L 3 SB 1848/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 3392/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1848/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") bezogen auf einen früheren als den von der Beklagten anerkannten Zeitpunkt.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger leidet an progredienter Enzephalomyelitis disseminita (Multipler Sklerose) und bezieht deshalb seit dem Jahre 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf einen Verschlimmerungsantrag stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit dem 19.10.2001 sowie eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G") fest; die Feststellung des vom Kläger darüber hinaus geltendgemachten Merkzeichens "aG" wurde demgegenüber abgelehnt.

Am 25.11.2002 beantragte der Kläger eine Erhöhung des zuerkannten GdB sowie die Feststellung der Notwendigkeit ständiger Begleitung (Merkzeichen "B") und des Merkzeichens "aG".

Der Beklagte zog daraufhin den Entlassungsbericht des Neurologischen Rehabilitationszentrums Quellenhof, Bad Wildbad, vom 21.11.2002 über eine stationäre Rehabilitationsbehandlung des Klägers in der Zeit vom 08.10. bis zum 12.11.2002 bei. Darin ist u. a. ausgeführt, es bestehe eine belastungsabhängige Fatiguesymptomatik und Gleichgewichtseinschränkung mit Fallneigung nach rechts und Sturzgefahr. Die freie Gehstrecke des Klägers sei ebenfalls belastungsabhängig eingeschränkt. Sie habe sich seit dem Voraufenthalt im Jahre 2001 verschlechtert und betrage zwischenzeitlich 350 m; an anderer Stelle ist davon die Rede, die freie Gehstrecke liege bei maximal 100 bis 150 m. Für erweiterte Gehstrecken sei er auf einen Rollstuhl angewiesen.

Der behandelnde Arzt für Neurologie Dr. K. teilte unter dem 06.03.2003 mit, der Kläger leide an sekundär chronischer progredienter Multipler Sklerose, zuletzt ohne Schübe, mit spastischer Paraparese und spastisch ataktischer Gangstörung. Beim Gehen sei er ständig auf Hilfsmittel angewiesen (Stock, Rollator), für längere Strecken auf einen Rollstuhl. Öffentliche Verkehrsmittel könnten mit kleinen Einschränkungen benutzt werden.

Mit Bescheid vom 06.06.2003 stellte der Beklagte einen GdB von 70 seit dem 25.11.2002 sowie zusätzlich zu dem bereits anerkannten Merkzeichen "G" das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" fest. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lehnte der Beklagte erneut ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2003 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, außergewöhnlich gehbehindert seien Schwerbehinderte, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen könnten. Hierzu zählten Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande seien, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen könnten oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert seien sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen seien. Da der Kläger nicht zu den im Einzelnen aufgeführten Behinderten zähle, sei zu prüfen, ob er diesem Personenkreis gleichzustellen sei. Dies sei allerdings nicht der Fall, da er nach den vorliegenden Befunden einen Rollstuhl nur für längere Strecken benötige. Seine Gehbehinderung sei daher zwar als erheblich, nicht aber als außergewöhnlich zu bezeichnen.

Am 27.10.2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben und sein Begehren auf Feststellung des Merkzeichens "aG" weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat eine von Dr. K. unter dem 27.04.2004 erstattete schriftliche sachverständige Zeugenaussage eingeholt. Darin heißt es, in den vergangenen 12 Monaten sei es zu einer weiteren Progredienz der Behinderung gekommen. Der Kläger könne sich nur noch mit großer Anstrengung zu Fuß bewegen. Zudem sei seine körperliche Ausdauer erheblich eingeschränkt. Seine Beweglichkeit hänge sehr von der allgemeinen Verfassung und Tagesform ab. Dabei bestehe teilweise vorübergehend auch Gehunfähigkeit. Durchschnittlich dürften derzeit Wegstrecken bis ca. 100 m realistisch sein.

Daraufhin hat der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2005 - ohne Änderung der festgestellten Merkzeichen - zu Gunsten des Klägers einen GdB von 90 seit dem 25.11.2002 festgestellt. Zugleich hat er dem Kläger eine Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg ausgestellt. Eine entsprechende Ausnahmegenehmigung wurde dem Kläger in der Folgezeit von der Straßenverkehrsbehörde erteilt.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2005 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb der Kläger die Klage fortführe, obwohl er den auch mit dem Merkzeichen "aG" möglichen Anspruch auf Parkerleichterungen durch die Sonderregelung für Baden-Württemberg schon besitze.

Am 09.05.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im wesentlichen vorgetragen, die Sonderregelungen über Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg entfalteten nicht dieselben Rechtswirkungen wie das Merkeichen "aG". Die Voraussetzungen dieses Merkzeichens seien erfüllt.

Der Senat hat eine weitere schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Neurologen Dr. K. eingeholt. Dieser hat unter dem 04.11.2005 berichtet, er behandle den Kläger seit dem Jahre 2001 und habe ihn zuletzt am 22.08.2005 untersucht. Seit Aufnahme der Behandlung hätten sich die neurologischen Ausfälle, insbesondere die Gehfähigkeit des Klägers ganz erheblich verschlechtert. Zuletzt sei er nicht mehr in der Lage gewesen, alleine sicher zu stehen oder zu gehen. Er könne sich daher außerhalb seines Kraftfahrzeuges nur mit erheblicher Anstrengung bzw. mit fremder Hilfe über kurze Strecken bewegen.

Der Beklagte hat daraufhin den Anspruch des Klägers auf Feststellung des Merkzeichens "aG" ab August 2005 anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen und sein Begehren für den vorangegangenen Zeitraum weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02. Mai 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 06. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm das gesundheitliche Merkmal außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG") bereits ab dem 25. November 2002 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege beim Kläger bezogen auf die Zeit vor August 2005 nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten (ein Band) sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts Konstanz (ein Band) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Allerdings fehlt es dem Kläger nicht bereits am erforderlichen Rechtsschutzinteresse für eine gerichtliche Entscheidung über sein auf Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") gerichtetes Klagebegehren.

Dies gilt zum einen - anders als das Sozialgericht meint - mit Blick auf die dem Kläger erteilte Parkerleichterung für besondere Gruppen Schwerbehinderter in Baden-Württemberg gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Denn nachdem diese Ausnahmegenehmigung auf das Gebiet des Landes Baden-Württemberg beschränkt ist und darüber hinaus auch eine Erlaubnis zur Benutzung von Parkplätzen für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung gerade nicht umfasst (vgl. II. Nr. 5 und 6 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg über die Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen Schwerbehinderter [GABl. 2001, 524, 525]) lässt die Erteilung einer solchen das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Zuerkennung des - weitergehenden - Merkzeichens "aG" unberührt.

Zum anderen fehlt es dem Kläger aber auch nicht deshalb am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil der Beklagte zwischenzeitlich den Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "aG" ab August 2005 anerkannt hat. Zwar vermag der Kläger die mit einer Zuerkennung des Merkzeichens "aG" einhergehenden Parkerleichterungen bezogen auf den allein noch streitigen - abgelaufenen - Zeitraum vom 25.11.2002 bis zum 31.07.2005 nicht mehr zu nutzen. Allerdings gehen die an das genannte Merkzeichen geknüpften - hier mit Blick auf die zumindest teilweise der Einkommensteuerpflicht unterliegende Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers maßgeblichen - steuerlichen Vorteile über die mit den für die Zeit vom 25.11.2002 bis zum 31.07.2005 bislang festgestellten Behinderungsgraden und Merkzeichen verbundenen Steuervorteile hinaus. Während nämlich nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) bei geh- und stehbehinderten Menschen - GdB von mindestens 70 und Merkzeichen "G" oder GdB von mindestens 80 (beim Kläger bereits mit Bescheid vom 18.03.2002 bzw. mit Bescheid vom 17.02.2005 rückwirkend zum 25.11.2002 festgestellt) - als außergewöhnliche Belastungen lediglich angemessene Aufwendungen für durch die Behinderung veranlasste unvermeidbare Fahrten (aus Vereinfachungsgründen im allgemeinen Fahrten bis zu 3.000 km im Jahr) anzuerkennen sind, dürfen u. a. bei außergewöhnlich Gehbehinderten (Merkzeichen "aG") darüber hinaus auch Aufwendungen für Freizeit-, Erholungs- und Besuchsfahrten (im allgemeinen bis zu einer Fahrleistung von 15.000 km im Jahr) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (vgl. Ludwig Schmidt, EStG, 24. Aufl. 2005, Rdnr. 35 "Fahrtkosten Behinderter" zu § 33; sowie R 33.4 Abs. 4 der Einkommensteuerrichtlinien [EStR] 2005 - Aufwendungen wegen Krankheit, Behinderung und Tod - in Verbindung mit H 33.1 - 33.4 der Hinweise hierzu).

Die Berufung ist aber in der Sache kein Erfolg beschieden. Denn das angegriffene Urteil des Sozialgerichts sowie der Bescheid des Beklagten vom 06.06.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 30.09.2003 sind bezogen auf die allein zur Entscheidung des Senats gestellte Ablehnung der Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") für die Zeit vom 25.11.2002 bis zum 31.07.2005 im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das Merkzeichen "aG" ist gemäß § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. mit Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden festzustellen. Nach II Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift sind als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen diejenigen Schwerbehinderten, die in der Aufzählung der Verwaltungsvorschrift nicht ausdrücklich genannt sind, dann gleichgestellt werden, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz der Verwaltungsvorschrift aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen können. Zwar genügt es, wenn der Behinderte hinsichtlich seiner Gehfunktionen ebenso eingeschränkt ist wie der Angehörige nur einer der in der Verwaltungsvorschrift genannten Gruppen. Das gilt insbesondere für die Gruppe der Doppelunterschenkelamputierten. Auch in diesem Fall muss aber die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sein, so dass sich ein Vergleich mit Doppelunterschenkelamputierten, bei denen dieses nicht der Fall ist, verbietet, mag auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei Personen, die dieser Untergruppe angehören, eine besondere Prüfung des Gehvermögens unterbleiben (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2002 - B 9 SB 9/01 R -, zitiert nach juris, m. w. N.).

Eine solche Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße setzt dabei nicht voraus, dass ein schwerbehinderter Mensch nahezu unfähig ist, sich fortzubewegen. Ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen lässt sich griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Auch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt dazu grundsätzlich nicht. Denn die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich (insbesondere Parkerleichterungen) auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R -, SozR 3-3250 § 69 Nr. 1 = BSGE 90, 180 ff. m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind hier für die Zeit vor August 2005 nicht erfüllt. Denn der Kläger war nicht gleichsam ab den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges nur mit fremder Hilfe oder großer Anstrengung in der Lage, sich fortzubewegen.

Vielmehr war es ihm ausweislich des Entlassungsberichts des Neurologischen Rehabilitationszentrums Quellenhof, Bad Wildbad, vom 21.11.2002 zu jener Zeit noch möglich, über eine allerdings eingeschränkte Strecke frei zu gehen; einen Rollstuhl benutzte er nur zur Erweiterung seines Aktionsradiusses. Darauf, ob die nach dem Entlassungsbericht belastungsabhängige freie Gehstrecke 100 bis 150 m oder 350 Meter betrug, kommt es nach den oben gemachten Ausführungen nicht an.

Eine demgegenüber erhebliche Verschlechterung ergibt sich mangels weiterer Schübe der Erkrankung des Klägers auch nicht aus dem Bericht des behandelnden Neurologen Dr. K. vom 06.03.2003. Auch danach war der Kläger lediglich für längere Strecken auf einen Rollstuhl angewiesen. Soweit der genannte Arzt mitgeteilt hat, der Kläger benötige beim Gehen ständig einen Stock oder Rollator, ist dies angesichts der von ihm angegebenen spastisch ataktischen Gangstörung nachvollziehbar; es lässt allerdings nicht den Schluss zu, der Kläger könne sich nur mit einer vergleichbar großen körperlichen Anstrengung fortbewegen, wie ein in seiner Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkter Doppelunterschenkelamputierter.

Dem entspricht es, dass Dr. K. in seiner gegenüber dem Sozialgericht abgegebenen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.04.2004 trotz berichteter weiterer Progredienz der Erkrankung sowie einer Abhängigkeit der Beweglichkeit von der allgemeinen Verfassung und Tagesform durchschnittlich Wegstrecken bis ca. 100 m für realistisch angesehen hat. Unter Berücksichtigung dieser Einschätzung ist für die Annahme, dem Kläger sei eine Fortbewegung gleichsam ab den ersten Schritten nur unter großer Anstrengung möglich, angesichts der zugleich - in Übereinstimmung mit dem oben angeführten Entlassungsbericht vom 21.11.2002 - mitgeteilten erheblichen Verminderung der körperlichen Ausdauer kein Raum.

Nachdem Dr. K. in seiner vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 04.11.2005 von einer zuletzt am 22.08.2005 erfolgten Untersuchung und einer ebenfalls zuletzt bestehenden Unfähigkeit des Klägers, alleine sicher zu stehen oder zu gehen, berichtet hat, lässt sich die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung vor August 2005 nicht begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Zwar hat der Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zwischenzeitlich für die Zeit ab dem August 2005 anerkannt. Indes kann ihm dies in Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO nicht zum Nachteil gereichen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, Rdnr. 12c zu § 193; vgl. zu § 161 Abs. 2 VwGO auch Günther, Kostenentscheidung nach beiderseitiger Erledigungserklärung, DVBl. 1988, 612,617 f.). Denn das Anerkenntnis ist in Ansehung einer erst im Verlaufe des Berufungsverfahrens eingetretenen außergewöhnlichen Gehbehinderung des Klägers sowie unverzüglich nach Kenntnis der Beklagten von dieser nachträglichen Änderung der Sachlage erfolgt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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