Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KN 1454/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 KNU 2437/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. März 2003 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird darüber geführt, ob eine Erkrankung des Klägers an malignen Melanomen als Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen und Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1956 geborene Kläger durchlief von September 1972 bis Juli 1975 in G., T. die Berufsausbildung zum Facharbeiter für Bergbautechnologie. In dieser Zeit hat er etwa 12 Monate unter Tage gearbeitet. Vom 8. Juli bis 30. November 1975 und nach Unterbrechung durch Krankheit wieder vom 31. März 1976 bis 28. Februar 1980 war er als Hauer im Abbau bei der SDAG W. im Objekt 09 A. unter Tage eingesetzt. Anschließend war der Kläger bis August 1980 Holzplatzarbeiter über Tage und bis 22. Januar 1981 Heizer. Sodann konnte er ins Bundesgebiet übersiedeln, wo er im Baugewerbe tätig war, zuletzt seit 1990 als Bauaufseher im Dienst der Stadt S ...
Im August 1995 beantragte der Kläger Anerkennung von Spätfolgen aus der Zeit der Bergbautätigkeit. Er sei seit 1993 wegen Hautkrebs in Behandlung. Hautärztin Dr. M.-H. bestätigte unter dem 4. März 1996, dass erstmals am 10. März 1993 ein seit Jahren bekannter Fleck auf dem Bauch, an Größe zunehmend, als malignes Melanom diagnostiziert und sogleich excidiert worden sei (vgl. auch Arztbrief des Paracelsus-Krankenhauses R. vom 14. April 1993); seither seien bei einem ebenfalls vorhandenen dysplastischen Nävussyndrom multiple Melanome aufgetreten. Die Diagnose war jeweils durch das Histologische Labor der Hautklinik der Universität T. gesichert worden. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten errechnete am 4. November 1996 eine kumulative Strahlenbelastung von 22,05 Millisievert (mSv). Fachärztin Dr. N. vom S. Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nahm unter dem 20. Januar 1997 Stellung. Sie führte aus, nach heutigem Kenntnisstand gelte der Einfluss ionisierender Strahlen auf die Entstehung des malignen Melanoms als wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert; eine Begutachtung werde nicht für erforderlich gehalten. Mit dieser Begründung erging der ablehnende Bescheid vom 3. März 1997. Mit dem Widerspruch legte der Kläger eine unterstützende Stellungnahme von Prof. Dr. G. von der Sektion für dermatologische Onkologie des Universitätsklinikums T. vom 17. Oktober 1997 vor, nach mehrfacher Auffassung in der Literatur könne eine Exposition gegenüber Uran die Entwicklung maligner Melanome fördern. Eine neue Berechnung des TAD vom 14. November 1997 ergab eine kumulative Strahlenbelastung von 16,20 mSv. Fachärztin Dr. N. erläuterte in der neuen Stellungnahme vom 29. Januar 1998, die ermittelte Belastung liege weit unter der zulässigen Dosis von 500 mSv; die von Prof. Dr. G. genannte Literatur beschäftige sich mit Organkrebsen und Leukämie, nicht jedoch mit malignen Melanomen, bei denen die beim Kläger vorhandenen dysplastischen Nävi, einen vorrangigen, genetisch determinierten Risikofaktor darstellten. Auf diese Darlegungen wurde zur Begründung des zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 23. April 1998 verwiesen.
Mit der am 19. Mai 1998 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger eine neue Stellungnahme des Prof. Dr. G. vom 8. Mai 1998 mit Auflistung der Behandlungen (bisher Excision von 10 malignen Melanomen sowie von 72 melanozytären Nävi) vorgelegt; die angeschuldigte Strahlenbelastung könne plausibel für die hier gegebene außergewöhnliche Belastung mit Melanomen verantwortlich gemacht werden. Das SG hat zunächst Prof. Dr. Dr. St., Leiter des Instituts für Medizinische Strahlenbiologie des Universitätsklinikums E. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat im Gutachten vom 16. November 1998 ausgeführt, die Strahlendosis in der Haut habe in der Beschäftigungszeit des Klägers in einem Bereich insgesamt unterhalb von 50 mSv gelegen. Bei dieser Exposition trete die Verursachungswahrscheinlichkeit gegenüber dem bereits zitierten Risikofaktor eines dysplastischen Nävussyndroms entscheidend zurück. Insgesamt habe die Erkrankungsrate durch Melanome insbesondere bei ansteigender Exposition durch Sonnenlicht in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Die für Hautkrebs gefundenen Erkenntnisse könnten insoweit nicht übernommen werden. Ausreichend gesicherte wissenschaftliche Kenntnisse lägen insoweit nicht vor. Auf Einwendungen des Klägers insbesondere zu den zugrunde gelegten Daten hat Prof. Dr. Dr. St. unter dem 8. Februar 1999 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, die zugrunde gelegten Daten seien aus dem als zuverlässig anerkannten Gutachten von J. und R. aus dem Jahr 1995 übernommen worden. Für die Beschäftigungszeit des Klägers seien genauere Angaben zugänglich als für frühere Zeiträume. Es sei zu wiederholen, dass die Erkenntnisse zu anderen Hautkrebsarten nicht auf Melanome übertragen werden könnten. Für den Kläger ist entgegengehalten worden (Schriftsatz vom 16. März 1999), die Auffassung des Sachverständigen berücksichtige nicht die im damaligen Bergbau übliche Exposition des Körpers. Prof. Dr. K. von der Klinischen Nuklearmedizin des Universitätsklinikums M. hat das nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beantragte Gutachten vom 9. September 1999 erstattet. Er hat zusammenfassend dargelegt, auch wenn die kumulative Strahlenbelastung der Haut nicht genau zu ermitteln sei, würde sie durch die bisherigen Berechnungen massiv unterschätzt sein. Der Beitrag durch Alpha- und Betastrahlen sowie durch die selektive Aufnahme von Radium in Melanozyten sei nicht beachtet worden. Auch beim bekannten dysplastischen Nävussyndrom sei die ungewöhnlich massive Ausprägung der Hauterscheinungen an regelmäßig besonders radioaktiv kontaminierten Stellen ohne die berufliche Exposition nicht denkbar. Die bisher gehörten Ärzte versuchten, für seltene Untergruppen die ursächlichen Zusammenhänge abzustreiten, obwohl der grundsätzliche Mechanismus der Verursachung eines Tumors durch Strahlen letztlich immer derselbe sei. Die Beklagte hat (Schriftsatz vom 29. Dezember 1999) den Nachweis einer generellen Geeignetheit der angeschuldigten Einwirkungen auch bei Zugrundelegung der von Prof. Dr. K. genannten Daten verneint; der Kläger (Schriftsatz vom 3. Februar 2000) hat sich dem Gutachten als uneingeschränkt nachvollziehbar angeschlossen. Prof. Dr. D., ärztlicher Direktor der Abteilung klinische Sozialmedizin mit Schwerpunkt des Gesundheitssystemforschung, Berufs- und Umweltdermatologie des Universitätsklinikums H. hat das Gutachten vom 25. Juli 2001 erstattet. Eindeutige Daten für eine Erhöhung maligner Melanome durch Strahlung fehlten weiterhin. Über diesen Stand könne sich auch Prof. Dr. K. nicht hinwegsetzen. Es sei deshalb gerade zu fragen, weshalb der Kläger bei seiner außergewöhnlichen Empfindlichkeit keinen anderen Hautkrebs entwickelt habe. Es verbleibe wiederum der Risikofaktor des dysplastischen Nävussyndroms. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass Patienten mit diesem Syndrom empfindlicher auf Strahlen reagierten; hierfür sei aber die derzeitige Datenlage nicht ausreichend. Nachdem Dr. M. von der Universitäts-Hautklinik T. in einem befürwortenden Schreiben vom 17. August 2001 Stellung genommen hatte, hat das SG ihn um die gutachterliche Äußerung vom 27. Februar 2002 gebeten. Er hat darauf hingewiesen, nach statistischer Erfassung der Universität T. vom 24. Oktober 2001 habe von insgesamt 5239 Patienten ein einziger, nämlich der Kläger 10 oder mehr Melanome aufgewiesen. Dies könne allein durch die Erbanlagen nicht mehr erklärt werden. Zwar seien beim Vater des Klägers Hinweise auf eine Krebserkrankung bekannt, nicht jedoch bei weiteren Verwandten. Bei den Kindern des Klägers seien Muttermale entfernt worden, jedoch kein Melanom aufgetreten. Damit sei eine wesentliche Teilursache anzunehmen. Die Beklagte hat (Schriftsatz vom 11. März 2002) die generelle Geeignetheit weiterhin als nicht erwiesen erachtet. Daraufhin hat Dr. M. unter dem 13. Mai 2002 seine Auffassung bekräftigt, über 10 Melanome ließen sich nicht mehr durch Erbanlagen erklären. Die Beklagte ist diesem Ergebnis wiederum entgegengetreten (Schriftsatz vom 19. Juni 2002). Durch Urteil vom 28. März 2003 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die maligne Melanom-erkrankung als Berufskrankheit zu entschädigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, die von der Beklagten und den deren Auffassung stützenden Sachverständigen geforderte generelle Geeignetheit dürfe nicht geprüft werden. Demgegenüber müsse die von Prof. Dr. K. und Dr. M. in den Vordergrund gerückte außergewöhnliche Erscheinung des Krankheitsbildes des Klägers in Abwägung der individuellen Risikofaktoren dazu führen, diesen Einzelfall günstig zu entscheiden. Im Übrigen wird auf die Gründe Bezug genommen.
Gegen das am 11. Juni 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Juni 2003 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat die gutachtliche Äußerung des Prof. Dr. Dr. St. vom 23. Dezember 2003 vorgelegt. Die Gamma-Strahlung müsse erheblich unter 50 mSv gelegen haben. Eine signifikante Zunahme von Melanomen sei bisher nicht beobachtet worden. Die genetische Anlage in Form eines dysplastischen Nävusyndroms beeindrucke weiterhin. Über die Verursachung von Melanomen durch Strahlen gebe es keine Daten. Selbst eine um den Faktor sechs erhöhte Empfindlichkeit des Klägers könne keinen signifikanten Beitrag der beruflichen Strahlenexposition zur Verursachung seiner Erkrankung begründen. Schließlich hat die Beklagte "erste Ergebnisse" der Studie "Die Deutsche Uranbergarbeiterkohortenstudie" vorgelegt, wonach bei den W.-Beschäftigten bei bösartigen Neubildungen ohne Lungentumoren eine Korrelation von beobachteten und erwarteten Todesfällen von 0,84 bestehe. Demgegenüber betrage dieser Wert bei Lungentumoren 1,83.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht sich die Begründung des angefochtenen Urteils zu eigen.
Der Senat hat eine ergänzende Äußerung von Dr. M. eingeholt. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 6. März 2005 hat dieser im Wesentlichen ausgeführt, beim malignen Melanom entarteten die sogenannten Melanozyten. Es sei anzunehmen, dass neben radioaktiver Strahlung mit ausreichender Durchdringtiefe auch Alpha-Strahlung letzten Endes auf Melanozyten in der Haut einwirken könnten. Diese hätten zwar kaum bzw. keine Durchdringtiefen bis zur Basalmembran der Haut, in der die Melanozyten angesiedelt seien, jedoch könnten feinste Partikel des radioaktiven Urans insbesondere im Bereich der Haarfollikel und Ausführungsgänge der Schweißdrüsen in die Haut abgleiten und Tiefen erreichen, in denen Melanozyten angesiedelt seien. Bei der Erkrankung des Klägers handele es sich um multiple maligne Melanome. Im Unterschied zum Auftreten eines malignen schwarzen Hauttumors, bestehe beim multiplen malignen Melanom immer eine ubiquitäre Vorschädigung des Gewebes. Daten und Überlegungen zum "malignen Melanom" könnten deshalb bei der Beurteilung der Ursache für das Auftreten des multiplen malignen Melanoms nicht herangezogen werden. Patienten, die wie der Kläger an einem dysplastischen Nävus Syndrom litten, entwickelten im Laufe des Lebens häufig ein Melanom, multiple Melanome seien aber äußerst selten. In der Weltliteratur sei kein Fall bekannt, bei dem mehr als 10 primäre Melanome aufgetreten seien. Deshalb sei aus seiner Sicht zu folgern, dass die beruflich bedingte Strahlenexposition des Klägers mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Ursache, zumindest Teilursache der Entstehung bzw. außergewöhnlichen Schwere der Erkrankung des Klägers darstelle. Gegen das Gutachten von Prof. Dr. Dr. St. wendet er im Wesentlichen ein, dass die Einwirkung von Alpha-Strahlen auf Melanozyten ausgeschlossen worden sei. Der Vergleich der Strahlendosis, die im Tierversuch an "Li-Fraumeni-Mäusen" zu erhöhten Krebsraten geführt habe, mit der abgeschätzten Dosis beim Kläger sei nicht zulässig und lasse schon deshalb keine relevante Aussage zu, weil es sich um eine andere Spezies handele und es unwahrscheinlich sei, dass beim Kläger das gleiche Gen (p53) betroffen sei wie beim Tierversuch. Bei der Auseinandersetzung mit den vorliegenden Studien habe Prof. Dr. Dr. St. nicht berücksichtigt, dass aus diesen für multiple Melanome keine Aussagen abgeleitet werden könnten. Aus diesem Grund trage insbesondere auch die Uranbergarbeiter-Kohortenstudie nicht zur Klärung im vorliegenden Fall bei. Vielmehr seien epidemiologische Untersuchungen nicht geeignet, Hinweise auf einen Anstieg der Häufigkeit für multiple maligne Melanome nach Bestrahlung zu liefern.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. St. zu den Ausführungen von Dr. M. eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2005 führt der Gutachter im Wesentlichen aus, dass die Berücksichtigung einer zusätzlichen Strahlendosis durch Eindringen von radioaktiven Stoffen in die Haut und dort auftretende Alpha-Strahlung zu keiner Erhöhung der von ihm zugrundegelegten Gesamtdosis führen könnte. Es sei nicht zu erkennen, dass die im Zusammenhang mit der genetischen Prädisposition stehende Erkrankung des Klägers an multiplen malignen Melanomen einerseits einen völlig neuen Krankheitstypus darstellen solle, anderseits aber Bezug auf Daten über "einfache" Melanom-Erkrankungen aus epidemiologischen Studien z.B. beim fliegenden Personal genommen werde. Zudem gehe auch Dr. M. davon aus, dass die Ausgangszellen für die Entwicklung sowohl von malignen Melanomen als auch von mulitplen malignen Melanome die Melanozyten seien. Das p53-Gen sei bei mehr als 50% aller humanen Krebse mutiert und sei auch bei der Entwicklung von Melanomen in etwa 20% der humanen Fälle beteiligt. Letztlich gebe es keinerlei epidemiologische Daten in der Literatur, die eine signifikante Erhöhung der Melanom-Raten nach Exposition durch ionisierende Strahlen belegten. Damit könne auch bei einer aufgrund einer – unterstellten- erhöhten Strahlenempfindlichkeit angenommenen Hautdosis von 300 mSv nicht angenommen werden, dass die Melanome beim Kläger durch die beruflich bedingte Strahlenexposition verursacht worden ist.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Unfall- sowie Rentenakten sowie der diesbezüglichen Klage- und Berufungsakten (SG Freiburg S 2 KNU 1454/98 und S 2 KN 2469/03, LSG L 13 KNU 2437/03 und L 13 KN 27/05) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das SG hat die Beklagte im angefochtenen Grundurteil (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) auf die Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers hin zu Unrecht verurteilt, die Melanomerkrankung zu entschädigen. Das Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung an - multiplen - malignen Melanomen als Berufskrankheit.
Der erhobene Anspruch richtet sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes). Das am 10. März 1993 erstmals operierte Melanom war vor diesem Zeitpunkt aufgetreten. Der Kläger schuldigt für die Erkrankung die in der DDR im Uranerzbergbau von 1975 bis 1980 unter Tage verrichteten Beschäftigungen an. Mithin ist noch das Dritte Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden; zu einem anderen Ergebnis führt, sofern überhaupt anwendbar, auch nicht die Übernahmeregelung des § 215 SGB VII in Verbindung mit § 1150 Abs. 2 Abs. 1 RVO, weil die Erkrankung nicht vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten ist und die in § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO aufgestellte Fiktion nicht für Krankheiten gilt, die - wie hier - einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993, nämlich im August 1995, bekannt geworden sind und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen sind (vgl. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO; Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-8100 Art. 19 Nr. 7; BSG SozR 3-8440 Nr. 50 und BSG, Urteile vom 20. Februar 2001 - B 2 U 11/00 R - und vom 26. Juni 2001 - B 2 U 31/00 R - veröffentlicht in Juris). Gleichermaßen sind die Bestimmungen der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden BKV vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343 - BKV -) maßgebend (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 13).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistung, insbesondere bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. Verletztenrente (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den sog. Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr. 2402 "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen".
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß grundsätzlich im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m.w.N.). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Tatsachen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vg. BSGE 45, 285, 286). Der Ursachenbegriff der wesentlichen Bedingung oder der mitwirkenden Ursache besagt, dass von den Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, also den Bedingungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, diejenigen berücksichtigt werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. etwa BSGE 54, 184, 185 = SozR 2200 § 589 Nr. 6 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist die haftungsbegründende Kausalität, also der Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung von ionisierenden Strahlen gegeben. Es steht fest, dass der Kläger zunächst während der Ausbildung 12 Monate, dann vom 8. Juli bis 30. November 1975 und vom 31. März 1976 bis 28. Februar 1980 im Objekt 09 A. der SDAG W. als Hauer im Abbau beschäftigt war. Hierbei war er nach den Erhebungen des TAD einer kumulativen Strahlenbelastung von 16,20 mSv oder 22,05 mSv ausgesetzt.
Bei der Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität ist zur Bejahung der Verursachungswahrscheinlichkeit erforderlich, dass der angeschuldigte und unspezifisch bezeichnete Stoff generell geeignet ist, das Krankheitsbild auszulösen und auch die Krankheit im Einzelfall wesentlich durch die schädigende Einwirkung mitverursacht ist. Der Kläger, der inzwischen als geheilt anzusehen sein dürfte, war spätestens im März 1993 an einem malignen Melanom erkrankt, das durch Excison behandelt worden ist. In der Folgezeit wurden weitere maligne Melanome beim Kläger festgestellt und ebenfalls entfernt. Es lässt sich jedoch bereits weder feststellen, dass ionisierende Strahlen generell geeignet sind, eine Erkrankung an einem malignen Melanom noch eine Erkrankung an multiplen malignen Melanomen hervorzurufen. Hierfür spricht auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Während bei bestimmt bezeichneten Berufskrankheiten die generelle Geeignetheit des angeschuldigten Stoffs im Rahmen der Kausalitätsprüfung rechtlich vermutet wird, hat das BSG bei Berufskrankheiten mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung die generelle Geeignetheit als eine Voraussetzung für Anerkennung und Entschädigung angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG - INFO 2000, 2811 f.). Dem schließt sich der Senat an. Anders als bei einem Arbeitsunfall, bei dem die Prüfung des nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit am individuellen Einzelfall auszurichten ist, muss der Kausalzusammenhang zwischen Erkrankungen und der versicherten Tätigkeit anhand der generellen Geeignetheit festgelegt bzw. vom Verordnungsgeber vermutet werden. Eine Kausalitätsvermutung greift in Fällen wie dem vorliegenden nicht ein. Die hier streitige Berufskrankheit Nr. 2402 bezeichnet allein die angeschuldigte Einwirkung (ionisierende Strahlen), nicht jedoch, welches Krankheitsbild diese typischerweise verursacht. Damit ist zunächst die generelle Geeignetheit ionisierender Strahlen zur Verursachung von - multiplen - malignen Melanomen festzustellen. Ob für das Vorliegen der generellen Geeignetheit der bestimmten Einwirkung für das Entstehen oder die Verschlimmerung der Erkrankung bei Berufskrankheitentatbeständen mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt oder ob hier der strengere Maßstab des vollen Nachweises zu fordern ist, hat das Bundessozialgericht offen gelassen. Zugunsten des Klägers geht der Senat davon aus, dass die generelle Geeignetheit nicht nachgewiesen, sondern lediglich hinreichend wahrscheinlich sein muss (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Februar 2004 - L 13 KN 1768/00 - veröffentlicht in Juris). Für diese Feststellung genügt es jedoch nicht, auf diejenigen medizinischen Kenntnisse zurückzugreifen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme des Stoffes in die Liste der Berufskrankheiten bewogen haben. Vielmehr muss unter Zuhilfenahme medizinischer Sachkunde geprüft werden, ob und welche Erkrankungen nach den neuesten gesicherten medizinischen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge ionisierender Strahlungen sind. Denn Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass der "Listenstoff" mit hinreichender Wahrscheinlichkeit generell geeignet ist, das Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zur Annahme der generellen Eignung sind in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 551 Abs. 2 RVO und § 9 Abs. 2 SGB VII "ausreichende" oder "gesicherte" Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu fordern (anderer Auffassung LSG für den Freistaat Sachsen, Urteil vom 29. Juni 2000 - L 2 KN 28/96 U -, Urteil vom 1. Februar 2001 - L 6 KN 59/98 U; LSG Berlin, Urteil vom 14. Januar 2003 - L 2 U 7/98 -; wie hier Sozialgericht Cottbus, Urteil vom 29. April 2002 - S 6 KN 122/00 U). Es reicht insoweit nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren, sondern es muss sich bereits eine sog. herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 1984 - 2 RU 67/82 - HVBG-Rundschreiben VB 53/94 m.w.N.). In diesem Sinne sind gesicherte oder ausreichende Erkenntnisse oder eine Absicherung durch statistisch relevante Zahlen zu verlangen. Im Regelfall kann die Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen gruppentypischen Risikoerhöhung nur durch die Dokumentation einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen Überwachung derartiger Krankheitsbilder begründet werden (Bundesverfassungsgericht SozR 2200 § 551 Nr. 11; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, wie zitiert).
Die Anerkennung und Entschädigung der - multiplen - Melanomerkrankung als Berufskrankheit scheitert hier nach dem obigen Maßstab daran, dass es derzeit an einem solchen wissenschaftlich gesicherten Wahrscheinlichkeitsurteil, wonach ionisierende Strahlung (Listenstoff) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit generell geeignet sind, maligne Melanome zu verursachen, fehlt. Gesicherte Erkenntnisse im Sinne einer herrschenden Meinung auf dem Gebiet der Arbeits- und Strahlenmedizin, die einen solchen Zusammenhang als hinreichend wahrscheinlich annehmen, liegen nicht vor. Aus der J.-II-Studie ergibt sich keine herrschende arbeitsmedizinische Auffassung, dass ionisierende Strahlung generell ein erhöhtes Risiko für die hier vorliegende Erkrankung nach sich ziehen kann. Die J.-II-Studie (vgl. dort S. 100) verzeichnet im Unterschied zu nahezu allen anderen Krebserkrankungen bei den Melanomen "keine Erhöhung". Im Übrigen fehlte es den dort gehörten Experten an statistischen Material und entsprechend großen Kollektiven für eine aussagekräftige epidemiologische Studie. Hierauf weist der TAD der Beklagten ebenso hin wie dies die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. St. und Prof. Dr. D. in ihren Gutachten dargelegt haben. Auch die den Anspruch des Klägers befürwortenden Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. M. haben keine empirischen oder epidemiologischen Aussagen treffen können, weil die jeweiligen Kohorten zu gering seien. Die den Anspruch des Klägers unterstützenden Sachverständigen müssen einräumen, dass es ihnen nicht möglich ist, hinreichend zur Frage der generellen Geeignetheit Stellung zu nehmen. Schließlich ergeben sich auch aus den ersten Ergebnissen der deutschen Uranbergarbeiterkohortenstudie hierzu keine neuen für den Kläger günstigeren Ergebnisse.
Soweit Dr. M. sich für die Annahme der Erhöhung der Melanomrate durch ionisierende Strahlung auf das fliegende Personal betreffende Studien beruft, hat zunächst Prof. Dr. Dr. St. hierzu überzeugend dargelegt, dass sich diesen Studien kein eindeutiger Zusammenhang mit ionisierenden Strahlen entnehmen lasse, da insoweit auch andere Faktoren insbesondere eine dem Freizeitverhalten zuzuordnende erhöhte UV-Strahlung diskutiert würden. Die Annahme einer Erhöhung der Melanomraten durch ionisierende kosmische Strahlung passe zudem nicht zu den Ergebnissen der anderen epidemiologischen Studien nach Einwirkung ionisierender Strahlung, bei denen es im Falle von Ganzkörperexpositionen zu einer Erhöhung der Leukämieraten gekommen sei, welche beim fliegenden Personal weder signifikant noch generell feststellbar gewesen sei. In keiner Weise überzeugen kann Dr. M., soweit er sich einerseits für den Nachweis eines Zusammenhangs der besonderen Melanom-Erkrankung des Klägers auf die das fliegende Personal betreffenden Studien beruft, anderseits die Auffassung vertritt, dass aus der J.-II-Studie für die Erkrankung des Klägers an multiplen malignen Melanomen keine Aussagen abgeleitet werden könnten.
Nach alledem fehlt es mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen an einer ausreichend begründeten medizinischen Lehrmeinung oder wissenschaftlichen Erkenntnissen, nach welchem die Exposition mit ionisierenden Strahlen generell geeignet ist, eine Melanomerkrankung zu verursachen; es spricht - auch wenn die Möglichkeit einer generellen Geeignetheit nicht ausgeschlossen ist - derzeit hierfür keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Unabhängig hiervon lässt sich auch nicht feststellen, dass die Krankheit im Einzelfall wesentlich durch die schädigende Einwirkung mitverursacht ist. Auch eine hier unterstellte erhöhte Empfindlichkeit des Klägers gegenüber ionisierenden Strahlen führt nicht weiter, weil nicht nachweisbar ist, dass ionisierende Strahlen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit generell geeignet sind, zur Entstehung von - multiplen - malignen Melanomen beizutragen. Die Krebserkrankung des Klägers lässt, worauf der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, nicht erkennen, ob sie durch ionisierende Strahlen versucht worden ist, da sich maligne Melanome nicht aufgrund ihrer jeweiligen Entstehungsursache unterscheiden. Auch vermögen die Darlegungen des Sachverständigen Dr. M. über den eindrucksvollen Einzelfall der Anzahl der beim Kläger aufgetretenen Melanome nicht durchzudringen. Diesbezüglich wird von einem Einzelfall einer sicherlich ungewöhnlichen Melanomerkrankung auf eine Verursachung geschlossen, die nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegt ist. Die solche Erkenntnisse verneinenden Sachverständigen haben hervorgehoben, dass der Kläger unter einem ebenfalls ungewöhnlich deutlichen dysplastischen Nävussyndrom leide, das typischerweise genetisch bedingt ist. Die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. M. haben demgegenüber dafür, dass diese Form der malignen Melanomerkrankung im Falle des Klägers nicht genetisch bedingt ist, sondern nur durch die Einwirkung ionisierender Strahlen entstehen konnte, keinen wissenschaftlichen Nachweis geliefert.
Schließlich dürfte auf der Grundlage der im Verfahren L 13 KN 27/05 vorliegenden medizinischen Gutachten derzeit auch nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kläger durch die Melanomerkrankung in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 20% gemindert ist.
Das Gericht ist der Anregung des Bevollmächtigten des Klägers, ein weiteres Mal die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. M. zu hören, nicht gefolgt, da die entscheidungserheblichen Fragen durch die vorliegenden Gutachten und deren Ergänzungen ausreichend geklärt sind. Das Ergebnis der ebenfalls angeregten molekularen Untersuchung des Klägers zur Feststellung, ob bei ihm das p53-Gen mutiert ist, wäre nicht entscheidungserheblich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird darüber geführt, ob eine Erkrankung des Klägers an malignen Melanomen als Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen und Verletztenrente zu gewähren ist.
Der 1956 geborene Kläger durchlief von September 1972 bis Juli 1975 in G., T. die Berufsausbildung zum Facharbeiter für Bergbautechnologie. In dieser Zeit hat er etwa 12 Monate unter Tage gearbeitet. Vom 8. Juli bis 30. November 1975 und nach Unterbrechung durch Krankheit wieder vom 31. März 1976 bis 28. Februar 1980 war er als Hauer im Abbau bei der SDAG W. im Objekt 09 A. unter Tage eingesetzt. Anschließend war der Kläger bis August 1980 Holzplatzarbeiter über Tage und bis 22. Januar 1981 Heizer. Sodann konnte er ins Bundesgebiet übersiedeln, wo er im Baugewerbe tätig war, zuletzt seit 1990 als Bauaufseher im Dienst der Stadt S ...
Im August 1995 beantragte der Kläger Anerkennung von Spätfolgen aus der Zeit der Bergbautätigkeit. Er sei seit 1993 wegen Hautkrebs in Behandlung. Hautärztin Dr. M.-H. bestätigte unter dem 4. März 1996, dass erstmals am 10. März 1993 ein seit Jahren bekannter Fleck auf dem Bauch, an Größe zunehmend, als malignes Melanom diagnostiziert und sogleich excidiert worden sei (vgl. auch Arztbrief des Paracelsus-Krankenhauses R. vom 14. April 1993); seither seien bei einem ebenfalls vorhandenen dysplastischen Nävussyndrom multiple Melanome aufgetreten. Die Diagnose war jeweils durch das Histologische Labor der Hautklinik der Universität T. gesichert worden. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten errechnete am 4. November 1996 eine kumulative Strahlenbelastung von 22,05 Millisievert (mSv). Fachärztin Dr. N. vom S. Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nahm unter dem 20. Januar 1997 Stellung. Sie führte aus, nach heutigem Kenntnisstand gelte der Einfluss ionisierender Strahlen auf die Entstehung des malignen Melanoms als wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert; eine Begutachtung werde nicht für erforderlich gehalten. Mit dieser Begründung erging der ablehnende Bescheid vom 3. März 1997. Mit dem Widerspruch legte der Kläger eine unterstützende Stellungnahme von Prof. Dr. G. von der Sektion für dermatologische Onkologie des Universitätsklinikums T. vom 17. Oktober 1997 vor, nach mehrfacher Auffassung in der Literatur könne eine Exposition gegenüber Uran die Entwicklung maligner Melanome fördern. Eine neue Berechnung des TAD vom 14. November 1997 ergab eine kumulative Strahlenbelastung von 16,20 mSv. Fachärztin Dr. N. erläuterte in der neuen Stellungnahme vom 29. Januar 1998, die ermittelte Belastung liege weit unter der zulässigen Dosis von 500 mSv; die von Prof. Dr. G. genannte Literatur beschäftige sich mit Organkrebsen und Leukämie, nicht jedoch mit malignen Melanomen, bei denen die beim Kläger vorhandenen dysplastischen Nävi, einen vorrangigen, genetisch determinierten Risikofaktor darstellten. Auf diese Darlegungen wurde zur Begründung des zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 23. April 1998 verwiesen.
Mit der am 19. Mai 1998 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger eine neue Stellungnahme des Prof. Dr. G. vom 8. Mai 1998 mit Auflistung der Behandlungen (bisher Excision von 10 malignen Melanomen sowie von 72 melanozytären Nävi) vorgelegt; die angeschuldigte Strahlenbelastung könne plausibel für die hier gegebene außergewöhnliche Belastung mit Melanomen verantwortlich gemacht werden. Das SG hat zunächst Prof. Dr. Dr. St., Leiter des Instituts für Medizinische Strahlenbiologie des Universitätsklinikums E. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat im Gutachten vom 16. November 1998 ausgeführt, die Strahlendosis in der Haut habe in der Beschäftigungszeit des Klägers in einem Bereich insgesamt unterhalb von 50 mSv gelegen. Bei dieser Exposition trete die Verursachungswahrscheinlichkeit gegenüber dem bereits zitierten Risikofaktor eines dysplastischen Nävussyndroms entscheidend zurück. Insgesamt habe die Erkrankungsrate durch Melanome insbesondere bei ansteigender Exposition durch Sonnenlicht in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Die für Hautkrebs gefundenen Erkenntnisse könnten insoweit nicht übernommen werden. Ausreichend gesicherte wissenschaftliche Kenntnisse lägen insoweit nicht vor. Auf Einwendungen des Klägers insbesondere zu den zugrunde gelegten Daten hat Prof. Dr. Dr. St. unter dem 8. Februar 1999 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, die zugrunde gelegten Daten seien aus dem als zuverlässig anerkannten Gutachten von J. und R. aus dem Jahr 1995 übernommen worden. Für die Beschäftigungszeit des Klägers seien genauere Angaben zugänglich als für frühere Zeiträume. Es sei zu wiederholen, dass die Erkenntnisse zu anderen Hautkrebsarten nicht auf Melanome übertragen werden könnten. Für den Kläger ist entgegengehalten worden (Schriftsatz vom 16. März 1999), die Auffassung des Sachverständigen berücksichtige nicht die im damaligen Bergbau übliche Exposition des Körpers. Prof. Dr. K. von der Klinischen Nuklearmedizin des Universitätsklinikums M. hat das nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beantragte Gutachten vom 9. September 1999 erstattet. Er hat zusammenfassend dargelegt, auch wenn die kumulative Strahlenbelastung der Haut nicht genau zu ermitteln sei, würde sie durch die bisherigen Berechnungen massiv unterschätzt sein. Der Beitrag durch Alpha- und Betastrahlen sowie durch die selektive Aufnahme von Radium in Melanozyten sei nicht beachtet worden. Auch beim bekannten dysplastischen Nävussyndrom sei die ungewöhnlich massive Ausprägung der Hauterscheinungen an regelmäßig besonders radioaktiv kontaminierten Stellen ohne die berufliche Exposition nicht denkbar. Die bisher gehörten Ärzte versuchten, für seltene Untergruppen die ursächlichen Zusammenhänge abzustreiten, obwohl der grundsätzliche Mechanismus der Verursachung eines Tumors durch Strahlen letztlich immer derselbe sei. Die Beklagte hat (Schriftsatz vom 29. Dezember 1999) den Nachweis einer generellen Geeignetheit der angeschuldigten Einwirkungen auch bei Zugrundelegung der von Prof. Dr. K. genannten Daten verneint; der Kläger (Schriftsatz vom 3. Februar 2000) hat sich dem Gutachten als uneingeschränkt nachvollziehbar angeschlossen. Prof. Dr. D., ärztlicher Direktor der Abteilung klinische Sozialmedizin mit Schwerpunkt des Gesundheitssystemforschung, Berufs- und Umweltdermatologie des Universitätsklinikums H. hat das Gutachten vom 25. Juli 2001 erstattet. Eindeutige Daten für eine Erhöhung maligner Melanome durch Strahlung fehlten weiterhin. Über diesen Stand könne sich auch Prof. Dr. K. nicht hinwegsetzen. Es sei deshalb gerade zu fragen, weshalb der Kläger bei seiner außergewöhnlichen Empfindlichkeit keinen anderen Hautkrebs entwickelt habe. Es verbleibe wiederum der Risikofaktor des dysplastischen Nävussyndroms. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass Patienten mit diesem Syndrom empfindlicher auf Strahlen reagierten; hierfür sei aber die derzeitige Datenlage nicht ausreichend. Nachdem Dr. M. von der Universitäts-Hautklinik T. in einem befürwortenden Schreiben vom 17. August 2001 Stellung genommen hatte, hat das SG ihn um die gutachterliche Äußerung vom 27. Februar 2002 gebeten. Er hat darauf hingewiesen, nach statistischer Erfassung der Universität T. vom 24. Oktober 2001 habe von insgesamt 5239 Patienten ein einziger, nämlich der Kläger 10 oder mehr Melanome aufgewiesen. Dies könne allein durch die Erbanlagen nicht mehr erklärt werden. Zwar seien beim Vater des Klägers Hinweise auf eine Krebserkrankung bekannt, nicht jedoch bei weiteren Verwandten. Bei den Kindern des Klägers seien Muttermale entfernt worden, jedoch kein Melanom aufgetreten. Damit sei eine wesentliche Teilursache anzunehmen. Die Beklagte hat (Schriftsatz vom 11. März 2002) die generelle Geeignetheit weiterhin als nicht erwiesen erachtet. Daraufhin hat Dr. M. unter dem 13. Mai 2002 seine Auffassung bekräftigt, über 10 Melanome ließen sich nicht mehr durch Erbanlagen erklären. Die Beklagte ist diesem Ergebnis wiederum entgegengetreten (Schriftsatz vom 19. Juni 2002). Durch Urteil vom 28. März 2003 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die maligne Melanom-erkrankung als Berufskrankheit zu entschädigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, die von der Beklagten und den deren Auffassung stützenden Sachverständigen geforderte generelle Geeignetheit dürfe nicht geprüft werden. Demgegenüber müsse die von Prof. Dr. K. und Dr. M. in den Vordergrund gerückte außergewöhnliche Erscheinung des Krankheitsbildes des Klägers in Abwägung der individuellen Risikofaktoren dazu führen, diesen Einzelfall günstig zu entscheiden. Im Übrigen wird auf die Gründe Bezug genommen.
Gegen das am 11. Juni 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Juni 2003 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat die gutachtliche Äußerung des Prof. Dr. Dr. St. vom 23. Dezember 2003 vorgelegt. Die Gamma-Strahlung müsse erheblich unter 50 mSv gelegen haben. Eine signifikante Zunahme von Melanomen sei bisher nicht beobachtet worden. Die genetische Anlage in Form eines dysplastischen Nävusyndroms beeindrucke weiterhin. Über die Verursachung von Melanomen durch Strahlen gebe es keine Daten. Selbst eine um den Faktor sechs erhöhte Empfindlichkeit des Klägers könne keinen signifikanten Beitrag der beruflichen Strahlenexposition zur Verursachung seiner Erkrankung begründen. Schließlich hat die Beklagte "erste Ergebnisse" der Studie "Die Deutsche Uranbergarbeiterkohortenstudie" vorgelegt, wonach bei den W.-Beschäftigten bei bösartigen Neubildungen ohne Lungentumoren eine Korrelation von beobachteten und erwarteten Todesfällen von 0,84 bestehe. Demgegenüber betrage dieser Wert bei Lungentumoren 1,83.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht sich die Begründung des angefochtenen Urteils zu eigen.
Der Senat hat eine ergänzende Äußerung von Dr. M. eingeholt. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 6. März 2005 hat dieser im Wesentlichen ausgeführt, beim malignen Melanom entarteten die sogenannten Melanozyten. Es sei anzunehmen, dass neben radioaktiver Strahlung mit ausreichender Durchdringtiefe auch Alpha-Strahlung letzten Endes auf Melanozyten in der Haut einwirken könnten. Diese hätten zwar kaum bzw. keine Durchdringtiefen bis zur Basalmembran der Haut, in der die Melanozyten angesiedelt seien, jedoch könnten feinste Partikel des radioaktiven Urans insbesondere im Bereich der Haarfollikel und Ausführungsgänge der Schweißdrüsen in die Haut abgleiten und Tiefen erreichen, in denen Melanozyten angesiedelt seien. Bei der Erkrankung des Klägers handele es sich um multiple maligne Melanome. Im Unterschied zum Auftreten eines malignen schwarzen Hauttumors, bestehe beim multiplen malignen Melanom immer eine ubiquitäre Vorschädigung des Gewebes. Daten und Überlegungen zum "malignen Melanom" könnten deshalb bei der Beurteilung der Ursache für das Auftreten des multiplen malignen Melanoms nicht herangezogen werden. Patienten, die wie der Kläger an einem dysplastischen Nävus Syndrom litten, entwickelten im Laufe des Lebens häufig ein Melanom, multiple Melanome seien aber äußerst selten. In der Weltliteratur sei kein Fall bekannt, bei dem mehr als 10 primäre Melanome aufgetreten seien. Deshalb sei aus seiner Sicht zu folgern, dass die beruflich bedingte Strahlenexposition des Klägers mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Ursache, zumindest Teilursache der Entstehung bzw. außergewöhnlichen Schwere der Erkrankung des Klägers darstelle. Gegen das Gutachten von Prof. Dr. Dr. St. wendet er im Wesentlichen ein, dass die Einwirkung von Alpha-Strahlen auf Melanozyten ausgeschlossen worden sei. Der Vergleich der Strahlendosis, die im Tierversuch an "Li-Fraumeni-Mäusen" zu erhöhten Krebsraten geführt habe, mit der abgeschätzten Dosis beim Kläger sei nicht zulässig und lasse schon deshalb keine relevante Aussage zu, weil es sich um eine andere Spezies handele und es unwahrscheinlich sei, dass beim Kläger das gleiche Gen (p53) betroffen sei wie beim Tierversuch. Bei der Auseinandersetzung mit den vorliegenden Studien habe Prof. Dr. Dr. St. nicht berücksichtigt, dass aus diesen für multiple Melanome keine Aussagen abgeleitet werden könnten. Aus diesem Grund trage insbesondere auch die Uranbergarbeiter-Kohortenstudie nicht zur Klärung im vorliegenden Fall bei. Vielmehr seien epidemiologische Untersuchungen nicht geeignet, Hinweise auf einen Anstieg der Häufigkeit für multiple maligne Melanome nach Bestrahlung zu liefern.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. St. zu den Ausführungen von Dr. M. eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2005 führt der Gutachter im Wesentlichen aus, dass die Berücksichtigung einer zusätzlichen Strahlendosis durch Eindringen von radioaktiven Stoffen in die Haut und dort auftretende Alpha-Strahlung zu keiner Erhöhung der von ihm zugrundegelegten Gesamtdosis führen könnte. Es sei nicht zu erkennen, dass die im Zusammenhang mit der genetischen Prädisposition stehende Erkrankung des Klägers an multiplen malignen Melanomen einerseits einen völlig neuen Krankheitstypus darstellen solle, anderseits aber Bezug auf Daten über "einfache" Melanom-Erkrankungen aus epidemiologischen Studien z.B. beim fliegenden Personal genommen werde. Zudem gehe auch Dr. M. davon aus, dass die Ausgangszellen für die Entwicklung sowohl von malignen Melanomen als auch von mulitplen malignen Melanome die Melanozyten seien. Das p53-Gen sei bei mehr als 50% aller humanen Krebse mutiert und sei auch bei der Entwicklung von Melanomen in etwa 20% der humanen Fälle beteiligt. Letztlich gebe es keinerlei epidemiologische Daten in der Literatur, die eine signifikante Erhöhung der Melanom-Raten nach Exposition durch ionisierende Strahlen belegten. Damit könne auch bei einer aufgrund einer – unterstellten- erhöhten Strahlenempfindlichkeit angenommenen Hautdosis von 300 mSv nicht angenommen werden, dass die Melanome beim Kläger durch die beruflich bedingte Strahlenexposition verursacht worden ist.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Unfall- sowie Rentenakten sowie der diesbezüglichen Klage- und Berufungsakten (SG Freiburg S 2 KNU 1454/98 und S 2 KN 2469/03, LSG L 13 KNU 2437/03 und L 13 KN 27/05) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das SG hat die Beklagte im angefochtenen Grundurteil (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) auf die Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers hin zu Unrecht verurteilt, die Melanomerkrankung zu entschädigen. Das Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung an - multiplen - malignen Melanomen als Berufskrankheit.
Der erhobene Anspruch richtet sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes). Das am 10. März 1993 erstmals operierte Melanom war vor diesem Zeitpunkt aufgetreten. Der Kläger schuldigt für die Erkrankung die in der DDR im Uranerzbergbau von 1975 bis 1980 unter Tage verrichteten Beschäftigungen an. Mithin ist noch das Dritte Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden; zu einem anderen Ergebnis führt, sofern überhaupt anwendbar, auch nicht die Übernahmeregelung des § 215 SGB VII in Verbindung mit § 1150 Abs. 2 Abs. 1 RVO, weil die Erkrankung nicht vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten ist und die in § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO aufgestellte Fiktion nicht für Krankheiten gilt, die - wie hier - einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993, nämlich im August 1995, bekannt geworden sind und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen sind (vgl. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO; Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-8100 Art. 19 Nr. 7; BSG SozR 3-8440 Nr. 50 und BSG, Urteile vom 20. Februar 2001 - B 2 U 11/00 R - und vom 26. Juni 2001 - B 2 U 31/00 R - veröffentlicht in Juris). Gleichermaßen sind die Bestimmungen der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden BKV vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343 - BKV -) maßgebend (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 13).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistung, insbesondere bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. Verletztenrente (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den sog. Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr. 2402 "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen".
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß grundsätzlich im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m.w.N.). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Tatsachen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vg. BSGE 45, 285, 286). Der Ursachenbegriff der wesentlichen Bedingung oder der mitwirkenden Ursache besagt, dass von den Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, also den Bedingungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, diejenigen berücksichtigt werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. etwa BSGE 54, 184, 185 = SozR 2200 § 589 Nr. 6 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist die haftungsbegründende Kausalität, also der Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung von ionisierenden Strahlen gegeben. Es steht fest, dass der Kläger zunächst während der Ausbildung 12 Monate, dann vom 8. Juli bis 30. November 1975 und vom 31. März 1976 bis 28. Februar 1980 im Objekt 09 A. der SDAG W. als Hauer im Abbau beschäftigt war. Hierbei war er nach den Erhebungen des TAD einer kumulativen Strahlenbelastung von 16,20 mSv oder 22,05 mSv ausgesetzt.
Bei der Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität ist zur Bejahung der Verursachungswahrscheinlichkeit erforderlich, dass der angeschuldigte und unspezifisch bezeichnete Stoff generell geeignet ist, das Krankheitsbild auszulösen und auch die Krankheit im Einzelfall wesentlich durch die schädigende Einwirkung mitverursacht ist. Der Kläger, der inzwischen als geheilt anzusehen sein dürfte, war spätestens im März 1993 an einem malignen Melanom erkrankt, das durch Excison behandelt worden ist. In der Folgezeit wurden weitere maligne Melanome beim Kläger festgestellt und ebenfalls entfernt. Es lässt sich jedoch bereits weder feststellen, dass ionisierende Strahlen generell geeignet sind, eine Erkrankung an einem malignen Melanom noch eine Erkrankung an multiplen malignen Melanomen hervorzurufen. Hierfür spricht auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Während bei bestimmt bezeichneten Berufskrankheiten die generelle Geeignetheit des angeschuldigten Stoffs im Rahmen der Kausalitätsprüfung rechtlich vermutet wird, hat das BSG bei Berufskrankheiten mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung die generelle Geeignetheit als eine Voraussetzung für Anerkennung und Entschädigung angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG - INFO 2000, 2811 f.). Dem schließt sich der Senat an. Anders als bei einem Arbeitsunfall, bei dem die Prüfung des nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit am individuellen Einzelfall auszurichten ist, muss der Kausalzusammenhang zwischen Erkrankungen und der versicherten Tätigkeit anhand der generellen Geeignetheit festgelegt bzw. vom Verordnungsgeber vermutet werden. Eine Kausalitätsvermutung greift in Fällen wie dem vorliegenden nicht ein. Die hier streitige Berufskrankheit Nr. 2402 bezeichnet allein die angeschuldigte Einwirkung (ionisierende Strahlen), nicht jedoch, welches Krankheitsbild diese typischerweise verursacht. Damit ist zunächst die generelle Geeignetheit ionisierender Strahlen zur Verursachung von - multiplen - malignen Melanomen festzustellen. Ob für das Vorliegen der generellen Geeignetheit der bestimmten Einwirkung für das Entstehen oder die Verschlimmerung der Erkrankung bei Berufskrankheitentatbeständen mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt oder ob hier der strengere Maßstab des vollen Nachweises zu fordern ist, hat das Bundessozialgericht offen gelassen. Zugunsten des Klägers geht der Senat davon aus, dass die generelle Geeignetheit nicht nachgewiesen, sondern lediglich hinreichend wahrscheinlich sein muss (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Februar 2004 - L 13 KN 1768/00 - veröffentlicht in Juris). Für diese Feststellung genügt es jedoch nicht, auf diejenigen medizinischen Kenntnisse zurückzugreifen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme des Stoffes in die Liste der Berufskrankheiten bewogen haben. Vielmehr muss unter Zuhilfenahme medizinischer Sachkunde geprüft werden, ob und welche Erkrankungen nach den neuesten gesicherten medizinischen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge ionisierender Strahlungen sind. Denn Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass der "Listenstoff" mit hinreichender Wahrscheinlichkeit generell geeignet ist, das Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zur Annahme der generellen Eignung sind in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 551 Abs. 2 RVO und § 9 Abs. 2 SGB VII "ausreichende" oder "gesicherte" Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu fordern (anderer Auffassung LSG für den Freistaat Sachsen, Urteil vom 29. Juni 2000 - L 2 KN 28/96 U -, Urteil vom 1. Februar 2001 - L 6 KN 59/98 U; LSG Berlin, Urteil vom 14. Januar 2003 - L 2 U 7/98 -; wie hier Sozialgericht Cottbus, Urteil vom 29. April 2002 - S 6 KN 122/00 U). Es reicht insoweit nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren, sondern es muss sich bereits eine sog. herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet gebildet haben (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 1984 - 2 RU 67/82 - HVBG-Rundschreiben VB 53/94 m.w.N.). In diesem Sinne sind gesicherte oder ausreichende Erkenntnisse oder eine Absicherung durch statistisch relevante Zahlen zu verlangen. Im Regelfall kann die Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen gruppentypischen Risikoerhöhung nur durch die Dokumentation einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen Überwachung derartiger Krankheitsbilder begründet werden (Bundesverfassungsgericht SozR 2200 § 551 Nr. 11; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, wie zitiert).
Die Anerkennung und Entschädigung der - multiplen - Melanomerkrankung als Berufskrankheit scheitert hier nach dem obigen Maßstab daran, dass es derzeit an einem solchen wissenschaftlich gesicherten Wahrscheinlichkeitsurteil, wonach ionisierende Strahlung (Listenstoff) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit generell geeignet sind, maligne Melanome zu verursachen, fehlt. Gesicherte Erkenntnisse im Sinne einer herrschenden Meinung auf dem Gebiet der Arbeits- und Strahlenmedizin, die einen solchen Zusammenhang als hinreichend wahrscheinlich annehmen, liegen nicht vor. Aus der J.-II-Studie ergibt sich keine herrschende arbeitsmedizinische Auffassung, dass ionisierende Strahlung generell ein erhöhtes Risiko für die hier vorliegende Erkrankung nach sich ziehen kann. Die J.-II-Studie (vgl. dort S. 100) verzeichnet im Unterschied zu nahezu allen anderen Krebserkrankungen bei den Melanomen "keine Erhöhung". Im Übrigen fehlte es den dort gehörten Experten an statistischen Material und entsprechend großen Kollektiven für eine aussagekräftige epidemiologische Studie. Hierauf weist der TAD der Beklagten ebenso hin wie dies die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. St. und Prof. Dr. D. in ihren Gutachten dargelegt haben. Auch die den Anspruch des Klägers befürwortenden Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. M. haben keine empirischen oder epidemiologischen Aussagen treffen können, weil die jeweiligen Kohorten zu gering seien. Die den Anspruch des Klägers unterstützenden Sachverständigen müssen einräumen, dass es ihnen nicht möglich ist, hinreichend zur Frage der generellen Geeignetheit Stellung zu nehmen. Schließlich ergeben sich auch aus den ersten Ergebnissen der deutschen Uranbergarbeiterkohortenstudie hierzu keine neuen für den Kläger günstigeren Ergebnisse.
Soweit Dr. M. sich für die Annahme der Erhöhung der Melanomrate durch ionisierende Strahlung auf das fliegende Personal betreffende Studien beruft, hat zunächst Prof. Dr. Dr. St. hierzu überzeugend dargelegt, dass sich diesen Studien kein eindeutiger Zusammenhang mit ionisierenden Strahlen entnehmen lasse, da insoweit auch andere Faktoren insbesondere eine dem Freizeitverhalten zuzuordnende erhöhte UV-Strahlung diskutiert würden. Die Annahme einer Erhöhung der Melanomraten durch ionisierende kosmische Strahlung passe zudem nicht zu den Ergebnissen der anderen epidemiologischen Studien nach Einwirkung ionisierender Strahlung, bei denen es im Falle von Ganzkörperexpositionen zu einer Erhöhung der Leukämieraten gekommen sei, welche beim fliegenden Personal weder signifikant noch generell feststellbar gewesen sei. In keiner Weise überzeugen kann Dr. M., soweit er sich einerseits für den Nachweis eines Zusammenhangs der besonderen Melanom-Erkrankung des Klägers auf die das fliegende Personal betreffenden Studien beruft, anderseits die Auffassung vertritt, dass aus der J.-II-Studie für die Erkrankung des Klägers an multiplen malignen Melanomen keine Aussagen abgeleitet werden könnten.
Nach alledem fehlt es mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen an einer ausreichend begründeten medizinischen Lehrmeinung oder wissenschaftlichen Erkenntnissen, nach welchem die Exposition mit ionisierenden Strahlen generell geeignet ist, eine Melanomerkrankung zu verursachen; es spricht - auch wenn die Möglichkeit einer generellen Geeignetheit nicht ausgeschlossen ist - derzeit hierfür keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Unabhängig hiervon lässt sich auch nicht feststellen, dass die Krankheit im Einzelfall wesentlich durch die schädigende Einwirkung mitverursacht ist. Auch eine hier unterstellte erhöhte Empfindlichkeit des Klägers gegenüber ionisierenden Strahlen führt nicht weiter, weil nicht nachweisbar ist, dass ionisierende Strahlen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit generell geeignet sind, zur Entstehung von - multiplen - malignen Melanomen beizutragen. Die Krebserkrankung des Klägers lässt, worauf der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, nicht erkennen, ob sie durch ionisierende Strahlen versucht worden ist, da sich maligne Melanome nicht aufgrund ihrer jeweiligen Entstehungsursache unterscheiden. Auch vermögen die Darlegungen des Sachverständigen Dr. M. über den eindrucksvollen Einzelfall der Anzahl der beim Kläger aufgetretenen Melanome nicht durchzudringen. Diesbezüglich wird von einem Einzelfall einer sicherlich ungewöhnlichen Melanomerkrankung auf eine Verursachung geschlossen, die nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegt ist. Die solche Erkenntnisse verneinenden Sachverständigen haben hervorgehoben, dass der Kläger unter einem ebenfalls ungewöhnlich deutlichen dysplastischen Nävussyndrom leide, das typischerweise genetisch bedingt ist. Die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. M. haben demgegenüber dafür, dass diese Form der malignen Melanomerkrankung im Falle des Klägers nicht genetisch bedingt ist, sondern nur durch die Einwirkung ionisierender Strahlen entstehen konnte, keinen wissenschaftlichen Nachweis geliefert.
Schließlich dürfte auf der Grundlage der im Verfahren L 13 KN 27/05 vorliegenden medizinischen Gutachten derzeit auch nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kläger durch die Melanomerkrankung in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 20% gemindert ist.
Das Gericht ist der Anregung des Bevollmächtigten des Klägers, ein weiteres Mal die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. M. zu hören, nicht gefolgt, da die entscheidungserheblichen Fragen durch die vorliegenden Gutachten und deren Ergänzungen ausreichend geklärt sind. Das Ergebnis der ebenfalls angeregten molekularen Untersuchung des Klägers zur Feststellung, ob bei ihm das p53-Gen mutiert ist, wäre nicht entscheidungserheblich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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