Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 EG 4189/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 5596/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. November 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG) im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für das 1. Lebensjahr des am 20. Juni 1997 geborenen Kindes C. sowie teilweise für das 2. Lebensjahr (Zeitraum vom 20. Juni 1998 bis zum 1. Mai 1999) im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens.
Die 1969 geborene Klägerin türkischer Staatsangehörigkeit, die seit 1987 mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet ist, kam im Oktober 1996 gemeinsam mit ihrem Ehemann als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt B. erteilte ihr am 9. Mai 1997 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Ab dem 17. Februar 1998 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Am 7. Mai 2001 erteilte ihr das Landratsamt eine zunächst bis zum 7. Mai 2002 befristete Aufenthaltserlaubnis. Die Klägerin ist die Mutter der am 20. Juni 1997 geborenen Tochter C ... Ihr Ehemann A. B. war als Zimmermann versicherungspflichtig beschäftigt.
Den Antrag der Klägerin vom 7. August 1997, ihr für das 1. Lebensjahr ihrer Tochter ErzG zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. September 1997 mit der Begründung ab, der Erziehungsgeldanspruch eines Ausländers setze u. a. voraus, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Besitz einer Aufenthaltsgestattung begründe aber keinen Anspruch auf ErzG. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Rücknahmeanträge der Klägerin vom 19. Februar 1998, 4. November 1999 und 7. Dezember 1999 blieben jeweils erfolglos (Bescheide vom 27. März 1998, 23. November 1999 und 25. Februar 2000).
Den Rücknahmeantrag der Klägerin vom 4. November 1999 wertete die Beklagte zugleich als Antrag auf Gewährung von ErzG für das 2. Lebensjahr ihrer Tochter C ... Hierzu teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 23. November 1999 mit, der mögliche Bezugsraum für ErzG im Sinne des BErzGG habe am 19. Juni 1999 geendet.
Am 3. April 2000 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von ErzG für das 2. Lebensjahr des Kindes, was mit Bescheid vom 26. Juni 2000 ebenfalls mit der Begründung abgelehnt wurde, der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis begründe keinen Erziehungsgeldanspruch.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2001, bei der Beklagten eingegangen am 8. Juni 2001, beantragte sie die hier streitige Rücknahme der Ausgangsbescheide. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 13. Juni 2001 mit der Begründung ab, weder für das 1. noch für das 2. Lebensjahr des Kindes bestehe Anspruch auf ErzG, da die Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis erst nach Ablauf des für das ErzG in Frage kommenden Bezugszeitraumes erteilt worden wäre.
Dagegen erhob die Klägerin jeweils Widerspruch, ohne diesen zu begründen.
Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von BErzGG für das 2. Lebensjahr mit der Begründung ab, die Antragstellung sei nicht fristgerecht erfolgt. Denn ErzG werde auf schriftlichen Antrag rückwirkend höchstens für 6 Monate vor Antragstellung gewährt. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, dem die Beklagte insoweit stattgab, als sie der Klägerin für das zweite Lebensjahr ihrer Tochter ab dem 2. Mai bis zum 19. Juni 1999 ErzG in Höhe von 490,85 EUR bewilligte (Bescheide vom 31. Juli 2003 und 28. April 2004). Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 2. Juni 2004 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als der Klägerin nach Maßgabe des Bewilligungsbescheides vom 28. April 2004 für die Zeit vom 22. Mai 1998 bis 19. Juni 1998 (gemeint: 2. Mai 1999 bis 19. Juni 1999) BErzGG gewährt werde. Im übrigen wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Ausgangsentscheidung, der Klägerin für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes wegen der fehlenden Aufenthaltsberechtigung bzw. -erlaubnis ErzG nicht zu gewähren, sei zutreffend erfolgt, so dass kein Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes bestehe. Türkische Staatsangehörige könnten zwar unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis aufgrund von Artikel 3 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 3/80 i. V. m. dem S.-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 4. Mai 1999 ErzG erhalten. Dieses Urteil könne jedoch unmittelbare Wirkung nur für Leistungen nach Erlass des vorliegenden Urteils entfalten, d. h. soweit gerichtliche Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Da gegen die Ablehnungsbescheide vom 29. September 1997 und 27. März 1998 seinerzeit kein Widerspruch eingelegt worden wäre und das Erziehungsgeldverfahren für das 1. Lebensjahr damit bereits vor Ergehen des S.-Urteils (4. Mai 1999) abgeschlossen worden wäre (auch wenn der Bescheid vom 27. März 1998 erst später bestandskräftig geworden sei), könnten für Zeiträume vor dem 4. Mai 1999 keine Ansprüche mehr aus diesem Urteil hergeleitet werden. Eine Rücknahme der Bescheide käme daher nur für den Zeitraum ab 4. Mai 1999 in Betracht. Da das erste Lebensjahr des Kindes aber am 19. Juli 1998 beendet worden wäre, könne aufgrund dieses Urteils für das 1. Lebensjahr des Kindes kein ErzG mehr gewährt werden und es bestehe daher kein Anspruch auf Rücknahme der ablehnenden Entscheidung. Hinsichtlich des 2. Lebensjahres gelte, dass ErzG auf schriftlichen Antrag rückwirkend höchstens für 6 Monate vor der Antragstellung gewährt werde. Eine formlose Antragstellung für das 2. Lebensjahr sei erstmals im Schreiben der Gemeinde M. vom 2. November 1999 enthalten gewesen. ErzG für das 2. Lebensjahr der Tochter bestehe daher allenfalls für die Spanne vom 2. Mai bis 19. Juli 1998 (gemeint: 1999). Über die Fristen zur Antragstellung für das 2. Lebensjahr sei die Klägerin auch mit Bescheid vom 29. September 1997 hinreichend informiert worden. Deswegen habe sie für die Zeit vor den 2. Mai 1999 auch die Antragsfrist nicht ohne Verschulden versäumt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme daher nicht in Betracht.
Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen, nicht begründeten Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. November 2004, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 9. November 2004, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, es bestehe kein Anspruch auf Rücknahme der angefochtenen Bescheide, denn die Beklagte habe ihr zu Recht nur teilweise ErzG für das 2. Lebensjahr ihrer Tochter gewährt. Erst ab dem 7. Mai 2001 sei sie nämlich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen, wie sich dies aufgrund des Schreibens des Landratsamtes vom 9. Dezember 2002 ergebe. Somit habe sie bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres am 19. Juni 1999 weder über eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 4. Mai 1999 (C 262/96 "S."), bestätigt durch Urteil vom 14.03.2000 (C 102/98 und C 211/98), ausgeführt, dass es gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 3/80 verstoße, wenn ein Mitgliedsstaat einem türkischen Staatsangehörigen, für den dieser Beschluss gelte, eine Sozialleistung nur gewähre, wenn dieser eine bestimmte Art von Aufenthaltstitel besitze, während von Inländern kein solches Dokument verlangt werde. Ein Berechtigter könne sich aber auf die unmittelbare Wirkung des Diskriminierungsverbotes zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen nicht für solche Zeiten berufen, die dem Erlass dieses Urteil vorangegangen seien, soweit er nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen anderen Rechtsbehelf eingelegt habe (vgl. hierzu auch BSG vom 27. Mai 2004 - B 10 EG 11/03 R -). Das Antragsverfahren sei vorliegend aber bereits vor dem 4. Mai 1999, nämlich aufgrund des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 29. September 1997, abgeschlossen worden. Dass die Klägerin in der Folgezeit wiederholt Rücknahmeantrage gestellt habe, stelle keinen der Klage gleichwertigen Rechtsbehelf im Sinne des S.-Urteils des EuGH dar, denn die Rücknahmemöglichkeit nach § 44 SGB VI (gemeint: SGB X) sei anders als Widerspruch und Klage kein Rechtsbehelf; vielmehr führe sie lediglich zu einer Durchbrechung der materiellen Bestandskraft und der Bindungswirkung eines Bescheides. Deswegen komme eine Gewährung bislang vorenthaltener Sozialleistungen nur für die Zeit ab dem 4. Mai 1999 in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt sei aber das 1. Lebensjahr der Tochter C. der Klägerin bereits abgelaufen. Deswegen habe die Beklagte zu Recht an der Bestandskraft des Bescheides vom 29. September 1997 festgehalten und dessen Rücknahme abgelehnt. Der Klägerin stehe darüber hinaus auch für das 2. Lebensjahr ihrer Tochter C. kein Anspruch auf Gewährung von ErzG für die Zeit vor dem 2. Mai 1999 zu, denn sie habe den diesbezüglichen Antrag nicht fristgerecht gestellt. Bei der in § 4 Abs. 2 Satz 3 BErzGG genannten Frist handle es sich nach Sinn und Zweck um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Deshalb sei ungeachtet der Frage, ob die Klägerin die Antragsfrist ohne Verschulden versäumt habe, eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist nicht zulässig.
Ihre dagegen am 30. November 2004 erhobene Berufung hat die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 6. Juli 2004 (1 BvR 2515/95) begründet. Denn ErzG hinge nicht mehr von der Art des Aufenthaltstitels ab, zumal dieser keine geeignete Grundlage für eine Prognose der Aufenthaltsdauer darstelle. Daran ändere auch die Verbindung eines Aufenthaltstitels mit einer Arbeitserlaubnis nichts, denn mit jeder Art von Aufenthaltstitel mit einer Auflage könne die Untersagung der Arbeitstätigkeit verbunden werden. Diese gelte umso mehr, als ihr Ehemann schon immer in der Bundesrepublik Deutschland arbeitstätig gewesen wäre. Die Beklagte argumentiere auch unbillig, da sie beim 2. Kind der Klägerin, E., einen Erziehungsgeldanspruch anerkannt habe (Bescheide vom 16. Januar 2003 und 21. Oktober 2003).
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid vom 4. November 2004 und die Bescheide vom 13. Juni 2001 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 31. Juli 2003 und 28. April 2004 sowie der Widerspruchsbescheide vom 2. Juni 2004 aufzuheben bzw. abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme der Bescheide vom 29. September 1997 und 26. Juni 2000 ErzG für das 1. Lebensjahr ihrer Tochter C. sowie für das 2. Lebensjahr auch für die die Zeitspanne vom 20. Juni 1998 bis zum 1. Mai 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004, nachdem der Gesetzgeber bis zum 01.01.2006 nicht tätig geworden sei, auf nicht abgeschlossene Verfahren das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden sei. Für das 2. Lebensjahr scheitere der Anspruch an der Versäumung der Antragsfrist. Auch für das 1. Lebensjahr könne keine Leistung gewährt werden. Die Klägerin habe zuletzt am 7. Juni 2001 einen Antrag auf Überprüfung ihres Anspruches auf Bundeserziehungsgeld für das 1. Lebensjahr gestellt. Nachdem ihr Antrag vor dem 4. Mai 1999 bestandskräftig beschieden worden sei, komme ihr auch das Urteil des EuGH nicht zugute. Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich nichts anderes. Für eine Wiederaufnahme rechts- oder bestandskräftig abgeschlossener Verfahren bestehe kein Anlass. Dies gelte auch dann, wenn man in § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine speziellere und daher vorrangig anzuwendende Regelung zu dem sonst heranzuziehenden § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) sehe, denn die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht gegeben. Das Bundesverfassungsgericht habe § 1 Abs. 1 a Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz 1993 nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt. Daraus folge eine Sperre für die weitere Anwendung dieser Norm, nicht jedoch eine Rechtswidrigkeit der bisher ergangenen Bescheide. Diese hätten ihre gesetzliche Grundlage nicht verloren. Deswegen habe das Bundesverfassungsgericht auch nur für die noch nicht abgeschlossenen Verfahren angeordnet, dass wenn der Bundesgesetzgeber bis zum 1. Januar 2006 die verfassungswidrige Regelung nicht durch eine Neuregelung erlasse, das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden sei.
Das mit Beschluss vom 18. März 2005 zum Ruhen gebrachte Verfahren (L 11 EG 5487/04) wird nach Wiederaufrufung durch die Beklagte unter dem Aktenzeichen L 11 EG 5596/06 fortgeführt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst, und damit insgesamt zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. Juni 2001 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 31. Juli 2003 und 28. April 2004 sowie des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von ErzG für das 1. Lebensjahr bzw. den Zeitraum vom 20. Juni 1998 bis 1. Mai 1999.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf ErzG nach § 1 Abs. 1 a BErzGG in der ab dem 27. Juli 1993 geltenden Fassung sind von dem SG zutreffend dargestellt. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Nach Auffassung des Senats ist die Berufung unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten wie auch der hier maßgebenden Antragsfrist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BErzGG aus den vom SG wie auch der Beklagten zutreffend und ausführlich dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit verzichtet der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf eine erneute Darstellung der Entscheidungsgründe.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das SG zutreffend entschieden hat, dass der Verwaltungsakt vom 29. September 1997 nach § 77 SGG bestandkräftig wurde, da innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 84 Abs. 1 SGG kein Widerspruch erhoben wurde.
Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht auf die Entscheidung des EuGH im Rechtsstreit S. stützen kann (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 11. April 2006 - L 11 EG 4/06 -). Diese Möglichkeit bestünde nur dann, wenn vor Erlass der Urteils gerichtlich Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Der Verwaltungsakt vom 29. September 1997 war bestandskräftig. Widerspruch oder Klage waren dagegen nicht erhoben worden. Nach der Entscheidung im Rechtsstreit S. hat damit die getroffene Entscheidung weiterhin Bestand, denn die zahlreichen Anträge der Klägerin auf Rücknahme der Ausgangsentscheidungen nach § 44 SGB X stehen einem solchen Rechtsbehelf nicht gleich.
Weiter hat das SG wie auch die Beklagte zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Antragsfrist des § 4 BErzGG nicht beachtet hat und ihr deswegen für den noch streitigen Zeitraum für das 2. Lebensjahr des Kindes ebenfalls kein Leistungsanspruch zusteht.
Auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 - 1 BvL 2515/95 - steht ihr kein Leistungsanspruch zu (SozR 4 - 7833 § 1 Nr. 4). In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht § 1 Abs. 1 a Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz 1993 aufgrund der darin enthaltenen Benachteiligung von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis für mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt. Eine Nichtigkeit der Norm wurde aber nicht ausgesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen würden, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, weshalb nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht komme. Weiter hat das Bundesverfassungsgericht bestimmt, dass, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1. Januar 2006 durch eine Neuregelung ersetze, auf nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden sei.
Nachdem eine Neuregelung durch den Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2006 nicht erfolgt ist, dieser also folglich nicht tätig geworden ist, ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden (vgl. auch Urteil des Senats vom 29. August 2006 - L 11 EG 1397/06 -). Diese Voraussetzung zur Anwendung des bis zum 26. Juni 1993 geltenden Rechtes ist hier gegeben. Das Verfahren ist nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossen.
Die nach § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG erforderliche Voraussetzung, dass der Ausländer im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, hat die Klägerin im streitigen Bezugszeitraum unstreitig nicht erfüllt. Dies ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus der von ihr vorgelegten Bescheinigung des Landratsamtes. Somit war sie für den streitigen Zeitraum nicht im tatsächlichem Besitz einer notwendigen Aufenthaltsgenehmigung, die aber nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3 - 1200 § 14 Nr. 24) durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des Leistungszeitraumes festgestellt sein muss. Dieser Entscheidung der Ausländerbehörde kommt für das Erziehungsgeldrecht Tatbestandswirkung zu (BSG SozR 3 - 7833 § 1 Nr. 7). Die der Klägerin ab dem 7. Mai 2001 erteilten Aufenthaltsberechtigung entfaltet auch keine rückwirkende Kraft (BSG SozR 3 - 7833 § 1 Nr. 12).
Nach alldem konnte die Berufung deswegen keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG) im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für das 1. Lebensjahr des am 20. Juni 1997 geborenen Kindes C. sowie teilweise für das 2. Lebensjahr (Zeitraum vom 20. Juni 1998 bis zum 1. Mai 1999) im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens.
Die 1969 geborene Klägerin türkischer Staatsangehörigkeit, die seit 1987 mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet ist, kam im Oktober 1996 gemeinsam mit ihrem Ehemann als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt B. erteilte ihr am 9. Mai 1997 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Ab dem 17. Februar 1998 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Am 7. Mai 2001 erteilte ihr das Landratsamt eine zunächst bis zum 7. Mai 2002 befristete Aufenthaltserlaubnis. Die Klägerin ist die Mutter der am 20. Juni 1997 geborenen Tochter C ... Ihr Ehemann A. B. war als Zimmermann versicherungspflichtig beschäftigt.
Den Antrag der Klägerin vom 7. August 1997, ihr für das 1. Lebensjahr ihrer Tochter ErzG zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. September 1997 mit der Begründung ab, der Erziehungsgeldanspruch eines Ausländers setze u. a. voraus, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Besitz einer Aufenthaltsgestattung begründe aber keinen Anspruch auf ErzG. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Rücknahmeanträge der Klägerin vom 19. Februar 1998, 4. November 1999 und 7. Dezember 1999 blieben jeweils erfolglos (Bescheide vom 27. März 1998, 23. November 1999 und 25. Februar 2000).
Den Rücknahmeantrag der Klägerin vom 4. November 1999 wertete die Beklagte zugleich als Antrag auf Gewährung von ErzG für das 2. Lebensjahr ihrer Tochter C ... Hierzu teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 23. November 1999 mit, der mögliche Bezugsraum für ErzG im Sinne des BErzGG habe am 19. Juni 1999 geendet.
Am 3. April 2000 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von ErzG für das 2. Lebensjahr des Kindes, was mit Bescheid vom 26. Juni 2000 ebenfalls mit der Begründung abgelehnt wurde, der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis begründe keinen Erziehungsgeldanspruch.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2001, bei der Beklagten eingegangen am 8. Juni 2001, beantragte sie die hier streitige Rücknahme der Ausgangsbescheide. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 13. Juni 2001 mit der Begründung ab, weder für das 1. noch für das 2. Lebensjahr des Kindes bestehe Anspruch auf ErzG, da die Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis erst nach Ablauf des für das ErzG in Frage kommenden Bezugszeitraumes erteilt worden wäre.
Dagegen erhob die Klägerin jeweils Widerspruch, ohne diesen zu begründen.
Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von BErzGG für das 2. Lebensjahr mit der Begründung ab, die Antragstellung sei nicht fristgerecht erfolgt. Denn ErzG werde auf schriftlichen Antrag rückwirkend höchstens für 6 Monate vor Antragstellung gewährt. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, dem die Beklagte insoweit stattgab, als sie der Klägerin für das zweite Lebensjahr ihrer Tochter ab dem 2. Mai bis zum 19. Juni 1999 ErzG in Höhe von 490,85 EUR bewilligte (Bescheide vom 31. Juli 2003 und 28. April 2004). Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 2. Juni 2004 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als der Klägerin nach Maßgabe des Bewilligungsbescheides vom 28. April 2004 für die Zeit vom 22. Mai 1998 bis 19. Juni 1998 (gemeint: 2. Mai 1999 bis 19. Juni 1999) BErzGG gewährt werde. Im übrigen wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Ausgangsentscheidung, der Klägerin für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes wegen der fehlenden Aufenthaltsberechtigung bzw. -erlaubnis ErzG nicht zu gewähren, sei zutreffend erfolgt, so dass kein Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes bestehe. Türkische Staatsangehörige könnten zwar unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis aufgrund von Artikel 3 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 3/80 i. V. m. dem S.-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 4. Mai 1999 ErzG erhalten. Dieses Urteil könne jedoch unmittelbare Wirkung nur für Leistungen nach Erlass des vorliegenden Urteils entfalten, d. h. soweit gerichtliche Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Da gegen die Ablehnungsbescheide vom 29. September 1997 und 27. März 1998 seinerzeit kein Widerspruch eingelegt worden wäre und das Erziehungsgeldverfahren für das 1. Lebensjahr damit bereits vor Ergehen des S.-Urteils (4. Mai 1999) abgeschlossen worden wäre (auch wenn der Bescheid vom 27. März 1998 erst später bestandskräftig geworden sei), könnten für Zeiträume vor dem 4. Mai 1999 keine Ansprüche mehr aus diesem Urteil hergeleitet werden. Eine Rücknahme der Bescheide käme daher nur für den Zeitraum ab 4. Mai 1999 in Betracht. Da das erste Lebensjahr des Kindes aber am 19. Juli 1998 beendet worden wäre, könne aufgrund dieses Urteils für das 1. Lebensjahr des Kindes kein ErzG mehr gewährt werden und es bestehe daher kein Anspruch auf Rücknahme der ablehnenden Entscheidung. Hinsichtlich des 2. Lebensjahres gelte, dass ErzG auf schriftlichen Antrag rückwirkend höchstens für 6 Monate vor der Antragstellung gewährt werde. Eine formlose Antragstellung für das 2. Lebensjahr sei erstmals im Schreiben der Gemeinde M. vom 2. November 1999 enthalten gewesen. ErzG für das 2. Lebensjahr der Tochter bestehe daher allenfalls für die Spanne vom 2. Mai bis 19. Juli 1998 (gemeint: 1999). Über die Fristen zur Antragstellung für das 2. Lebensjahr sei die Klägerin auch mit Bescheid vom 29. September 1997 hinreichend informiert worden. Deswegen habe sie für die Zeit vor den 2. Mai 1999 auch die Antragsfrist nicht ohne Verschulden versäumt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme daher nicht in Betracht.
Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen, nicht begründeten Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. November 2004, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 9. November 2004, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, es bestehe kein Anspruch auf Rücknahme der angefochtenen Bescheide, denn die Beklagte habe ihr zu Recht nur teilweise ErzG für das 2. Lebensjahr ihrer Tochter gewährt. Erst ab dem 7. Mai 2001 sei sie nämlich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen, wie sich dies aufgrund des Schreibens des Landratsamtes vom 9. Dezember 2002 ergebe. Somit habe sie bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres am 19. Juni 1999 weder über eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 4. Mai 1999 (C 262/96 "S."), bestätigt durch Urteil vom 14.03.2000 (C 102/98 und C 211/98), ausgeführt, dass es gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 3/80 verstoße, wenn ein Mitgliedsstaat einem türkischen Staatsangehörigen, für den dieser Beschluss gelte, eine Sozialleistung nur gewähre, wenn dieser eine bestimmte Art von Aufenthaltstitel besitze, während von Inländern kein solches Dokument verlangt werde. Ein Berechtigter könne sich aber auf die unmittelbare Wirkung des Diskriminierungsverbotes zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen nicht für solche Zeiten berufen, die dem Erlass dieses Urteil vorangegangen seien, soweit er nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen anderen Rechtsbehelf eingelegt habe (vgl. hierzu auch BSG vom 27. Mai 2004 - B 10 EG 11/03 R -). Das Antragsverfahren sei vorliegend aber bereits vor dem 4. Mai 1999, nämlich aufgrund des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 29. September 1997, abgeschlossen worden. Dass die Klägerin in der Folgezeit wiederholt Rücknahmeantrage gestellt habe, stelle keinen der Klage gleichwertigen Rechtsbehelf im Sinne des S.-Urteils des EuGH dar, denn die Rücknahmemöglichkeit nach § 44 SGB VI (gemeint: SGB X) sei anders als Widerspruch und Klage kein Rechtsbehelf; vielmehr führe sie lediglich zu einer Durchbrechung der materiellen Bestandskraft und der Bindungswirkung eines Bescheides. Deswegen komme eine Gewährung bislang vorenthaltener Sozialleistungen nur für die Zeit ab dem 4. Mai 1999 in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt sei aber das 1. Lebensjahr der Tochter C. der Klägerin bereits abgelaufen. Deswegen habe die Beklagte zu Recht an der Bestandskraft des Bescheides vom 29. September 1997 festgehalten und dessen Rücknahme abgelehnt. Der Klägerin stehe darüber hinaus auch für das 2. Lebensjahr ihrer Tochter C. kein Anspruch auf Gewährung von ErzG für die Zeit vor dem 2. Mai 1999 zu, denn sie habe den diesbezüglichen Antrag nicht fristgerecht gestellt. Bei der in § 4 Abs. 2 Satz 3 BErzGG genannten Frist handle es sich nach Sinn und Zweck um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Deshalb sei ungeachtet der Frage, ob die Klägerin die Antragsfrist ohne Verschulden versäumt habe, eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist nicht zulässig.
Ihre dagegen am 30. November 2004 erhobene Berufung hat die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 6. Juli 2004 (1 BvR 2515/95) begründet. Denn ErzG hinge nicht mehr von der Art des Aufenthaltstitels ab, zumal dieser keine geeignete Grundlage für eine Prognose der Aufenthaltsdauer darstelle. Daran ändere auch die Verbindung eines Aufenthaltstitels mit einer Arbeitserlaubnis nichts, denn mit jeder Art von Aufenthaltstitel mit einer Auflage könne die Untersagung der Arbeitstätigkeit verbunden werden. Diese gelte umso mehr, als ihr Ehemann schon immer in der Bundesrepublik Deutschland arbeitstätig gewesen wäre. Die Beklagte argumentiere auch unbillig, da sie beim 2. Kind der Klägerin, E., einen Erziehungsgeldanspruch anerkannt habe (Bescheide vom 16. Januar 2003 und 21. Oktober 2003).
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid vom 4. November 2004 und die Bescheide vom 13. Juni 2001 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 31. Juli 2003 und 28. April 2004 sowie der Widerspruchsbescheide vom 2. Juni 2004 aufzuheben bzw. abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme der Bescheide vom 29. September 1997 und 26. Juni 2000 ErzG für das 1. Lebensjahr ihrer Tochter C. sowie für das 2. Lebensjahr auch für die die Zeitspanne vom 20. Juni 1998 bis zum 1. Mai 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004, nachdem der Gesetzgeber bis zum 01.01.2006 nicht tätig geworden sei, auf nicht abgeschlossene Verfahren das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden sei. Für das 2. Lebensjahr scheitere der Anspruch an der Versäumung der Antragsfrist. Auch für das 1. Lebensjahr könne keine Leistung gewährt werden. Die Klägerin habe zuletzt am 7. Juni 2001 einen Antrag auf Überprüfung ihres Anspruches auf Bundeserziehungsgeld für das 1. Lebensjahr gestellt. Nachdem ihr Antrag vor dem 4. Mai 1999 bestandskräftig beschieden worden sei, komme ihr auch das Urteil des EuGH nicht zugute. Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich nichts anderes. Für eine Wiederaufnahme rechts- oder bestandskräftig abgeschlossener Verfahren bestehe kein Anlass. Dies gelte auch dann, wenn man in § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine speziellere und daher vorrangig anzuwendende Regelung zu dem sonst heranzuziehenden § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) sehe, denn die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht gegeben. Das Bundesverfassungsgericht habe § 1 Abs. 1 a Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz 1993 nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt. Daraus folge eine Sperre für die weitere Anwendung dieser Norm, nicht jedoch eine Rechtswidrigkeit der bisher ergangenen Bescheide. Diese hätten ihre gesetzliche Grundlage nicht verloren. Deswegen habe das Bundesverfassungsgericht auch nur für die noch nicht abgeschlossenen Verfahren angeordnet, dass wenn der Bundesgesetzgeber bis zum 1. Januar 2006 die verfassungswidrige Regelung nicht durch eine Neuregelung erlasse, das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden sei.
Das mit Beschluss vom 18. März 2005 zum Ruhen gebrachte Verfahren (L 11 EG 5487/04) wird nach Wiederaufrufung durch die Beklagte unter dem Aktenzeichen L 11 EG 5596/06 fortgeführt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst, und damit insgesamt zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. Juni 2001 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 31. Juli 2003 und 28. April 2004 sowie des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von ErzG für das 1. Lebensjahr bzw. den Zeitraum vom 20. Juni 1998 bis 1. Mai 1999.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf ErzG nach § 1 Abs. 1 a BErzGG in der ab dem 27. Juli 1993 geltenden Fassung sind von dem SG zutreffend dargestellt. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Nach Auffassung des Senats ist die Berufung unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten wie auch der hier maßgebenden Antragsfrist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BErzGG aus den vom SG wie auch der Beklagten zutreffend und ausführlich dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit verzichtet der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf eine erneute Darstellung der Entscheidungsgründe.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das SG zutreffend entschieden hat, dass der Verwaltungsakt vom 29. September 1997 nach § 77 SGG bestandkräftig wurde, da innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 84 Abs. 1 SGG kein Widerspruch erhoben wurde.
Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht auf die Entscheidung des EuGH im Rechtsstreit S. stützen kann (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 11. April 2006 - L 11 EG 4/06 -). Diese Möglichkeit bestünde nur dann, wenn vor Erlass der Urteils gerichtlich Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Der Verwaltungsakt vom 29. September 1997 war bestandskräftig. Widerspruch oder Klage waren dagegen nicht erhoben worden. Nach der Entscheidung im Rechtsstreit S. hat damit die getroffene Entscheidung weiterhin Bestand, denn die zahlreichen Anträge der Klägerin auf Rücknahme der Ausgangsentscheidungen nach § 44 SGB X stehen einem solchen Rechtsbehelf nicht gleich.
Weiter hat das SG wie auch die Beklagte zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Antragsfrist des § 4 BErzGG nicht beachtet hat und ihr deswegen für den noch streitigen Zeitraum für das 2. Lebensjahr des Kindes ebenfalls kein Leistungsanspruch zusteht.
Auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 - 1 BvL 2515/95 - steht ihr kein Leistungsanspruch zu (SozR 4 - 7833 § 1 Nr. 4). In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht § 1 Abs. 1 a Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz 1993 aufgrund der darin enthaltenen Benachteiligung von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis für mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt. Eine Nichtigkeit der Norm wurde aber nicht ausgesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen würden, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, weshalb nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht komme. Weiter hat das Bundesverfassungsgericht bestimmt, dass, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1. Januar 2006 durch eine Neuregelung ersetze, auf nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden sei.
Nachdem eine Neuregelung durch den Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2006 nicht erfolgt ist, dieser also folglich nicht tätig geworden ist, ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden (vgl. auch Urteil des Senats vom 29. August 2006 - L 11 EG 1397/06 -). Diese Voraussetzung zur Anwendung des bis zum 26. Juni 1993 geltenden Rechtes ist hier gegeben. Das Verfahren ist nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossen.
Die nach § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG erforderliche Voraussetzung, dass der Ausländer im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, hat die Klägerin im streitigen Bezugszeitraum unstreitig nicht erfüllt. Dies ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus der von ihr vorgelegten Bescheinigung des Landratsamtes. Somit war sie für den streitigen Zeitraum nicht im tatsächlichem Besitz einer notwendigen Aufenthaltsgenehmigung, die aber nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3 - 1200 § 14 Nr. 24) durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des Leistungszeitraumes festgestellt sein muss. Dieser Entscheidung der Ausländerbehörde kommt für das Erziehungsgeldrecht Tatbestandswirkung zu (BSG SozR 3 - 7833 § 1 Nr. 7). Die der Klägerin ab dem 7. Mai 2001 erteilten Aufenthaltsberechtigung entfaltet auch keine rückwirkende Kraft (BSG SozR 3 - 7833 § 1 Nr. 12).
Nach alldem konnte die Berufung deswegen keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gegeben.
Rechtskraft
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