L 7 VU 35/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 43 (3) VU 175/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 VU 35/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a VU 1/07 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Brustdrüsentumor ist nicht ursächlich auf eine Exposition mit Benzol oder aromatischen Kohlenwasserstoffen zurückzuführen. Ebenso sind als Ursache traumatischer Stress, die Einnahme von Ovosiston - antiandrogene Pille - oder Turinabol - Anabolikum - nicht wahrscheinlich.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 16.07.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) sowie die Gewährung von Versorgung.

Die 1946 geborene Klägerin ist Internistin. Sie reiste am 14.07.1976 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein. Zuvor war sie in der Zeit vom 18.12.1974 bis 14.07.1976 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) inhaftiert. Mit Beschluss vom 04.06.1992 hob das Bezirksgericht Halle das Urteil des Bezirksgerichts Halle/Saale vom 04.06.1975 auf und stellte fest, dass der Klägerin für den erlittenen Freiheitsentzug in der Zeit vom 18.12.1974 bis 14.07.1976 ein Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen nach § 7 RehaG unter Anrechnung nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) erbrachter Leistungen zustand.

Bei der Klägerin wurde im Januar 1989 die linke Brust wegen eines Mammakarzinoms operativ entfernt. Im Februar 1989 erfolgte die operative Entfernung der rechten Brust bei proliferierender fibröser Mastopathie ohne Malignitätszeichen rechts.

Nach dem Schwerbehindertengesetz stellte der Beklagte zunächst einen GdB von 70 und nach Ablauf der Heilungsbewährung einen GdB von 50 fest. Aufgrund eines Karzinomrezidivs links wurde der GdB ab Februar 2003 mit 100 bewertet.

Im April 1993 beantragte die Klägerin beim Beklagten Versorgung wegen einer Krebs- und Migräneerkrankung als Folgen der Haft nach dem StrRehaG. Nach ihren Angaben trat im März 1975 eine Notstandsamenorrhoe auf, die ab November 1975 mit einem Östrogen/Gestagen-Präparat (Ovosiston) behandelt worden sei. Seit der Verhaftung seien bei ihr in zunehmender Frequenz schwere Migräneattacken aufgetreten und ab November/Dezember 1975 habe sich der Gesundheitszustand erheblich verschlechtert (Fieber, Ödeme, Herzbeschwerden und Tachykardien). Trotz bereits bestehender Endokarditis sei ihr ca. im Februar 1976 ein Psychopharmakon verordnet worden. Zudem habe sie eine Nacht mit einer Doppelmörderin verbringen müssen, die sie tätlich angegriffen habe.

Der Beklagte holte Auskünfte von den Justizvollzugsanstalten Stollberg, Gera II und Chemnitz sowie der AOK Schwelm ein. Des Weiteren zog er einen Bericht des St. F-Krankenhaus in S von Mai 1994 bei, in dem als Diagnosen u. a. eine Migräne seit 1961 und ein Zustand nach Röntgenbestrahlung der linken Brust wegen Mastitis puerperalis 1971 aufgeführt sind. Zudem forderte er die beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR archivierten Gesundheitsunterlagen über die Klägerin an. Behandlungen der Klägerin in den Krankenabteilungen der Haftanstalten sind für die Zeit vom 18.01. bis 27.01.1976, 28.01. bis 05.02.1976, 04.04. bis 13.04.1976 und 27.04. bis 30.04.1976 dokumentiert.

Des Weiteren holte der Beklagte ein internistisches Gutachten von Dr. T, Oberarzt der Medizinischen Klinik X-damm in E, ein. Der Sachverständige führte aus, dass bei der Klägerin das Brustdrüsen-Tumorleiden im 42. Lebensjahr aufgetreten ist; ob eine 17 Jahre (1971) zuvor erfolgte Strahlenbehandlung einer Brustdrüsenentzündung einen fördernden Einfluss auf die Ausbildung des Tumorleidens gehabt habe, sei eine vage Möglichkeit. Eine sichere oder zumindest überwiegend wahrscheinliche Ursachen-Wirkungs-Beziehung zwischen der Bestrahlung und der Tumorentwicklung sei nicht gegeben. Noch viel weniger gelte dies für eine Ursachen-Wirkungs-Beziehung zwischen schädigenden (vor allem psychischen belastenden) Ereignissen während der Inhaftierung in der DDR und der etwa zwölf Jahre später aufgetretenen Mammatumor-Erkrankung. Seiner Auffassung nach bestehe noch nicht einmal die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges. Bei der abgelaufenen Endokarditis habe es sich um ein akutes Krankheitsbild gehandelt, das maximal eine Dauer von wenigen Wochen gehabt habe. Eine dauerhafte Schädigung sei nicht nachweisbar.

Nachdem sich die Klägerin nicht zu einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung bereit erklärt hatte, lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 22.11.1995 unter Hinweis auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ab. Nach Lage des derzeitigen Akteninhalts sei nicht erwiesen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgung nach dem StrRehaG erfüllt seien.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe während der Inhaftierung neben einer verstärkten Migräne eine Endokarditis erlitten, die inzwischen ausgeheilt sei. Sie sei aber davon überzeugt, dass die Tumorerkrankung auf die Haftbedingungen zurückzuführen sei.

Der Beklagte holte ein Gutachten von dem Leitenden Arzt der Medizinischen Klinik für Onkologie/Hämatologie des F-Krankenhauses in S, Prof. Dr. G, ein. Prof. Dr. G gelangte zu dem Ergebnis, dass ein indirekter Zusammenhang zwischen der Karzinomerkrankung der Klägerin und den Haftbedingungen sowie den psychosozialen Stressauswirkungen bestehen könne. Dass diese Sichtweise umstritten sei, zumal sie lediglich auf eine Studie basiere, sei dabei durchaus zu beachten. Er wies darauf hin, dass neben den psychosozialen Faktoren sicherlich auch eine grundsätzliche Prädisposition bei der Entwicklung eines Mammakarzinoms in Betracht gezogen werden müsse. Auffällig sei in der Krankenanamnese eine bereits 1971 erstmalig aufgetretene linksseitig betonte Brustdrüsenentzündung, die in zweimaliger Sitzung bestrahlt worden sei. Unter Berücksichtigung der nachweislich starken psychischen Auswirkungen der Haft plädiere er für eine Anerkennung des Krebsleidens als Folge der Haftbedingungen im weitesten Sinne.

Nach versorgungsärztlicher Auswertung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15.07.1997 einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung nach dem HHG und nach dem StrRehaG ab. Unter Einbeziehung dieses Bescheides wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.1998, per Einschreiben am 09.03.1998 zur Post gegeben, zurück. Ein Zusammenhang zwischen der Karzinomerkrankung und der Inhaftierung sei nicht nachgewiesen. Die Voraussetzungen einer Kannversorgung seien ebenfalls nicht erfüllt. Ob die Migräne als Haftschaden anzuerkennen sei, könne nicht festgestellt werden, weil sich die Klägerin zu einer neurologischen Untersuchung nicht bereit erklärt habe.

Mit der am 14.04.1998 (Dienstag nach Ostern) vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin die Anerkennung einer Krebserkrankung und eines Migräneleidens als Schädigungsfolgen begehrt. Sie hat dargetan, dass nach den Feststellungen von Prof. Dr. G eine Kausalität zwischen der erlittenen Haft und dem Auftreten der Krebserkrankung wahrscheinlich sei. Zumindest lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung des Krebsleidens als Schädigungsfolge im Rahmen der Kannversorgung vor. Die erhebliche psychische Traumatisierung in der Haft habe zu einer Schwächung des Immunsystems geführt, auf das die Gesundheitsstörungen zurückzuführen seien. Trotz der Herzbeschwerden sei ihr ohne ihr Wissen Oral-Turinabol verordnet worden. Es handele sich hierbei um ein Anabolikum. Zudem sei sie während der Arbeit in dem Haftanstaltsbetrieb der Exposition mit aromatisierten Kohlenwasserstoffen ausgesetzt gewesen.

Das SG hat zunächst ein psychotraumatologisches Gutachten von Dr. I, Deutsches Institut für Psychotraumatologie in L, angefordert. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung im Sinne der ICD-10 und DSM IV nicht vorläge. Aus psychotraumatologischer Sicht könne der Aussage von Prof. Dr. G zugestimmt werden, wonach einiges dafür spreche, dass ein Zusammenhang zwischen den Haftereignissen und -bedingungen und der Krebsentstehung möglich sei. Das vermehrte Auftreten der körperlichen Beschwerden während der Haftzeit, die besondere psychische und physische Belastung während der Inhaftierung, der Tötungsversuch durch eine psychisch Kranke, der Verlust der engsten Familienangehörigen, die besonders erforderliche Wachsamkeit vor Verrat und der tatsächlich stattgefundene Verrat, hätten insgesamt zu erheblichen körperlichen Reaktionen geführt. Bei einer Anerkennung der Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge seien die die Erkrankung begleitenden Anpassungsstörungen als mittelgradig einzustufen. Es werde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (v. H.) vorgeschlagen.

Des Weiteren hat das SG ein internistisches Gutachten von Prof. Dr. T1, Medizinische Klinik und Poliklinik I der Universität C, eingeholt. Der Sachverständige hat das Gutachten nach Aktenlage erstattet, weil die Klägerin eine Untersuchung abgelehnt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind nur 50 Prozent der Fälle von Erkrankungen des Mammakarzinoms durch Risikofaktoren zu erklären. Es bestünden Hinweise darauf, dass ein erhöhtes Risiko zur Entstehung von einem Mammakarzinom durch die Exposition mit aromatischen Kohlenwasserstoffen und dem erlittenen traumatischen Stress bestehen. Die genannten Risikofaktoren seien aber nicht unumstritten. Wie im psychotraumatologischen Gutachten beschrieben, bestehe eine mittelgradige Anpassungsstörung, die durch die Haft verursacht sei. Die Darstellung der Haftbedingungen der Klägerin im Schriftsatz vom 28.07.1998 seien als glaubhaft anzusehen. Insgesamt sei die MdE um 60 v. H. zu bewerten. Ein erhöhtes Risiko durch die Ovosiston-Einnahme sei nicht gegeben. Dafür erscheine unter anderem die Zeitspanne der Einnahme zu kurz und die Dosis als zu gering. In diesem Zusammenhang verwies er auf eine Anfrage bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

In ergänzenden Stellungnahmen hat Prof. Dr. T1 erläuternd ausgeführt, dass die Haft zur Entstehung des Mammakarzinoms beigetragen haben könne, obwohl die Krebserkrankung der Klägerin erst zwölf Jahre nach dem Haftaufenthalt entstanden sei. Allgemein sei festzustellen, dass die Genese des Mammakarzinoms bei den nicht familiären Varianten bisher nicht zur Genüge aufgeklärt sei. Selbst in der Beurteilung, ob Stress sicher ein Risikofaktor zur Entstehung eines Mammakarzinoms sei, gebe es in der Fachwelt unterschiedliche Auffassungen. Die Voraussetzungen für eine Kannversorgung hat der Sachverständige bejaht. Das allgemeine Risiko an Brustkrebs zu erkranken sei bei der Klägerin durch die Exposition mit aromatischen Kohlenwasserstoffen und dem erlittenen traumatischen Stress erhöht worden. Das eher psychisch traumatisierende Ereignis mit der Doppelmörderin könne hingegen nicht mit der Entstehung eines Mammakarzinoms in Zusammenhang gebracht werden.

Unter Beifügung von versorgungsärztlichen Stellungnahmen hat der Beklagte die Voraussetzungen für die Anerkennung der Krebserkrankung im Rahmen einer Kannversorgung weiterhin verneint.

Mit Urteil vom 16.07.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.

Gegen das ihr am 30.07.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.08.2002 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Karzinomerkrankung im Rahmen der Kannversorgung anzuerkennen sei. Sie habe durch die Haft psychische und andere gesundheitliche Schäden erlitten, insbesondere eine ganz erhebliche Verschlimmerung ihres vor der Haft nur sporadisch und gelinde auftretenden Migräneleidens. Durch die psychisch extrem belastenden Umstände der Haft, die inadäquate Behandlung ihrer Herzerkrankung, die zwangsweise Beschäftigung mit gesundheitsschädlichen Stoffen durch Arbeitsleistungen während der Haft, die anerkanntermaßen Krebs fördernde Ausdünstungen gehabt hätten, sowie durch die Gabe von Anabolika (Februar bis Mai) habe sie erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten, die auch nach ihrer Entlassung aus der Haft zu erheblicher Fortdauer der Migräneerkrankung und zum Ausbruch der Karzinomerkrankung geführt hätten. Zudem habe sie ca. 14 Tage ein Psychopharmakon eingenommen. Die Haft sei als Summationstrauma zu beurteilen. Sie habe bei ihr eine anhaltende Immunschwäche ausgelöst, die in dem zwölfjährigen Intervall zwischen der schädigenden und resistenzvermindernden Haft mit körperlichen und seelischen Belastungen und der Anfang 1989 ausgebrochenen Brustkrebserkrankung in Zusammenhang stehe. Sie hat darauf hingewiesen, dass es in ihrer Familie keine bösartigen Tumorerkrankungen gegeben habe und gebe. Zur Bekräftigung ihres Vorbringens hat sie hinsichtlich der Risikoerhöhung von Brustkrebs im Falle eines beruflichen Kontakts mit Benzol sowie zu Lebenskrisen als Risikofaktor für das Mammakarzinom Berichte aus Zeitschriften beigefügt.

Mit Beschluss vom 19.12.2003 hat der Senat die BRD beigeladen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 16.07.2002 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1998 zu verurteilen, bei ihr ab April 1993 eine Karzinomerkrankung, ein Migräneleiden und eine Anpassungsstörung als Schädigungsfolgen anzuerkennen und Versorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Hilfsweise wird Folgendes beantragt:

Ein Sachverständigengutachten zu ihren physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch die rechtsstaatswidrige Haft in der DDR einzuholen, speziell:

a)
den Dauerkontakt mit giftigen Substanzen während der einjährigen Zwangsarbeit im Schichtdienst in der Strafanstalt I, denen sie unmittelbar und mittelbar über Hautkontakt, Atmung und Anpressen der zu wickelnden Motoren gegen den Oberkörper ausgesetzt war

b)
die medizinische Fehlbehandlung während der Haftendokarditis 1976 durch die nicht indizierte Gabe des Anabolikums OT (Oral-Turinabol), deren Auswirkungen sich auch bei ihrem im November 1977 neugeborenen zweiten Kind zeigten (flächenhaft ausgebildete Körperbehaarung)

c)
die Schwächung des Immunsystems während der Haftzeit durch eine über ein Jahr bestehende Amenorrhoe und die schwere, nicht adäquat behandelte fünfmonatige Infektion der Herzinnenhaut

d)
die extreme psychische Belastung durch die Entziehung des Kleinkindes und durch den Tötungsversuch einer Mitgefangenen durch Beiziehung der über sie geführten Akten der Strafanstalten in der damaligen DDR

e)
die Verschlimmerung des Migräneleidens während der Haftzeit in der DDR durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens, auch zu den in der Strafanstalt I verwendeten Substanzen für die Wickelungen von Elektromotoren;

weiter hilfsweise die Vernehmung von Zeugen, und zwar:

a)
Frau F U über die Arbeitsbedingungen bei der Firma W F U

b)
sowie Frau F B

c)
die im Schriftsatz vom 08.07.2004 und 27.04.2005 aufgeführten Zeugen zur Gewalttätigkeit der Doppelmörderin

d)
zur Verabreichung von Anabolika als Zeugen den Bruder und ihre Eltern sowie den Ehemann.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die angefochtene Verwaltungsentscheidung für rechtmäßig.

Die Beigeladene ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Brustkrebs bei der Klägerin als Schädigungsfolge auch im Rahmen der Kannversorgung nicht gegeben sind.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen Dr. I eingeholt, in der dieser betont, dass die Anpassungsstörung sowohl auf die Tumorerkrankung als auch auf die Haft zurückzuführen sei.

Des Weiteren hat der Senat den Neurologen und Psychiater Dr. W mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige ist nach eingehender Exploration und unter Berücksichtigung vergleichbarer Schicksale zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, dass auf nervenärztlichem Gebiet psychische Beeinträchtigungen und Störungen, die als kausale Faktoren der Karzinomerkrankung in Betracht kommen, nicht nachgewiesen seien. Eine Anpassungsstörung liege nicht vor. Das Migräneleiden sei durch den Freiheitsentzug und seine Folgen nicht wesentlich beeinflusst worden. Die Voraussetzungen einer Kannversorgung seien aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht erfüllt.

Des Weiteren hat der Senat Auskünfte bezüglich etwaiger Kenntnisse über den Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung an Brustkrebs und berufsbedingten Expositionen mit Benzolen oder polyzyklischen Kohlenwasserstoffen von der Landesanstalt für Arbeitsschutz, von dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung eingeholt. Der HVBG hat auf weitere Anfrage des Senats mit Schreiben von März 2006 mitgeteilt, dass im Hinblick auf Brustkrebserkrankungen keine gesicherten epidemiologischen Erkenntnisse bekannt seien, die die Überhäufung dieser Erkrankung in einer bestimmten Personengruppe belegen. Darüber hinaus seien auch keine gesicherten Erkenntnisse über die generelle Geeignetheit einer Berufsnoxe zur Verursachung von Brustkrebs bekannt.

Hinsichtlich der Anfrage des Senats, welchen Arbeitsstoffen Arbeitnehmer bei der von der Klägerin beschriebenen Tätigkeit unter Beachtung der damals in der DDR üblichen Technik ausgesetzt waren, hat die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik mit Schreiben von Juni 2006 ausgeführt, dass zur Aufklärung des arbeitstechnischen Sachverhaltes ein Technischer Aufsichtsbeamter eingeschaltet worden sei. Es habe ein Gespräch mit Herrn X stattgefunden, der im angegebenen Zeitraum in der Motorenfertigung der Haftanstalt I für die Qualitätssicherung zuständig gewesen sei. Zusatzstoffe wie Lösemittel, Reiniger oder Waschbenzin seien nach seiner Kenntnis nicht verwendet worden. Die Klägerin hat demgegenüber eingewandt, dass die Bänder nicht mit Rizinusöl, sondern mit einem nach Benzol riechenden Öl getränkt gewesen seien. Dies könnten noch weitere Mitgefangene bezeugen. Die Klägerin hat noch Auszüge aus einem von Frau U verfassten Buch (Erinnerungen an die DDR "Stell Dich mit den Schergen gut"), die selbst zweieinhalb Jahre im Frauengefängnis I inhaftiert gewesen ist, zu den Akten gereicht.

Der Beklagte hat unter Beifügung von versorgungsärztlichen Stellungnahmen seine bisherige Einschätzung bekräftigt und zusammenfassend ausgeführt, dass die Faktoren Stress und Belastungen mit karzinogenen Stoffen am Arbeitsplatz das individuelle Krebsrisiko nicht, wie in den Anhaltspunkten gefordert, erheblich erhöht hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtene Verwaltungsentscheidung nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Karzinomerkrankung, eines Migräneleidens und einer Anpassungsstörung als Schädigungsfolge.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die bloße Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG; Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R; Nr. 38 Abs. 1 AP 1996/2004). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Die Karzinomerkrankung ist nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen. Zur Überzeugung des Senats fehlt es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme an der erforderlichen Kausalität. Der Sachverständige Dr. T schließt einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen während der Haft und der zwölf Jahr später aufgetretenen Karzinomerkrankung aus. Prof. Dr. G hält einen Zusammenhang zwischen der Haft und der Karzinomerkrankung lediglich für möglich. Entsprechendes gilt im Ergebnis auch für die gehörten Sachverständigen Prof. Dr. T1 und Dr. I. Nach Prof. Dr. T1 liegen Hinweise darauf vor, dass ein erhöhtes Risiko zur Entstehung von einem Mammakarzinom durch die Exposition mit aromatischen Kohlenwasserstoffen und dem erlittenen traumatischen Stress bestehen. Die genannten Risikofaktoren seien aber nicht unumstritten. Dr. I führte aus, dass aus psychotraumatologischer Sicht ein Zusammenhang durchaus möglich erscheine.

Die Nichtanerkennung des Mammakarzinoms als Schädigungsfolge mangels Kausalität gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG steht im Einklang mit den Vorgaben des Berufskrankenheitenrechts. Der versorgungsrechtlich geschützte Bereich für unfallunabhängige Krankheiten/Gesundheitsstörungen bestimmt sich nach dem Vorbild des Berufskrankenheitenrechts (BSG, Beschluss vom 11.10.1994, 9 BV 55/94; BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92 zur Soldatenversorgung). Soweit bösartige Geschwülste maßgeblich auf beruflichen Schädigungen beruhen, sind sie nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht entschädigungspflichtige Berufskrankheiten (Nr. 142 Abs. 2 AP 2004; Nr. 142 Abs. 2 AP 1996, Nr. 141 Abs. 2 AP 1983).

Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Berufskrankenheitenrechts scheidet eine Anerkennung der Karzinomerkrankung als Schädigungsfolge im Hinblick auf die von der Klägerin aufgeführten Karzinogene aus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in der Haftanstalt I tatsächlich Benzol und/oder polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) ausgesetzt war. Zweifel bestehen deshalb, weil nach Kenntnis von Herrn X, der im angegebenen Zeitraum in der Motorenfertigung der Haftanstalt I für die Qualitätssicherung zuständig gewesen ist, Zusatzstoffe wie Lösemittel, Reiniger oder Waschbenzin nicht verwendet worden sind. Seine Ausführungen stehen im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T, der in seinem Gutachten festgehalten hat, dass die Klägerin nicht unter gesundheitsschädlichen Einwirkungen wie Lösungsmitteldämpfen oder Staubbelastung gestanden habe. Aber selbst wenn unterstellt wird, die Klägerin ist für ca. ein Jahr (04.07.1975 bis 25.06.1976) Benzol oder PAK ausgesetzt gewesen, käme eine Anerkennung des Brustkrebs als Schädigungsfolge unter Berücksichtigung der vom Senat eingeholten Auskünfte nicht in Betracht. So hat die Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 09.12.2002 ausgeführt, dass zwar nach dem derzeitigen Kenntnisstand die Krebs erregende Wirkung von Benzol beim Menschen nachgewiesen und für die PAK hinreichende Anhaltspunkte für die Verursachung von Krebserkrankungen beim Menschen bestehen. Zielorgan der Krebsverursachung sei aber beim Benzol als auch bei den PAK nicht die Brust, sondern beim Benzol das Blut bildende Knochenmark (Verursachung von Leukämien) und bei den PAK die Lunge (Verdacht auf die Verursachung von Lungenkrebserkrankungen). Hinweise auf einen Kausalzusammenhang zwischen einer berufsbedingten Exposition gegenüber Benzol oder PAK und der Erkrankung an Brustkrebs lägen nicht vor. Diese Auffassung hat die Landesanstalt für Arbeitsschutz des Landes NRW im Schreiben vom 02.11.2005 noch einmal bestätigt. Die Ausführungen decken sich mit den Auskünften des HVBG in den Schreiben vom 16.12.2002 und 09.11.2005. Danach sind keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber bekannt, dass Benzol oder PAK generell geeignet sind, Brustkrebs zu verursachen. Zudem hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Schreiben vom 11.12.2002 ausgeführt, dass keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse i. S. d. § 9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vorliegen und im Schreiben vom 25.10.2005 darauf hingewiesen, dass gegenüber der Mitteilung aus Dezember 2002 kein neuer Sachstand bestehe.

Die Migräne kann ebenfalls nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden. In Betracht kommt nur eine Anerkennung im Rahmen der Verschlimmerung, da die Klägerin bereits vor der Haft an Migräne gelitten hat. Es fehlt jedoch auch hier an der erforderlichen Kausalität. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W ist die Migräne hinsichtlich ihres Langzeitverlaufes durch die Freiheitsentziehung und deren Folgen nicht wesentlich beeinflusst worden ist. Erkenntnisse der Art, dass psychische Belastungsfaktoren zu einer dauerhaften Veränderung, insbesondere zur Verschlimmerung des Leidens führen, liegen in der wissenschaftlich begründeten neurologischen Lehrmeinung nicht vor. Die einschlägige, wissenschaftlich begründetet Literatur zur neurologischen und psychiatrischen Begutachtung enthält keine Darstellungen der Art, dass Migräne im kausalen Zusammenhang mit erlebnisreaktiven Faktoren gesehen wird. Die kausalen Faktoren dieses chronischen Leidens sind nach den Ausführungen von Dr. W weiterhin nicht geklärt. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Haft und der Migräne hat auch der Sachverständige Prof. Dr. T verneint.

Ungeachtet dessen, dass erstmals im Berufungsverfahren eine Anpassungsstörung geltend gemacht worden ist, war diese ebenfalls nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen. Entgegen der Ausführungen von Dr. I und Prof. Dr. T liegt eine Anpassungsstörung der Klägerin nicht vor. Insoweit hält der Senat die Ausführungen von Dr. W für zutreffend, die dieser sich nach sehr eingehender Exploration und unter Berücksichtigung vergleichbarer Schicksale gebildet hat. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin während der Haftzeit unter erheblichen psychischen Belastungen gelitten hat. Über den Rahmen unvermeidlicher seelischer Reaktionen auf die Inhaftierung hinausgehende abnorme oder krankheitswertige psychische Reaktionen sind nach den Feststellungen von Dr. W während der politischen Haft nicht aufgetreten. Denkbar wären Suizidalität im Rahmen einer reaktiven depressiven Störung, auto- oder fremdaggressive affektive Ausbrüche, die in der Psychiatrie auch als Haftknall bezeichnet werden. Bezüglich der heute für die ersten zwei Jahre nach der Haftentlassung geschilderten zwangsneurotischen Verhaltensweisen hat Dr. W eine psychodynamische Verknüpfung mit den Hafterlebnissen nicht feststellen können. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. W gibt es keinen ausreichenden Hinweis darauf, dass zeitnah oder im weiteren Verlauf eine irrationale bzw. emotional gestörte Verarbeitung des erlittenen Unrechts eingetreten ist.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch eine posttraumatische Belastungsstörung in Sinne der ICD-10 und DSM IV nach den zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. I nicht vorliegt. Im Übrigen ist die Anerkennung einer solchen Störung von der Klägerin weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren begehrt worden.

Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen waren auch nicht im Rahmen der Kannversorgung anzuerkennen. Nach § 21 Abs. 5 Satz 2 StrRehaG kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (jetzt Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (1. Halbsatz). Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden (2. Halbsatz).

Eine Kannversorgung kann nach den Anhaltspunkten (Nr. 142 Abs. 4 AP 2004; Nr. 142 Abs. 4 AP 1996; Nr. 141 Abs. 4 AP 1983) nur gewährt werden, wenn das allgemeine Risiko, an Krebs zu erkranken, durch Schädigungstatbestände individuell erheblich erhöht worden ist.

Dies trifft zu

a)
bei Personen, die durch dienstliche Verhältnisse in vermehrtem Maße der Einwirkung von für den entsprechenden Tumor bekannten karzinogenen Substanzen ausgesetzt waren, wobei aber die Exposition nicht so massiv war, dass man die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs annehmen könnte, andererseits aber auch nicht so gering war, dass man dieser Exposition im Verhältnis zu der Menge im täglichen Leben aufgenommener, gleichartig wirkender karzinogener Substanzen keine wesentliche Bedeutung zumessen könnte

b)
bei Personen mit chronischen Entzündungen, die mit schädigenden Einwirkungen in ursächlichem Zusammenhang stehen, sofern die chronische Entzündung über mindestens fünf Jahre bestanden und der Krebs sich in dem Gebiet der chronischen Entzündung entwickelt hat.

Nur für den Fall, dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist die generelle Zustimmung erteilt. Eine Kannleistung ist demnach zu versagen, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt die in den AP aufgeführten Voraussetzungen für die Zustimmung nicht vorliegen. Denn die AP für die Begutachtung der einzelnen Krankheiten sind i. V. m. der allgemeinen Zustimmung lückenlos. Sie enthalten nicht nur die Festlegung, wann im Einzelfall angenommen werden kann, dass die Zustimmung erteilt ist, sondern auch die Festlegung, wann sie nicht erteilt wird (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, a. a. O.).

Die Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Zur Überzeugung des Senats ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das allgemeine Risiko der Klägerin, an Krebs zu erkranken, nicht durch Schädigungstatbestände individuell erheblich erhöht worden. In Betracht kommt hier insbesondere nicht die Anerkennung des Tumors unter Berücksichtigung etwaiger Karzinogene. Zwar hat Prof. Dr. T ausgeführt, dass Hinweise darauf bestünden, dass ein erhöhtes Risiko zur Entstehung von einem Mammakarzinom durch die Exposition mit aromatischen Kohlenwasserstoffen und dem erlittenen traumatischen Stress bestehen. Er hat aber gleichzeitig eingeräumt, dass die genannten Risikofaktoren nicht unumstritten sind. Nach wenigstens einer medizinischen Lehrmeinung muss aber der Ursachenzusammenhang wahrscheinlich, nicht nur möglich sein (BSG; Urteil vom 10.11.1993, a. a. O.). Im Übrigen liegen nach den vom Senat letztmals in den Jahren 2005 und 2006 eingeholten Auskünften weiterhin keine Hinweise auf einen Kausalzusammenhang zwischen einer berufsbedingten Exposition gegenüber Benzol oder PAK und der Erkrankung an Brustkrebs vor. Beispielhaft sei das Schreiben des HVBG vom 09.03.2006 erwähnt, wonach im Hinblick auf Brustkrebserkrankungen keine gesicherten epidemiologischen Erkenntnisse bekannt sind, die die Überhäufung dieser Erkrankung in einer bestimmten Personengruppe belegen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der psychischen Belastungen ist eine Kannversorgung nicht gerechtfertigt. Zwar hält der Sachverständige Dr. G einen Zusammenhang für möglich und plädiert aufgrund der starken psychischen Auswirkungen infolge eines Traumas unter Haft für eine Anerkennung. Starke psychische Auswirkungen des Traumas liegen nach den zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W nicht vor. Psychische Beeinträchtigungen und Störungen sind, wie oben ausgeführt, nicht nachgewiesen, obwohl die Klägerin während der Haftzeit unter erheblichen psychischen Belastungen gelitten hat.

Ebenso wenig ist unter Berücksichtigung von psychosozialen Stressfaktoren eine Anerkennung im Rahmen der Kannversorgung gerechtfertigt. Der Sachverständige Prof. Dr. T hat zwar auf verschiedene Studien bezüglich des Zusammenhangs von Brustkrebs und Stress hingewiesen, aber auch ausgeführt, dass die von ihm erwähnten Zusammenhänge zwischen psychischen Stresssituationen und dem Ausbruch von Brustkrebserkrankungen nicht unumstritten sind. Die von ihm zitierte Studie von Roberts 1996 hat keinen Zusammenhang zwischen dem Ausbrechen von der Erkrankung und einem Stressereignis bei der Untersuchung von 258 Mamma-Karzinompatientinnen gezeigt. Auch wenn sich dieser Studie nach von Prof. Dr. T1 ein zwar nicht signifikanter, aber nachvollziehbarer Risikoeffekt zwischen dem Verlust eines nahen Freundes und dem Entstehen eines Mammakarzinoms entnehmen lässt und das von der Klägerin während der Haftzeit Erlittene nach Auffassung des Sachverständigen mindestens ebenso eine traumatische Stresssituation wie der Verlust eines nahen Freundes darstellt, ist zur Überzeugung des Senats eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. So spricht Prof. Dr. T nur von einem nachvollziehbaren Risikoeffekt. Im Übrigen ließen die von Prof. Dr. H, Universitäts-Frauenklinik S, im Deutschen Ärzteblatt vom 15.06.2001 zitierten Studien keinen Zusammenhang von beruflicher Belastung oder einschneidenden Erlebnissen (Krankheit, Scheidung, Arbeitsplatzverlust) und der Brustkrebsinzidenz erkennen.

Eine Anerkennung ist auch nicht im Hinblick auf eine Traumatisierung durch die Doppelmörderin gerechtfertigt. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. T ausgeführt, dass eine solche Traumatisierung nicht mit der Entstehung eines Mammakarzinoms in Zusammenhang zu bringen ist. Diese Auffassung teilt der Senat, zumal die Klägerin nur eine Nacht mit der Doppelmörderin untergebracht war und das Krebsleiden erst zwölf Jahr später aufgetreten ist.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin das Mittel Ovosiston verordnet bekommen hat, wobei die Akten zur Dauer der Einnahme unterschiedliche Angaben enthalten. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. G, bei dem die Klägerin weiterhin in Behandlung ist, hat die Klägerin im November 1975 das Mittel Oviston (richtig: Ovosiston) bekommen und wenig später eigenmächtig abgesetzt. Der Sachverständige Prof. Dr. T ist von einer ca. fünfmonatigen Einnahme ausgegangen (November 1975 bis zum März 1976). Schriftsätzlich wurde von der Klägerin ein Jahr angegeben.

Zur Überzeugung des Senats kann es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin tatsächlich ein Jahr lang Ovosiston eingenommen hat. Der Sachverständige Prof. Dr. T ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einnahme von Ovosiston nicht als Risikofaktor für den Entstehung des Brustkrebses anzusehen ist. Seiner Einschätzung steht nicht entgegen, dass er bei seiner Auffassung von einem ca. fünfmonatigen Zeitraum ausgegangen ist. Zum einen hat er darauf hingewiesen, dass es zweifelhaft ist, ob Östrogen überhaupt bei der Entstehung eines Brustkrebses eine Rolle spielen kann, auch wenn es Hinweise gebe, dass eine langfristige Östrogenabgabe, insbesondere bei prämenopausalen Frauen, zu einer erhöhten Inzidenz von Brustkrebskarzinom führen kann. Er hat nämlich betont, dass der Begriff längerfristige Gabe von Östrogen sich in diesem Falle auf Jahre beziehe und deshalb nicht auf die Klägerin zuträfe. Zudem hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Anfrage des Sachverständigen mitgeteilt, dass ihm Nebenwirkungsberichte zu Ovosiston im Zusammenhang mit einer Tumorbildung nicht vorliegen.

Ferner ergibt sich auch keine andere Beurteilung unter Berücksichtigung des verabreichten Turinabol, wobei auch hier die Akten zur Dauer unterschiedliche Angaben enthalten. Dass der Klägerin Turinabol verordnet worden ist, steht außer Frage. Dieses ergibt sich aus dem für die Zeit vom 28.01. bis 11.02.1074 angelegten Krankenblatt, wonach Dr. K am 04.02.1976 3 x 1 Oral-Turinabol verordnet hat. Während Prof. Dr. T von ein paar Tagen ausgegangen ist, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2006 einen Zeitraum von vier Monaten (Februar bis Mai) angegeben. Aber selbst wenn ein Zeitraum von vier Monaten unterstellt wird, hält der Senat die Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. T, Turinabol könne nicht mit einer Tumorentstehung in Zusammenhang gebracht werden, weiterhin für zutreffend. So liegen nach der von Prof. Dr. T eingeholten Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte auch zu diesem Arzneimittel keine Berichte im Zusammenhang mit einer Tumorbildung vor. Zudem berücksichtigen epidemiologische Studien in der Regel nur eine langfristige Hormoneinnahme, worauf die Beigeladene zu Recht unter Bezugnahme auf den Sachverständigen Prof. Dr. T hingewiesen hat. Insgesamt kann zur Überzeugung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Einnahme von Turinabol das allgemeine Risiko, an Krebs zu erkranken, wie in den AP gefordert, individuell erheblich erhöht worden ist, zumal der HVBG mit Schreiben vom 09.03.06 mitgeteilt hat, dass im Hinblick auf Brustkrebserkrankungen keine gesicherten epidemiologischen Erkenntnisse bekannt seien, die die Überhäufung dieser Erkrankung in einer bestimmten Personengruppe belegen.

Schließlich war auch die Verabreichung eines Psychopharmakon nicht geeignet, das Krebsrisiko individuell erheblich zu erhöhen. Dieses ist nach den Ausführungen von Prof. Dr. G und den eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2006 nur kurzzeitig (ca. 14 Tage) eingenommen worden.

Eine Anerkennung der Migräne im Rahmen der Kannversorgung ist ebenfalls nicht möglich. Nach Dr. W liegen aus nervenärztlicher Sicht die Voraussetzungen einer Kannversorgung nicht vor.

Ein Anspruch der Klägerin nach dem HHG ist ebenfalls nicht gegeben. Nach § 4 Abs. 1 HHG erhält ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Berechtigter, der infolge des Gewahrsams eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz), soweit ihm nicht wegen desselben schädigenden Ereignisses ein Anspruch auf Versorgung unmittelbar auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes zusteht.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 HHG genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (jetzt Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann auch allgemein erteilt werden (§ 4 Abs. 5 Satz 2 HHG). Die Anspruchsvoraussetzungen des HHG sind jedoch aus denselben Gründen wie bei der Prüfung eines Anspruchs nach dem StrRehaG nicht gegeben.

Im Übrigen würde ein Anspruch nach dem StrRehaG einem eventuellen Anspruch nach dem HHG vorgehen. Gemäß § 23 StrRehaG wird, wenn Ansprüche aus § 21 StrRehaG (Beschädigtenversorgung) mit Ansprüchen aus Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, zusammentreffen, die Versorgung unter Berücksichtigung der durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit nach diesem Gesetz gewährt. Das HHG ist ein Gesetz, das eine entsprechende Anwendung des BVG vorsieht.

Der Senat sah sich auch nicht gedrängt, weiteren Beweis, wie von der Klägerin beantragt, zu erheben. Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Arbeitsbedingungen bei der Firma VEB ELMO Thurm sowie der psychischen Belastungen hatte der Senat keine Zweifel, dass die von der Klägerin in ihrem Antrag und auch gegenüber Prof. Dr. G sowie im Schriftsatz vom 28.07.1998 nebst Anlage geschilderten Umstände nicht zutreffend sind. Diese waren auch den gerichtlich gehörten Sachverständigen bekannt; insoweit waren auch die Zeuginnen U und B und die Einholung eines Gutachtens entbehrlich, zumal auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet ein Gutachten eingeholt worden ist. Auch die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens war nach Auffassung des Senats entbehrlich. Bezüglich der etwaigen Karzinogene hat der Senat unterstellt, dass die Klägerin Benzol und/oder PAK ca. ein Jahr lang ausgesetzt war, obwohl die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik im Schreiben vom 13.06.2006 dies aufgrund einer Nachfrage bei Herrn X, der in der Zeit der Inhaftierung der Klägerin in der Motorenfertigung der Haftanstalt I für die Qualitätssicherung zuständig war, nicht bestätigt hat. Auch die Vernehmung der Eltern, des Bruders und des Ehemannes der Klägerin bezüglich der geltend gemachten Verabreichung von Anabolika war nach Auffassung des Senats entbehrlich. Wie bereits oben ausgeführt, war die Einnahme von Anabolika, selbst wenn ein Zeitraum von vier Monaten unterstellt wird, nicht geeignet, das Krebsrisiko der Klägerin erheblich zu erhöhen.

Der beantragten Vernehmung der Zeugen zur Gewalttätigkeit der Doppelmörderin war ebenfalls nicht nachzukommen. Die Übergriffe sind aktenkundig und werden von Seiten des Beklagten und des Senats auch nicht angezweifelt. Gleichwohl ist der Sachverständige Prof. Dr. T1 zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass das eher psychisch traumatisierende Ereignis mit der Doppelmörderin nicht mit der Entstehung eines Mammakarzinoms in Zusammenhang gebracht werden kann.

Auf die Amenorrhoe und die Endokarditis hatte die Klägerin bereits im Rahmen des im April 1993 gestellten Antrages hingewiesen, ebenso bei dem Sachverständigen Dr. T. Dieser hat ausgeführt, dass es sich bei der abgelaufenen Endokarditis um ein akutes Krankheitsbild gehandelt hat, das maximal eine Dauer von wenigen Wochen gehabt hat und ein dauerhaftes Schädigungsleiden nicht entstanden ist. Insgesamt hat Dr. T Schädigungsleiden auf internistischem Gebiet verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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