Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 100 AS 8060/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 911/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 1982 geborene Antragsteller (Ast.) ist aserbaidschanischer Staatsgehörigkeit mit unbefristetem Aufenthaltstitel vom 05. Mai 2003. Er ist ledig und alleinstehend. In seiner Wohnung führt er einen eigenen Haushalt.
Am 27. Juni 2001 hatte er an der H H - Gymnasium - nach erfolgreichem Besuch der 10. Klasse den erweiterten Sekundarabschluss I erworben. Dieser berechtigte zum Besuch jeder Schulform des allgemeinbildenden und beruflichen Schulwesens im Sekundarbereich II.
Am 09. November 2003 bezog er seine jetzige Wohnung. Am 10. Januar 2005 stellte er Leistungsantrag nach dem SGB II. Er befinde sich in Ausbildung zum Bürokaufmann bei der D B für die Zeit vom 23. Januar 2003 bis 22. Januar 2006 (Berufsausbildungsvertrag vom 10. Februar 2003). Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten (Erfassungsvermerk vom 20. Januar 2005) kann vermutet werden, dass die Antragsgegnerin (Agg.) Leistungen für die Zeit bis zum 30. Juni 2005 zuerkannte, dabei die Ausbildungsvergütung anrechnete. Am 19. Mai 2005 stellte der Ast. Fortzahlungsantrag, dies dürfte zur Bewilligung für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 31. Oktober 2005 geführt haben.
Am 11. Oktober 2005 stellte der Ast. Fortzahlungsantrag für die Zeit vom 01. November 2005 an. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 wurden offenbar Leistungen für die Zeit vom 01. November 2005 bis 30. April 2006 - noch unter Anrechnung der Ausbildungsvergütung - zuerkannt. Nach Ende der Ausbildung zum 18. Januar 2006 erkannte die Agg. deswegen höhere Leistungen mit Änderungsbewilligungsbescheid vom 09. Februar 2006 zu (für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Januar 2006 517,63 Euro, für die Zeit vom 01. Februar 2006 bis 30. April 2006 637,67 Euro monatlich). Wegen anzurechnenden Alg I-Anspruchs erließ die Agg. teilaufhebenden Änderungsbewilligungsbescheid vom 09. März 2006 und wollte nunmehr für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Januar 2006 nur noch 515,86 und für die Zeit vom 01. Februar bis 30. April 2006 522,77 Euro monatlich leisten.
Mit (weiterem) Bewilligungsbescheid vom 18. April 2006 erkannte die Agg. für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis 31. Oktober 2006 erneut 522,77 Euro monatlich zu.
Bei seiner persönlichen Vorstellung am 13. Juni 2006 unterrichtete der Ast. die Agg. u. a. darüber, er beabsichtige ab 21. August 2006 das O (einjährige Fachoberschule) zu besuchen und wolle BAföG-Leistungen hierfür beantragen.
Mit Rücknahmebescheid vom 05. Juli 2006 hob die Agg. die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 21. August 2006 auf. Wegen des Besuchs der Fachoberschule bestehe kein Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Anspruch nach dem BAföG bestehe (§ 7 SGB II). Diese Entscheidung war mit der Belehrung über den Rechtsbehelf des Widerspruchs binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe versehen. Die Einlegung eines Widerspruchs gegen diesen Bescheid ist den Verwaltungsunterlagen nicht zu entnehmen.
Am 07. August 2006 stellte der Ast. erneut Leistungsantrag. Er beziehe lediglich geringfügige Alg-I-Leistungen, welche am 21. August 2006 enden würden. BAfög-Leistungen seien durch Bescheid vom 31. Juli 2006 abgelehnt worden, welchen er vorlegte. Nach dessen Begründungsausführungen waren die Voraussetzungen des persönlichen Geltungsbereichs nach den §§ 8 Abs. 1 und 8 Abs. 2 BAföG nicht gegeben.
Ausweislich der Schulbescheinigung vom 22. August 2006 war der Ast. am 22. August 2006 bis voraussichtlich 31. Januar 2007 zum Besuch der Fachoberschule in Tagesform beim O in S aufgenommen.
Unter dem 07. September 2006 teilte die Agg. mit, hinsichtlich des erneuten Antrages vom 07. August 2006 werde auf den bereits am 05. Juli 2006 erlassenen Bescheid verwiesen. Eine Änderung in den persönlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten, so dass keine erneute Entscheidung in der Sache getroffen werden könne. Entscheidend sei hier die grundsätzliche und nicht die tatsächliche Förderfähigkeit (der Ausbildung). Der Ast. besuche eine dem Grunde nach förderfähige Schule nach Maßgabe des BAföG. Diese Mitteilung enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 08. September 2006 beantragte der Ast. den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Berlin mit dem Inhalt, ihm, dem Ast., über den 20. August 2006 hinaus fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts weiterzugewähren.
Die Agg. hat sich auf die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 05. Juli 2006 berufen. Im Übrigen absolviere der Ast. eine Ausbildung, welche im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, so dass kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe (§ 7 Abs. 5 SGB II).
Mit Beschluss vom 22. September 2006 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag des Ast. abgelehnt. Der ablehnende Bescheid vom 05. Juli 2006 sei bestandskräftig geworden. Auch bei rechtzeitigem Widerspruch hätte ein Hauptsacheverfahren wegen § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II keinen Erfolg haben können, denn die Fachoberschulausbildung des Ast. sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG dem Grunde nach förderungsfähig. Da auch keine Anhaltspunkte für einen besonderen Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB VI (gemeint II) als auch für eine der Alternativen des § 7 Abs. 6 SGB II anzunehmen seien, wäre der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen gewesen.
Hiergegen hat der Ast. am 10. Oktober 2006 sinngemäß Beschwerde eingelegt. Die Agg. habe sich nicht bemüht, ihn zu informieren, dass die Bearbeitung des Neuantrages (vom 07. August 2006) aufgrund des erlassenen Aufhebungsbescheides vom 05. Juli 2006 (zunächst) unterblieben sei. So hätte er nicht die rechtmäßige Möglichkeit gehabt, Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid einzulegen.
Seit dem 21. August 2006 bekomme er von keinem Amt irgendwelche Leistungen, seine Eltern seien Alg II- bzw. Grundsicherungsbezieher, könnten ihn deswegen nicht unterstützen.
Mit seiner Entscheidung für die einjährige Fachoberschule sei er langfristig gesehen keine Belastung, sondern eine Entlastung für den Staat.
Der Senat geht davon aus, der Ast. wolle beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 aufzuheben und die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm, dem Ast., vorläufig für die Zeit seit 21. August 2006 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
Die Agg. hat sinngemäß beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Schreiben vom 20. November 2006 hat der Senat nachgefragt, ob der Ast. gegen die Mitteilung vom 07. September 2006 Widerspruch gegenüber der Agg. mittlerweile erhoben habe.
Der Ast. hat am 24. November 2006 bei Gericht eingehend mitgeteilt, die Erhebung des Widerspruchs gegen die Agg. sei am 08. September 2006 "im SG Berlin" erfolgt. Dieses sei ihm von einem Sachbearbeiter der Agg. geraten worden, weil sonst die Agg. seinen Widerspruch ablehnen würde und er "im SG Berlin" erneut Widerspruch einlegen müsse.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensunterlagen sowie die Verwaltungsunterlagen der Agg. () Bezug genommen. Die genannten Unterlagen haben dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts hat im Ergebnis Bestand.
Der Ast. kann vorläufige Leistungen für die Zeit seit 21.August 2006 von der Agg. nicht verlangen.
Für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung sind die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht kann Eilbedürftigkeit - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - und damit ein Grund für eine einstweilige Regelung grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Dies betrifft vorliegend den Zeitraum vom 21. August bis 07. September 2006.
Für die Zeit danach mangelt es an einem Anordnungsanspruch:
Zwar dürfte letztlich nicht erheblich werden, dass der Antragsteller den Rücknahmebescheid vom 05. Juli 2006 - nicht Ablehnungsbescheid, wovon das Sozialgericht ausging - hat bestandskräftig werden lassen, weil dieser Widerspruch insoweit nicht erhob.
Denn die Agg. hat sich mit ihrer Mitteilung vom 07. September 2006 auf den Leistungsantrag vom 07. August 2006 nicht lediglich formell auf die Bestandskraft des Rücknahmebescheides vom 05. Juli 2006 bezogen: Ausweislich ihrer Begründungsausführungen ist sie - wiederholend - in eine Sachprüfung eingetreten (siehe oben unter I.).
Sie hat damit im Sinne eines Versagungsbescheides (§ 31 SGB X) erneut eine Sachentscheidung bezüglich des Anspruches getroffen. Aufgrund der zugleich bei Bekanntgabe dieser Entscheidung unterlassenen Rechtsbehelfsbelehrung über die Zulässigkeit des Widerspruchs, ist von der Jahresfrist auszugehen, binnen derer gegenüber der Agg. dieser Rechtsbehelf eingelegt werden kann (§ 84 Abs. 2 Satz 3, § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Indes ist ein gegenüber der Agg. eingelegter Widerspruch bisher - auch nach Auskunft des Ast. vom November 2006 - nicht feststellbar. Nach dem insoweit eindeutigen Inhalt der Niederschrift vom 08. September 2006 beim Sozialgericht ist kein Anhalt dafür gegeben, mit der dortigen Erklärung wolle der Ast. zugleich auch gegenüber der Agg. Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. September 2006 einlegen.
Es kann grundsätzlich auch nicht angenommen werden, dass in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht zugleich ein Widerspruch gegenüber der Ausgangs- bzw. Widerspruchsbehörde liege, wie dies etwa im Verhältnis von Klage und Widerspruch angenommen wird (vgl. Meyer-Ladewig u. a., SGG, 8. Auflage, § 84 Rz. 3 b a. E.). Der Widerspruch richtet sich auf die Rechtskontrolle der Hauptsacheentscheidung der Ausgangsbehörde, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hingegen betrifft die vorläufige Regelung bezüglich des streitigen Anspruches.
Selbst aber wenn von einem Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. September 2006 auszugehen wäre, könnte der Ast. keinen Erfolg haben:
Hierzu hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, der Ast. befinde sich in einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 BAföG. Die konkret-individuelle Förderbarkeit dieser Ausbildung scheitert allein an dem Nichtvorliegen der persönlichen Voraussetzungen nach § 8 BAföG.
Für diese Fallkonstellation sieht das SGB II grundsätzlich einen Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vor, weil der Gesetzgeber gerade in dem Arbeitsmarkt bezogenen Fürsorgesystem des SGB II keine Ausbildungsförderung "zweiter Ebene" zulassen wollte.
Auf die Gegenausnahme des § 7 Abs. 6 SGB II kann sich der Ast. schon deswegen nicht berufen, weil dafür vorausgesetzt wäre, dass er im Haushalt der Eltern lebte. Dies ist nicht der Fall (vgl. hierzu Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05. Juli 2006 - L 10 AS 545/06 - nicht rechtskräftig).
Für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II bietet der Fall des Antragstellers keinen Anhalt (vgl. hierzu ebenso die vorgenannte Entscheidung).
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Ast. bereits über eine erfolgreich beendete berufliche Qualifikation als Bürokaufmann verfügt, welche ihm einen Arbeitsmarktzugang erlaubt. Einen Förderungsanspruch mit dem Ziel bester Wettbewerbsfähigkeit am Arbeitsmarkt kennt das Fürsorgesystem für hilfebedürftige Arbeitssuchende des SGB II nicht.
Nach allem musste die Beschwerde erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der am 1982 geborene Antragsteller (Ast.) ist aserbaidschanischer Staatsgehörigkeit mit unbefristetem Aufenthaltstitel vom 05. Mai 2003. Er ist ledig und alleinstehend. In seiner Wohnung führt er einen eigenen Haushalt.
Am 27. Juni 2001 hatte er an der H H - Gymnasium - nach erfolgreichem Besuch der 10. Klasse den erweiterten Sekundarabschluss I erworben. Dieser berechtigte zum Besuch jeder Schulform des allgemeinbildenden und beruflichen Schulwesens im Sekundarbereich II.
Am 09. November 2003 bezog er seine jetzige Wohnung. Am 10. Januar 2005 stellte er Leistungsantrag nach dem SGB II. Er befinde sich in Ausbildung zum Bürokaufmann bei der D B für die Zeit vom 23. Januar 2003 bis 22. Januar 2006 (Berufsausbildungsvertrag vom 10. Februar 2003). Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten (Erfassungsvermerk vom 20. Januar 2005) kann vermutet werden, dass die Antragsgegnerin (Agg.) Leistungen für die Zeit bis zum 30. Juni 2005 zuerkannte, dabei die Ausbildungsvergütung anrechnete. Am 19. Mai 2005 stellte der Ast. Fortzahlungsantrag, dies dürfte zur Bewilligung für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 31. Oktober 2005 geführt haben.
Am 11. Oktober 2005 stellte der Ast. Fortzahlungsantrag für die Zeit vom 01. November 2005 an. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 wurden offenbar Leistungen für die Zeit vom 01. November 2005 bis 30. April 2006 - noch unter Anrechnung der Ausbildungsvergütung - zuerkannt. Nach Ende der Ausbildung zum 18. Januar 2006 erkannte die Agg. deswegen höhere Leistungen mit Änderungsbewilligungsbescheid vom 09. Februar 2006 zu (für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Januar 2006 517,63 Euro, für die Zeit vom 01. Februar 2006 bis 30. April 2006 637,67 Euro monatlich). Wegen anzurechnenden Alg I-Anspruchs erließ die Agg. teilaufhebenden Änderungsbewilligungsbescheid vom 09. März 2006 und wollte nunmehr für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Januar 2006 nur noch 515,86 und für die Zeit vom 01. Februar bis 30. April 2006 522,77 Euro monatlich leisten.
Mit (weiterem) Bewilligungsbescheid vom 18. April 2006 erkannte die Agg. für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis 31. Oktober 2006 erneut 522,77 Euro monatlich zu.
Bei seiner persönlichen Vorstellung am 13. Juni 2006 unterrichtete der Ast. die Agg. u. a. darüber, er beabsichtige ab 21. August 2006 das O (einjährige Fachoberschule) zu besuchen und wolle BAföG-Leistungen hierfür beantragen.
Mit Rücknahmebescheid vom 05. Juli 2006 hob die Agg. die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 21. August 2006 auf. Wegen des Besuchs der Fachoberschule bestehe kein Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Anspruch nach dem BAföG bestehe (§ 7 SGB II). Diese Entscheidung war mit der Belehrung über den Rechtsbehelf des Widerspruchs binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe versehen. Die Einlegung eines Widerspruchs gegen diesen Bescheid ist den Verwaltungsunterlagen nicht zu entnehmen.
Am 07. August 2006 stellte der Ast. erneut Leistungsantrag. Er beziehe lediglich geringfügige Alg-I-Leistungen, welche am 21. August 2006 enden würden. BAfög-Leistungen seien durch Bescheid vom 31. Juli 2006 abgelehnt worden, welchen er vorlegte. Nach dessen Begründungsausführungen waren die Voraussetzungen des persönlichen Geltungsbereichs nach den §§ 8 Abs. 1 und 8 Abs. 2 BAföG nicht gegeben.
Ausweislich der Schulbescheinigung vom 22. August 2006 war der Ast. am 22. August 2006 bis voraussichtlich 31. Januar 2007 zum Besuch der Fachoberschule in Tagesform beim O in S aufgenommen.
Unter dem 07. September 2006 teilte die Agg. mit, hinsichtlich des erneuten Antrages vom 07. August 2006 werde auf den bereits am 05. Juli 2006 erlassenen Bescheid verwiesen. Eine Änderung in den persönlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten, so dass keine erneute Entscheidung in der Sache getroffen werden könne. Entscheidend sei hier die grundsätzliche und nicht die tatsächliche Förderfähigkeit (der Ausbildung). Der Ast. besuche eine dem Grunde nach förderfähige Schule nach Maßgabe des BAföG. Diese Mitteilung enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 08. September 2006 beantragte der Ast. den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Berlin mit dem Inhalt, ihm, dem Ast., über den 20. August 2006 hinaus fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts weiterzugewähren.
Die Agg. hat sich auf die Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 05. Juli 2006 berufen. Im Übrigen absolviere der Ast. eine Ausbildung, welche im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, so dass kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe (§ 7 Abs. 5 SGB II).
Mit Beschluss vom 22. September 2006 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag des Ast. abgelehnt. Der ablehnende Bescheid vom 05. Juli 2006 sei bestandskräftig geworden. Auch bei rechtzeitigem Widerspruch hätte ein Hauptsacheverfahren wegen § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II keinen Erfolg haben können, denn die Fachoberschulausbildung des Ast. sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG dem Grunde nach förderungsfähig. Da auch keine Anhaltspunkte für einen besonderen Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB VI (gemeint II) als auch für eine der Alternativen des § 7 Abs. 6 SGB II anzunehmen seien, wäre der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen gewesen.
Hiergegen hat der Ast. am 10. Oktober 2006 sinngemäß Beschwerde eingelegt. Die Agg. habe sich nicht bemüht, ihn zu informieren, dass die Bearbeitung des Neuantrages (vom 07. August 2006) aufgrund des erlassenen Aufhebungsbescheides vom 05. Juli 2006 (zunächst) unterblieben sei. So hätte er nicht die rechtmäßige Möglichkeit gehabt, Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid einzulegen.
Seit dem 21. August 2006 bekomme er von keinem Amt irgendwelche Leistungen, seine Eltern seien Alg II- bzw. Grundsicherungsbezieher, könnten ihn deswegen nicht unterstützen.
Mit seiner Entscheidung für die einjährige Fachoberschule sei er langfristig gesehen keine Belastung, sondern eine Entlastung für den Staat.
Der Senat geht davon aus, der Ast. wolle beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 aufzuheben und die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm, dem Ast., vorläufig für die Zeit seit 21. August 2006 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
Die Agg. hat sinngemäß beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Schreiben vom 20. November 2006 hat der Senat nachgefragt, ob der Ast. gegen die Mitteilung vom 07. September 2006 Widerspruch gegenüber der Agg. mittlerweile erhoben habe.
Der Ast. hat am 24. November 2006 bei Gericht eingehend mitgeteilt, die Erhebung des Widerspruchs gegen die Agg. sei am 08. September 2006 "im SG Berlin" erfolgt. Dieses sei ihm von einem Sachbearbeiter der Agg. geraten worden, weil sonst die Agg. seinen Widerspruch ablehnen würde und er "im SG Berlin" erneut Widerspruch einlegen müsse.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensunterlagen sowie die Verwaltungsunterlagen der Agg. () Bezug genommen. Die genannten Unterlagen haben dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts hat im Ergebnis Bestand.
Der Ast. kann vorläufige Leistungen für die Zeit seit 21.August 2006 von der Agg. nicht verlangen.
Für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung sind die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht kann Eilbedürftigkeit - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - und damit ein Grund für eine einstweilige Regelung grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Dies betrifft vorliegend den Zeitraum vom 21. August bis 07. September 2006.
Für die Zeit danach mangelt es an einem Anordnungsanspruch:
Zwar dürfte letztlich nicht erheblich werden, dass der Antragsteller den Rücknahmebescheid vom 05. Juli 2006 - nicht Ablehnungsbescheid, wovon das Sozialgericht ausging - hat bestandskräftig werden lassen, weil dieser Widerspruch insoweit nicht erhob.
Denn die Agg. hat sich mit ihrer Mitteilung vom 07. September 2006 auf den Leistungsantrag vom 07. August 2006 nicht lediglich formell auf die Bestandskraft des Rücknahmebescheides vom 05. Juli 2006 bezogen: Ausweislich ihrer Begründungsausführungen ist sie - wiederholend - in eine Sachprüfung eingetreten (siehe oben unter I.).
Sie hat damit im Sinne eines Versagungsbescheides (§ 31 SGB X) erneut eine Sachentscheidung bezüglich des Anspruches getroffen. Aufgrund der zugleich bei Bekanntgabe dieser Entscheidung unterlassenen Rechtsbehelfsbelehrung über die Zulässigkeit des Widerspruchs, ist von der Jahresfrist auszugehen, binnen derer gegenüber der Agg. dieser Rechtsbehelf eingelegt werden kann (§ 84 Abs. 2 Satz 3, § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Indes ist ein gegenüber der Agg. eingelegter Widerspruch bisher - auch nach Auskunft des Ast. vom November 2006 - nicht feststellbar. Nach dem insoweit eindeutigen Inhalt der Niederschrift vom 08. September 2006 beim Sozialgericht ist kein Anhalt dafür gegeben, mit der dortigen Erklärung wolle der Ast. zugleich auch gegenüber der Agg. Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. September 2006 einlegen.
Es kann grundsätzlich auch nicht angenommen werden, dass in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht zugleich ein Widerspruch gegenüber der Ausgangs- bzw. Widerspruchsbehörde liege, wie dies etwa im Verhältnis von Klage und Widerspruch angenommen wird (vgl. Meyer-Ladewig u. a., SGG, 8. Auflage, § 84 Rz. 3 b a. E.). Der Widerspruch richtet sich auf die Rechtskontrolle der Hauptsacheentscheidung der Ausgangsbehörde, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hingegen betrifft die vorläufige Regelung bezüglich des streitigen Anspruches.
Selbst aber wenn von einem Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. September 2006 auszugehen wäre, könnte der Ast. keinen Erfolg haben:
Hierzu hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, der Ast. befinde sich in einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 BAföG. Die konkret-individuelle Förderbarkeit dieser Ausbildung scheitert allein an dem Nichtvorliegen der persönlichen Voraussetzungen nach § 8 BAföG.
Für diese Fallkonstellation sieht das SGB II grundsätzlich einen Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vor, weil der Gesetzgeber gerade in dem Arbeitsmarkt bezogenen Fürsorgesystem des SGB II keine Ausbildungsförderung "zweiter Ebene" zulassen wollte.
Auf die Gegenausnahme des § 7 Abs. 6 SGB II kann sich der Ast. schon deswegen nicht berufen, weil dafür vorausgesetzt wäre, dass er im Haushalt der Eltern lebte. Dies ist nicht der Fall (vgl. hierzu Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05. Juli 2006 - L 10 AS 545/06 - nicht rechtskräftig).
Für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II bietet der Fall des Antragstellers keinen Anhalt (vgl. hierzu ebenso die vorgenannte Entscheidung).
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Ast. bereits über eine erfolgreich beendete berufliche Qualifikation als Bürokaufmann verfügt, welche ihm einen Arbeitsmarktzugang erlaubt. Einen Förderungsanspruch mit dem Ziel bester Wettbewerbsfähigkeit am Arbeitsmarkt kennt das Fürsorgesystem für hilfebedürftige Arbeitssuchende des SGB II nicht.
Nach allem musste die Beschwerde erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
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