Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 SB 750/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 101/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2004 sowie die Bescheide vom 05.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 und vom 08.10.2004 sowie 12.05.2005 werden abgeändert und der Beklagte wird verpflichtet, den Grad der Behinderung (GdB) mit Wirkung ab 06.11.2001 mit 30, mit Wirkung ab 30.07.2003 mit 40, mit Wirkung ab 19.02.2004 mit 50, mit Wirkung ab 01.07.2004 mit 60 und mit Wirkung ab 01.05.2005 mit 70 festzustellen. Das Merkzeichen "G" wird mit Wirkung ab 30.09.2004 festgestellt.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Der Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" gemäß § 146 Abs.1 SGB IX. Streitig ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen nur noch, ab welchem Zeitpunkt welche Nachteilsausgleiche nach dem SGB IX zustehen.
Auf den Erstantrag vom 07.11.1998 hat der Beklagte mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 21.04.1999 in Gestalt des Abhilfe-Bescheides vom 15.07.1999 den Grad der Behinderung (GdB) mit 20 bewertet. Als Behinderungen sind festgestellt worden: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der Neufeststellungsantrag vom 14.11.2000 ist mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 15.01.2001 abgelehnt worden. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) liege nicht vor.
Mit weiterem Neufeststellungsantrag vom 04.12.2001 hat die Klägerin eine Verschlimmerung ihrer orthopädischen Leiden vorgetragen (Wirbelsäule, Rücken, rechte Gesäßhälfte, rechter Ellenbogen, rechtes Sprunggelenk und rechtes Kniegelenk). Anhaltende starke Schmerzen würden Probleme beim Treppensteigen, Liegen und Sitzen sowie beim Gehen bedingen. Daneben bestehe eine seit Jahren anhaltende chronische Gastritis samt Depression und Erschöpfung.
Entsprechend dem Hinweis der Klägerin hat der Beklagte die Unterlagen des Bayer. Gemeindeunfallversicherungsverbandes beigezogen. Danach hat die Klägerin am 22.11.1995 einen Arbeitsunfall erlitten: Verstauchung des rechten Kniegelenkes; Prellung des rechten Sprunggelenkes; nicht rentenberechtigend. Unfallfolgen lägen nicht mehr vor. Die Beschwerden, die seit 13.02.1996 immer wieder zur Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit geführt hätten, seien ausschließlich auf die unfallunabhängigen Erkrankungen zurückzuführen.
Nach Auswertung der Unfallakten (besonders des Gutachtens des Caritas-Krankenhauses St. J. , Prof. Dr. med. R.P. W. vom 10.04.2002) ist der versorgungsärztliche Dienst mit Stellungnahme nach Aktenlage vom 27.05.2002 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gesamt-GdB bei folgenden Behinderungen unverändert 20 betrage: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen.
Dementsprechend ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 05.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 31.07.2002 eine Neufeststellung gemäß § 48 Abs.1 SGB X abgelehnt worden.
Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 06.09.2002 ist noch fristgerecht am selben Tag im Sozialgericht Regensburg eingegangen. Zur Begründung ist mit Schriftsatz vom 16.04.2003 hervorgehoben worden, dass die Klägerin seit ihrem Arbeitsunfall vom 22.11.1995 erhebliche Probleme habe, insbesondere auf orthopädischem Gebiet, weshalb der Bewegungsapparat insgesamt in seiner Funktion erheblich eingeschränkt sei.
Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. H. G. hat mit Gutachten vom 30.07.2003 zusätzlich eine Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur und des Musculus iliopsoas beidseits mit einem Einzel-GdB von 30 festgestellt, ebenso ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 10. Unter Berücksichtigung der bereits festgestellten Funktionsbehinderung der Wirbelsäule samt muskulären Verspannungen und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20 ist der Gesamt-GdB ab 30.07.2003 (Untersuchungstag) mit 40 bewertet worden.
Gestützt auf die versorgungsärztlich-chrirurgische Stellungnahme von Dr. med. H. T. vom 12.08.2003 hat der Beklagte mit Vergleichsangebot vom 26.08.2003 einen GdB von 30 mit Wirkung ab 30.07.2003 angeboten. Es liege nur ein leichtes rechtsseitiges Schonungs- und Entlastungshinken und keine sichere Minderung der Gesäßmuskulatur vor. Wegen der nur relativ geringgradigen Funktionseinschränkung des rechten Beines werde hier ein Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet.
Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige Dr. med. T. S. ist mit orthopädischem Gutachten vom 19.02.2004 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gesamt-GdB ab Antragstellung (06.11.2001) mit 50 zu bewerten sei: Zu berücksichtigen seien folgende Funktionsstörungen: 1. Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur rechts wesentlich mehr als links und des Musculus iliopsoas beidseits (Einzel-GdB 30). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Reizerscheinungen und muskulären Verspannungen und Reizerscheinungen sowie Skoliose (Einzel-GdB 20). 3. Chronisches somatoformes Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 30). 4. Kiefergelenksarthrose mit reaktiver Arthritis des linken Kiefergelenks bei Diskusläsionen, anterior Diskusluxation links (Einzel-GdB 20). 5. Degneration linkes Schultergelenk ohne Funktionsausfall, jedoch mit Belastungseinschränkung links (ohne Angabe des diesbezüglichen Einzel-GdB s). 6. Chondropathia genu Grad 2 rechts (Einzel-GdB 10).
Im Folgenden hat sich der Beklagte mit Vergleichsangebot vom 14.04.2004 bereit erklärt, den GdB ab 30.07.2003 mit 30 und entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.04.2004 mit Wirkung ab 19.02.2004 mit 50 zu bewerten. Als Funktionsstörungen lägen vor: 1. Teillähmung des Nervus femoralis rechts (Einzel-GdB 30). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20). 3. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 20). 4. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20) 5. Knorpelschaden am Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Der ehemalige Bevollmächtigte der Klägerin hat dieses Vergleichsangebot entsprechend seinem Schriftsatz vom 05.05.2004 nicht angenommen. Der Gesamt-GdB sei ab Antragstellung (06.11.2001) mit 50 zu bewerten. Auf das Gutachten des Dr. med. T. S. werde hingewiesen.
Im Folgenden hat das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 05.07.2004 - S 2 SB 750/02 - den Beklagten verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 05.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 bei der Klägerin einen GdB von 40 ab 30.07.2003 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierbei hat sich das Gericht auf das Gutachten von Dr.med. H. G. vom 30.07.2003 gestützt: GdB 40 ab 30.07.2003. Weiterhin ist das Sozialgericht Regensburg der versorgungsärztlich-chirurgischen Stellungnahme von Dr. med. H. T. vom 05.04.2004 nicht gefolgt: Bei einem Einzel-GdB von 30, drei GdB-Werten von 20 sowie einem weiteren Einzel-GdB von 10 liege die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht vor.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 23.08.2004 ist am selben Tag im BayLSG eingegangen. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2004 gäbe zutreffend wieder, dass sich die Beteiligten auf einen GdB von 50 ab 19.02.2004 geeinigt hätten (Annahme eines diesbezüglichen Anerkenntnisses). Entgegen dem Protokoll werde darüber hinaus die Feststellung eines GdB von 50 ab Antragstellung (06.12.2001) beansprucht. Entsprechend dem Gutachten Dr. med. T. S. liege ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom sowie eine Atrophie vor, welche das erstinstanzliche Gericht nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Parallel zu dem Berufungsverfahren ist am 29.12.2004 ein Neufeststellungsantrag mit Ziel der Feststellung eines höheren GdB und vor allem des Merkzeichens "G" eingereicht worden. Der Beklagte hat mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 12.05.2005 die bestehenden Gesundheitsstörungen neu bezeichnet, den GdB jedoch noch unverändert mit 50 bewertet und die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt. Der Bescheid vom 12.05.2005 ist gemäß § 96 Abs.1 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden.
Der Beklagte hat mit Berufungserwiderung vom 13.10.2004 zusammenfassend vorgetragen, dass der Zeitraum 06.12.2001 bis 18.02. 2004 und diesbezüglich ein GdB von 50 streitig sei. Nach Auffassung des Beklagten sei jedoch der GdB mit 20 für den Zeitraum 06.12.2001 bis 29.07.2003, mit 40 vom 30.07.2003 bis 18.02.2004 und mit 50 erst ab 19.02.2004 zutreffend festgestellt worden. - Mit gesondertem Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung R. vom 08.10.2004 ist das Merkzeichen "G" nochmals ausdrücklich abgelehnt worden (§ 96 Abs.1 SGG).
Nach Erlass des vorstehend bezeichneten Bescheides des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 12.05.2005 ist das Berufungsverfahren fortgesetzt worden. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.06.2005 das Berufungsbegehren erweitert und beantragt, den GdB auf mindestens 70 zu erhöhen sowie das Merkzeichen "G" zuzuerkennen.
Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG beauftragte ärztliche Sachverständige P. R. ist mit neurologisch-psychiatrischem Sachverständigengutachten vom 19.11.2005 zu dem Ergebnis gekommen, dass auf Grund seiner Untersuchung vom 30.09.2005 der GdB jetzt mit 70 einzuschätzen und das Merkzeichen "G" bereits seit September 2004 festzustellen sei: 1. Muskelkrankheit (Einzel-GdB 60). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen (Einzel-GdB 20), 3. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20), 4. Knorpelschaden Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Der Gesamt-GdB betrage ab September 2004 70. Gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 15.07.1999 zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung bezüglich des Einzel- und des Gesamt-GdB im Sinne einer Verschlimmerung eingetreten. Die Änderung sei in den Bescheiden vom 11.08.2004 und 23.08.2004 nicht ausreichend erfasst worden. Dem Gutachten von P. R. (Seite 29) ist nicht eindeutig zu entnehmen, ab welchem Zeitpunkt ein GdB von 50 bzw. 60 angenommen worden ist: März 2004 bzw. Juli 2004.
Gestützt auf die nervenärztliche Stellungnahme vom 24.01.2006 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 26.01.2006 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, den GdB ab März 2005 mit 60 festzustellen, das Merkzeichen "G" mit Wirkung ab September 2004 zuzuerkennen und 3/10 der notwendigen Aufwendungen des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28.02.2006 daran festgehalten, dass der GdB von 50 ab Antragstellung 06.12.2001 betrage.
Mit nervenärztlicher Stellungnahme vom 11.04.2006 wies Frau B. , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, darauf hin, dass sich entsprechend den aktenkundigen Befunden von Dr. med. E. und Dr. med. B. das Leiden progredient entwickelt habe. Im Jahr 2001 habe der Verdacht auf eine Nervenlähmung des unteren Gesäßnervens bestanden; eine so schwere Lähmung, dass damit eine Merkzeichenvergabe zu begründen gewesen wäre, sei jedoch nicht dokumentiert. Zusätzlich sei eine depressive Episode diagnostiziert worden, deren Behandlung die Klägerin abgelehnt habe. Eine Vorstellung bei dem Nervenarzt Dr. med. B. im März 2003 habe völlig unauffällige Untersuchungsbefunde ergeben.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.05.2006 hervorgehoben, dass bereits schon vor der ersten MRT-Untersuchung am 21.08.2001 wegen erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen bestimmte Tätigkeiten nur sehr schwer zu bewältigen gewesen seien: Treppensteigen nur mit starkem Hochziehen am Handlauf entlang und im Nachstellschritt möglich, wobei das linke Bein führend gewesen sei, Aufrichten aus dem Liegen zum Langsitz, ebenfalls das Aufstehen vom Sitzen.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2006 stellt die Bevollmächtigte der Klägerin den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2004 und den Bescheid des Beklagten vom 05.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 sowie den Bescheid vom 08.10.2004 und 12.05.2005 dahingehend abzuändern, als der Beklagte verurteilt wird, bei der Klägerin einen GdB von 50 bereits ab 06.12.2001, einen GdB von 60 ab März 2004 und einen GdB von 70 ab September 2004 und das Merkzeichen "G" ab September 2004 festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, soweit sie über die schriftsätzlich gemachten Vergleichsangebote hinausgeht.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2004 sowie die Bescheide vom 05.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2006 und vom 08.10.2004 sowie 12.05.2005 sind insoweit abzuändern und der Beklagte zu verpflichten gewesen, den Grad der Behinderung (GdB) mit Wirkung ab 06.11.2001 mit 30, mit Wirkung ab 30.07.2003 mit 40, mit Wirkung ab 19.02.2004 mit 50, mit Wirkung ab 01.07.2004 mit 60 und mit Wirkung ab 01.05.2005 mit 70 festzustellen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" liegen gemäß § 146 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) mit Wirkung ab 30.09.2004 vor.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs.1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004 und 2005" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialge-richtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. - Die "Anhaltspunte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. - Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art.3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. - Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004 und 2005".
Ergänzend ist auf § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) hinzuweisen: Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Hier zieht sich gleichsam wie ein "roter Faden" durch den gesamten Akteninhalt eine stetige Leidensverschlimmerung bzw. zunehmende Funktionsstörung der bei der Klägerin bestehenden Behinderungen. Insoweit ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin zwischenzeitlich schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 SGB IX ist sowie dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX gegeben sind. Zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten im Einzelnen:
Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 27.05.2002 sind die Funktionsstörungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule", "muskuläre Verspannungen" und "Nervenwurzelreizerscheinungen" mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet worden. Die diesbezügliche Feststellung des Beklagten ist unvollständig. Denn Dr. med. A. E. hat mit Arztbrief vom 29.10.2001 eine Läsion des Nervus glutaeus inferior rechts sowie eine depressive Episode mit psychovegetativem Erschöpfungssyndrom diagnostiziert. Anamnestisch ist trotz der sehr alterierten psychischen Situation eruiert worden, dass multiple Probleme am rechten Bein bestanden. Ein MRT der Beckenregion hat eine Atrophie des Musculus glutaeus maximus rechts ergeben. Wenn Dr. med. H. G. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG im Rahmen seines Gutachtens vom 30.07.2003 insoweit eine "Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur und der Musculus iliopsoas beidseits" mit einem Einzel-GdB von 30 beschreibt, folgt in der Zusammenschau der vorstehend genannten ärztlichen Ausführungen und unter Berücksichtigung des Zeitablaufes, dass der diesbezügliche Einzel-GdB bereits Ende des Jahres 2001 mit 20 zu bewerten ist. Unter Hinweis auf Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" ergibt sich somit bereits am 06.12.2001 ein Gesamt-GdB von 30.
Soweit der GdB mit Wirkung ab 30.07.2003 festzustellen gewesen ist, folgt der Senat dem gutachterlichen in sich schlüssigen Votum von Dr. med. H. G.: Die "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen" sind entsprechend Rz.26.18 der "Anhaltspunkte" wie bisher mit 20 zutreffend bewertet worden. Die "Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur und des Musculus iliopsoas beidseits" ist nunmehr in Beachtung von Rz.26.18 der "Anhaltspunkte" mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Weiterhin besteht ein "chronisches Schmerzsyndrom" mit einem Einzel-GdB von 10 (vgl. Rz.26.3 der "Anhaltspunkte"). Insgesamt ergibt sich ab 30.07.2003 gemäß Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" ein GdB von 40.
Der Beklagte hat mit Vergleichsangebot vom 14.04.2004 die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 ab 19.02.2004 angeboten. Die zugrundeliegende versorgungsärztlich-chirurgische Stellungnahme von Dr. med. H. T. vom 05.04.2004, die sich im wesentlichen auf das Gutachten von Dr. med. T. S. gemäß § 109 SGG vom 19.02.2004 stützt, ist in sich schlüssig: 1. Teillähmung des Nervus femoralis rechts (Einzel-GdB 30). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20). 3. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 20). 4. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20). 5. Knorpelschaden im Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Ein Gesamt-GdB von 50 ist entsprechend Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" vertretbar wohlwollend, da sich die Funktionsstörungen zu Nr.1, 2 und 3 gegenseitig verstärkend beeinflussen. Eine restriktive Handhabung von Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte", wie sie das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 05.07.2004 insoweit vorgenommen hat, wird dem Gesamt-Leidensbild der Klägerin zu dem damaligen Zeitpunkt (19.02.2004) nicht vollständig gerecht.
Soweit der GdB mit Wirkung ab 01.07.2004 mit 60 und mit Wirkung ab 01.05.2005 mit 70 festzustellen gewesen ist, beruht dies zum einen auf dem neurologisch-psychiatrischem Sachverständigengutachten von P. R. vom 19.11.2005: Dieser hat aufgrund seiner Untersuchung vom 30.09.2005 folgende Behinderungen festgestellt: 1. Muskelkrankheit (Einzel-GdB 60). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen (Einzel-GdB 20). 3. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20). 4. Knorpelschaden Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Das Gutachten von P. R. vom 19.11.2005 ist in Beachtung von Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" zur Bildung des Gesamt-GdB mit 70 schlüssig, nicht jedoch zu den dort befürworteten Zeitpunkten: Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat eine wesentliche Sachverhaltsänderung bezüglich der Einzel-GdB s und damit des Gesamt-GdB im Sinne einer Verschlimmerung (vgl. § 48 Abs.1 SGB X) dargelegt. Er weist auf eine Verschlimmerung der Muskelerkrankung ab Juli 2004 hin. Hieraus folgt die Anhebung des Gesamt-GdB auf 60 mit Wirkung ab 01.07.2004. Im Übrigen stützt sich der gerichtlich bestellte Sachverständige P. R. im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin, wenn er den jetzt festgestellten Zustand "für den Zeitraum ab September 2004" zugrunde legt (die gerichtsärztliche Begutachtung hat am 30.09.2005 stattgefunden). Insoweit ist jedoch dem Bericht der Universität R. , Klinik und Poliklinik für Neurologie vom 06.06.2005 der Vorzug zu geben: Aufstehen vom Stuhl ist nur mit Armhilfe möglich. Gover-Zeichen positiv. Trendelburg sches Hinken beidseits, Zehenstand nur mit Problemen möglich, Fersenstand ist im Prinzip nicht möglich, kann aber durch eine Ausgleichsbewegung durch Abkippen in den Hüften angedeutet werden. Die Kraft in den Beinen liegt rechtsseitig durchgehend bei 3-/4 oder 3-4/5, das Anheben der Beine im Liegen ist nicht möglich. Links ist der Befund etwas besser (3+ -4-/5). Das Aufrichten aus dem Liegen ist nur mit deutlicher Hilfe von außen oder durch Ausgleichsbewegungen möglich. Die Kraft in den Armen liegt bei 3-4/5, wobei die Oberarme schwächer ausgeprägt sind als die Unterarme. Vordere Halsmuskulatur KG 4/5, Nackenmuskulatur 5-/5. Es besteht zusätzlich eine Schmerzsymptomatik im Bereich des rechten Beines von der Ferse innen zum Oberschenkel außen ziehend. Bei der initialen Vorstellung bestanden noch Schmerzen hinter dem linken Ohr, bei Zustand nach Sturz auf den Hinterkopf. Die MER im Bereich der oberen Extremitäten ließen sich seitengleich, mittellebhaft auslösen; PSR rechts nicht, links nur fraglich auslösbar, ASR beidseits nur schwach auslösbar. Das Hochkommen aus der Hocke ist nicht möglich. Sensibilität bis auf die angegebene Schmerzstörung unauffällig.
Nachdem sich die Klägerin insgesamt dreimal am 09.03., 17.03. und am 02.06.2005 in der Universität R. , Klinik und Poliklinik für Neurologie vorgestellt hat, ist rückzuschließen, dass die Gliedergürtel-Muskel-Dystrophie in der vorliegenden Schwere bereits ab 01.05.2005 vorgelegen hat. Dementsprechend ist dem Votum von P. R. mit Gutachten vom 19.11.2005 insoweit zu folgen gewesen, als der dort befürwortete Gesamt-GdB von 70 ab 01.05.2005 nachweislich bestanden hat.
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist gemäß § 146 Abs.1 Satz 1 SGB IX erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Insoweit stimmen der gerichtlich bestellte Sachverständige P. R. mit Gutachten vom 19.11.2005 und der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten, Frau B. , mit nervenärztlichem Gutachten nach Aktenlage vom 19.01.2006 überein, als das Merkzeichen "G" mit Wirkung ab September 2004 zu erkennen ist (d.h. ab 30.09.2004).
Zusammenfassend: Aufgrund der aktenkundigen stetigen Leidensverschlimmerung im Sinne von § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist der Berufung nur in dem beschriebenem Umfange stattzugeben bzw. diese im Übrigen zurückzuweisen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen bzw. Unterliegen beider Parteien. Weiterhin ist sowohl das "Erfolgsprinzip" als auch das "Veranlassungsprinzip" zu beachten: Kosten sind regelmäßig nur anteilig zu erstatten, wenn der Erfolg eines Rechtsmittels wie hier im Wesentlichen auf einer Sachverhaltsänderung während des Gesamtverfahrens beruht (vgl. BayLSG, Beschluss vom 26.06.2000 - L 14 RJ 292/96 in ASR 3/2000 S.97 ff.).
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Der Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" gemäß § 146 Abs.1 SGB IX. Streitig ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen nur noch, ab welchem Zeitpunkt welche Nachteilsausgleiche nach dem SGB IX zustehen.
Auf den Erstantrag vom 07.11.1998 hat der Beklagte mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 21.04.1999 in Gestalt des Abhilfe-Bescheides vom 15.07.1999 den Grad der Behinderung (GdB) mit 20 bewertet. Als Behinderungen sind festgestellt worden: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der Neufeststellungsantrag vom 14.11.2000 ist mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 15.01.2001 abgelehnt worden. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) liege nicht vor.
Mit weiterem Neufeststellungsantrag vom 04.12.2001 hat die Klägerin eine Verschlimmerung ihrer orthopädischen Leiden vorgetragen (Wirbelsäule, Rücken, rechte Gesäßhälfte, rechter Ellenbogen, rechtes Sprunggelenk und rechtes Kniegelenk). Anhaltende starke Schmerzen würden Probleme beim Treppensteigen, Liegen und Sitzen sowie beim Gehen bedingen. Daneben bestehe eine seit Jahren anhaltende chronische Gastritis samt Depression und Erschöpfung.
Entsprechend dem Hinweis der Klägerin hat der Beklagte die Unterlagen des Bayer. Gemeindeunfallversicherungsverbandes beigezogen. Danach hat die Klägerin am 22.11.1995 einen Arbeitsunfall erlitten: Verstauchung des rechten Kniegelenkes; Prellung des rechten Sprunggelenkes; nicht rentenberechtigend. Unfallfolgen lägen nicht mehr vor. Die Beschwerden, die seit 13.02.1996 immer wieder zur Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit geführt hätten, seien ausschließlich auf die unfallunabhängigen Erkrankungen zurückzuführen.
Nach Auswertung der Unfallakten (besonders des Gutachtens des Caritas-Krankenhauses St. J. , Prof. Dr. med. R.P. W. vom 10.04.2002) ist der versorgungsärztliche Dienst mit Stellungnahme nach Aktenlage vom 27.05.2002 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gesamt-GdB bei folgenden Behinderungen unverändert 20 betrage: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen.
Dementsprechend ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 05.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 31.07.2002 eine Neufeststellung gemäß § 48 Abs.1 SGB X abgelehnt worden.
Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 06.09.2002 ist noch fristgerecht am selben Tag im Sozialgericht Regensburg eingegangen. Zur Begründung ist mit Schriftsatz vom 16.04.2003 hervorgehoben worden, dass die Klägerin seit ihrem Arbeitsunfall vom 22.11.1995 erhebliche Probleme habe, insbesondere auf orthopädischem Gebiet, weshalb der Bewegungsapparat insgesamt in seiner Funktion erheblich eingeschränkt sei.
Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. H. G. hat mit Gutachten vom 30.07.2003 zusätzlich eine Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur und des Musculus iliopsoas beidseits mit einem Einzel-GdB von 30 festgestellt, ebenso ein chronisches Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 10. Unter Berücksichtigung der bereits festgestellten Funktionsbehinderung der Wirbelsäule samt muskulären Verspannungen und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20 ist der Gesamt-GdB ab 30.07.2003 (Untersuchungstag) mit 40 bewertet worden.
Gestützt auf die versorgungsärztlich-chrirurgische Stellungnahme von Dr. med. H. T. vom 12.08.2003 hat der Beklagte mit Vergleichsangebot vom 26.08.2003 einen GdB von 30 mit Wirkung ab 30.07.2003 angeboten. Es liege nur ein leichtes rechtsseitiges Schonungs- und Entlastungshinken und keine sichere Minderung der Gesäßmuskulatur vor. Wegen der nur relativ geringgradigen Funktionseinschränkung des rechten Beines werde hier ein Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet.
Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige Dr. med. T. S. ist mit orthopädischem Gutachten vom 19.02.2004 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gesamt-GdB ab Antragstellung (06.11.2001) mit 50 zu bewerten sei: Zu berücksichtigen seien folgende Funktionsstörungen: 1. Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur rechts wesentlich mehr als links und des Musculus iliopsoas beidseits (Einzel-GdB 30). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Reizerscheinungen und muskulären Verspannungen und Reizerscheinungen sowie Skoliose (Einzel-GdB 20). 3. Chronisches somatoformes Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 30). 4. Kiefergelenksarthrose mit reaktiver Arthritis des linken Kiefergelenks bei Diskusläsionen, anterior Diskusluxation links (Einzel-GdB 20). 5. Degneration linkes Schultergelenk ohne Funktionsausfall, jedoch mit Belastungseinschränkung links (ohne Angabe des diesbezüglichen Einzel-GdB s). 6. Chondropathia genu Grad 2 rechts (Einzel-GdB 10).
Im Folgenden hat sich der Beklagte mit Vergleichsangebot vom 14.04.2004 bereit erklärt, den GdB ab 30.07.2003 mit 30 und entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.04.2004 mit Wirkung ab 19.02.2004 mit 50 zu bewerten. Als Funktionsstörungen lägen vor: 1. Teillähmung des Nervus femoralis rechts (Einzel-GdB 30). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20). 3. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 20). 4. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20) 5. Knorpelschaden am Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Der ehemalige Bevollmächtigte der Klägerin hat dieses Vergleichsangebot entsprechend seinem Schriftsatz vom 05.05.2004 nicht angenommen. Der Gesamt-GdB sei ab Antragstellung (06.11.2001) mit 50 zu bewerten. Auf das Gutachten des Dr. med. T. S. werde hingewiesen.
Im Folgenden hat das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 05.07.2004 - S 2 SB 750/02 - den Beklagten verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 05.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 bei der Klägerin einen GdB von 40 ab 30.07.2003 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierbei hat sich das Gericht auf das Gutachten von Dr.med. H. G. vom 30.07.2003 gestützt: GdB 40 ab 30.07.2003. Weiterhin ist das Sozialgericht Regensburg der versorgungsärztlich-chirurgischen Stellungnahme von Dr. med. H. T. vom 05.04.2004 nicht gefolgt: Bei einem Einzel-GdB von 30, drei GdB-Werten von 20 sowie einem weiteren Einzel-GdB von 10 liege die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht vor.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 23.08.2004 ist am selben Tag im BayLSG eingegangen. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2004 gäbe zutreffend wieder, dass sich die Beteiligten auf einen GdB von 50 ab 19.02.2004 geeinigt hätten (Annahme eines diesbezüglichen Anerkenntnisses). Entgegen dem Protokoll werde darüber hinaus die Feststellung eines GdB von 50 ab Antragstellung (06.12.2001) beansprucht. Entsprechend dem Gutachten Dr. med. T. S. liege ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom sowie eine Atrophie vor, welche das erstinstanzliche Gericht nicht ausreichend berücksichtigt habe.
Parallel zu dem Berufungsverfahren ist am 29.12.2004 ein Neufeststellungsantrag mit Ziel der Feststellung eines höheren GdB und vor allem des Merkzeichens "G" eingereicht worden. Der Beklagte hat mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 12.05.2005 die bestehenden Gesundheitsstörungen neu bezeichnet, den GdB jedoch noch unverändert mit 50 bewertet und die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt. Der Bescheid vom 12.05.2005 ist gemäß § 96 Abs.1 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden.
Der Beklagte hat mit Berufungserwiderung vom 13.10.2004 zusammenfassend vorgetragen, dass der Zeitraum 06.12.2001 bis 18.02. 2004 und diesbezüglich ein GdB von 50 streitig sei. Nach Auffassung des Beklagten sei jedoch der GdB mit 20 für den Zeitraum 06.12.2001 bis 29.07.2003, mit 40 vom 30.07.2003 bis 18.02.2004 und mit 50 erst ab 19.02.2004 zutreffend festgestellt worden. - Mit gesondertem Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung R. vom 08.10.2004 ist das Merkzeichen "G" nochmals ausdrücklich abgelehnt worden (§ 96 Abs.1 SGG).
Nach Erlass des vorstehend bezeichneten Bescheides des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 12.05.2005 ist das Berufungsverfahren fortgesetzt worden. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.06.2005 das Berufungsbegehren erweitert und beantragt, den GdB auf mindestens 70 zu erhöhen sowie das Merkzeichen "G" zuzuerkennen.
Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG beauftragte ärztliche Sachverständige P. R. ist mit neurologisch-psychiatrischem Sachverständigengutachten vom 19.11.2005 zu dem Ergebnis gekommen, dass auf Grund seiner Untersuchung vom 30.09.2005 der GdB jetzt mit 70 einzuschätzen und das Merkzeichen "G" bereits seit September 2004 festzustellen sei: 1. Muskelkrankheit (Einzel-GdB 60). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen (Einzel-GdB 20), 3. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20), 4. Knorpelschaden Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Der Gesamt-GdB betrage ab September 2004 70. Gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 15.07.1999 zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung bezüglich des Einzel- und des Gesamt-GdB im Sinne einer Verschlimmerung eingetreten. Die Änderung sei in den Bescheiden vom 11.08.2004 und 23.08.2004 nicht ausreichend erfasst worden. Dem Gutachten von P. R. (Seite 29) ist nicht eindeutig zu entnehmen, ab welchem Zeitpunkt ein GdB von 50 bzw. 60 angenommen worden ist: März 2004 bzw. Juli 2004.
Gestützt auf die nervenärztliche Stellungnahme vom 24.01.2006 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 26.01.2006 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, den GdB ab März 2005 mit 60 festzustellen, das Merkzeichen "G" mit Wirkung ab September 2004 zuzuerkennen und 3/10 der notwendigen Aufwendungen des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28.02.2006 daran festgehalten, dass der GdB von 50 ab Antragstellung 06.12.2001 betrage.
Mit nervenärztlicher Stellungnahme vom 11.04.2006 wies Frau B. , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, darauf hin, dass sich entsprechend den aktenkundigen Befunden von Dr. med. E. und Dr. med. B. das Leiden progredient entwickelt habe. Im Jahr 2001 habe der Verdacht auf eine Nervenlähmung des unteren Gesäßnervens bestanden; eine so schwere Lähmung, dass damit eine Merkzeichenvergabe zu begründen gewesen wäre, sei jedoch nicht dokumentiert. Zusätzlich sei eine depressive Episode diagnostiziert worden, deren Behandlung die Klägerin abgelehnt habe. Eine Vorstellung bei dem Nervenarzt Dr. med. B. im März 2003 habe völlig unauffällige Untersuchungsbefunde ergeben.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.05.2006 hervorgehoben, dass bereits schon vor der ersten MRT-Untersuchung am 21.08.2001 wegen erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen bestimmte Tätigkeiten nur sehr schwer zu bewältigen gewesen seien: Treppensteigen nur mit starkem Hochziehen am Handlauf entlang und im Nachstellschritt möglich, wobei das linke Bein führend gewesen sei, Aufrichten aus dem Liegen zum Langsitz, ebenfalls das Aufstehen vom Sitzen.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2006 stellt die Bevollmächtigte der Klägerin den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2004 und den Bescheid des Beklagten vom 05.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 sowie den Bescheid vom 08.10.2004 und 12.05.2005 dahingehend abzuändern, als der Beklagte verurteilt wird, bei der Klägerin einen GdB von 50 bereits ab 06.12.2001, einen GdB von 60 ab März 2004 und einen GdB von 70 ab September 2004 und das Merkzeichen "G" ab September 2004 festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, soweit sie über die schriftsätzlich gemachten Vergleichsangebote hinausgeht.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2004 sowie die Bescheide vom 05.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2006 und vom 08.10.2004 sowie 12.05.2005 sind insoweit abzuändern und der Beklagte zu verpflichten gewesen, den Grad der Behinderung (GdB) mit Wirkung ab 06.11.2001 mit 30, mit Wirkung ab 30.07.2003 mit 40, mit Wirkung ab 19.02.2004 mit 50, mit Wirkung ab 01.07.2004 mit 60 und mit Wirkung ab 01.05.2005 mit 70 festzustellen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" liegen gemäß § 146 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) mit Wirkung ab 30.09.2004 vor.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs.1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004 und 2005" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialge-richtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. - Die "Anhaltspunte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. - Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art.3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. - Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004 und 2005".
Ergänzend ist auf § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) hinzuweisen: Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Hier zieht sich gleichsam wie ein "roter Faden" durch den gesamten Akteninhalt eine stetige Leidensverschlimmerung bzw. zunehmende Funktionsstörung der bei der Klägerin bestehenden Behinderungen. Insoweit ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin zwischenzeitlich schwerbehindert im Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 SGB IX ist sowie dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX gegeben sind. Zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten im Einzelnen:
Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 27.05.2002 sind die Funktionsstörungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule", "muskuläre Verspannungen" und "Nervenwurzelreizerscheinungen" mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet worden. Die diesbezügliche Feststellung des Beklagten ist unvollständig. Denn Dr. med. A. E. hat mit Arztbrief vom 29.10.2001 eine Läsion des Nervus glutaeus inferior rechts sowie eine depressive Episode mit psychovegetativem Erschöpfungssyndrom diagnostiziert. Anamnestisch ist trotz der sehr alterierten psychischen Situation eruiert worden, dass multiple Probleme am rechten Bein bestanden. Ein MRT der Beckenregion hat eine Atrophie des Musculus glutaeus maximus rechts ergeben. Wenn Dr. med. H. G. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG im Rahmen seines Gutachtens vom 30.07.2003 insoweit eine "Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur und der Musculus iliopsoas beidseits" mit einem Einzel-GdB von 30 beschreibt, folgt in der Zusammenschau der vorstehend genannten ärztlichen Ausführungen und unter Berücksichtigung des Zeitablaufes, dass der diesbezügliche Einzel-GdB bereits Ende des Jahres 2001 mit 20 zu bewerten ist. Unter Hinweis auf Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" ergibt sich somit bereits am 06.12.2001 ein Gesamt-GdB von 30.
Soweit der GdB mit Wirkung ab 30.07.2003 festzustellen gewesen ist, folgt der Senat dem gutachterlichen in sich schlüssigen Votum von Dr. med. H. G.: Die "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen" sind entsprechend Rz.26.18 der "Anhaltspunkte" wie bisher mit 20 zutreffend bewertet worden. Die "Funktionsbehinderung beider Beine bei Atrophie der Glutealmuskulatur und des Musculus iliopsoas beidseits" ist nunmehr in Beachtung von Rz.26.18 der "Anhaltspunkte" mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Weiterhin besteht ein "chronisches Schmerzsyndrom" mit einem Einzel-GdB von 10 (vgl. Rz.26.3 der "Anhaltspunkte"). Insgesamt ergibt sich ab 30.07.2003 gemäß Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" ein GdB von 40.
Der Beklagte hat mit Vergleichsangebot vom 14.04.2004 die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 ab 19.02.2004 angeboten. Die zugrundeliegende versorgungsärztlich-chirurgische Stellungnahme von Dr. med. H. T. vom 05.04.2004, die sich im wesentlichen auf das Gutachten von Dr. med. T. S. gemäß § 109 SGG vom 19.02.2004 stützt, ist in sich schlüssig: 1. Teillähmung des Nervus femoralis rechts (Einzel-GdB 30). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20). 3. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 20). 4. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20). 5. Knorpelschaden im Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Ein Gesamt-GdB von 50 ist entsprechend Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" vertretbar wohlwollend, da sich die Funktionsstörungen zu Nr.1, 2 und 3 gegenseitig verstärkend beeinflussen. Eine restriktive Handhabung von Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte", wie sie das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 05.07.2004 insoweit vorgenommen hat, wird dem Gesamt-Leidensbild der Klägerin zu dem damaligen Zeitpunkt (19.02.2004) nicht vollständig gerecht.
Soweit der GdB mit Wirkung ab 01.07.2004 mit 60 und mit Wirkung ab 01.05.2005 mit 70 festzustellen gewesen ist, beruht dies zum einen auf dem neurologisch-psychiatrischem Sachverständigengutachten von P. R. vom 19.11.2005: Dieser hat aufgrund seiner Untersuchung vom 30.09.2005 folgende Behinderungen festgestellt: 1. Muskelkrankheit (Einzel-GdB 60). 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen (Einzel-GdB 20). 3. Behinderung der Mundöffnung (Einzel-GdB 20). 4. Knorpelschaden Kniegelenk rechts (Einzel-GdB 10).
Das Gutachten von P. R. vom 19.11.2005 ist in Beachtung von Rz.19 Abs.4 der "Anhaltspunkte" zur Bildung des Gesamt-GdB mit 70 schlüssig, nicht jedoch zu den dort befürworteten Zeitpunkten: Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat eine wesentliche Sachverhaltsänderung bezüglich der Einzel-GdB s und damit des Gesamt-GdB im Sinne einer Verschlimmerung (vgl. § 48 Abs.1 SGB X) dargelegt. Er weist auf eine Verschlimmerung der Muskelerkrankung ab Juli 2004 hin. Hieraus folgt die Anhebung des Gesamt-GdB auf 60 mit Wirkung ab 01.07.2004. Im Übrigen stützt sich der gerichtlich bestellte Sachverständige P. R. im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin, wenn er den jetzt festgestellten Zustand "für den Zeitraum ab September 2004" zugrunde legt (die gerichtsärztliche Begutachtung hat am 30.09.2005 stattgefunden). Insoweit ist jedoch dem Bericht der Universität R. , Klinik und Poliklinik für Neurologie vom 06.06.2005 der Vorzug zu geben: Aufstehen vom Stuhl ist nur mit Armhilfe möglich. Gover-Zeichen positiv. Trendelburg sches Hinken beidseits, Zehenstand nur mit Problemen möglich, Fersenstand ist im Prinzip nicht möglich, kann aber durch eine Ausgleichsbewegung durch Abkippen in den Hüften angedeutet werden. Die Kraft in den Beinen liegt rechtsseitig durchgehend bei 3-/4 oder 3-4/5, das Anheben der Beine im Liegen ist nicht möglich. Links ist der Befund etwas besser (3+ -4-/5). Das Aufrichten aus dem Liegen ist nur mit deutlicher Hilfe von außen oder durch Ausgleichsbewegungen möglich. Die Kraft in den Armen liegt bei 3-4/5, wobei die Oberarme schwächer ausgeprägt sind als die Unterarme. Vordere Halsmuskulatur KG 4/5, Nackenmuskulatur 5-/5. Es besteht zusätzlich eine Schmerzsymptomatik im Bereich des rechten Beines von der Ferse innen zum Oberschenkel außen ziehend. Bei der initialen Vorstellung bestanden noch Schmerzen hinter dem linken Ohr, bei Zustand nach Sturz auf den Hinterkopf. Die MER im Bereich der oberen Extremitäten ließen sich seitengleich, mittellebhaft auslösen; PSR rechts nicht, links nur fraglich auslösbar, ASR beidseits nur schwach auslösbar. Das Hochkommen aus der Hocke ist nicht möglich. Sensibilität bis auf die angegebene Schmerzstörung unauffällig.
Nachdem sich die Klägerin insgesamt dreimal am 09.03., 17.03. und am 02.06.2005 in der Universität R. , Klinik und Poliklinik für Neurologie vorgestellt hat, ist rückzuschließen, dass die Gliedergürtel-Muskel-Dystrophie in der vorliegenden Schwere bereits ab 01.05.2005 vorgelegen hat. Dementsprechend ist dem Votum von P. R. mit Gutachten vom 19.11.2005 insoweit zu folgen gewesen, als der dort befürwortete Gesamt-GdB von 70 ab 01.05.2005 nachweislich bestanden hat.
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist gemäß § 146 Abs.1 Satz 1 SGB IX erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Insoweit stimmen der gerichtlich bestellte Sachverständige P. R. mit Gutachten vom 19.11.2005 und der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten, Frau B. , mit nervenärztlichem Gutachten nach Aktenlage vom 19.01.2006 überein, als das Merkzeichen "G" mit Wirkung ab September 2004 zu erkennen ist (d.h. ab 30.09.2004).
Zusammenfassend: Aufgrund der aktenkundigen stetigen Leidensverschlimmerung im Sinne von § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist der Berufung nur in dem beschriebenem Umfange stattzugeben bzw. diese im Übrigen zurückzuweisen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen bzw. Unterliegen beider Parteien. Weiterhin ist sowohl das "Erfolgsprinzip" als auch das "Veranlassungsprinzip" zu beachten: Kosten sind regelmäßig nur anteilig zu erstatten, wenn der Erfolg eines Rechtsmittels wie hier im Wesentlichen auf einer Sachverhaltsänderung während des Gesamtverfahrens beruht (vgl. BayLSG, Beschluss vom 26.06.2000 - L 14 RJ 292/96 in ASR 3/2000 S.97 ff.).
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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