Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 AL 98/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 134/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 39/04 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 10. Oktober 2001 aufgehoben, soweit darin der Bescheid vom 16. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2001 auch für die Zeit vom 20. Oktober 2000 bis 24. Januar 2001 aufgehoben worden ist.
II. Die Beklagte hat 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darum, ob dem Kläger auch für die Zeit vom 20. Oktober 2000 bis zum 24. Januar 2001 Arbeitslosenhilfe zusteht.
Der Kläger reiste als Spätaussiedler am 18. März 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 4. März 1993 wurde seitens des Landkreises Fulda als Ausländerbehörde eine Anerkennung als Vertriebener abgelehnt. Der Kläger befand sich indes im Besitz einer vom Ausländeramt ausgestellten Duldung, in der die Abschiebung ausgesetzt und eine Arbeitsaufnahme mit Arbeitserlaubnis gestattet war. Die Duldung wurde jeweils vierteljährlich verlängert. Der Kläger bezog – mit Unterbrechungen – ab September 1994 Arbeitslosengeld und ab Oktober 1997 Anschlussarbeitslosenhilfe (Alhi). Unter dem 22. Juli 1999 teilte der Landkreis Fulda mit, dass die Ablehnung des Klägers als Vertriebener seit dem 10. Juli 1999 rechtskräftig sei. Die Beklagte bewilligte gleichwohl mit Bescheid vom 25. September 2000 für die Zeit vom 8. Oktober 2000 bis zum 7. Oktober 2001 Alhi. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2000 hob sie dann die Bewilligung der Alhi mit Wirkung ab 13. Oktober 2000 auf und führte zur Begründung aus, der Arbeitsmarkt sei für den Kläger verschlossen.
Dem widersprach der Kläger am 23. Oktober 2000 und berief sich zur Begründung auf den Alhi-bewilligenden Bescheid. Er habe beim Antrag auf Fortzahlung der Alhi auf die Duldung hingewiesen und sei vom Arbeitsamt dahingehend informiert worden, dass er weiterhin Arbeitslosenhilfe erhalte.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger, dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet sei, könne eine Arbeitserlaubnis nur unter Beachtung des Vorrangs der Deutschen und gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer, die einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis hätten, erhalten. Der deutsche Arbeitsmarkt sei ihm verschlossen, da sich auf dem ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfang seiner Arbeitsbereitschaft zugänglichen Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden lasse, für die ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Der Kläger habe in der Bundesrepublik Deutschland bisher Helfertätigkeiten im Zimmerer-, Bau- und Baunebengewerbe sowie als Lagerarbeiter ausgeübt und suche auch solche Tätigkeiten. Für Helfertätigkeiten auch anderer Art stünden dem Arbeitsamt eine Vielzahl arbeitsloser Arbeitnehmer zur Verfügung, die keine Arbeitserlaubnis benötigten oder einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne die Feststellung, dass der deutsche Arbeitsmarkt einem arbeitserlaubnispflichtigen Arbeitnehmer verschlossen sei, erst nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen (Prüffrist) getroffen werden. Diese Prüffrist betrage mindestens ein Jahr. Sie beginne mit dem Tag, an dem die Arbeitslosmeldung wirksam geworden sei. Für den Kläger habe die Prüffrist am 13. Oktober 1999 begonnen. Ab 13. Oktober 2000 seien somit die Voraussetzungen wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht mehr erfüllt gewesen.
Hiergegen richtete sich die am 22. Februar 2001 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) erhobene Klage. Der Kläger trug vor, er sei kein Ausländer, sondern Deutscher im Sinne des Art. 116 Grundgesetz (GG), so dass die Aufhebung der Bewilligung der Alhi rechtswidrig sei.
Das SG hat die Ausländerakte des Klägers beigezogen. Danach hatte das Verwaltungsgericht Kassel durch Urteil vom 26. Mai 1999 den Antrag der Ehefrau des Klägers, das Ausländeramt des Landkreises Fulda zu verpflichten, ihr einen Vertriebenenausweis auszustellen, abgewiesen. Das Urteil erlangte am 9. Juli 1999 Rechtskraft. Am 17. Dezember 1999 erhoben der Kläger und seine Ehefrau beim Verwaltungsgericht Kassel Feststellungsklage, dass sie deutsche Staatsangehörige im Sinne des Art. 116 GG seien. Nach Intervention des Verwaltungsgerichtes beim Ausländeramt wurde der Ehefrau des Klägers am 24. Januar 2001 ein Vertriebenenausweis A ausgestellt.
Durch Urteil vom 10. Oktober 2001 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger aus Härtegründen einen Anspruch auf Erteilung der Arbeitserlaubnis gehabt habe. Im Zeitpunkt der Beendigung des Widerspruchsverfahrens am 26. Januar 2001 sei die Ehefrau des Klägers bereits im Besitz des Vertriebenenausweises A gewesen. Aufgrund der fehlerhaften Einschätzung des Verwaltungsgerichts Kassel im Urteil vom 26. Mai 1999 sei es nicht zu einer früheren Anerkennung gekommen. Vor diesem Hintergrund habe dem Kläger wegen besonderer Härte eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden müssen. Diese Möglichkeit bestehe nach § 1 Abs. 2 der Arbeitsgenehmigungsverordnung. Zwar handele es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung. Vorliegend sei das Ermessen indes auf Null reduziert gewesen, da der Ehefrau des Klägers der Vertriebenenstatus zu Unrecht versagt worden sei.
Gegen das ihr am 4. Januar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. Februar 2002 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie aus, dass für den Kläger innerhalb der Prüffrist vom 13. Oktober 1999 bis 12. Oktober 2000 der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen sei. Es sei allerdings eine besondere Härte ab dem 25. Januar 2001 anzuerkennen, dem Tag, der der Ausstellung des Vertriebenenausweises folge. Für die davor liegende Zeit sei indes keine rückwirkende Verfügbarkeit des Klägers anzunehmen. Ein Anspruch auf Erteilung der Arbeitsgenehmigung habe erst bestanden, als die Ehefrau tatsächlich als Vertriebene anerkannt worden sei.
Die Beklagte hat dann auch für die Zeit vom 13. Oktober 2000 bis einschließlich 19. Oktober 2000 den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alhi anerkannt. Der Kläger hat die Teilanerkenntnisse angenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 10. Oktober 2001 aufzuheben, soweit darin der Bescheid vom 16. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2001 auch für den Zeitraum vom 20. Oktober 2000 bis zum 24. Januar 2001 aufgehoben worden ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass ein Anspruch auch für die streitige Zeit bestehe. Der Vertriebenenausweis habe lediglich deklaratorischen Charakter. Es bestehe ein Anspruch ex lege gemäß § 4 Abs. 3 BVFG in Verbindung mit Art. 116 Grundgesetz. Der Kläger sei de facto nicht Ausländer gewesen. Dann dürfe er auch nicht als solcher behandelt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist, soweit sie sich noch auf den Zeitraum vom 20. Oktober 2000 bis zum 24. Januar 2001 bezieht, begründet.
Hinsichtlich der Zeit vom 13. Oktober 2000 bis zum 19. Oktober 2000 sowie der Zeit ab 25. Januar 2001 besteht aufgrund des angenommenen Anerkenntnisses kein Streit über den Alhi-Anspruch mehr.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die wesentliche Änderung besteht vorliegend darin, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis war. Arbeitnehmer, die nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 GG sind, bedürfen zur Ausübung einer Beschäftigung gemäß § 284 SGB III einer Arbeitserlaubnis. Derjenige, dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet ist, kann eine Arbeitserlaubnis nur unter Beachtung des Vorrangs der Deutschen und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer, die einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis haben, erhalten. Zwar hat sich die Ehefrau des Klägers jedenfalls ab 24. Januar 2001 im Besitz des Vertriebenenausweises A befunden. Nach § 4 Abs. 3 BVFG erwirbt auch der nicht-deutsche Ehegatte, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete mindestens drei Jahre bestanden hat, die Rechtstellung des Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG mit der Aufnahme im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Feststellung des Vertriebenenstatus ist indes erst durch Ausstellung des Ausweises am 24. Januar 2001 zugunsten der Ehefrau erfolgt. Ansprüche für die davor liegende Zeit sind daher nicht gerechtfertigt.
Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben nach § 190 SGB III Arbeitnehmer, die neben der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen arbeitslos sind. Nach § 118 Abs. 1 in Verbindung mit § 198 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht im einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Beschäftigungssuche in diesem Sinne liegt nach § 119 Abs. 1 Ziff. 2 SGB III nur vor, wenn der Betroffene den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Dies setzt seinerseits voraus, dass der Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 3 Ziff. 1 SGB III). Im streitigen Zeitraum befand sich der Kläger im Besitz einer Duldung, die die Auflage enthielt, eine Arbeitsaufnahme sei nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet. Insoweit war für die Annahme der Verfügbarkeit Voraussetzung, dass eine Arbeitsgenehmigung erteilt worden ist. Ein Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung besteht erst dann, wenn der Antragsteller tatsächlich eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Der bloße Anspruch auf eine solche genügt hingegen nicht. Die Entscheidungen der Ausländerbehörde entfalten für die Arbeitsverwaltung Tatbestandswirkung, unabhängig davon, ob die Entscheidung der Ausländerbehörde der Sach- und Rechtslage entspricht (Urteil des BSG vom 15. September 1994, Az.: 11 RAr 9/94; BSG SozR 4100 § 103 Nr. 44; BSGE 67, 176; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 3).
Soweit der Kläger vorträgt, dass der Vertriebenenausweis lediglich deklaratorische Bedeutung habe und er rückwirkend als Spätaussiedler anerkannt worden sei, steht dem die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verfügbarkeit entgegen. Die nachträgliche Feststellung des Vertriebenenstatus mit dem Wegfall der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbeschränkungen ist leistungsrechtlich ohne Bedeutung. Der Arbeitsvermittlung steht nur zur Verfügung, wer im geltend gemachten Leistungszeitraum aktuell eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt ausüben kann und darf. Diese Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur erfüllt, wenn der Arbeitslose "ohne Verzug eine zumutbare Beschäftigung" aufzunehmen in der Lage ist (BSG SozR 4100 § 103 Nr. 46 m.w.N.). Dies traf für den Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht zu. Denn vor dem 24. Februar 2001 war sein Status nicht verbindlich festgestellt.
Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Arbeitsgenehmigung wegen besonderer Härte nach § 1 Abs. 2 der Arbeitsgenehmigungsverordnung mit Ermessensreduzierung der Beklagten auf Null kommt indes für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Betracht. Zwar war die Ehefrau des Klägers immer Deutsche im Sinne des Art. 116 GG, so dass ihr bereits auf ihren Anfang der 90er Jahre gestellten Antrag der Vertriebenenausweis A hätte ausgestellt werden müssen. Aufgrund unzutreffender Beurteilungen über die Staatsangehörigkeit war es zur Erteilung von Duldungen gekommen. Die Ausländerbehörde und auch eine Kammer des Verwaltungsgerichts Kassel haben zunächst angenommen, dass die Ehefrau des Klägers nicht zum Personenkreis der Deutschen im Sinne des Art. 116 GG gehöre. Diese fehlerhafte Beurteilung muss sich die Beklagte indes nicht zurechnen lassen. Vielmehr besteht eine Bindung der Arbeitsverwaltung an die ausländerrechtliche Entscheidung. Selbst ein etwaiges Fehlverhalten der Ausländerbehörde ist nicht geeignet, sozialrechtliche Leistungsansprüche gegen die Beklagte zu begründen, weil sich die Bundesanstalt für Arbeit Fehlverhalten von Ausländerbehörden nicht zurechnen lassen muss (BSG Urteil vom 9. Februar 1994, Az.: 14/14b REg 9/93).
Nach alledem war das Urteil des SG Fulda hinsichtlich des noch streitigen Zeitraumes aufzuheben.
Vor dem Hintergrund, dass Streitgegenstand die Aufhebung der Alhi- Bewilligung für den Leistungszeitraum vom 13. Oktober 2000 bis zum 7. Oktober 2001 - und somit für fast zwölf Monate - ist und die Beklagte Leistungen ab 25. Januar 2001 - und somit für ca. neun Monate - zu erbringen hat, ist es nach Maßgabe des § 193 SGG im Hinblick auf den Anteil des Obsiegens gerechtfertigt, der Beklagten ¾ der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zuzulassen.
II. Die Beklagte hat 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darum, ob dem Kläger auch für die Zeit vom 20. Oktober 2000 bis zum 24. Januar 2001 Arbeitslosenhilfe zusteht.
Der Kläger reiste als Spätaussiedler am 18. März 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 4. März 1993 wurde seitens des Landkreises Fulda als Ausländerbehörde eine Anerkennung als Vertriebener abgelehnt. Der Kläger befand sich indes im Besitz einer vom Ausländeramt ausgestellten Duldung, in der die Abschiebung ausgesetzt und eine Arbeitsaufnahme mit Arbeitserlaubnis gestattet war. Die Duldung wurde jeweils vierteljährlich verlängert. Der Kläger bezog – mit Unterbrechungen – ab September 1994 Arbeitslosengeld und ab Oktober 1997 Anschlussarbeitslosenhilfe (Alhi). Unter dem 22. Juli 1999 teilte der Landkreis Fulda mit, dass die Ablehnung des Klägers als Vertriebener seit dem 10. Juli 1999 rechtskräftig sei. Die Beklagte bewilligte gleichwohl mit Bescheid vom 25. September 2000 für die Zeit vom 8. Oktober 2000 bis zum 7. Oktober 2001 Alhi. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2000 hob sie dann die Bewilligung der Alhi mit Wirkung ab 13. Oktober 2000 auf und führte zur Begründung aus, der Arbeitsmarkt sei für den Kläger verschlossen.
Dem widersprach der Kläger am 23. Oktober 2000 und berief sich zur Begründung auf den Alhi-bewilligenden Bescheid. Er habe beim Antrag auf Fortzahlung der Alhi auf die Duldung hingewiesen und sei vom Arbeitsamt dahingehend informiert worden, dass er weiterhin Arbeitslosenhilfe erhalte.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger, dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet sei, könne eine Arbeitserlaubnis nur unter Beachtung des Vorrangs der Deutschen und gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer, die einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis hätten, erhalten. Der deutsche Arbeitsmarkt sei ihm verschlossen, da sich auf dem ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfang seiner Arbeitsbereitschaft zugänglichen Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden lasse, für die ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Der Kläger habe in der Bundesrepublik Deutschland bisher Helfertätigkeiten im Zimmerer-, Bau- und Baunebengewerbe sowie als Lagerarbeiter ausgeübt und suche auch solche Tätigkeiten. Für Helfertätigkeiten auch anderer Art stünden dem Arbeitsamt eine Vielzahl arbeitsloser Arbeitnehmer zur Verfügung, die keine Arbeitserlaubnis benötigten oder einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne die Feststellung, dass der deutsche Arbeitsmarkt einem arbeitserlaubnispflichtigen Arbeitnehmer verschlossen sei, erst nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen (Prüffrist) getroffen werden. Diese Prüffrist betrage mindestens ein Jahr. Sie beginne mit dem Tag, an dem die Arbeitslosmeldung wirksam geworden sei. Für den Kläger habe die Prüffrist am 13. Oktober 1999 begonnen. Ab 13. Oktober 2000 seien somit die Voraussetzungen wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht mehr erfüllt gewesen.
Hiergegen richtete sich die am 22. Februar 2001 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) erhobene Klage. Der Kläger trug vor, er sei kein Ausländer, sondern Deutscher im Sinne des Art. 116 Grundgesetz (GG), so dass die Aufhebung der Bewilligung der Alhi rechtswidrig sei.
Das SG hat die Ausländerakte des Klägers beigezogen. Danach hatte das Verwaltungsgericht Kassel durch Urteil vom 26. Mai 1999 den Antrag der Ehefrau des Klägers, das Ausländeramt des Landkreises Fulda zu verpflichten, ihr einen Vertriebenenausweis auszustellen, abgewiesen. Das Urteil erlangte am 9. Juli 1999 Rechtskraft. Am 17. Dezember 1999 erhoben der Kläger und seine Ehefrau beim Verwaltungsgericht Kassel Feststellungsklage, dass sie deutsche Staatsangehörige im Sinne des Art. 116 GG seien. Nach Intervention des Verwaltungsgerichtes beim Ausländeramt wurde der Ehefrau des Klägers am 24. Januar 2001 ein Vertriebenenausweis A ausgestellt.
Durch Urteil vom 10. Oktober 2001 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger aus Härtegründen einen Anspruch auf Erteilung der Arbeitserlaubnis gehabt habe. Im Zeitpunkt der Beendigung des Widerspruchsverfahrens am 26. Januar 2001 sei die Ehefrau des Klägers bereits im Besitz des Vertriebenenausweises A gewesen. Aufgrund der fehlerhaften Einschätzung des Verwaltungsgerichts Kassel im Urteil vom 26. Mai 1999 sei es nicht zu einer früheren Anerkennung gekommen. Vor diesem Hintergrund habe dem Kläger wegen besonderer Härte eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden müssen. Diese Möglichkeit bestehe nach § 1 Abs. 2 der Arbeitsgenehmigungsverordnung. Zwar handele es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung. Vorliegend sei das Ermessen indes auf Null reduziert gewesen, da der Ehefrau des Klägers der Vertriebenenstatus zu Unrecht versagt worden sei.
Gegen das ihr am 4. Januar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. Februar 2002 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie aus, dass für den Kläger innerhalb der Prüffrist vom 13. Oktober 1999 bis 12. Oktober 2000 der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen sei. Es sei allerdings eine besondere Härte ab dem 25. Januar 2001 anzuerkennen, dem Tag, der der Ausstellung des Vertriebenenausweises folge. Für die davor liegende Zeit sei indes keine rückwirkende Verfügbarkeit des Klägers anzunehmen. Ein Anspruch auf Erteilung der Arbeitsgenehmigung habe erst bestanden, als die Ehefrau tatsächlich als Vertriebene anerkannt worden sei.
Die Beklagte hat dann auch für die Zeit vom 13. Oktober 2000 bis einschließlich 19. Oktober 2000 den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alhi anerkannt. Der Kläger hat die Teilanerkenntnisse angenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 10. Oktober 2001 aufzuheben, soweit darin der Bescheid vom 16. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2001 auch für den Zeitraum vom 20. Oktober 2000 bis zum 24. Januar 2001 aufgehoben worden ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass ein Anspruch auch für die streitige Zeit bestehe. Der Vertriebenenausweis habe lediglich deklaratorischen Charakter. Es bestehe ein Anspruch ex lege gemäß § 4 Abs. 3 BVFG in Verbindung mit Art. 116 Grundgesetz. Der Kläger sei de facto nicht Ausländer gewesen. Dann dürfe er auch nicht als solcher behandelt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist, soweit sie sich noch auf den Zeitraum vom 20. Oktober 2000 bis zum 24. Januar 2001 bezieht, begründet.
Hinsichtlich der Zeit vom 13. Oktober 2000 bis zum 19. Oktober 2000 sowie der Zeit ab 25. Januar 2001 besteht aufgrund des angenommenen Anerkenntnisses kein Streit über den Alhi-Anspruch mehr.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die wesentliche Änderung besteht vorliegend darin, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis war. Arbeitnehmer, die nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 GG sind, bedürfen zur Ausübung einer Beschäftigung gemäß § 284 SGB III einer Arbeitserlaubnis. Derjenige, dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland lediglich geduldet ist, kann eine Arbeitserlaubnis nur unter Beachtung des Vorrangs der Deutschen und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer, die einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis haben, erhalten. Zwar hat sich die Ehefrau des Klägers jedenfalls ab 24. Januar 2001 im Besitz des Vertriebenenausweises A befunden. Nach § 4 Abs. 3 BVFG erwirbt auch der nicht-deutsche Ehegatte, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete mindestens drei Jahre bestanden hat, die Rechtstellung des Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG mit der Aufnahme im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Feststellung des Vertriebenenstatus ist indes erst durch Ausstellung des Ausweises am 24. Januar 2001 zugunsten der Ehefrau erfolgt. Ansprüche für die davor liegende Zeit sind daher nicht gerechtfertigt.
Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben nach § 190 SGB III Arbeitnehmer, die neben der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen arbeitslos sind. Nach § 118 Abs. 1 in Verbindung mit § 198 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht im einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Beschäftigungssuche in diesem Sinne liegt nach § 119 Abs. 1 Ziff. 2 SGB III nur vor, wenn der Betroffene den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Dies setzt seinerseits voraus, dass der Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 3 Ziff. 1 SGB III). Im streitigen Zeitraum befand sich der Kläger im Besitz einer Duldung, die die Auflage enthielt, eine Arbeitsaufnahme sei nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet. Insoweit war für die Annahme der Verfügbarkeit Voraussetzung, dass eine Arbeitsgenehmigung erteilt worden ist. Ein Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung besteht erst dann, wenn der Antragsteller tatsächlich eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Der bloße Anspruch auf eine solche genügt hingegen nicht. Die Entscheidungen der Ausländerbehörde entfalten für die Arbeitsverwaltung Tatbestandswirkung, unabhängig davon, ob die Entscheidung der Ausländerbehörde der Sach- und Rechtslage entspricht (Urteil des BSG vom 15. September 1994, Az.: 11 RAr 9/94; BSG SozR 4100 § 103 Nr. 44; BSGE 67, 176; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 3).
Soweit der Kläger vorträgt, dass der Vertriebenenausweis lediglich deklaratorische Bedeutung habe und er rückwirkend als Spätaussiedler anerkannt worden sei, steht dem die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verfügbarkeit entgegen. Die nachträgliche Feststellung des Vertriebenenstatus mit dem Wegfall der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbeschränkungen ist leistungsrechtlich ohne Bedeutung. Der Arbeitsvermittlung steht nur zur Verfügung, wer im geltend gemachten Leistungszeitraum aktuell eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt ausüben kann und darf. Diese Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur erfüllt, wenn der Arbeitslose "ohne Verzug eine zumutbare Beschäftigung" aufzunehmen in der Lage ist (BSG SozR 4100 § 103 Nr. 46 m.w.N.). Dies traf für den Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht zu. Denn vor dem 24. Februar 2001 war sein Status nicht verbindlich festgestellt.
Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Arbeitsgenehmigung wegen besonderer Härte nach § 1 Abs. 2 der Arbeitsgenehmigungsverordnung mit Ermessensreduzierung der Beklagten auf Null kommt indes für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Betracht. Zwar war die Ehefrau des Klägers immer Deutsche im Sinne des Art. 116 GG, so dass ihr bereits auf ihren Anfang der 90er Jahre gestellten Antrag der Vertriebenenausweis A hätte ausgestellt werden müssen. Aufgrund unzutreffender Beurteilungen über die Staatsangehörigkeit war es zur Erteilung von Duldungen gekommen. Die Ausländerbehörde und auch eine Kammer des Verwaltungsgerichts Kassel haben zunächst angenommen, dass die Ehefrau des Klägers nicht zum Personenkreis der Deutschen im Sinne des Art. 116 GG gehöre. Diese fehlerhafte Beurteilung muss sich die Beklagte indes nicht zurechnen lassen. Vielmehr besteht eine Bindung der Arbeitsverwaltung an die ausländerrechtliche Entscheidung. Selbst ein etwaiges Fehlverhalten der Ausländerbehörde ist nicht geeignet, sozialrechtliche Leistungsansprüche gegen die Beklagte zu begründen, weil sich die Bundesanstalt für Arbeit Fehlverhalten von Ausländerbehörden nicht zurechnen lassen muss (BSG Urteil vom 9. Februar 1994, Az.: 14/14b REg 9/93).
Nach alledem war das Urteil des SG Fulda hinsichtlich des noch streitigen Zeitraumes aufzuheben.
Vor dem Hintergrund, dass Streitgegenstand die Aufhebung der Alhi- Bewilligung für den Leistungszeitraum vom 13. Oktober 2000 bis zum 7. Oktober 2001 - und somit für fast zwölf Monate - ist und die Beklagte Leistungen ab 25. Januar 2001 - und somit für ca. neun Monate - zu erbringen hat, ist es nach Maßgabe des § 193 SGG im Hinblick auf den Anteil des Obsiegens gerechtfertigt, der Beklagten ¾ der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved