Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 122/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1318/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 31/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Oktober 2001 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 18. November 1997 bzw. dem 1. Januar 1998
Der 1950 geborene Kläger übte von 1981 bis 1988 eine selbständige Tätigkeit aus und war anschließend von Januar 1989 bis März 1991 in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) inhaftiert. Vom 18. Juli 1991 bis 30. September 1991 war er arbeitslos und bezog von der Beklagten Alg nach einem Bemessungsentgelt von rund 2.800,- DM/Monat. Vom 1. Oktober 1991 bis 31. Dezember 1994 war er zunächst als Verkaufsleiter und sodann als Geschäftsführer für die Firma F. H., Import und Export, X-Stadt, tätig. Die Bestellung zum Geschäftsführer erfolgte im Handelsregister (Amtsgericht X., XXX) ab 4. März 1994. Dem Kläger war nach dem Geschäftsführervertrag ein Jahresbruttoentgelt von 96.000,- DM zugesagt. Tatsächlich verdiente er in den letzten 6 Monaten vor dem Beschäftigungsende durchschnittlich 8.395,85 DM/Monat brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 22. Januar 1996 befinden sich keine Nachweise in den Verwaltungsakten.
Am 23. Januar 1996 meldete sich der Kläger arbeitslos und stellte Antrag auf Zahlung von Alg. Die Beklagte bewilligte ihm durch Bescheid vom 15. März 1996 Alg für 572 Tage ab 23. Januar 1996. Ausgegangen wurde von einem Bemessungsentgelt (BME) in Höhe von 1.870,- DM/Woche, was (bei der Leistungsgruppe -LG- A, Kindermerkmal: 0) einen Leistungssatz von 564,- DM die Woche, d.h. bei 6 Tagen von täglich 94,00 DM ergab. Am 23. April 1996 endete der Bezug von Alg bei einer Restanspruchsdauer von 493 Tagen, weil sich der Kläger ab 24. April 1996 für eine Tätigkeit bei einer Glashütte in L. (T.) abmeldete.
Am 22. Mai 1996 wurde der Kläger verhaftet und befand sich nachfolgend aufgrund der Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe (bis einschließlich 11. Juli 1999) in Strafhaft in einer JVA. Dort war er - als Gefangener - beitragspflichtig beschäftigt vom 1. Juni 1996 bis 11. November 1997. Nachdem er im Rahmen des offenen Vollzuges ab 11. November 1997 den Status eines sog. "Freigängers" erhalten hatte, meldete er sich am 18. November 1997 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg unter Vorlage der Lohnsteuerkarte für 1997 (Steuerklasse I, Kindermerkmal: 0), Bei der Beklagten wurde die (fiktive) Einstufung in Bezug auf das BME veranlasst. Unter dem Datum des 10. Dezember 1997 wurde durch die zuständige Abteilung Arbeitsvermittlung der Beklagten unter Bezugnahme auf § 112 Abs. 5 Nr. 10 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für den Kläger - da er zuletzt Strafgefangener war - gem. § 112 Abs. 7 ein fiktives BME festgesetzt. Ausgehend vom Tarifvertrag (TV) für den Groß- und Außenhandel in Hessen, Gehaltsgruppe 4, ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger noch ein monatliches trairfliches Entgelt von 3.528,- DM und - unter Hinzurechnung von 52,- DM für vermögenswirksame Leistungen - (bei 38,5 Stunden/Woche) insgesamt ein Entgelt von 3.580,- DM/Monat erzielen könne. Am 18. Dezember 1997 erfolgte sodann durch die Beklagte die Umrechnung der Dauer des bestehenden Restanspruches auf Alg. Mit Bescheid vom selben Tage (18. Dezember 1997) bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 18. November 1997 in Höhe von 300,60 DM wöchentlich (BME: 3.580,- DM/Monat = 830,- DM/Woche, LG: A/0). In der anschließenden Zeit als Freigänger übte der Kläger neben dem Bezug des Alg nur - geringfügige - Nebenbeschäftigungen aus. Anlässlich seiner Haftentlassung (11. September 1998) nach Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe stellte der Kläger erstmals Antrag auf Überprüfung des der Bewilligung von Alg zugrunde gelegten BME; ausgehend von seiner letzten Beschäftigung müsse das BME rund 8.000,- DM/Monat und nicht - wie von der Beklagten festgesetzt - lediglich 3.200,- DM/Monat betragen. Mit Bescheid vom 11. November 1998 lehnte die Beklagte diesen Antrag unter Bezug auf § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Verwaltungsverfahren und Datenschutz - SGB X -) sowie unter Hinweis auf die §§ 104 Abs. 1 Nr. 1, 168 Abs. 3 sowie 112 Abs. 5 Nr. 10 und Abs. 7 AFG ab; da bei Arbeitslosmeldung am 18. November 1997 der letzte Entgeltabrechnungszeitraum mehr als drei Jahre zurückgelegen habe, und der Kläger zuletzt als Strafgefangener beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei, habe eine fiktive Einstufung vorgenommen werden müssen. Die Abteilung Arbeitsvermittlung habe den Kläger für vermittelbar als Handelskaufmann gehalten; insoweit sei die Einstufung in die Gehaltsgruppe IV des TV für den Groß- und Einzelhandel bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich zutreffend erfolgt. Hieraus resultiere (unter Einbeziehung von 52,- DM vermögenswirksame Leistungen) ein wöchentliches BME in Höhe von 830,- DM. Der Kläger erhob Widerspruch (Eingang: 18. November 1998) und machte geltend, nach seinem beruflichen Werdegang müsse er als Betriebs- oder Verkaufsleiter mit einem Entgelt von mindestens 6.000,- DM/Monat brutto eingestuft werden. Die Beklagte hat diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1999 zurückgewiesen; hiergegen ist keine Klage erhoben worden. Die im Rahmen der sog. "Dynamisierung" des BME vorzunehmende Erhöhung des Alg (Änderungs"bescheid" (?) vom 25. November 1998) hatte der Kläger zuvor ebenfalls mit dem Widerspruch angefochten, der mit - weiterem - Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 28. Januar 1999 unter Hinweis auf § 138 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) zurückgewiesen wurde, weil sich das BME zutreffend auf 840,- DM/Woche und damit der wöchentliche Leistungssatz auf 305,13 DM erhöht habe.
Anfang Mai 1999 verzog der Kläger in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes L. und erhielt von dort mit - vorläufigem - Bescheid vom 2. Juni 1999 ab 9. Mai 1999 Alg. Der Kläger erhob nunmehr mit am 6. Oktober 1999 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 5. Oktober 1999 erneut Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1997 und bat darum, "in der Angelegenheit in den alten Stand versetzt zu werden", da ihm neue Erkenntnisse vorliegen würden. Nach dem SGB III bestehe eine dreijährige Bestandsschutzregelung für das BME, weshalb er seit dem 18. November 1997 Anspruch auf Alg jedenfalls in der Höhe gehabt habe, wie es ihm ab dem 23. Januar 1996 gezahlt worden sei. Insoweit sei auch klärungsbedürftig, was aus seinem seinerzeit noch vorhandenen Restanspruch geworden sei.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 als unzulässig mit der Begründung zurück, die Widerspruchsfrist sei versäumt. Zugleich behandelte die Beklagte das Schreiben vom 5. Oktober 1999 als Überprüfungsantrag gem. § 44 SGBX und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 mit, dem Antrag könne nicht entsprochen werden. Bei der vom Kläger angesprochenen Bestandsschutzregelung in § 133 SGB III handle es sich um Sondervorschriften für die Bemessung des Alg. Das SGB III sei aber erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten, weshalb für die Bemessung des Alg ab 18. November 1997 noch die Vorschrift des § 112 AFG anzuwenden gewesen sei. Insoweit hat die Beklagte auf die frühere Überprüfungsentscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich der Anspruchsdauer hat sie ausgeführt, dass durch die beitragspflichtige Beschäftigung vom 1. Juni 1996 bis 10. November 1997 (462 Tage) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 156 Tage entstanden sei. Nach § 106 Abs. 3 S. 2 AFG habe sich die Dauer des Anspruchs um die Dauer des nach § 125 Abs. 1 AFG erloschenen Anspruchs verlängert, da nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht 7 Jahre verstrichen gewesen seien. Die Verlängerung hänge ab vom Lebensalter des Arbeitslosen. Zum 30. April 1996 habe noch ein Restanspruch von 487 Tagen bestanden. Da der Kläger im November 1997 noch nicht das 52. Lebensjahr vollendet gehabt habe, hätte die Höchstanspruchsdauer max. 572 Tage betragen können. Insoweit sei der Restanspruch aus 1996 seinerzeit auch zutreffend berücksichtigt worden.
Mit der am 28. Januar 2000 beim Sozialgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger zunächst nur gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 (sowie gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1997) gewandt. Zur Begründung hat er dann u.a. ausgeführt, dass er, hätte er während der Inhaftierung keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, aus dem ihm verbliebenen Restanspruch ein wesentlich höheres Alg hätte erhalten können. Im Rahmen der Tätigkeit in der Haftzeit sei ihm nicht erläutert worden, welche Konsequenzen diese Beschäftigung im Hinblick auf seinen Alg-Anspruch haben könnte. Die fiktive Einstufung durch die Beklagte sei eindeutig falsch gewesen. Erkennbar sei mit der gesetzlichen Neuregelung im SGB III eine Bestandsschutzregelung geschaffen worden, wonach ein Arbeitsloser, der in den letzten drei Jahren vor erneuter Entstehung eines Anspruchs auf Alg dieses bezogen habe, hernach Anspruch auf Alg aus einem BME mindestens in der Höhe habe müsse, das der früheren Leistungsbemessung zugrunde gelegen habe. Durch die Herabsetzung des BMEs werde er ein zweites Mal bestraft.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2001 vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 und den Bescheid vom 21. Dezember 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 18. November 1997 Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.870,- DM für 572 Tage zu gewähren, hilfsweise, die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen. Die Beklagte hat sich rügelos auf diesen Antrag eingelassen und im Übrigen die Abweisung der Klage beantragt.
Durch Urteil vom 25. Oktober 2001 hat sodann das Sozialgericht den Bescheid vom 21. Dezember 1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine neue Überprüfungsentscheidung bezüglich des Bescheides vom 18. Dezember 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts sowie in Ansehung des ab 1. Januar 1998 gültigen Dritten Buches Sozialgesetzbuch zu treffen. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht u.a. ausgeführt, die Klage sei, soweit sie sich gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 richte, abzuweisen, weil insoweit die Beklagte zu Recht den Widerspruch wegen Überschreitung der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 SGG als unzulässig zurückgewiesen habe. Begründet sei die Klage hingegen soweit sie sich gegen die Entscheidung der Beklagten vom 21. Dezember 1999 richte. Die Beklagte habe zutreffend den verfristeten Widerspruch des Klägers vom 5. Oktober 1999 als Überprüfungsantrag hinsichtlich der Entscheidung vom 18. Dezember 1997 gewertet. Dieser Bescheid vom 21. Dezember 1999 sei auch gem. § 96 SGG Gegenstand des ursprünglich gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 gerichteten Klageverfahrens geworden und somit der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Der Bescheid vom 21. Dezember 1999 sei mit § 44 SGB X nicht vereinbar, weil nach dieser Vorschrift, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden sei, der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden müsse. Die Beklagte habe in ihrer Überprüfungsentscheidung im Bescheid vom 21. Dezember 1999 nicht an ihrer Entscheidung vom 18. Dezember 1997 festhalten dürfen. Bei Erlass des Bescheides vom 18. Dezember 1997 sei zwar das seinerzeit maßgebliche AFG zutreffend angewandt worden, weil der Kläger mit einer mehr als 360 Kalendertage dauernden beitragspflichtigen Beschäftigung während der Haft in der dreijährigen Rahmenfrist vor Beginn der Arbeitslosigkeit am 18. November 1997 gem. § 104 AFG eine neue Anwartschaftszeit erfüllt habe. Damit sei der am 23. Januar 1996 entstandene und - nach Ende der Zahlung - am 23. April 1996 noch mit einer Restanspruchsdauer von 487 Tagen bestehende ursprüngliche Anspruch auf Alg gem. § 125 Abs. 1 AFG erloschen. Unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben habe die Beklage sodann die Bemessungsvorschriften des § 112 Abs. 5 Nr. 10 i.V.m. § 112 Abs. 7 AFG zutreffend angewandt. Die Beklagte habe für die Festsetzung des BME nicht mehr auf das zuletzt verdiente Bruttoarbeitsentgelt von 8.395,58 DM/Monat zurückgreifen dürfen.
Dem Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X hätte allerdings unter dem Gesichtspunkt des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs stattgegeben werden müssen. Wäre der Antrag des Klägers auf Zahlung von Alg erst am 1. Januar 1998 (richtig wohl: am 2. Januar 1998 oder aber mit Wirkung vom 1. Januar 1998) - und damit nach dem Inkrafttreten des § 133 SGB III - gestellt worden, so wäre ihm die Besserstellung durch § 133 Abs. 1 S. 1 SGB III in der ab 1. Januar 1998 gültigen Fassung zugute gekommen. Nach dieser Vorschrift sei das BME mindestens das Entgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des (neuen) Anspruchs (bereits) Alg bezogen habe. Da diese Bestandsschutzregelung des § 133 Abs. 1 SGB III aber erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten sei, hätte die Beklagte bereits zuvor einen Hinweis geben können und auch müssen. Sie habe eine Hinweispflicht derart gehabt, den Kläger darauf aufmerksam zu machen, dass ihm ein wesentlich höheres Alg hätte zustehen können, wenn er den Antrag auf Zahlung von Alg erst nach der Jahreswende 1997/1998 stellen würde. Der Kläger müsse deshalb so gestellt werden, als hätte er den Antrag auf Zahlung von Alg erst ab 1. Januar 1998 gestellt. Da nach der Neuregelung im SGB III sich dann ab dem 1. Januar 1998 eine deutlich höhere Alg-Zahlung ergeben und der Kläger dann auf den Anspruch für die Zeit davor hätte verzichten können, wäre ihm per Saldo immer noch ein Vorteil verblieben. Die Beklagte sei deshalb dazu zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts neu zu bescheiden, wobei zu beachten sei, dass der Anspruch auf Alg der Höhe nach gemäß den seinerzeit (wegen § 434 Abs. 1 SGB III) noch anwendbaren §§ 133 Abs. 2 Satz 1 , 135, 136 SGB III auf das Leistungsentgelt, d.h. auf 2.200,- DM/Monat begrenzt sei, wohingegen es bzgl. der Anspruchshöchst(bezugs)dauer bei den von der Beklagten festgelegten 572 Tagen verbleiben könne (Hinweis auf § 127 Abs. 2 und 4 SGB III).
Gegen das ihr am 5. November 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 28. November 2001 (per Telefax) beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten.
Die Beklagte macht u.a. geltend, der Bescheid vom 21. Dezember 1999 sei nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden, weshalb das Sozialgericht über dessen Rechtmäßigkeit gar nicht habe entscheiden dürfen. Auch könne der Auffassung des Sozialgerichts, eine mangelhafte Beratung habe dazu geführt, dass der Kläger nicht auf die ab 1. Januar 1998 geltenden Regelungen des SGB III hingewiesen worden sei, nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen für einen Herstellungsanspruch lägen deshalb nicht vor. Eine derart weitgehende Verpflichtung der Beklagten zur Beratung und Auskunft bestehe nicht. Die Beklagte habe überdies im Nov./Dez. 1997 noch gar nicht konkret übersehen können, ob das ab 1. Januar 1998 geltende Recht für den Kläger günstiger sei, weil weitere Gesetzesänderungen zum SGB III (mit Wirkung ab 1. Januar 1998) erst kurz vor Jahresende 1997 erfolgt seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. Oktober 2001 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Oktober 2001 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Dezember 1997 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Januar 1998 unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes von 1. 870,00 DM zu gewähren.
Zur Begründung hat er u.a. - auch anlässlich seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat - ausgeführt, dass er im Fall einer sachgerechten Beratung durch die Beklagte das Alg nicht schon ab dem 18. November 1997 sondern erst ab 1998 in Anspruch genommen hätte. Seine Chancen, zumutbar vermittelt zu werden, habe er unter Berücksichtigung aller Umstände - auch im Hinblick auf seine Rechtsstellung als Freigänger - als außerordentlich ungünstig eingeschätzt. Bei einem Anspruch auf Alg mit einer Anwartschaft für mehr als 500 Tage Leistungsbezug hätte er lieber eine höhere Leistung bezogen, als unverzüglich ab Antragstellung Leistungen zu beziehen. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass er als Freigänger "versorgt" gewesen sei.
Für den Fall des Obsiegens im vorliegenden Rechtsstreit hat sich der Kläger bereit erklärt, das in der Zeit vom 18. November bis 31. Dezember 1997 an ihn gezahlte Alg auf den sich aus einem höheren Anspruch auf Alg ab 1. Januar 1998 ergebenden Anspruch anrechnen zu lassen.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats am 3. September 2003 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die form– und fristgerecht eingelegte sowie an sich statthafte und damit insgesamt zulässige Berufung (§§ 151 Abs. 1, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) der Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Berufung der Beklagten ist begründet, wohingegen die Anschlussberufung des Klägers sich als unbegründet erweist und deshalb zurückzuweisen war.
Der Kläger hatte und hat weder für die Zeit ab 18. November1997 noch für die Zeit ab 1. Januar 1998 Anspruch auf höheres Alg (nach einem höheren Bemessungsentgelt – BME -). Der Bewilligungsbescheid vom 18. Dezember 1997 ist rechtens, weshalb es die Beklagte auch zu Recht abgelehnt hat, ihn aufzuheben bzw. zu ändern und dem Kläger – jedenfalls ab 1.Januar 1998 und unter Anrechnung der zuvor erbrachten Leistungen – höheres Alg zu bewilligen.
Gegenstand des Rechtsstreits sind – wovon auch das Sozialgericht zutreffend ausgegangen ist - der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 sowie der Bescheid vom 21. Dezember 1999, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 18. Dezember 1997 gemäß § 44 SGB X aufzuheben bzw. zu ändern. Der Bescheid vom 21. Dezember 1999 ist nach Erteilung des Widerspruchsbescheides und vor Erhebung der Klage erlassen worden, und dem Kläger - wenn auch zeitgleich mit dem Widerspruchsbescheid abgesandt – vor Klageerhebung zugeleitet worden; bei der gebotenen weiten Auslegung von § 96 SGG war er in das erstinstanzliche Gerichtsverfahren einzubeziehen und zum Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens geworden, ohne dass es insoweit der Durchführung eines eigenständigen Vorverfahrens bedurft hätte. Nach dem Wortlaut von § 96 SGG wird zwar nur der Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens, der den zuvor erlassenen abändert oder ersetzt. Nach ständiger Rechtsprechung wird in Übereinstimmung mit der Literatur aber - vor allem auch aus prozessökonomischen Gründen – eine erweiternde Auslegung des § 96 SGG befürwortet (Meyer-Ladewig, SGG. 7. Aufl. § 96 Rdnrn. 2 und 4 m.w.N. auch aus der Rspr. des BSG; die einschränkende Rechtsprechung des BSG im Bereich des Kassen- bzw. Vertragsarztrechts - vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 6 und Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 5c - ist vorliegend nicht einschlägig). Da der Rechtsstreit hier um die Höhe des mit Bescheid vom 18. Dezember 1997 bewilligten Alg (bzw. um das dabei zu Grunde zu legende BME) geführt wird und der – verspätete – Widerspruch des Klägers vom 5./6. Oktober 1999 die Korrektur auf diesem Wege ausschloss, war der nach § 44 SGB X ergangene Bescheid das Mittel der Wahl für die Überprüfung des Ausgangsbescheides, der zweckmäßigerweise - als Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahren - auch in diesem auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen war. Im Übrigen hat sich die Beklagte, wollte man in der Antragstellung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht eine - sachdienliche - Klageerweiterung sehen, auf diese rügelos eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG); eines Vorverfahrens hätte es insoweit auch nicht bedurft.
Zu Recht hat hingegen das Sozialgericht weder die Anpassungsmitteilung vom 25. November 1998 noch den Bescheid vom 2. Juni 1999 in das vorliegende Verfahren mit einbezogen. Die Benachrichtigung über die "Dynamisierung” der Leistung vom 25. November 1998 entbehrt des Regelungscharakters und ist deshalb kein eigenständiger Bescheid. Mit dem Bescheid vom 2. Juni 1999 ist dem Kläger – nach seinem Umzug in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes L. und nach Meldung dort - Alg mittels eines Vorbehaltsbescheides nach dem (neuen) § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III bewilligt worden, weil hinsichtlich der Höhe der zustehenden Leistung noch Klärungsbedarf bestand. Eine endgültige Entscheidung wurde nicht getroffen, vielmehr in Aussicht gestellt bzw. "vorbehalten”. Sie ist noch nicht ergangen und es wird vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abhängen können, in welcher Höhe dem Kläger weiterhin Alg zusteht bzw. zustand. Hierüber wird die Beklagte –entsprechend dem Bescheid vom 2. Juli 1999, wenn der Kläger dies beantragt (§ 328 Abs. 2 SGB III) – gegebenenfalls in einem endgültigen Bescheid zu entscheiden haben.
Das die Beklage zur Neubescheidung verpflichtende sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben. Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch soweit er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist. Aus der Wortwahl "ist” wird deutlich, dass der Beklagten kein Ermessen eingeräumt wird. Deshalb hätte zumindest zur Leistung dem Grunde nach (§ 130 SGG) unter Festlegung eines bestimmten Betrages für das BME zu verurteilen werden müssen.
Auf die Berufung der Beklagten war die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen, weil es die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 – wie zuvor schon mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. November 1998 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999) zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid vom 18. Dezember 1997 aufzuheben bzw. zu ändern (§ 44 SGB X). Der Bescheid vom 18. Dezember 1997 war, nachdem ihn der Kläger nicht innerhalb der Monatsfrist (§ 86 SGG) mit dem Widerspruch angefochten hatte, bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Die Voraussetzungen für die Durchbrechung dieser Bestandskraft, die nach § 77 SGG durch eine entsprechende gesetzliche Ausnahmeregelung - hier 44 SGB X - zulässig sein kann, liegen nicht zu Gunsten des Klägers vor. Die Bewilligung von Alg durch den Bescheid vom 18. Dezember 1997 ist - auch der Höhe nach – zur Recht erfolgt. Die Beklagte hat bei der Berechnung und Festsetzung des der Bewilligung von Alg zu Grunde zu legenden BMEs seinerzeit das Recht richtig angewandt.
Maßgeblich waren zum Zeitpunkt der Entscheidung am 18. Dezember 1997 für den Bewilligungszeitraum ab 18. November 1997 noch die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die Vorschriften über Ansprüche auf Alg nach dem SGB III sind erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten (Art. 83 Abs. 1 Arbeitsförderungs-Reformgesetz – AFRG – vom 24. März 1997, BGBl. I, S. 594).
Der Kläger hatte, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die mehr als 360 Kalendertage währende Dauer seiner beitragspflichtigen Beschäftigung als Strafgefangener einen neuen Anspruch auf Alg erworben, mit der Folge, dass sein früherer Anspruch erloschen war (§ 125 Abs. 1 AFG). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Dahin stehen kann, ob der Einwand des Klägers, er sei über diese Folge seiner beitragspflichtigen Beschäftigung während der Strafhaft nicht belehrt worden, den Tatsachen entspricht. Denn einmal hat die - nunmehr auch beitragspflichtig gemachte (§ 168 Abs. 3 AFG) - Beschäftigung von Strafgefangenen ihren eigenen Grund darin, die Strafhaft inhaltlich auszugestalten und Resozialisierungsbemühungen zu unterstützen. Zum andern oblag eine Belehrung über die Folgen der beitragspflichtigen Beschäftigung in der Strafhaft nicht der Beklagten (weil der Kläger in dieser Zeit dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stand) sondern allenfalls der Leitung der JVA; für deren - eventuellen - Versäumnisse aber hätte die Beklagt ohnedies nicht einzustehen.
Die Höhe des dem Kläger ab 18. November 1997 zu bewilligenden Alg berechnete sich nach der bis zum 31. Dezember 1997 maßgeblichen Fassung des AFG gemäß §§ 111 ff. AFG. Das Alg betrug danach seinerzeit - bei einem Arbeitslosen, der, wie der Kläger, nicht zum Personenkreis des § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG zählte – gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG 60 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, geminderten Arbeitsentgelts (§ 112). Arbeitsentgelt in diesem Sinne (§ 111 Abs. 1 AFG) war das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum (d.h. in der Regel innerhalb der letzten sechs Monate vor der Arbeitslos-Meldung) durchschnittlich in der Woche erzielt hatte. Abweichend hiervon bestimmte § 112 Abs. 5 Nr. 10 AFG, dass bei Gefangenen das Arbeitsentgelt für die Zeit, in welcher der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war (§ 168 Abs. 3 AFG) das Arbeitsentgelt nach Absatz 7 (von § 112 AFG) zugrunde zu legen war.
Nach § 112 Abs. 7 AFG war, wenn es mit Rücksicht auf die von Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart gewesen wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 1 bis 6 auszugehen, oder wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraums länger als drei Jahre zurücklag, von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen (vgl. § 129 AFG) maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kam (sog. "fiktive Einstufung”).
Der Kläger war zuletzt vor der Arbeitslos-Meldung am 18. November 1997 in Strafhaft und als Gefangener - insgesamt mehr als 360 Kalendertage - beitragspflichtig beschäftigt gewesen, weshalb bei ihm – wegen der "Spezialität” der Regelung in § 112 Abs. 5 Nr. 10 AFG – durch eine Rechtsfolgenverweisung auf § 112 Abs. 7 das BME nach § 112 Abs. 7, 3. Halbsatz zu bestimmen war. Diese "fiktive Einstufung” hat die Beklagte – auch unter Berücksichtigung des nunmehr in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit gelegentlich so genannten "Günstigkeitsprinzips” (im Arbeitsrecht wird der Terminus anders gebraucht, vgl. Schaub, ArbR-Handbuch, 9. Aufl. § 204 IV.3 und passim), wonach von der jeweils günstigsten tariflichen Einstufung auszugehen ist (vgl. BSG, Urt. vom 23. November 1988 - SozR 4100 § 112 AFG Nr. 42, S. 200 - sowie vom 14. Februar 1989 - SozR 4100 § 136 AFG Nr. 7 S. 32 ff. - und vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 83/99 R - SozR 3-4100 § 136 AFG Nr. 2 S. 65 ff.) ) - zutreffend vorgenommen. Dabei hat die Beklagte – insoweit dem Kläger weit entgegenkommend - eine Tätigkeit nach der Gehaltsgruppe IV des TV für den Groß- und Außenhandel in Hessen (zwischen der damaligen Gewerkschaft HBV und dem zuständigen Arbeitgeberverband) zu Grunde gelegt mit einem monatl. Bruttoentgelt von 3.528,.- DM. Die Festsetzung vom 10. Dezember 1997 (Bl. 63 R der Verwaltungsakten) ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte musste dabei berücksichtigen, dass der Kläger noch eine restliche Freiheitsstrafe bis zum 11. Juli 1999 zu verbüßen hatte (von einer Gesamtfreiheitsstrafe von rund drei Jahren standen noch mehr als eineinhalb Jahre aus) und sich lediglich ab dem 11. November 1997 im offenen Vollzug befand. Die endgültige Entlassung aus der Strafhaft (nach Verbüßung von 2/3 der Strafe) erfolgte erst wesentlich später, im September 1998. Von Vermittlungsmöglichkeiten in eine Tätigkeit als Geschäftsführer, welche der Kläger zuletzt vor seiner Verurteilung zu einer (nicht unerheblichen) Freiheitsstrafe ausgeübt hatte, durfte die Beklagt nicht ausgehen, weil nach den eigenen Angaben des Klägers (Bl. 98 der Verwaltungsakte) das strafgerichtliche Urteil auch für fünf Jahre ein Berufsverbot für eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH ausgesprochen hatte. Auch der Kläger hat in seinen Widerspruchsbegründungen bzw. Anträgen nach § 44 SGB X eingeräumt, dass Vermittlungsbemühungen der Beklagten für Tätigkeiten mit einer Gehaltshöhe entsprechend dem von ihm zuletzt erzielten Entgelt von monatlich 8.000,- DM ausgeschlossen gewesen seien. Die Vorstellung, ein Freigänger, dem gegenüber im Rahmen eines Strafverfahrens ein Berufsverbot für höherwertige kaufmännische Tätigkeiten auferlegt worden war, könne während der noch andauernden Strafhaft eine Tätigkeit als Betriebs- und/oder Verkaufsleiter übertragen bekommen und dabei - seinerzeit - mindestens (brutto) 6.000,- DM/Monat verdienen, erscheint angesichts der vorstehend beschriebenen Situation des Kläger wirklichkeitsfremd. Auch soweit Bemühungen um die Resozialisierung von Strafgefangenen von der Rechtsordnung gewünscht und unterstützenswert sind, kann – wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist - eine Wiedereingliederung in das Berufsleben realistischerweise zunächst nur für geringer entlohnte, der nachgewiesenen – auch formalen – Qualifikation entsprechende Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, wobei insbesondere herausgehobene Vertrauenspositionen – jedenfalls zunächst - ausgeschlossen waren. Diese Vermittlungshindernisse mußte die Beklagte auch bei ihrer Entscheidung über die "fiktive Einstufung” am 10. Dezember 1997 berücksichtigen. Die Einstufung nach Gehaltsgruppe IV des Tarifvertrages für den Groß- und Außenhandel setzte eine abgeschlossenen Ausbildung sowie eine gewisse Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich voraus, über welche der Kläger verfügte; die Entscheidung der Beklagten war daher für den Kläger eher günstig und ist zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat auch den Tarifvertrag für den Groß- und Außenhandel berücksichtigt, der – wie allgemein bekannt und gerichtskundig ist - in der Regel höhere Entgelte ausweist als der (zu dieser Zeit noch für allgemeinverbindlich erklärte) Tarifvertrag für den Einzelhandel.
Das nach dem maßgeblichen Tarifvertrag zu erzielende monatlich Entgelt, das bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Std. zu erzielen war, hat die Beklagte auch zutreffend in ein wöchentliches Entgelt umgerechnet, wonach sich nach Rundung (§ 112 Abs. 10 AFG), das zu Grunde gelegte BME von 830 DM/Woche ergab. Bewilligt und gezahlt hat die Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 1998 – zutreffend - das nach der Leistungstabelle für das Jahr 1997 (LG A/0) dem Kläger zustehende Alg, was insoweit zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist und auch nach den Feststellungen des Senats rechtens war.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers war die Beklagte auch nicht verpflichtet, Alg nach einem höheren BME zu zahlen und den Kläger dahingehend zu beraten, seinen Antrag auf Bewilligung von Alg erst zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, um in den Genuss einer ihn begünstigenden Neuregelung des Rechts der Leistungshöhe beim Alg nach in Kraft treten des SGB III zu kommen. Eine solche Pflicht zur Beratung – mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen des sog "Herstellungsanspruchs” - vermag der Senat vorliegend nicht anzuerkennen.
Die als Richterrecht entwickelten Grundsätze über den sog. "Herstellungsanspruch” sollen (ungeachtet rechtsdogmatischer Einordnungsprobleme, wie sie z.B. von Haase, Ladage und Schmidt-deCaluwe u.a. diskutiert worden sind) - in aller Regel - solche Nachteile ausgleichen, die ein Leistungsberechtigter dadurch erfährt, dass der Leistungsträger einer konkret bestehende Pflicht zur Aufklärung, Auskunft und/oder Beratung (§§ 13, 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I -) nicht oder fehlerhaft nachkommt (vgl. den Überblick über die Entwicklung der Rspr. bei Krasney, Zeitschrift für die Anwaltspraxis - ZAP - Fach 18, S. 449 ff., 455 ff.). Voraussetzung ist demnach zunächst eine Beratungssituation und eine dadurch konkretisierte Pflicht, auf eine bestimmte – evtl. auch von der vermeintlich zunächst im Interesse des Leistungsempfängers liegende – abweichende Verhaltensweise oder Antragstellung hinzuwirken. Die Unterlassung dieser Pflicht zur Aufklärung, Auskunft und/oder Beratung muss ursächlich für ein Unterlassen bzw. eine nachteilige Handlung des Leistungsberechtigten sein, was wiederum Ursache für einen – insbesondere finanziellen – Nachteil beim Leistungsberechtigten gewesen sein muss. Liegen insoweit die Voraussetzungen für den "Herstellungsanspruch” vor, so besteht – auf dessen "Rechtsfolgenseite” - die Verpflichtung des Leistungsträgers, den Leistungsberechtigten so zu stellen, als wäre er zutreffend beraten worden und hätte sodann die für ihn günstigere Handlungsalternative gewählt. Er kann dann diese Alternative wählen (z.B. einen Antrag zurücknehmen, später oder gar nicht stellen), soweit dies nach dem Gesetz vorgesehen und rechtlich zulässig ist; soweit gesetzlich zulässig, hat der Leistungsträger dem Folge zu leisten. Diese Rechtsprechungsgrundsätze werden auch für den Regelungsbereich des Arbeitsförderungsrechts grundsätzlich anerkannt. Demzufolge kann auch die Beklagte verpflichtet sein, einen Antragsteller dahingehend zu beraten, den Antrag auf Bewilligung von Alg erst zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn offensichtlich ist, dass diese Verschiebung für den Antragsteller vorteilhaft sein könnte. Dabei ist ein "objektiver" Maßstab für die Klärung der Frage anzulegen, was als "offensichtlich" zu gelten hat (vgl. BSG, Urt. vom 5. Aug. 1999 - B 7 AL 38/98 R - m.w.N. aus der Rspr. - SozR 3-4100 § 110 Nr. 2). Die Verpflichtung des Leistungsträgers zur "spontanen" (und d.h.: nicht gezielt erfragten) Beratung setzt eine für diesen erkennbare, klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeit voraus, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sein muss, dass sie ein verständiger Antragsteller mutmaßlich - wiederum nach "objektiven" Kriterien - genutzt hätte (vgl. - seinerzeit abweichend vom hier erkennenden Senat - BSG, Urt. vom 13. Dezember 2000 - B 14 EG 10/99 R - m.w.N. aus der Rspr. des BSG - Kurzwiedergabe in SGb 2001, 239; Volltext in JURIS-online verfügbar).
Der Senat folgt der Rechtsprechung über die Berücksichtigung der Grundsätze des sog. "Herstellungsanspruch” auch für das vorliegenden Verfahren. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf die von ihm – nachträglich – als günstiger eingeschätzte Handlungsvariante hinzuweisen und ihn entsprechend zu beraten, vermag der Senat jedoch im vorliegenden, konkreten Fall nicht anzuerkennen.
Zum Zeitpunkt der Arbeitslos-Meldung des Klägers und seiner Antragstellung auf Zahlung von Alg waren – wie dargelegt – die Vorschriften des AFG maßgeblich, die für die Festsetzung des BMEs bei Strafgefangenen eine klare Sonderregelung enthielten, welche den Strafgefangenen – insbesondere bei länger andauernder Strafhaft, die zum Erlöschen eines früher bestehenden Anspruchs auf Alg geführt haben würde - in aller Regel begünstigen sollten. Die Rechtsfolgenverweisung auf § 112 Abs. 7 AFG in § 112 Abs. 5 Nr. 10 AFG sollte insoweit der Beklagten und ihren Dienststellen die Möglichkeit eröffnen, entlassenen Strafgefangenen (aber auch sog. "Freigängern"), die wegen der geringen Entlohnung der in der Strafhaft ausgeübten Erwerbstätigkeit nur einen sehr geringen Anspruch auf Alg hätten erwerben können, auch eine bessere Einstufung zu ermöglichen, wenn spezifische Vermittlungsmöglichkeiten aussichtsreich erscheinen konnten. Insoweit entsprach (und entspricht jetzt auch wieder im SGB III - vgl. § 135 Nr. 3 SGB III i.d.F. des 2. SGB III-ÄndG vom 21. Juli 1999, BGBl. I., S. 1648 - in Kraft ab 1. Aug. 1999) diese Regelung dem in Gesellschaft und Rechtsordnung (auch in der Rspr. des BVerfG) allgemein anerkannten Prinzip, entlassenen Strafgefangenen (bzw. zuvor schon: den "Freigängern”) die Wiedereingliederung in Erwerbstätigkeit und gesellschaftliches Umfeld zu erleichtern und damit die "Resozialisierung” zu ermöglichen. Die Beklagte hat diese Vorschriften – wie ausgeführt – auch uneingeschränkt zutreffend und durchaus zu Gunsten des Klägers angewandt. Zugleich hatte sie dabei auch – entsprechend den allgemeinen Vorgaben des SGB I und den besonderen Bestimmungen des AFG bzw. jetzt des SGB III – den ihr obliegenden Verpflichtungen genügt: Nach § 17 SGB I sollen die Leistungsträger dafür Sorge tragen, dass eine Bewilligung der zustehenden Sozialleistungen zügig erfolgt; nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (auch schon nach entsprechenden Vorschriften des AFG) oblag (und obliegt) es der Beklagten, neben der zügigen Leistungsgewährung auch zugleich ihre Bemühungen um Wiedereingliederung in eine beitragspflichtige Beschäftigung nachhaltig - und vorrangig gegenüber der Leistungsgewährung (§§ 4 ff. SGB III) – durch entsprechende Vermittlungsanstrengungen zu intensivieren. Dem entspricht vorliegend der Verwaltungsablauf im Nov./Dez. 1997 uneingeschränkt Auf die Feststellung der - grundsätzlichen Leistungsberechtigung - ist, da der Kläger zuletzt als Strafgefangener beitragspflichtig beschäftigt war – unter Beteiligung der Abteilung Arbeitsvermittlung um eine fiktive Einstufung nachgesucht worden. Diese lag (Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 18. November, Stellungnahme der Abteilung Arbeitsvermittlung vom 10. Dezember) innerhalb von rund drei Wochen vor; die Leistungsbewilligung erfolgte mit Bescheid vom 18. Dezember 1997, also innerhalb von rund vier Wochen nach Antragstellung. Das zeugt von einem raschen und nicht zu beanstandenden Verwaltungsablauf. Zweifel an der Höhe des BMEs musste die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht haben. Insbesondere hatte sie keine Veranlassung, wie der Kläger meint, für die Vermittlung solche Beschäftigungen ins Auge zu fassen, für die monatlich ein Entgelt von ca. 6.000,- DM gezahlt wurde.
Hinzu kommt, dass kurz vor der Jahreswende 1997/98 und dem Inkrafttreten des SGB III zum 1. Januar 1998 bereits weitere Änderungen des Gesetzes anstanden (vgl. u.a. das 1. SGB III-ÄndG); es war nicht "offensichtlich", dass die Neuregelungen des SGB III - etwa in § 133 SGB III - zu einer weiteren Privilegierung auch von Strafgefangenen, die nicht ganz unbedeutend lange Freiheitsstrafen verbüßt hatten - führen sollte. Von daher hält es der Senat im konkreten Fall und für den konkreten Zeitpunkt nicht für zwingend, dass die Beklagte den Kläger - entgegen ihrer vorrangigen Verpflichtung zur Aufnahme von Vermittlungsbemühungen und zur raschen Auszahlung des Alg - zu einer späteren Antragstellung hätte auffordern müssen. Insoweit liegen die Dinge im vorliegenden Fall anders, als in dem vom BSG am 5. Aug. 1999 (- B 7 AL 38/98 R -) entschiedenen Fall, wo es um die Beratung eines älteren Arbeitslosen (unweit des ersten Rentenzugangsalters) im Hinblick auf eine schon länger bestehende Rechtslage ging. Dort war nach aller Voraussicht zwingend mit einem längeren Bezug von Alg zu rechnen, die Beratungsalternative lag klar "auf der Hand" und der Leistungsbeginn wäre (wegen eines bestandskräftigen Sperrzeitbescheides) ohnedies nicht "nach Hinten" verlegt worden. Von jener Fallkonstellation unterscheidet sich die vorliegende in mehrfacher und entscheidungserheblicher Hinsicht. Insbesondere stand beim Kläger (u.a. auch wegen seines Lebensalters) seinerzeit nicht der "Ausgliederungsaspekt" im Vordergrund, sondern der Versuch, ihn zeitnah wieder "einzugliedern".
Bei einer neuen, offenen und/oder noch unklaren oder aber unsicheren Rechtslage konnte aber eine Verpflichtung der Beklagten zur "Optimierungsberatung" nicht entstehen (vgl. hierzu auch BSG, Urt. vom 13. Dezember 2000 - B 14 EG 10/99 R -). Das wird vorliegend auch dadurch verdeutlicht, dass schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit - nämlich durch das 2. SGB III-ÄndG vom 21. Juli 1999 - BGBl. I, S. 1648, vgl. § 135 Nr. 3 SGB III n.F.) bzgl. des BMEs von Strafgefangenen im Wesentlichen der Rechtszustand, wie er vor dem 1. Januar 1998 maßgeblich war, wieder hergestellt worden ist. Schon zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Überprüfungsentscheidung vom Dezember 1999 galt bereits wieder das Recht, von dem die Beklagte im Dezember 1997 auszugehen hatte. Der Senat lässt dahingestellt ob insoweit bei der Interpretation von § 133 Abs. 1 SGB III im Hinblick auf die spätere Regelung in § 135 Nr. 3 SGB III eine teleologische Reduktion bzgl. der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden hätte geboten sein können ; hierauf kommt es vorliegend nicht - mehr - an, weil bei der hier konkret bezeichneten und zu diesem Zeitpunkt neuen, offenen und noch unklaren Rechtslage zur Überzeugung des Senats für die Beklagte keine Verpflichtung bestanden hat, den Kläger zu einer späteren Antragstellung zu veranlassen, und sich - jedenfalls für die vorliegenden Fallkonstellation - möglicherweise sogar selbst pflichtwidrig im Hinblick auf die Vorrangigkeit von Vermittlungsbemühungen vor der Leistungsgewährung zu verhalten. Es fehlte damit schon an der ersten Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundsätze über den sog "Herstellungsanspruch", weshalb es bei der von der Beklagten getroffenen Entscheidung vom 18. Dezember 1997 zu verbleiben hatte.
Das Urteil des Sozialgerichts musste daher geändert werden. Die Klage war in vollem Umfang abzuweisen, wohingegen die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 18. November 1997 bzw. dem 1. Januar 1998
Der 1950 geborene Kläger übte von 1981 bis 1988 eine selbständige Tätigkeit aus und war anschließend von Januar 1989 bis März 1991 in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) inhaftiert. Vom 18. Juli 1991 bis 30. September 1991 war er arbeitslos und bezog von der Beklagten Alg nach einem Bemessungsentgelt von rund 2.800,- DM/Monat. Vom 1. Oktober 1991 bis 31. Dezember 1994 war er zunächst als Verkaufsleiter und sodann als Geschäftsführer für die Firma F. H., Import und Export, X-Stadt, tätig. Die Bestellung zum Geschäftsführer erfolgte im Handelsregister (Amtsgericht X., XXX) ab 4. März 1994. Dem Kläger war nach dem Geschäftsführervertrag ein Jahresbruttoentgelt von 96.000,- DM zugesagt. Tatsächlich verdiente er in den letzten 6 Monaten vor dem Beschäftigungsende durchschnittlich 8.395,85 DM/Monat brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 22. Januar 1996 befinden sich keine Nachweise in den Verwaltungsakten.
Am 23. Januar 1996 meldete sich der Kläger arbeitslos und stellte Antrag auf Zahlung von Alg. Die Beklagte bewilligte ihm durch Bescheid vom 15. März 1996 Alg für 572 Tage ab 23. Januar 1996. Ausgegangen wurde von einem Bemessungsentgelt (BME) in Höhe von 1.870,- DM/Woche, was (bei der Leistungsgruppe -LG- A, Kindermerkmal: 0) einen Leistungssatz von 564,- DM die Woche, d.h. bei 6 Tagen von täglich 94,00 DM ergab. Am 23. April 1996 endete der Bezug von Alg bei einer Restanspruchsdauer von 493 Tagen, weil sich der Kläger ab 24. April 1996 für eine Tätigkeit bei einer Glashütte in L. (T.) abmeldete.
Am 22. Mai 1996 wurde der Kläger verhaftet und befand sich nachfolgend aufgrund der Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe (bis einschließlich 11. Juli 1999) in Strafhaft in einer JVA. Dort war er - als Gefangener - beitragspflichtig beschäftigt vom 1. Juni 1996 bis 11. November 1997. Nachdem er im Rahmen des offenen Vollzuges ab 11. November 1997 den Status eines sog. "Freigängers" erhalten hatte, meldete er sich am 18. November 1997 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg unter Vorlage der Lohnsteuerkarte für 1997 (Steuerklasse I, Kindermerkmal: 0), Bei der Beklagten wurde die (fiktive) Einstufung in Bezug auf das BME veranlasst. Unter dem Datum des 10. Dezember 1997 wurde durch die zuständige Abteilung Arbeitsvermittlung der Beklagten unter Bezugnahme auf § 112 Abs. 5 Nr. 10 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für den Kläger - da er zuletzt Strafgefangener war - gem. § 112 Abs. 7 ein fiktives BME festgesetzt. Ausgehend vom Tarifvertrag (TV) für den Groß- und Außenhandel in Hessen, Gehaltsgruppe 4, ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger noch ein monatliches trairfliches Entgelt von 3.528,- DM und - unter Hinzurechnung von 52,- DM für vermögenswirksame Leistungen - (bei 38,5 Stunden/Woche) insgesamt ein Entgelt von 3.580,- DM/Monat erzielen könne. Am 18. Dezember 1997 erfolgte sodann durch die Beklagte die Umrechnung der Dauer des bestehenden Restanspruches auf Alg. Mit Bescheid vom selben Tage (18. Dezember 1997) bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 18. November 1997 in Höhe von 300,60 DM wöchentlich (BME: 3.580,- DM/Monat = 830,- DM/Woche, LG: A/0). In der anschließenden Zeit als Freigänger übte der Kläger neben dem Bezug des Alg nur - geringfügige - Nebenbeschäftigungen aus. Anlässlich seiner Haftentlassung (11. September 1998) nach Verbüßung von 2/3 der Freiheitsstrafe stellte der Kläger erstmals Antrag auf Überprüfung des der Bewilligung von Alg zugrunde gelegten BME; ausgehend von seiner letzten Beschäftigung müsse das BME rund 8.000,- DM/Monat und nicht - wie von der Beklagten festgesetzt - lediglich 3.200,- DM/Monat betragen. Mit Bescheid vom 11. November 1998 lehnte die Beklagte diesen Antrag unter Bezug auf § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Verwaltungsverfahren und Datenschutz - SGB X -) sowie unter Hinweis auf die §§ 104 Abs. 1 Nr. 1, 168 Abs. 3 sowie 112 Abs. 5 Nr. 10 und Abs. 7 AFG ab; da bei Arbeitslosmeldung am 18. November 1997 der letzte Entgeltabrechnungszeitraum mehr als drei Jahre zurückgelegen habe, und der Kläger zuletzt als Strafgefangener beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei, habe eine fiktive Einstufung vorgenommen werden müssen. Die Abteilung Arbeitsvermittlung habe den Kläger für vermittelbar als Handelskaufmann gehalten; insoweit sei die Einstufung in die Gehaltsgruppe IV des TV für den Groß- und Einzelhandel bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich zutreffend erfolgt. Hieraus resultiere (unter Einbeziehung von 52,- DM vermögenswirksame Leistungen) ein wöchentliches BME in Höhe von 830,- DM. Der Kläger erhob Widerspruch (Eingang: 18. November 1998) und machte geltend, nach seinem beruflichen Werdegang müsse er als Betriebs- oder Verkaufsleiter mit einem Entgelt von mindestens 6.000,- DM/Monat brutto eingestuft werden. Die Beklagte hat diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1999 zurückgewiesen; hiergegen ist keine Klage erhoben worden. Die im Rahmen der sog. "Dynamisierung" des BME vorzunehmende Erhöhung des Alg (Änderungs"bescheid" (?) vom 25. November 1998) hatte der Kläger zuvor ebenfalls mit dem Widerspruch angefochten, der mit - weiterem - Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 28. Januar 1999 unter Hinweis auf § 138 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) zurückgewiesen wurde, weil sich das BME zutreffend auf 840,- DM/Woche und damit der wöchentliche Leistungssatz auf 305,13 DM erhöht habe.
Anfang Mai 1999 verzog der Kläger in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes L. und erhielt von dort mit - vorläufigem - Bescheid vom 2. Juni 1999 ab 9. Mai 1999 Alg. Der Kläger erhob nunmehr mit am 6. Oktober 1999 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 5. Oktober 1999 erneut Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1997 und bat darum, "in der Angelegenheit in den alten Stand versetzt zu werden", da ihm neue Erkenntnisse vorliegen würden. Nach dem SGB III bestehe eine dreijährige Bestandsschutzregelung für das BME, weshalb er seit dem 18. November 1997 Anspruch auf Alg jedenfalls in der Höhe gehabt habe, wie es ihm ab dem 23. Januar 1996 gezahlt worden sei. Insoweit sei auch klärungsbedürftig, was aus seinem seinerzeit noch vorhandenen Restanspruch geworden sei.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 als unzulässig mit der Begründung zurück, die Widerspruchsfrist sei versäumt. Zugleich behandelte die Beklagte das Schreiben vom 5. Oktober 1999 als Überprüfungsantrag gem. § 44 SGBX und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 mit, dem Antrag könne nicht entsprochen werden. Bei der vom Kläger angesprochenen Bestandsschutzregelung in § 133 SGB III handle es sich um Sondervorschriften für die Bemessung des Alg. Das SGB III sei aber erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten, weshalb für die Bemessung des Alg ab 18. November 1997 noch die Vorschrift des § 112 AFG anzuwenden gewesen sei. Insoweit hat die Beklagte auf die frühere Überprüfungsentscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich der Anspruchsdauer hat sie ausgeführt, dass durch die beitragspflichtige Beschäftigung vom 1. Juni 1996 bis 10. November 1997 (462 Tage) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 156 Tage entstanden sei. Nach § 106 Abs. 3 S. 2 AFG habe sich die Dauer des Anspruchs um die Dauer des nach § 125 Abs. 1 AFG erloschenen Anspruchs verlängert, da nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht 7 Jahre verstrichen gewesen seien. Die Verlängerung hänge ab vom Lebensalter des Arbeitslosen. Zum 30. April 1996 habe noch ein Restanspruch von 487 Tagen bestanden. Da der Kläger im November 1997 noch nicht das 52. Lebensjahr vollendet gehabt habe, hätte die Höchstanspruchsdauer max. 572 Tage betragen können. Insoweit sei der Restanspruch aus 1996 seinerzeit auch zutreffend berücksichtigt worden.
Mit der am 28. Januar 2000 beim Sozialgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger zunächst nur gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 (sowie gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1997) gewandt. Zur Begründung hat er dann u.a. ausgeführt, dass er, hätte er während der Inhaftierung keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, aus dem ihm verbliebenen Restanspruch ein wesentlich höheres Alg hätte erhalten können. Im Rahmen der Tätigkeit in der Haftzeit sei ihm nicht erläutert worden, welche Konsequenzen diese Beschäftigung im Hinblick auf seinen Alg-Anspruch haben könnte. Die fiktive Einstufung durch die Beklagte sei eindeutig falsch gewesen. Erkennbar sei mit der gesetzlichen Neuregelung im SGB III eine Bestandsschutzregelung geschaffen worden, wonach ein Arbeitsloser, der in den letzten drei Jahren vor erneuter Entstehung eines Anspruchs auf Alg dieses bezogen habe, hernach Anspruch auf Alg aus einem BME mindestens in der Höhe habe müsse, das der früheren Leistungsbemessung zugrunde gelegen habe. Durch die Herabsetzung des BMEs werde er ein zweites Mal bestraft.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2001 vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 und den Bescheid vom 21. Dezember 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 18. November 1997 Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.870,- DM für 572 Tage zu gewähren, hilfsweise, die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen. Die Beklagte hat sich rügelos auf diesen Antrag eingelassen und im Übrigen die Abweisung der Klage beantragt.
Durch Urteil vom 25. Oktober 2001 hat sodann das Sozialgericht den Bescheid vom 21. Dezember 1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine neue Überprüfungsentscheidung bezüglich des Bescheides vom 18. Dezember 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts sowie in Ansehung des ab 1. Januar 1998 gültigen Dritten Buches Sozialgesetzbuch zu treffen. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht u.a. ausgeführt, die Klage sei, soweit sie sich gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 richte, abzuweisen, weil insoweit die Beklagte zu Recht den Widerspruch wegen Überschreitung der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 SGG als unzulässig zurückgewiesen habe. Begründet sei die Klage hingegen soweit sie sich gegen die Entscheidung der Beklagten vom 21. Dezember 1999 richte. Die Beklagte habe zutreffend den verfristeten Widerspruch des Klägers vom 5. Oktober 1999 als Überprüfungsantrag hinsichtlich der Entscheidung vom 18. Dezember 1997 gewertet. Dieser Bescheid vom 21. Dezember 1999 sei auch gem. § 96 SGG Gegenstand des ursprünglich gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 gerichteten Klageverfahrens geworden und somit der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Der Bescheid vom 21. Dezember 1999 sei mit § 44 SGB X nicht vereinbar, weil nach dieser Vorschrift, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden sei, der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden müsse. Die Beklagte habe in ihrer Überprüfungsentscheidung im Bescheid vom 21. Dezember 1999 nicht an ihrer Entscheidung vom 18. Dezember 1997 festhalten dürfen. Bei Erlass des Bescheides vom 18. Dezember 1997 sei zwar das seinerzeit maßgebliche AFG zutreffend angewandt worden, weil der Kläger mit einer mehr als 360 Kalendertage dauernden beitragspflichtigen Beschäftigung während der Haft in der dreijährigen Rahmenfrist vor Beginn der Arbeitslosigkeit am 18. November 1997 gem. § 104 AFG eine neue Anwartschaftszeit erfüllt habe. Damit sei der am 23. Januar 1996 entstandene und - nach Ende der Zahlung - am 23. April 1996 noch mit einer Restanspruchsdauer von 487 Tagen bestehende ursprüngliche Anspruch auf Alg gem. § 125 Abs. 1 AFG erloschen. Unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben habe die Beklage sodann die Bemessungsvorschriften des § 112 Abs. 5 Nr. 10 i.V.m. § 112 Abs. 7 AFG zutreffend angewandt. Die Beklagte habe für die Festsetzung des BME nicht mehr auf das zuletzt verdiente Bruttoarbeitsentgelt von 8.395,58 DM/Monat zurückgreifen dürfen.
Dem Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X hätte allerdings unter dem Gesichtspunkt des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs stattgegeben werden müssen. Wäre der Antrag des Klägers auf Zahlung von Alg erst am 1. Januar 1998 (richtig wohl: am 2. Januar 1998 oder aber mit Wirkung vom 1. Januar 1998) - und damit nach dem Inkrafttreten des § 133 SGB III - gestellt worden, so wäre ihm die Besserstellung durch § 133 Abs. 1 S. 1 SGB III in der ab 1. Januar 1998 gültigen Fassung zugute gekommen. Nach dieser Vorschrift sei das BME mindestens das Entgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des (neuen) Anspruchs (bereits) Alg bezogen habe. Da diese Bestandsschutzregelung des § 133 Abs. 1 SGB III aber erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten sei, hätte die Beklagte bereits zuvor einen Hinweis geben können und auch müssen. Sie habe eine Hinweispflicht derart gehabt, den Kläger darauf aufmerksam zu machen, dass ihm ein wesentlich höheres Alg hätte zustehen können, wenn er den Antrag auf Zahlung von Alg erst nach der Jahreswende 1997/1998 stellen würde. Der Kläger müsse deshalb so gestellt werden, als hätte er den Antrag auf Zahlung von Alg erst ab 1. Januar 1998 gestellt. Da nach der Neuregelung im SGB III sich dann ab dem 1. Januar 1998 eine deutlich höhere Alg-Zahlung ergeben und der Kläger dann auf den Anspruch für die Zeit davor hätte verzichten können, wäre ihm per Saldo immer noch ein Vorteil verblieben. Die Beklagte sei deshalb dazu zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts neu zu bescheiden, wobei zu beachten sei, dass der Anspruch auf Alg der Höhe nach gemäß den seinerzeit (wegen § 434 Abs. 1 SGB III) noch anwendbaren §§ 133 Abs. 2 Satz 1 , 135, 136 SGB III auf das Leistungsentgelt, d.h. auf 2.200,- DM/Monat begrenzt sei, wohingegen es bzgl. der Anspruchshöchst(bezugs)dauer bei den von der Beklagten festgelegten 572 Tagen verbleiben könne (Hinweis auf § 127 Abs. 2 und 4 SGB III).
Gegen das ihr am 5. November 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 28. November 2001 (per Telefax) beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten.
Die Beklagte macht u.a. geltend, der Bescheid vom 21. Dezember 1999 sei nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden, weshalb das Sozialgericht über dessen Rechtmäßigkeit gar nicht habe entscheiden dürfen. Auch könne der Auffassung des Sozialgerichts, eine mangelhafte Beratung habe dazu geführt, dass der Kläger nicht auf die ab 1. Januar 1998 geltenden Regelungen des SGB III hingewiesen worden sei, nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen für einen Herstellungsanspruch lägen deshalb nicht vor. Eine derart weitgehende Verpflichtung der Beklagten zur Beratung und Auskunft bestehe nicht. Die Beklagte habe überdies im Nov./Dez. 1997 noch gar nicht konkret übersehen können, ob das ab 1. Januar 1998 geltende Recht für den Kläger günstiger sei, weil weitere Gesetzesänderungen zum SGB III (mit Wirkung ab 1. Januar 1998) erst kurz vor Jahresende 1997 erfolgt seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. Oktober 2001 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Oktober 2001 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Dezember 1997 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Januar 1998 unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes von 1. 870,00 DM zu gewähren.
Zur Begründung hat er u.a. - auch anlässlich seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat - ausgeführt, dass er im Fall einer sachgerechten Beratung durch die Beklagte das Alg nicht schon ab dem 18. November 1997 sondern erst ab 1998 in Anspruch genommen hätte. Seine Chancen, zumutbar vermittelt zu werden, habe er unter Berücksichtigung aller Umstände - auch im Hinblick auf seine Rechtsstellung als Freigänger - als außerordentlich ungünstig eingeschätzt. Bei einem Anspruch auf Alg mit einer Anwartschaft für mehr als 500 Tage Leistungsbezug hätte er lieber eine höhere Leistung bezogen, als unverzüglich ab Antragstellung Leistungen zu beziehen. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass er als Freigänger "versorgt" gewesen sei.
Für den Fall des Obsiegens im vorliegenden Rechtsstreit hat sich der Kläger bereit erklärt, das in der Zeit vom 18. November bis 31. Dezember 1997 an ihn gezahlte Alg auf den sich aus einem höheren Anspruch auf Alg ab 1. Januar 1998 ergebenden Anspruch anrechnen zu lassen.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats am 3. September 2003 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die form– und fristgerecht eingelegte sowie an sich statthafte und damit insgesamt zulässige Berufung (§§ 151 Abs. 1, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) der Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Berufung der Beklagten ist begründet, wohingegen die Anschlussberufung des Klägers sich als unbegründet erweist und deshalb zurückzuweisen war.
Der Kläger hatte und hat weder für die Zeit ab 18. November1997 noch für die Zeit ab 1. Januar 1998 Anspruch auf höheres Alg (nach einem höheren Bemessungsentgelt – BME -). Der Bewilligungsbescheid vom 18. Dezember 1997 ist rechtens, weshalb es die Beklagte auch zu Recht abgelehnt hat, ihn aufzuheben bzw. zu ändern und dem Kläger – jedenfalls ab 1.Januar 1998 und unter Anrechnung der zuvor erbrachten Leistungen – höheres Alg zu bewilligen.
Gegenstand des Rechtsstreits sind – wovon auch das Sozialgericht zutreffend ausgegangen ist - der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 sowie der Bescheid vom 21. Dezember 1999, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 18. Dezember 1997 gemäß § 44 SGB X aufzuheben bzw. zu ändern. Der Bescheid vom 21. Dezember 1999 ist nach Erteilung des Widerspruchsbescheides und vor Erhebung der Klage erlassen worden, und dem Kläger - wenn auch zeitgleich mit dem Widerspruchsbescheid abgesandt – vor Klageerhebung zugeleitet worden; bei der gebotenen weiten Auslegung von § 96 SGG war er in das erstinstanzliche Gerichtsverfahren einzubeziehen und zum Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens geworden, ohne dass es insoweit der Durchführung eines eigenständigen Vorverfahrens bedurft hätte. Nach dem Wortlaut von § 96 SGG wird zwar nur der Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens, der den zuvor erlassenen abändert oder ersetzt. Nach ständiger Rechtsprechung wird in Übereinstimmung mit der Literatur aber - vor allem auch aus prozessökonomischen Gründen – eine erweiternde Auslegung des § 96 SGG befürwortet (Meyer-Ladewig, SGG. 7. Aufl. § 96 Rdnrn. 2 und 4 m.w.N. auch aus der Rspr. des BSG; die einschränkende Rechtsprechung des BSG im Bereich des Kassen- bzw. Vertragsarztrechts - vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 6 und Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 5c - ist vorliegend nicht einschlägig). Da der Rechtsstreit hier um die Höhe des mit Bescheid vom 18. Dezember 1997 bewilligten Alg (bzw. um das dabei zu Grunde zu legende BME) geführt wird und der – verspätete – Widerspruch des Klägers vom 5./6. Oktober 1999 die Korrektur auf diesem Wege ausschloss, war der nach § 44 SGB X ergangene Bescheid das Mittel der Wahl für die Überprüfung des Ausgangsbescheides, der zweckmäßigerweise - als Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahren - auch in diesem auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen war. Im Übrigen hat sich die Beklagte, wollte man in der Antragstellung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht eine - sachdienliche - Klageerweiterung sehen, auf diese rügelos eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG); eines Vorverfahrens hätte es insoweit auch nicht bedurft.
Zu Recht hat hingegen das Sozialgericht weder die Anpassungsmitteilung vom 25. November 1998 noch den Bescheid vom 2. Juni 1999 in das vorliegende Verfahren mit einbezogen. Die Benachrichtigung über die "Dynamisierung” der Leistung vom 25. November 1998 entbehrt des Regelungscharakters und ist deshalb kein eigenständiger Bescheid. Mit dem Bescheid vom 2. Juni 1999 ist dem Kläger – nach seinem Umzug in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes L. und nach Meldung dort - Alg mittels eines Vorbehaltsbescheides nach dem (neuen) § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III bewilligt worden, weil hinsichtlich der Höhe der zustehenden Leistung noch Klärungsbedarf bestand. Eine endgültige Entscheidung wurde nicht getroffen, vielmehr in Aussicht gestellt bzw. "vorbehalten”. Sie ist noch nicht ergangen und es wird vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abhängen können, in welcher Höhe dem Kläger weiterhin Alg zusteht bzw. zustand. Hierüber wird die Beklagte –entsprechend dem Bescheid vom 2. Juli 1999, wenn der Kläger dies beantragt (§ 328 Abs. 2 SGB III) – gegebenenfalls in einem endgültigen Bescheid zu entscheiden haben.
Das die Beklage zur Neubescheidung verpflichtende sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben. Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch soweit er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist. Aus der Wortwahl "ist” wird deutlich, dass der Beklagten kein Ermessen eingeräumt wird. Deshalb hätte zumindest zur Leistung dem Grunde nach (§ 130 SGG) unter Festlegung eines bestimmten Betrages für das BME zu verurteilen werden müssen.
Auf die Berufung der Beklagten war die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen, weil es die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 – wie zuvor schon mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. November 1998 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1999) zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid vom 18. Dezember 1997 aufzuheben bzw. zu ändern (§ 44 SGB X). Der Bescheid vom 18. Dezember 1997 war, nachdem ihn der Kläger nicht innerhalb der Monatsfrist (§ 86 SGG) mit dem Widerspruch angefochten hatte, bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Die Voraussetzungen für die Durchbrechung dieser Bestandskraft, die nach § 77 SGG durch eine entsprechende gesetzliche Ausnahmeregelung - hier 44 SGB X - zulässig sein kann, liegen nicht zu Gunsten des Klägers vor. Die Bewilligung von Alg durch den Bescheid vom 18. Dezember 1997 ist - auch der Höhe nach – zur Recht erfolgt. Die Beklagte hat bei der Berechnung und Festsetzung des der Bewilligung von Alg zu Grunde zu legenden BMEs seinerzeit das Recht richtig angewandt.
Maßgeblich waren zum Zeitpunkt der Entscheidung am 18. Dezember 1997 für den Bewilligungszeitraum ab 18. November 1997 noch die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die Vorschriften über Ansprüche auf Alg nach dem SGB III sind erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten (Art. 83 Abs. 1 Arbeitsförderungs-Reformgesetz – AFRG – vom 24. März 1997, BGBl. I, S. 594).
Der Kläger hatte, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die mehr als 360 Kalendertage währende Dauer seiner beitragspflichtigen Beschäftigung als Strafgefangener einen neuen Anspruch auf Alg erworben, mit der Folge, dass sein früherer Anspruch erloschen war (§ 125 Abs. 1 AFG). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Dahin stehen kann, ob der Einwand des Klägers, er sei über diese Folge seiner beitragspflichtigen Beschäftigung während der Strafhaft nicht belehrt worden, den Tatsachen entspricht. Denn einmal hat die - nunmehr auch beitragspflichtig gemachte (§ 168 Abs. 3 AFG) - Beschäftigung von Strafgefangenen ihren eigenen Grund darin, die Strafhaft inhaltlich auszugestalten und Resozialisierungsbemühungen zu unterstützen. Zum andern oblag eine Belehrung über die Folgen der beitragspflichtigen Beschäftigung in der Strafhaft nicht der Beklagten (weil der Kläger in dieser Zeit dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stand) sondern allenfalls der Leitung der JVA; für deren - eventuellen - Versäumnisse aber hätte die Beklagt ohnedies nicht einzustehen.
Die Höhe des dem Kläger ab 18. November 1997 zu bewilligenden Alg berechnete sich nach der bis zum 31. Dezember 1997 maßgeblichen Fassung des AFG gemäß §§ 111 ff. AFG. Das Alg betrug danach seinerzeit - bei einem Arbeitslosen, der, wie der Kläger, nicht zum Personenkreis des § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG zählte – gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG 60 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, geminderten Arbeitsentgelts (§ 112). Arbeitsentgelt in diesem Sinne (§ 111 Abs. 1 AFG) war das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum (d.h. in der Regel innerhalb der letzten sechs Monate vor der Arbeitslos-Meldung) durchschnittlich in der Woche erzielt hatte. Abweichend hiervon bestimmte § 112 Abs. 5 Nr. 10 AFG, dass bei Gefangenen das Arbeitsentgelt für die Zeit, in welcher der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war (§ 168 Abs. 3 AFG) das Arbeitsentgelt nach Absatz 7 (von § 112 AFG) zugrunde zu legen war.
Nach § 112 Abs. 7 AFG war, wenn es mit Rücksicht auf die von Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart gewesen wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 1 bis 6 auszugehen, oder wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraums länger als drei Jahre zurücklag, von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen (vgl. § 129 AFG) maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kam (sog. "fiktive Einstufung”).
Der Kläger war zuletzt vor der Arbeitslos-Meldung am 18. November 1997 in Strafhaft und als Gefangener - insgesamt mehr als 360 Kalendertage - beitragspflichtig beschäftigt gewesen, weshalb bei ihm – wegen der "Spezialität” der Regelung in § 112 Abs. 5 Nr. 10 AFG – durch eine Rechtsfolgenverweisung auf § 112 Abs. 7 das BME nach § 112 Abs. 7, 3. Halbsatz zu bestimmen war. Diese "fiktive Einstufung” hat die Beklagte – auch unter Berücksichtigung des nunmehr in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit gelegentlich so genannten "Günstigkeitsprinzips” (im Arbeitsrecht wird der Terminus anders gebraucht, vgl. Schaub, ArbR-Handbuch, 9. Aufl. § 204 IV.3 und passim), wonach von der jeweils günstigsten tariflichen Einstufung auszugehen ist (vgl. BSG, Urt. vom 23. November 1988 - SozR 4100 § 112 AFG Nr. 42, S. 200 - sowie vom 14. Februar 1989 - SozR 4100 § 136 AFG Nr. 7 S. 32 ff. - und vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 83/99 R - SozR 3-4100 § 136 AFG Nr. 2 S. 65 ff.) ) - zutreffend vorgenommen. Dabei hat die Beklagte – insoweit dem Kläger weit entgegenkommend - eine Tätigkeit nach der Gehaltsgruppe IV des TV für den Groß- und Außenhandel in Hessen (zwischen der damaligen Gewerkschaft HBV und dem zuständigen Arbeitgeberverband) zu Grunde gelegt mit einem monatl. Bruttoentgelt von 3.528,.- DM. Die Festsetzung vom 10. Dezember 1997 (Bl. 63 R der Verwaltungsakten) ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte musste dabei berücksichtigen, dass der Kläger noch eine restliche Freiheitsstrafe bis zum 11. Juli 1999 zu verbüßen hatte (von einer Gesamtfreiheitsstrafe von rund drei Jahren standen noch mehr als eineinhalb Jahre aus) und sich lediglich ab dem 11. November 1997 im offenen Vollzug befand. Die endgültige Entlassung aus der Strafhaft (nach Verbüßung von 2/3 der Strafe) erfolgte erst wesentlich später, im September 1998. Von Vermittlungsmöglichkeiten in eine Tätigkeit als Geschäftsführer, welche der Kläger zuletzt vor seiner Verurteilung zu einer (nicht unerheblichen) Freiheitsstrafe ausgeübt hatte, durfte die Beklagt nicht ausgehen, weil nach den eigenen Angaben des Klägers (Bl. 98 der Verwaltungsakte) das strafgerichtliche Urteil auch für fünf Jahre ein Berufsverbot für eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH ausgesprochen hatte. Auch der Kläger hat in seinen Widerspruchsbegründungen bzw. Anträgen nach § 44 SGB X eingeräumt, dass Vermittlungsbemühungen der Beklagten für Tätigkeiten mit einer Gehaltshöhe entsprechend dem von ihm zuletzt erzielten Entgelt von monatlich 8.000,- DM ausgeschlossen gewesen seien. Die Vorstellung, ein Freigänger, dem gegenüber im Rahmen eines Strafverfahrens ein Berufsverbot für höherwertige kaufmännische Tätigkeiten auferlegt worden war, könne während der noch andauernden Strafhaft eine Tätigkeit als Betriebs- und/oder Verkaufsleiter übertragen bekommen und dabei - seinerzeit - mindestens (brutto) 6.000,- DM/Monat verdienen, erscheint angesichts der vorstehend beschriebenen Situation des Kläger wirklichkeitsfremd. Auch soweit Bemühungen um die Resozialisierung von Strafgefangenen von der Rechtsordnung gewünscht und unterstützenswert sind, kann – wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist - eine Wiedereingliederung in das Berufsleben realistischerweise zunächst nur für geringer entlohnte, der nachgewiesenen – auch formalen – Qualifikation entsprechende Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, wobei insbesondere herausgehobene Vertrauenspositionen – jedenfalls zunächst - ausgeschlossen waren. Diese Vermittlungshindernisse mußte die Beklagte auch bei ihrer Entscheidung über die "fiktive Einstufung” am 10. Dezember 1997 berücksichtigen. Die Einstufung nach Gehaltsgruppe IV des Tarifvertrages für den Groß- und Außenhandel setzte eine abgeschlossenen Ausbildung sowie eine gewisse Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich voraus, über welche der Kläger verfügte; die Entscheidung der Beklagten war daher für den Kläger eher günstig und ist zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat auch den Tarifvertrag für den Groß- und Außenhandel berücksichtigt, der – wie allgemein bekannt und gerichtskundig ist - in der Regel höhere Entgelte ausweist als der (zu dieser Zeit noch für allgemeinverbindlich erklärte) Tarifvertrag für den Einzelhandel.
Das nach dem maßgeblichen Tarifvertrag zu erzielende monatlich Entgelt, das bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Std. zu erzielen war, hat die Beklagte auch zutreffend in ein wöchentliches Entgelt umgerechnet, wonach sich nach Rundung (§ 112 Abs. 10 AFG), das zu Grunde gelegte BME von 830 DM/Woche ergab. Bewilligt und gezahlt hat die Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 1998 – zutreffend - das nach der Leistungstabelle für das Jahr 1997 (LG A/0) dem Kläger zustehende Alg, was insoweit zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist und auch nach den Feststellungen des Senats rechtens war.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers war die Beklagte auch nicht verpflichtet, Alg nach einem höheren BME zu zahlen und den Kläger dahingehend zu beraten, seinen Antrag auf Bewilligung von Alg erst zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, um in den Genuss einer ihn begünstigenden Neuregelung des Rechts der Leistungshöhe beim Alg nach in Kraft treten des SGB III zu kommen. Eine solche Pflicht zur Beratung – mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen des sog "Herstellungsanspruchs” - vermag der Senat vorliegend nicht anzuerkennen.
Die als Richterrecht entwickelten Grundsätze über den sog. "Herstellungsanspruch” sollen (ungeachtet rechtsdogmatischer Einordnungsprobleme, wie sie z.B. von Haase, Ladage und Schmidt-deCaluwe u.a. diskutiert worden sind) - in aller Regel - solche Nachteile ausgleichen, die ein Leistungsberechtigter dadurch erfährt, dass der Leistungsträger einer konkret bestehende Pflicht zur Aufklärung, Auskunft und/oder Beratung (§§ 13, 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I -) nicht oder fehlerhaft nachkommt (vgl. den Überblick über die Entwicklung der Rspr. bei Krasney, Zeitschrift für die Anwaltspraxis - ZAP - Fach 18, S. 449 ff., 455 ff.). Voraussetzung ist demnach zunächst eine Beratungssituation und eine dadurch konkretisierte Pflicht, auf eine bestimmte – evtl. auch von der vermeintlich zunächst im Interesse des Leistungsempfängers liegende – abweichende Verhaltensweise oder Antragstellung hinzuwirken. Die Unterlassung dieser Pflicht zur Aufklärung, Auskunft und/oder Beratung muss ursächlich für ein Unterlassen bzw. eine nachteilige Handlung des Leistungsberechtigten sein, was wiederum Ursache für einen – insbesondere finanziellen – Nachteil beim Leistungsberechtigten gewesen sein muss. Liegen insoweit die Voraussetzungen für den "Herstellungsanspruch” vor, so besteht – auf dessen "Rechtsfolgenseite” - die Verpflichtung des Leistungsträgers, den Leistungsberechtigten so zu stellen, als wäre er zutreffend beraten worden und hätte sodann die für ihn günstigere Handlungsalternative gewählt. Er kann dann diese Alternative wählen (z.B. einen Antrag zurücknehmen, später oder gar nicht stellen), soweit dies nach dem Gesetz vorgesehen und rechtlich zulässig ist; soweit gesetzlich zulässig, hat der Leistungsträger dem Folge zu leisten. Diese Rechtsprechungsgrundsätze werden auch für den Regelungsbereich des Arbeitsförderungsrechts grundsätzlich anerkannt. Demzufolge kann auch die Beklagte verpflichtet sein, einen Antragsteller dahingehend zu beraten, den Antrag auf Bewilligung von Alg erst zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn offensichtlich ist, dass diese Verschiebung für den Antragsteller vorteilhaft sein könnte. Dabei ist ein "objektiver" Maßstab für die Klärung der Frage anzulegen, was als "offensichtlich" zu gelten hat (vgl. BSG, Urt. vom 5. Aug. 1999 - B 7 AL 38/98 R - m.w.N. aus der Rspr. - SozR 3-4100 § 110 Nr. 2). Die Verpflichtung des Leistungsträgers zur "spontanen" (und d.h.: nicht gezielt erfragten) Beratung setzt eine für diesen erkennbare, klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeit voraus, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sein muss, dass sie ein verständiger Antragsteller mutmaßlich - wiederum nach "objektiven" Kriterien - genutzt hätte (vgl. - seinerzeit abweichend vom hier erkennenden Senat - BSG, Urt. vom 13. Dezember 2000 - B 14 EG 10/99 R - m.w.N. aus der Rspr. des BSG - Kurzwiedergabe in SGb 2001, 239; Volltext in JURIS-online verfügbar).
Der Senat folgt der Rechtsprechung über die Berücksichtigung der Grundsätze des sog. "Herstellungsanspruch” auch für das vorliegenden Verfahren. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf die von ihm – nachträglich – als günstiger eingeschätzte Handlungsvariante hinzuweisen und ihn entsprechend zu beraten, vermag der Senat jedoch im vorliegenden, konkreten Fall nicht anzuerkennen.
Zum Zeitpunkt der Arbeitslos-Meldung des Klägers und seiner Antragstellung auf Zahlung von Alg waren – wie dargelegt – die Vorschriften des AFG maßgeblich, die für die Festsetzung des BMEs bei Strafgefangenen eine klare Sonderregelung enthielten, welche den Strafgefangenen – insbesondere bei länger andauernder Strafhaft, die zum Erlöschen eines früher bestehenden Anspruchs auf Alg geführt haben würde - in aller Regel begünstigen sollten. Die Rechtsfolgenverweisung auf § 112 Abs. 7 AFG in § 112 Abs. 5 Nr. 10 AFG sollte insoweit der Beklagten und ihren Dienststellen die Möglichkeit eröffnen, entlassenen Strafgefangenen (aber auch sog. "Freigängern"), die wegen der geringen Entlohnung der in der Strafhaft ausgeübten Erwerbstätigkeit nur einen sehr geringen Anspruch auf Alg hätten erwerben können, auch eine bessere Einstufung zu ermöglichen, wenn spezifische Vermittlungsmöglichkeiten aussichtsreich erscheinen konnten. Insoweit entsprach (und entspricht jetzt auch wieder im SGB III - vgl. § 135 Nr. 3 SGB III i.d.F. des 2. SGB III-ÄndG vom 21. Juli 1999, BGBl. I., S. 1648 - in Kraft ab 1. Aug. 1999) diese Regelung dem in Gesellschaft und Rechtsordnung (auch in der Rspr. des BVerfG) allgemein anerkannten Prinzip, entlassenen Strafgefangenen (bzw. zuvor schon: den "Freigängern”) die Wiedereingliederung in Erwerbstätigkeit und gesellschaftliches Umfeld zu erleichtern und damit die "Resozialisierung” zu ermöglichen. Die Beklagte hat diese Vorschriften – wie ausgeführt – auch uneingeschränkt zutreffend und durchaus zu Gunsten des Klägers angewandt. Zugleich hatte sie dabei auch – entsprechend den allgemeinen Vorgaben des SGB I und den besonderen Bestimmungen des AFG bzw. jetzt des SGB III – den ihr obliegenden Verpflichtungen genügt: Nach § 17 SGB I sollen die Leistungsträger dafür Sorge tragen, dass eine Bewilligung der zustehenden Sozialleistungen zügig erfolgt; nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (auch schon nach entsprechenden Vorschriften des AFG) oblag (und obliegt) es der Beklagten, neben der zügigen Leistungsgewährung auch zugleich ihre Bemühungen um Wiedereingliederung in eine beitragspflichtige Beschäftigung nachhaltig - und vorrangig gegenüber der Leistungsgewährung (§§ 4 ff. SGB III) – durch entsprechende Vermittlungsanstrengungen zu intensivieren. Dem entspricht vorliegend der Verwaltungsablauf im Nov./Dez. 1997 uneingeschränkt Auf die Feststellung der - grundsätzlichen Leistungsberechtigung - ist, da der Kläger zuletzt als Strafgefangener beitragspflichtig beschäftigt war – unter Beteiligung der Abteilung Arbeitsvermittlung um eine fiktive Einstufung nachgesucht worden. Diese lag (Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 18. November, Stellungnahme der Abteilung Arbeitsvermittlung vom 10. Dezember) innerhalb von rund drei Wochen vor; die Leistungsbewilligung erfolgte mit Bescheid vom 18. Dezember 1997, also innerhalb von rund vier Wochen nach Antragstellung. Das zeugt von einem raschen und nicht zu beanstandenden Verwaltungsablauf. Zweifel an der Höhe des BMEs musste die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht haben. Insbesondere hatte sie keine Veranlassung, wie der Kläger meint, für die Vermittlung solche Beschäftigungen ins Auge zu fassen, für die monatlich ein Entgelt von ca. 6.000,- DM gezahlt wurde.
Hinzu kommt, dass kurz vor der Jahreswende 1997/98 und dem Inkrafttreten des SGB III zum 1. Januar 1998 bereits weitere Änderungen des Gesetzes anstanden (vgl. u.a. das 1. SGB III-ÄndG); es war nicht "offensichtlich", dass die Neuregelungen des SGB III - etwa in § 133 SGB III - zu einer weiteren Privilegierung auch von Strafgefangenen, die nicht ganz unbedeutend lange Freiheitsstrafen verbüßt hatten - führen sollte. Von daher hält es der Senat im konkreten Fall und für den konkreten Zeitpunkt nicht für zwingend, dass die Beklagte den Kläger - entgegen ihrer vorrangigen Verpflichtung zur Aufnahme von Vermittlungsbemühungen und zur raschen Auszahlung des Alg - zu einer späteren Antragstellung hätte auffordern müssen. Insoweit liegen die Dinge im vorliegenden Fall anders, als in dem vom BSG am 5. Aug. 1999 (- B 7 AL 38/98 R -) entschiedenen Fall, wo es um die Beratung eines älteren Arbeitslosen (unweit des ersten Rentenzugangsalters) im Hinblick auf eine schon länger bestehende Rechtslage ging. Dort war nach aller Voraussicht zwingend mit einem längeren Bezug von Alg zu rechnen, die Beratungsalternative lag klar "auf der Hand" und der Leistungsbeginn wäre (wegen eines bestandskräftigen Sperrzeitbescheides) ohnedies nicht "nach Hinten" verlegt worden. Von jener Fallkonstellation unterscheidet sich die vorliegende in mehrfacher und entscheidungserheblicher Hinsicht. Insbesondere stand beim Kläger (u.a. auch wegen seines Lebensalters) seinerzeit nicht der "Ausgliederungsaspekt" im Vordergrund, sondern der Versuch, ihn zeitnah wieder "einzugliedern".
Bei einer neuen, offenen und/oder noch unklaren oder aber unsicheren Rechtslage konnte aber eine Verpflichtung der Beklagten zur "Optimierungsberatung" nicht entstehen (vgl. hierzu auch BSG, Urt. vom 13. Dezember 2000 - B 14 EG 10/99 R -). Das wird vorliegend auch dadurch verdeutlicht, dass schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit - nämlich durch das 2. SGB III-ÄndG vom 21. Juli 1999 - BGBl. I, S. 1648, vgl. § 135 Nr. 3 SGB III n.F.) bzgl. des BMEs von Strafgefangenen im Wesentlichen der Rechtszustand, wie er vor dem 1. Januar 1998 maßgeblich war, wieder hergestellt worden ist. Schon zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Überprüfungsentscheidung vom Dezember 1999 galt bereits wieder das Recht, von dem die Beklagte im Dezember 1997 auszugehen hatte. Der Senat lässt dahingestellt ob insoweit bei der Interpretation von § 133 Abs. 1 SGB III im Hinblick auf die spätere Regelung in § 135 Nr. 3 SGB III eine teleologische Reduktion bzgl. der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden hätte geboten sein können ; hierauf kommt es vorliegend nicht - mehr - an, weil bei der hier konkret bezeichneten und zu diesem Zeitpunkt neuen, offenen und noch unklaren Rechtslage zur Überzeugung des Senats für die Beklagte keine Verpflichtung bestanden hat, den Kläger zu einer späteren Antragstellung zu veranlassen, und sich - jedenfalls für die vorliegenden Fallkonstellation - möglicherweise sogar selbst pflichtwidrig im Hinblick auf die Vorrangigkeit von Vermittlungsbemühungen vor der Leistungsgewährung zu verhalten. Es fehlte damit schon an der ersten Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundsätze über den sog "Herstellungsanspruch", weshalb es bei der von der Beklagten getroffenen Entscheidung vom 18. Dezember 1997 zu verbleiben hatte.
Das Urteil des Sozialgerichts musste daher geändert werden. Die Klage war in vollem Umfang abzuweisen, wohingegen die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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