgrund des Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses verdrängt gewesen und lebe nach Beendigung desselben wieder auf, teilt das Gericht nicht. Die freiwillige Mitgliedschaft endet nach § 191 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit Beginn einer Pflichtmitgliedschaft, somit hier am 01.11.2003. Um eine freiwillige Mitgliedschaft nach ihrem Ende neu zu begründen, bedarf es zunächst des Endes der Pflichtmitgliedschaft; desweiteren müssen eine Beitrittserklärung des Versicherten und die übrigen Voraussetzungen des § 9 SGB V vorliegen. Hieran ändert auch die Vorschrift des § 7 SGB IV nichts, da dieser lediglich den Begriff "Beschäftigung" definiert.
Auch eine Berufung der Beklagten auf die Rechtsauffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen läuft ins Leere, da diese Rechtsauffassung nach Überzeugung des Gerichts – wie oben ausgeführt –unrichtig ist und das Gericht an diese auch nicht gebunden ist.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin vom 01.12.2004 bis 24.08.2005 fortzuführen, wobei mangels beitragspflichtiger Einnahmen (vgl. hierzu die Erklärung der Klägerin in ihrer hilfsweisen Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung Bl. 24 Verwaltungsakte) Beitragsfreiheit besteht (vgl. §§ 223 Abs. 2, 224, 226 ff. SGB V).
Nach alledem war die angegriffene Entscheidung der Beklagten aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die beitragsfreie Fortführung einer Pflichtmitgliedschaft während der Elternzeit nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Die Klägerin war und ist bei der C. K. AG abhängig beschäftigt. 2003 gebar sie ein Kind. Seit 01.09.2003 war sie bei der Beklagten wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig krankenversichert. Ihr Ehemann ist nicht gesetzlich krankenversichert. Ab dem 01.11.2003 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch. Am selben Tag nahm sie eine Teilzeitbeschäftigung bei ihrem Schwager auf, die sie am 30.11.2004 beendete. In dieser Beschäftigung war sie versicherungspflichtig. Dies ist mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.02.2005 (Bl. 6 Verwaltungsakte), abgeändert durch den Bescheid vom 28.02.2005 (Bl. 7 Verwaltungsakte) festgestellt worden. Ab dem 01.12.2004 befand sich die Klägerin ausschließlich in Elternzeit, bis sie am 25.08.2005 ihre Beschäftigung bei der C. K. AG wieder aufnahm. Seit diesem Tag ist die Klägerin bei der Beklagten pflichtversichert (keine Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze).
In dem Bescheid vom 28.02.2005 bat die Beklagte die Klägerin zusätzlich um die Beantwortung einer Einkommensanfrage für die Zeit nach dem 30.11.2004.
Im Schreiben vom 27.04.2005 (Bl. 12 Verwaltungsakte) zeigte sich die Klägerin verwundert über die Einkommensanfrage, da sie keine freiwillige Versicherung beantragen wolle. Sie sei vielmehr der Rechtsauffassung, dass die bestehende Pflichtversicherung fortgeführt werden müsse.
Mit Bescheid vom 02.05.2005 (Bl. 22 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte es ab, die Klägerin ab dem 01.12.2004 als Pflichtmitglied zu führen. Vielmehr bestehe, so die Rechtsauffassung der Beklagten, ab diesem Zeitpunkt eine freiwillige Mitgliedschaft. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klägerin nicht im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in die Elternzeit gewechselt sei. Ab Beginn der Elternzeit sei die Klägerin grundsätzlich dem Personenkreis der "sonstig freiwillig Versicherten" zuzuordnen, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26.05.2004, B 12 P 6/03 R) auch während des Erziehungsgeldbezugs bzw. während der Elternzeit Beiträge von Mitgliedern zu zahlen seien, die davor wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und freiwillig versichert gewesen seien. Die Spitzenverbände der Krankenkassen verträten die Auffassung, dass diesem Personenkreis nur dann Beitragsfreiheit eingeräumt werden könne, wenn der oder die freiwillig Versicherte bei Nutzung der Elternzeit über keine weiteren beitragspflichtigen Einnahmen verfüge und ohne die freiwillige Versicherung dem Grunde nach Anspruch auf Familienversicherung bestünde. Demnach könne freiwillig versicherten Mitgliedern, deren Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre, keine Beitragsfreiheit während des Erziehungsgeldbezugs bzw. der Elternzeit eingeräumt werden. Das Einkommen des nicht gesetzlich versicherten Ehegatten sei während dieser Zeit bei dem freiwillig versicherten Mitglied zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 26.03.1998, B 12 KR 45/96 R). Der bisher freiwillig versicherte Arbeitnehmer müsse sich während der Elternzeit wie alle anderen freiwillig Versicherten behandeln lassen. Aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses werde die freiwillige Versicherung nicht beendet, sondern lediglich verdrängt, da nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer des Erziehungsgeldbezugs bzw. der Elternzeit fortbestehe. Somit lebe die freiwillige Versicherung der Klägerin zum 01.12.2004 wieder auf, mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt Beiträge von der Klägerin zu zahlen seien.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 11.05.2005 (Bl. 23 Verwaltungsakte) Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005 (Bl. 40 Verwaltungsakte) zurückgewiesen wurde.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Normzweck des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V darin bestehe, die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Personen noch für eine gewisse Zeit über das nach den allgemeinen Regeln an sich eintretende Ende der Mitgliedschaft hinaus fortbestehen zu lassen. Die Mitgliedschaft bleibe dann erhalten, wenn der Versicherte während eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in die Schutzfrist gehe, Mutterschaftsgeld erhalte und in der späteren zeitlichen Folge Erziehungsgeld gezahlt oder Elternzeit in Anspruch genommen werde. Diese Aufzählung sei nicht einzeln zu bewerten. Vielmehr werde die Regelung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch das erste Ereignis dieser Kette ausgelöst. Die Klägerin sei zum Eintritt des Ereignisses, das die Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ausgelöst habe, bei der Beklagten freiwillig versichert gewesen. Die Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V komme deshalb nicht zum Tragen. Es sei deshalb ohne Bedeutung, dass die Klägerin im Anschluss an ihre Schutzfrist während der Elternzeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.
Die Klägerin hat am 29.12.2005 (Bl. 1 Gerichtsakte) zum Sozialgericht Frankfurt/Main Klage erhoben.
Sie vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass sie über den 30.11.2004 hinaus Pflichtmitglied bei der Beklagten ist.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 02.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab dem 01.12.2004 bis einschließlich 24.08.2005 als Pflichtmitglied beitragsfrei zu versichern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte zu dem Rechtsstreit beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht eingelegt worden. Das Gericht hat vorliegend eine reine Anfechtungsklage oder eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage wegen der Weigerungshaltung der Beklagten hinsichtlich der Durchführung einer beitragsfreien Pflichtmitgliedschaft nicht aus ausreichend angesehen, so dass es als statthafte Klageart eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angenommen hat.
Die Klage führt auch in der Sache zum Erfolg.
Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Pflichtversicherung, die bis zum 30.11.2004 aufgrund des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bestanden hatte, über den 30.11.2004 hinaus fortgeführt wird. Diese ist beitragsfrei.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen hierfür vor:
§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestimmt, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibt, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird.
Die Vorschrift setzt – damit von einem "Erhaltenbleiben" gesprochen werden kann – voraus, dass die Versicherungspflicht an sich enden würde. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheids vom 25.02.2005, abgeändert durch den bestandskräftigen Bescheid vom 28.02.2005, bestand in der Teilzeitbeschäftigung, die während der Elternzeit wahrgenommen wurde (vgl. § 15 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz) Versicherungspflicht. Diese Pflichtversicherung wäre an sich zum 30.11.2004 beendet gewesen, da an diesem Tag das Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt endete. § 190 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages endet, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet.
Die an sich endende Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt jedoch erhalten, solange Anspruch auf die in § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V genannten Leistungen besteht oder diese bezogen werden oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Vorliegend wurde von der Klägerin Elternzeit in Anspruch genommen.
Damit sind bereits nach dem Gesetzeswortlaut alle Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erfüllt.
Aus dem Gesetzeszweck ergibt sich keine hiervon abweichende (einschränkende) Auslegung. Der Gesetzeszweck liegt, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, darin, die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Personen noch für eine gewisse Zeit über das nach allgemeinen Regeln an sich eintretende Ende der Mitgliedschaft hinaus fortbestehen zu lassen. Die Regelung hat ihren Grund hinsichtlich der Inanspruchnahme von Elternzeit oder Erziehungsgeld darin, dass die Weiterführung oder der Erwerb einer Mitgliedschaft, insbesondere durch Fortführung oder Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung, infolge von Kindererziehung auf Schwierigkeiten stößt (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 1. Band, Loseblattsammlung Stand Mai 2006, § 192 Rz. 2). Dass diesem Normzweck eine Fortführung der Pflichtmitgliedschaft im vorliegenden Fall zuwiderlaufen würde, ist nicht erkennbar. Eine mangelnde Schutzbedürftigkeit der Klägerin kann nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass sie vor dem Eintritt in das Teilzeitbeschäftigungsverhältnis freiwillig versichert gewesen war, denn zur Ermittlung der Schutzbedürftigkeit muss auf die Zeit abgestellt werden, zu der die Vorschrift ihre Wirkung entfalten soll. Dies war der Zeitraum vom 01.12.2004 bis zur Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung bei der C. K. AG, in der sich die Klägerin ausschließlich der Kindererziehung gewidmet hatte. In dieser Zeit wäre die Begründung einer anderweitigen Pflichtmitgliedschaft mangels Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) schwerlich möglich gewesen. Dass die Klägerin im vorliegenden Fall wegen Erfüllens der Vorversicherungszeit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied hätte beitreten können, kann nicht dazu führen, dass sie von der Regelung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ausgeschlossen wird. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, hätte er es im Gesetz zum Ausdruck bringen müssen, indem er etwa die Rechtsfolge für solche Versicherte ausgeschlossen hätte, die ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung haben. Aus einem diesbezüglichen Schweigen des Gesetzgebers kann bei eindeutigem Gesetzeswortlaut keine für die Versicherte belastende Regelung abgeleitet werden.
Insbesondere die Rechtsauffassung der Beklagten, man müsse bei § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf "das erste Ereignis der Kette" abstellen, findet im Gesetz keine Stütze. Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, welches "Ereignis" vorliegend das erste in der Kette gewesen sein soll. Wahrscheinlich bezieht sie sich aber auf den Bezug von Mutterschaftsgeld, der wohl während des Bestehens der freiwilligen Mitgliedschaft stattgefunden hatte. Das Gesetz differenziert jedoch nicht zwischen den einzelnen Leistungen oder Tatbeständen, die zum Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft führen. Vielmehr stellt es auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Pflichtmitgliedschaft an sich enden würde. Dies ist hier der 30.11.2004 (s. o.).
Die Berufung der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geht an der Sache vorbei:
Der Entscheidung des BSG vom 26.03.1998 (B 12 KR 45/96 R) lag ein Fall zugrunde, in dem die dortige Klägerin als freiwillig Versicherte Mutterschaftsgeld bezog, dann Erziehungsurlaub nahm und Erziehungsgeld bezog. Eine Pflichtmitgliedschaft wie bei der hiesigen Klägerin wurde nicht begründet.
Die Entscheidung des BSG vom 26.05.2004 (B 12 P 6/03 R) beschäftigt sich ebenfalls mit einem Fall, in dem die Versicherte freiwilliges Mitglied der Krankenkasse war und es während des Bezugs von Mutterschaftsgeld, der Inanspruchnahme von Elternzeit und des Bezugs von Erziehungsgeld auch blieb; eine Pflichtversicherung wie bei der Klägerin wurde dort nicht begründet.
Aus diesen beiden Entscheidungen des BSG kann daher über die hier vorliegende Problematik nichts abgeleitet werden.
Auch die Rechtsauffassung der Beklagten, die freiwillige Mitgliedschaft sei nur während der Zeit der Pflichtmitgliedschaft aufgrund des Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses verdrängt gewesen und lebe nach Beendigung desselben wieder auf, teilt das Gericht nicht. Die freiwillige Mitgliedschaft endet nach § 191 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit Beginn einer Pflichtmitgliedschaft, somit hier am 01.11.2003. Um eine freiwillige Mitgliedschaft nach ihrem Ende neu zu begründen, bedarf es zunächst des Endes der Pflichtmitgliedschaft; desweiteren müssen eine Beitrittserklärung des Versicherten und die übrigen Voraussetzungen des § 9 SGB V vorliegen. Hieran ändert auch die Vorschrift des § 7 SGB IV nichts, da dieser lediglich den Begriff "Beschäftigung" definiert.
Auch eine Berufung der Beklagten auf die Rechtsauffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen läuft ins Leere, da diese Rechtsauffassung nach Überzeugung des Gerichts – wie oben ausgeführt –unrichtig ist und das Gericht an diese auch nicht gebunden ist.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin vom 01.12.2004 bis 24.08.2005 fortzuführen, wobei mangels beitragspflichtiger Einnahmen (vgl. hierzu die Erklärung der Klägerin in ihrer hilfsweisen Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung Bl. 24 Verwaltungsakte) Beitragsfreiheit besteht (vgl. §§ 223 Abs. 2, 224, 226 ff. SGB V).
Nach alledem war die angegriffene Entscheidung der Beklagten aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
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