L 8 SB 212/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 2117/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 212/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2005 und der Bescheid des Beklagten vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere 324,80 EUR an außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.10.2004 die Erstattung einer Erledigungsgebühr nach den Nummern 1005, 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) verlangen kann.

Die 1960 geborene Klägerin wurde am 07.06.2002 Opfer eines Verkehrsunfalls (Auffahrunfall), bei dem sie sich ein schweres Trauma der Halswirbelsäule (HWS) zuzog. Nach einer zunächst nur ambulanten Behandlung am Unfalltag wurde sie wegen der Folgen dieses Verkehrsunfalls in der Zeit vom 09.06.2002 bis 14.06.2002 auch stationär in einem Krankenhaus behandelt.

Am 17.05.2004 stellte sie beim Versorgungsamt Freiburg einen Erstantrag nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). An Gesundheitsstörungen, die nach dem SGB IX berücksichtigt werden sollten, machte sie geltend: Wirbelsäule (HWS, LWS); Hirnblutungen, Kraftlosigkeit, Taubheit, Schmerzen in der rechten Hand bzw. Arm; Sehminderung; dystrophiles Lymphödem. Zum Nachweis dieser Gesundheitsstörungen legte sie verschiedene Arztberichte bei sowie das von einer privaten Versicherungsgesellschaft über die Klägerin in Auftrag gegebene orthopädische Gutachten vom 18.02.2004. Das Gutachten war der Klägerin von der Versicherungsgesellschaft ausgehändigt worden. Das Versorgungsamt selbst holte noch einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes ein und zog den Entlassungsbericht der P.-Klinik B. S. bei, in dem über das Ergebnis eines vom 11.05.2004 bis 08.06.2004 dauernden stationären Heilverfahrens der Klägerin berichtet wird. Diese Unterlagen wurden dann vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten ausgewertet. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.10.2004 wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von insgesamt 40 beschrieben: HWS-Schleudertrauma, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Mittelnervendruckschädigung rechts (Carpaltunnelsyndrom), chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 40), Lymphstauung der Beine (Teil-GdB 10), Sehminderung (Teil-GdB 10). Mit Bescheid vom 26.10.2004 stellte das Versorgungsamt den GdB bei der Klägerin mit 40 seit 01.06.2002 fest.

Mit einem am 08.11.2004 beim Versorgungsamt eingegangenen Schriftsatz vom 05.11.2004 zeigte Rechtsanwalt S. dem Beklagten seine Bevollmächtigung durch die Klägerin an und legte im Namen der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.10.2004 ein. Zur Begründung führte er aus, der GdB sei mit 40 zu gering bewertet. Es bestünden gesundheitliche Merkmale, welche die Schwerbehinderteneigenschaft begründeten. Aus dem neurologischen Gutachten des Dr. von K. vom 09.09.2004 (das er mit seinem Schreiben vorlegte) gehe hervor, dass allein aufgrund der neurologischen Schädigung eine erhebliche Beeinträchtigung vorliege. Der GdB möge daher unter Berücksichtigung dieses Gutachtens neu festgesetzt werden. Das vom Bevollmächtigten der Klägerin eingereichte Gutachten des Dr. von K., das ebenfalls im Auftrag der bereits erwähnten Versicherungsgesellschaft erstattet und der Klägerin ausgehändigt worden war, wurde mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.01.2005 ausgewertet. Danach wurde als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 20 benannt und der Gesamt-GdB wurde nunmehr mit 50 beurteilt.

Mit Abhilfebescheid vom 09.02.2005 wurde dem Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26.10.2004 abgeholfen. Der GdB wurde auf nunmehr 50 seit 07.06.2002 festgestellt. Des Weiteren wurde ausgeführt, die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei notwendig gewesen und die der Klägerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren würden im Rahmen des § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in vollem Umfang erstattet.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2005 machte der Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber dem Beklagten folgende Kostenerstattung geltend:

Geschäftgebühr (Nr. 2500 VV, § 3 RVG) 240,00 EUR Erledigungsgebühr (Nr. 1005, 1002 VV, § 3 RVG) 280,00 EUR Post-/Telekomm.-Gebühr (Nr. 7002 VV) 20,00 EUR Zwischensumme 540,00 EUR 16.0 % MwSt (Nr. 7008 VV) 86,40 EUR Endsumme 626, 40 EUR

Mit Bescheid vom 16.03.2005 setzte der Beklagte die Kosten wie folgt fest:

1. Gebühr 240,00 EUR 2. Auslagenpauschale 20,00 EUR 3. Fotokopiekosten 4. 16% Mehrwertsteuer 41,60 EUR Summe 301,60 EUR.

Zur Begründung wurde ausgeführt, bezüglich der geltend gemachten Erledigungsgebühr gemäß VV Nr. 1005 RVG werde auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22.02.1993 (Breithaupt 1993, S. 700) und insbesondere auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 09.08.1995 (9 RVS 2/94 und 9 RVS 7/94) hingewiesen. Hiernach erhalte ein Bevollmächtigter für seine Tätigkeit nur dann eine Erledigungsgebühr, wenn sein besonderes Bemühen dazu geführt habe, dass sich das Vorverfahren durch beiderseitiges Nachgeben ohne Erteilung eines Widerspruchsbescheides erledigt habe. Eine Erledigungsgebühr könne mithin nur dann gezahlt werden, wenn der Widerspruch durch einen Teilabhilfebescheid beendet werde. Bei der Erteilung eines (vollen) Abhilfebescheides fehle es an einem gegenseitigen Nachgeben wie beim Abschluss eines Vergleiches im gerichtlichen Verfahren oder bei einem teilweise abhelfenden Bescheid im Vorverfahren.

Dagegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein. Er machte geltend, die Erledigungsgebühr sei zu Unrecht nicht erstattet worden. Ein "besonderes Bemühen des Rechtsanwalts" sei nicht notwendig, ausweislich der Nr. 1002 VV sei lediglich die "anwaltliche Mitwirkung" erforderlich. Mitwirkung bedeute ein Tätigwerden des Rechtsanwalts in Richtung auf den später erzielten Erfolg. Aus der Gesetzesbegründung zum neu eingeführten RVG sowie zum Vergütungsverzeichnis gehe nicht hervor, dass es über die anwaltliche Mitwirkung hinaus besonderer zusätzlicher Voraussetzungen bedürfe. Ansonsten bestünde überhaupt kein Anwendungsfall mehr für eine Erledigungsgebühr. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2005 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Am 25.05.2005 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.12.2005 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Auf die Entscheidungsgründe des dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16.12.2005 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Klägerin am 16.01.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf die bisher eingereichten Schriftsätze Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, das Urteil des SG vermöge in den Entscheidungsgründen nicht zu überzeugen, da mit Einführung des RVG eine komplette Neustrukturierung der Anwaltsgebühren erfolgt sei. Etwaige Rechtsprechung zur alten Gesetzeslage greife daher nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum RVG sei ein "besonderes Bemühen des Rechtsanwaltes" eben gerade nicht erforderlich, es werde vielmehr auf die Sicht des Mandanten abgestellt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere 324,80 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 17.03.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 3 SGG zulässig und zum größten Teil begründet. Der Klägerin stehen an außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.10.2004 weitere 324,80 EUR (Mittelgebühr nach Nummer 1005 VV RVG einschl. Mehrwertsteuer) zu. Lediglich ein Anspruch auf die geltend gemachte Verzinsung besteht nach Ansicht des Senats nicht.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat, soweit ein Widerspruch erfolgreich gewesen ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Hierzu gehören auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, wenn seine Hinzuziehung - wie hier vom Beklagten im Bescheid vom 09.02.2005 entschieden - notwendig war. Maßgebend für die Erstattung der Aufwendungen des von der Klägerin beauftragten Rechtsanwalts sind die Vorschriften des seit dem 01.07.2004 geltenden RVG. Der Rechtsanwalt wurde nach der von ihm im Widerspruchsverfahren vorgelegten Vollmacht am 03.11.2004 beauftragt (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Der Senat geht davon aus, dass für die Frage, ob eine Erledigungsgebühr nach RVG VV Nr. 1002 i. V. m. 1005 angefallen ist, die zu § 24 BRAGO (bzw. § 116 Abs. 4 BRAGO) ergangene Rechtsprechung weiter maßgeblich ist (vgl. LSG NRW 29.09.2005 - L 2 KR 43/05 -; LSG Baden-Württemberg vom 07.03.2006 - L 3 AL 353/06 NZB -; Bay. LSG 04.04.2006 - L 5 KR 251/05 - und LSG NRW 22.08.2006 - L 1 AL 23/06 - m. w.N.). Danach reicht allein die Fertigung der Widerspruchsschrift nebst Begründung nicht aus, den zusätzlichen Gebührentatbestand auszulösen. Für erforderlich gehalten wird ein zusätzliches, gerade auf die unstreitige Erledigung des Verfahrens gerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts (vgl. hierzu die oben zitierte Rechtsprechung; aA BayVGH 12.06.2006 - 24 C 06.794 -: Tätigwerden des Anwalts in Richtung auf den später erzielten Erfolg genügt, ohne dass es darauf ankommt, worin dieses Tätigwerden besteht).

Im vorliegenden Fall ist ein zusätzliches Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin darin zu sehen, dass er ein der Verwaltung bis dahin nicht bekanntes Gutachten (neurologisches Gutachten des Dr. von K. vom 09.09.2004), das von einer privaten Versicherungsgesellschaft in Auftrag gegeben worden war, vorgelegt hat, und dessen Auswertung durch den ärztlichen Dienst des Beklagten zur Anerkennung der begehrten Eigenschaft als schwer behinderter Mensch geführt hat. Für den Senat ist entscheidend, dass es sich bei dem vorgelegten Dokument um ein vollständiges Gutachten handelt, das auf einer klinischen Untersuchung der Klägerin beruht, und nicht bloß um ein ärztliches Attest. Ein solches Gutachten bietet in aller Regel gut dokumentierte Befunde und ermöglicht es dem Beklagten daher, eine Entscheidung zu treffen, ohne selbst weitere Ermittlungen durchführen zu müssen. Wie der vorliegende Fall zeigt, sind derartige medizinische Unterlagen durchaus geeignet, eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Das vom Bevollmächtigten der Klägerin eingereichte Gutachten des Dr. von K. ist mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.01.2005 ausgewertet und danach ist eine weitere Funktionsbeeinträchtigung (Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 20) berücksichtigt worden, was zu einer Anhebung des Gesamt-GdB von 40 auf 50 geführt hat. Das Tätigwerden des Bevollmächtigten der Klägerin hat sich nicht allein auf die Einlegung und Begründung des Widerspruchs beschränkt. Aufgrund dessen ist eine Erledigungsgebühr gemäß VV - Nr. 1005 RVG angefallen.

Die Mitwirkungshandlung - Vorlage des Gutachtens - war auch kausal für die streitlose Erledigung des Widerspruchs. Erst durch das Gutachten des Dr. von K. hat der Beklagte seinen Standpunkt geändert. Zwar hat sich die vom Beklagten im Widerspruchsverfahren zusätzlich anerkannte Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenkes bereits aus den Unterlagen ergeben, die im Verwaltungsverfahren von der Klägerin vorgelegt oder vom Beklagten beigezogen worden sind. So ist im orthopädischen Gutachten vom 18.02.2004 ebenfalls eine Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes dokumentiert worden. Auch im Entlassungsbericht der P.-Klinik ist eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk beschrieben worden. Diese Befunde haben aber dem Beklagten nicht ausgereicht. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.01.2005 ist ausgeführt worden, das neurologische Gutachten des Dr. von K. bringe deutlich neue Aspekte in den Vordergrund, sodass ein erweiterter Tenor und eine Anpassung des GdB vorgeschlagen werde.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Klägerin mit der Vorlage des Gutachtens nur ihre Mitwirkungspflicht erfüllt habe. Denn die besondere, zu einer streitlosen Erledigung führende Mitwirkung und damit die optimale Erfüllung der Mitwirkungspflicht soll ja gerade durch die Erledigungsgebühr honoriert werden. Der Umstand, dass die Vorlage des Gutachtens möglicherweise noch im Verwaltungsverfahren (bis zum 26.10.2004) hätte erfolgen können, steht dem Anfall einer Erledigungsgebühr im vorliegenden Fall nicht entgegen. Zum einen steht nicht fest, wann die Klägerin das Gutachten des Dr. von K. von dem Versicherungsunternehmen erhalten hat. Zum anderen hat sie nicht wissen können, wann der Beklagte eine Entscheidung treffen wird und darüber hinaus konnte sie durchaus der Meinung sein, dass die von ihr bereits vorgelegten Unterlagen für eine Entscheidung in ihrem Sinne ausreichen. Für ein vorsätzliches Zurückbehalten des Gutachtens gibt es keine Hinweise.

Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht nach Ansicht des Senats allerdings nicht, weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über die Verzinsung fehlt (vgl. hierzu BSG 23.03.2006 - B 3 KR 6/05 R - juris). Der Vergleich von § 63 SGB X, der die Kostenerstattung im Vorverfahren regelt, mit § 197 SGG, der die Kostenfestsetzung nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens betrifft, zeigt, dass eine Verzinsung der Kosten im Fall des § 63 SGB X nicht vorgesehen ist. Denn diese Bestimmung verweist im Gegensatz zu § 197 SGG nicht auf die die Verzinsung regelnde Bestimmung des § 104 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Im Sozialgerichtsprozess werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) nur in den Verfahren erhoben, in denen in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung des 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 - BGBl I S. 2144 - genannten Personen gehören (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die in § 183 SGG genannten Personen sind Versicherte, Leistungsempfänger, einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I).

Die Voraussetzungen des § 183 SGG sind hier erfüllt, es liegt kein Fall des § 197a SGG vor. Allerdings dient der Anspruch auf Erstattung von Kosten für das Vorverfahren nicht der Verwirklichung sozialer Rechte des Einzelnen und ist daher keine Sozialleistung; er beruht außerdem nur auf Verwaltungsverfahrensrecht (BSG 24.07.1986 - 7 RAr 86/84 - USK 86242). Hinzu kommt, dass der Wortlaut des § 183 SGG auch nach der Rechtsprechung des BSG der einschränkenden Auslegung bedarf (BSG 20.12.2005 SozR 4-1500 § 183 Nr. 3). Der Gesetzgeber hat das Kostenprivileg des § 183 SGG zwar nicht ausdrücklich daran geknüpft, dass es um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I geht. Jedoch sprechen Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 183 SGG dafür, dessen Kostenprivileg in erster Linie Personen einzuräumen, die als Kläger oder Beklagte um derartige Leistungen streiten. Das Kostenprivileg kann deshalb z. B. auch Arbeitgebern zustehen, wenn es um Sozialleistungen oder zumindest um Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer Funktion wie bei "echten" Sozialleistungen iSd § 11 SGB I geht (BSG aaO). Im vorliegenden Fall rechtfertigt es der Umstand, dass die Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Feststellung ihrer Eigenschaft als schwer behinderter Mensch erstrebt hat, sie auch bei der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Kosten für dieses Vorverfahren als Behinderte iSd des § 183 SGG anzusehen und ihr das Kostenprivileg dieser Bestimmung zuzuerkennen.

Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, welche Anforderungen an die Nummern 1002 und 1005 VV RVG zu stellen sind und die Frage, ob in der Vorlage eines für eine private Versicherungsgesellschaft erstattetes Gutachten ein die Abrechung der Erledigungsgebühr rechtfertigendes zusätzliches, gerade auf die unstreitige Erledigung des Verfahrens gerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts zu sehen ist, grundsätzliche Bedeutung haben.
Rechtskraft
Aus
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