L 16 KR 110/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 (19) KR 647/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 110/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 15/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB mit Beschluss zurückgewiesen.
Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07. März 2006 wird geändert. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2004 wird festgestellt, dass der Kläger zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) bereits ab dem 01.01.2003 nicht abhängig beschäftigt war und keine Sozialversicherungspflicht bestand. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 1) in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 14.400,- Euro festgelegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu 1) seit dem 01.01.2003 bei der Klägerin zu 2) sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Der am 00.00.1961 geborene Kläger zu 1) war in der Zeit von 1992 bis 2001 als Trainer im Bereich der Mitarbeiterausbildung bei der I-Versicherung tätig. Er vermittelte zum einen fachliches Wissen, beispielsweise bezüglich der Produktpalette der I-Versicherung, zum anderen rhetorische Fertigkeiten zur erfolgreichen Führung von Verkaufsgesprächen sowie Kenntnisse im Hinblick auf die Organisation der zukünftigen selbständigen Tätigkeit der auszubildenden Mitarbeiter. Daran schloss sich im Jahre 2002 eine selbständige Tätigkeit als unabhängiger Trainer in Versicherungsfragen an. Mit Geschäftsführervertrag vom 16.12.2002 wurde der Kläger zu 1), der zu diesem Zeitpunkt noch keine Gesellschaftsanteile hielt, zu einem von insgesamt zwei Geschäftsführern der Klägerin zu 2) bestellt. Diese war am 12.12.2002 gegründet worden und zuvor in der Rechtsform eines Einzelunternehmens, zunächst als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, anschließend als Offene Handelsgesellschaft, von den beiden späteren Gesellschaftern L und L1 betrieben worden. Weiterer Geschäftsführer neben dem Kläger zu 1) war der Zeuge L1. Dieser sowie der andere Gesellschafter L hielten ursprünglich die Gesellschaftsanteile der neu gegründeten GmbH zu je 50 %. Der Geschäftsführervertrag räumte dem Kläger zu 1) mit Wirkung vom 01.01.2003 an eine - nach Maßgabe der Geschäftsordnung - alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführung ein. Danach bestand eine Kündigungsmöglichkeit des Vertrages mit vierwöchiger Frist zum Ende des jeweiligen Quartals. Als Vergütung waren 36.000,- Euro brutto jährlich vereinbart, zahlbar in 12 gleichen Monatsraten jeweils zum 30. eines Monats. Ferner sollte der Kläger zu 1) eine Auszahlung in Form von Tantiemen erhalten und in Höhe eigener Geschäftsanteile am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein. Diesem stand vertraglich ein Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen zu, wobei die beabsichtigte Urlaubszeit frei vom Geschäftsführer selbst bestimmbar sein sollte. Nach § 5 des Geschäftsführervertrages durfte sich der Geschäftsführer während der Dauer des Vertrages an Unternehmen, die mit der Klägerin zu 2) im Wettbewerb standen, weder unmittelbar noch mittelbar beteiligen (sog. Wettbewerbsverbot). Außerdem war festgelegt, dass der Kläger zu 1) und der weitere Geschäftsführer L1 von der Beschränkung des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit sein sollten.

In der von der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) am 10.12.2002 erlassenen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung wurde in § 2 ein Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufgelistet. Dazu zählten unter anderem die Aufnahme oder Gewährung von Darlehen, Übernahme von Bürgschaften, Garantien sowie sonstigen Haftungen für Dritte, die über die Summe von 25.000,- Euro hinausgingen. Unter dem 12.12.2002 beantragte die Klägerin zu 2) ihre Neueintragung in das Handelsregister. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin zu 2) ist entsprechend dem Gesellschaftervertrag die Beratung und Vermittlung von Versicherungen, Baufinanzierungen, Kapitalanlagen und Immobilien, die Erzeugung und Veräußerung von Kundenanfragen zu Finanz- und Versicherungsprodukten jeglicher Art sowie die Erbringung von Finanzdienstleistungen jeglicher Art.

Im Verlaufe des Jahres 2003 gab der Kläger zu 1) mehrere selbstschuldnerische Bürgschaften zu Gunsten der Klägerin zu 2) gegenüber unterschiedlichen Versicherungsunternehmen ab, u. a. gegenüber dem Gerling-Konzern, der AXA Krankenversicherungs- GmbH, der Berlin-Kölnische Krankenversicherung AG, den Volkswohl Bund Versicherungen, der Thuringia Generali Versicherung AG, der Stuttgarter Lebensversicherung AG, der Stuttgarter Versicherung AG und der Firma Concept IF AG, teilweise in der Höhe begrenzt, teilweise abhängig von bestehenden oder noch entstehenden Forderungen der Versicherungsunternehmen gegenüber der Klägerin zu 2), gleich in welcher Höhe sie noch entstehen würden. Mit Wirkung vom 01.01.2004 wurde der Kläger zu 1) mit 10 Prozent am Stammkapital der Klägerin zu 2) beteiligt. Die Gesellschaftsanteile des Zeugen L1 und des weiteren Gesellschafters L reduzierten sich auf je 45 Prozent.

Am 01.03.2004 beantragte die Klägerin zu 2) bei der Beklagten die Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit der Tätigkeit des Klägers zu 1). In dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gab der Kläger zu 1) unter anderem an, er unterliege hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung als Geschäftsführer nicht wie in fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschafter. Er könne, abgesehen von den Einschränkungen der Geschäftsordnung, seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Die Gestaltung der Tätigkeit sei von betrieblichen Erfordernissen, insbesondere von dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohle und Gedeihen des Unternehmens abhängig. Er verfüge als einziger Gesellschafter/Betriebsangehöriger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Personal könne er selbständig einstellen und/oder entlassen. Seinen Urlaub müsse er nicht genehmigen lassen. Nur aus wichtigem Grund sei seine Abberufung als Geschäftsführer möglich. Die vereinbarte monatliche Vergütung werde im Falle der Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen weiter gewährt. Von der Vergütung, die als Gehalt verbucht werde, würden Lohnsteuern abgeführt. Er sei als Geschäftsführer am Gewinn der Klägerin zu 2) beteiligt und erhalte erfolgsabhängige Bezüge in Form von Tantiemen und Gewinnbeteiligungen.

Mit zwei Bescheiden vom 16.04.2004 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) und gegenüber dem Kläger zu 1) fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) ab dem 01.01.2003 der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe, da er als Fremdgeschäftsführer am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt und damit als abhängig Beschäftigter der GmbH sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Ab dem 01.01.2004 liege Versicherungsfreiheit in allen Sozialversicherungszweigen vor, da er seitdem als Gesellschafter-Geschäftsführers beschäftigt sei. Den gegen die aus seiner Sicht unzutreffende Einschätzung, betreffend das Jahr 2003, eingelegten Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2004, zugestellt am 02.08.2004, als unbegründet zurück.

Mit der dagegen am 02.09.2004 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) geltend gemacht, dass eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht auch für das Jahr 2003 auszusprechen sei. Er, der Kläger zu 1), verfüge aufgrund seiner früheren Tätigkeiten über besondere Branchenkenntnisse, aufgrund derer er die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich bestimmt habe und bestimme. Er kenne die Branche und die Verkaufsstrategien wie kein Dritter. Dieses Wissen stelle er der Gesellschaft exklusiv zur Verfügung und bestimme dadurch maßgeblich den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft. Er sei allein vertretungsberechtigt, vom Selbstkontrahierungsverbot befreit und erhalte eine erfolgsabhängige Vergütung. Auch unterliege er keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der Arbeitszeit sowie der Art und Weise seiner Beschäftigung. Besonderes Gewicht müsse der Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaften für die Klägerin zu 2) zukommen. Diese seien für die Annahme eines "normalen" Beschäftigungsverhältnisses völlig untypisch. Er habe diese Erklärungen mit Blick auf seine enge Bindung an die Klägerin zu 2) abgegeben und zwar bereits in 2003, also vor der Übernahme eines Gesellschaftsanteils.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1) in dem Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.2003 in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) von der Sozialversicherungspflicht befreit gewesen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen Bescheid Bezug genommen und die Auffassung vertreten, dass in 2003 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18.03.2004 die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund), die Bundesagentur für Arbeit sowie die Pflegekasse der AOK Rheinland zum Rechtsstreit beigeladen.

Die Beigeladene zu 1) hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht den weiteren Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin zu 2), den Zeugen S L1, vernommen. Dieser hat unter anderem angegeben, der Kläger zu 1) und er selbst hätten völlig unterschiedliche Tätigkeitsfelder für die Klägerin zu 2) wahrgenommen. Er selbst sei von Haus aus Verkäufer und Berater im Finanzsegment, insbesondere Kapitalanlagen, und seit mehr als 15 Jahren ausschließlich im Vertrieb tätig. Der Kläger zu 1) sei hingegen auch schon 2003 im Bereich der Administration bei der Klägerin zu 2) eingesetzt gewesen. Er sei beispielsweise verantwortlich für die Schulung neuer Mitarbeiter, die fortlaufende Schulung vorhandener Mitarbeiter und die gesamte Büroorganisation, also den Backoffice-Bereich. Überschneidungen zwischen den beiden Aufgabenstellungen gebe es nicht. Auch der andere Gesellschafter L sei ausschließlich im Außendienst tätig. Seitdem der Kläger zu 1) für die Klägerin zu 2) tätig sei, funktionierten die gesamten Abläufe wesentlich besser und es sei wirtschaftlicher Erfolg eingetreten. Der Kläger zu 1) entscheide allein über die Anstellung und Kündigung von Mitarbeitern im Innendienst. Dagegen werde von allen Gesellschaftern gemeinsam entschieden, welche Mitarbeiter für den Außendienst eingestellt werden sollten. Dasselbe gelte für Kündigungen. Urlaub nehme der Kläger zu 1) dann, wenn er es wolle. Er müsse Urlaub nicht genehmigen lassen, sondern zeige diesen lediglich an. Da im Jahre 2003 die Geschäfte noch nicht so gut gelaufen seien, hätten sie zu dritt in einigen Zeiträumen vereinbart, dass kein Geld aus der Firma herausgenommen werden könne. Der Kläger zu 1) habe dann auch kein Gehalt erhalten. Die Initiative für dieses Vorgehen sei vom Kläger zu 1), der den Überblick gehabt habe, ausgegangen. Zwischen den Gesellschaftern L und L1 sowie dem weiteren Geschäftsführer, dem Kläger zu 1), habe es immer ein partnerschaftliches Miteinander gegeben. Formelle Gesellschaftsversammlungen hätten nicht stattgefunden, wohl aber regelmäßige Treffen und Besprechungen. Auch wenn sie sich im Einzelfalle manchmal uneinig gewesen seien, so hätten sie letztlich doch immer eine gemeinsame Lösung für das jeweilige Problem gefunden. Dabei habe derjenige, der im Einzelfall über die größte Kompetenz und Erfahrung in dem jeweilig betroffenen Aufgabenbereich verfügt habe, die ausschlaggebende Stimme gehabt. Wenn es sich um administrative Angelegenheiten gehandelt habe, habe bei dem Kläger zu 1) das Schwergewicht der Entscheidung gelegen, in Vertriebsangelegenheiten habe das Schwergewicht bei ihm, dem Zeugen L1, gelegen. Bei den Bürgschaftserklärungen, die der Kläger zu 1) für die Klägerin zu 2) abgegeben habe, habe es sich um Absicherungen von Versicherungen gehandelt. Es sei in der Branche üblich, dass Provisionen vorher gezahlt würden, die aber unter Umständen erst Jahre später verdient würden. In solchen Fällen sei es üblich, dass sich die Versicherungen durch Bürgschaftserklärungen absicherten, die nicht nur der Kläger zu 1), sondern auch die beiden Gesellschafter in 2003 abgegeben hätten. Dass der Kläger zu 1) nicht von Anfang an Gesellschafter geworden sei, habe unter anderem daran gelegen, dass sie nicht früher zum Notar gekommen seien. Letztlich habe aber auch nicht festgestanden, von welchem Wert bei der eingebrachten Einzelfirma auszugehen gewesen sei. Inzwischen sei der frühere Gesellschafter L ausgeschieden und er, der Zeuge L1, habe dessen Anteil von 45 Prozent übernommen, sodass sein Anteil nunmehr bei 90 Prozent liege.

Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, im Jahre 2003 habe eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) vorgelegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Frage eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Geschäftsführers einer Gesellschaft danach zu beurteilen, ob dieser als Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft habe. Dies sei der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter sei, er also über die Hälfte des Stammkapitals oder mehr verfüge. Dies gelte auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch mache und die Entscheidung anderen überlasse. Unter Umständen genüge auch schon ein geringerer Kapitalanteil, insbesondere, wenn der Gesellschafter damit über eine Sperrminorität verfüge, die sich unter anderem darauf erstrecke, ihm nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang oder Ort der Tätigkeit zu verhindern. Allerdings sei der Umkehrschluss, dass mangels eines auf einer Kapitalbeteiligung beruhenden beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft regelmäßig ein Abhängigkeitsverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers anzunehmen sei, von der Rechtsprechung des BSG nicht gebilligt worden. In solchen Fällen hänge das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon ab, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem seine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht unterliege. Denn auch wenn der geschäftsführende Gesellschafter über keine Mehrheit am Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfüge, könne eine abhängige Beschäftigung weiter dann ausgeschlossen sein, wenn es ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestatte, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindern. Dies könne zum Beispiel der Fall sein, wenn er als externer (angestellter) Gesellschafter in der GmbH schalten und walten könne, wie er wolle, weil er die Gesellschafter persönlich dominiere oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig seien. Hierbei sei entscheidend, ob nach dem Gesamtbild der Geschäftsführer aufgrund des Gesellschafter- bzw. aufgrund des Geschäftsführervertrages von der Gesellschaft persönlich abhängig sei oder nicht.

Nach den Gesamtumständen müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1) in dem hier streitigen Zeitraum als Geschäftsführer nicht habe schalten und walten können, wie er wollte. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger zu 1) in dem von ihm zu verantwortenden Bereich der Administration, d. h. im Innenbereich sowie bei der Schulung von Mitarbeitern, im Wesentlichen allein verantwortlich und weisungsunabhängig tätig sein konnte, so folge daraus nicht, dass die unternehmerische Komponente der Tätigkeit des Klägers zu 1) im Vordergrund gestanden habe. Der Kläger zu 1) habe für seine Bereiche sicherlich einen gegenüber üblichen Fremdgeschäftsführern sehr weitgehenden Kompetenzspielraum besessen. Dennoch habe er bestimmte Geschäfte nicht ohne Genehmigung der Gesellschafter durchführen können. Entscheidend sei, dass der Kläger zu 1) insgesamt nicht über eine Position verfügt habe, die ihm ohne Weiteres erlaubt habe, auf die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) Einfluss zu nehmen und alleine durch seine Stellung innerhalb des Betriebes ihm nicht genehme Beschlüsse zu verhindern. Daraus folge im Umkehrschluss, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) im Ergebnis als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzustufen sei.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 02.05.2006 zugestellte Urteil haben der Kläger zu 1) sowie die Klägerin zu 2) am 26.05.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung haben sie auf ihren bisherigen Vortrag Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, es habe eine Abhängigkeit der Klägerin zu 2) vom Kläger zu 1) in der Weise bestanden, dass der Kläger zu 1) diese in den finanziellen Ruin hätte treiben können, wenn er aus der Gesellschaft bzw. aus der Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeschieden wäre. Auch spreche gegen eine abhängige Beschäftigung, dass der Kläger zu 1) in 2003 einige Male auf ihm zustehendes Gehalt verzichtet habe. Kein "vernünftiger" Arbeitnehmer würde jedoch freiwillig auf sein Gehalt verzichten. Wichtiges Kriterium, das gegen eine abhängige Beschäftigung auch in 2003 spreche, sei jedoch die umfassende Übernahme von selbstschuldnerischen Bürgschaften. Ohne die entsprechenden Bürgschaftserklärungen des Klägers zu 1) hätten die Versicherungsunternehmen, mit denen die Klägerin zu 2) zusammenarbeitete, nach Änderung der Rechtsform die Courtage-Vereinbarungen nicht fortgeführt. Bereits im Jahre 2003 seien Bürgschaften in erheblichem Umfang für mehr als 200.000,- Euro allein gegenüber dem Gerling-Konzern übernommen worden. Da der Kläger zu 1) bei der Übernahme der Bürgschaften in der Regel auch auf die Einrede der Vorausklage verzichtet habe, seien diese Bürgschaftserklärungen durchaus in der Lage gewesen, für den Fall einer Inanspruchnahme des Klägers zu 1) dessen wirtschaftliche Existenz vollkommen zu vernichten. Darin liege aber ein erhebliches unternehmerisches Risiko, das gegen eine abhängige Beschäftigung spreche.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.03.2006 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 16.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2004 festzustellen, dass der Kläger zu 1) bereits ab dem 01.01.2003 in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht abhängig beschäftigt war und keine Sozialversicherungspflicht bestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.03.2006 zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe.

Die Beigeladenen verzichten auf die Stellung eigener Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch die Berichterstatterin entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit einer Einzelrichterentscheidung gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist begründet. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 07.03.2006 zu Unrecht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2004 sind rechtswidrig. Bereits ab dem 01.01.2003 ist der Kläger zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht abhängig beschäftigt gewesen und hat der Sozialversicherungspflicht nicht unterlegen.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V-; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch -SGB XI-; § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-; § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -SGB III-). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der seit dem 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung in diesem Sinne voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Sozialrecht -SozR- 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer erlebten Beziehung erschließen lässt. Ein im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formalen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört dabei unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, Urteilsammlung der sozialen Krankenversicherung -USK- 2006, S. 8 ff. m. w. N.).

Auf der Grundlage des gelebten, aber auch des vereinbarten Vertragsverhältnisses ergibt sich bei einer Gesamtschau der für und gegen eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) für die Klägerin zu 2) bereits ab dem 01.01.2003 sprechenden Gründe, dass die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte bei Weitem überwiegen. Zwar hat das Sozialgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger zu 1) im Jahre 2003 keine Gesellschaftsanteile inne hatte und ihm - was die Gesellschaftsanteile betrifft - weder eine beherrschende Stellung zukam noch er über eine Sperrminorität verfügt hätte. Auch sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH stellte sich nicht in der Weise dar, dass er sämtliche, ihm nicht genehme Weisungen hätte verhindern können. So haben der Kläger zu 1), aber auch der Zeuge L1 übereinstimmend angegeben, dass sich der Kläger zu 1) zwar in der Regel durchgesetzt habe, wenn sein eigener Aufgabenbereich betroffen gewesen sei, er aber auch mit seiner Auffassung zu Gunsten der Gesellschafter L1 und L zurückgetreten sei, wenn ein anderer Bereich berührt gewesen sei. In dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich hat der Kläger jedoch - wiederum nach übereinstimmenden Angaben des Zeugen L1 und des Klägers zu 1) - nach eigenem Gutdünken gewaltet und geschaltet. Der Senat vermag hinsichtlich Zeit, Ort sowie Art und Weise seiner Tätigkeit keine Einordnung in den Betrieb festzustellen. Der Kläger zu 1) hat nicht einmal Urlaub genehmigen lassen müssen. Ebenfalls gegen eine abhängige Beschäftigung spricht der Umstand, dass der Kläger freiwillig auf ihm zustehende Gehaltsansprüche verzichtet hat, als er der Auffassung gewesen ist, dass dies die wirtschaftliche Situation der Klägerin zu 2) erfordere. Ein solches Verhalten ist keineswegs typisch für einen Arbeitnehmer. Letztlich entscheidend für die Auffassung des Senats, dass eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) auch bereits seit dem 01.01.2003 nicht vorgelegen hat, ist jedoch der Umstand, dass der Kläger zu 1) in hohem Maße selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen zu Gunsten der Klägerin zu 2) abgegeben hat. Er hat damit in einem Maße ein Unternehmerrisiko übernommen, wie dies nur ein Selbständiger, jedoch nicht ein abhängiger Beschäftigter tun würde. Die Bürgschaften hätten in dem Fall, dass der Kläger zu 1) in Anspruch genommen worden wäre, vollumfänglich ausgereicht, seine gesamte wirtschaftliche Existenz zu vernichten. Die Bürgschaftserklärungen sind zum größten Teil weder der Höhe nach begrenzt noch beziehen sie sich auf einen bestimmten Zeitraum. In einer Vielzahl der dem Senat vorgelegten Bürgschaftserklärungen ist es sogar so, dass der Kläger zu 1) für Verpflichtungen der Klägerin zu 2) gegenüber diversen Versicherungsunternehmen auch für den Fall einzustehen hat, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet. Im Hinblick auf den von dem Kläger zu 1) dargelegten und nicht zu bezweifelnden finanziellen Rahmen, der von den Bürgschaftserklärungen umfasst ist, aber auch im Hinblick darauf, dass die Versicherungsunternehmen mit der Klägerin zu 2) nach Änderung der Rechtsform von einer Einzelfirma in eine GmbH keine Courtage-Vereinbarungen getroffen hätten, bestehen aus Sicht des Senats keine Zweifel an einer selbständigen Tätigkeit des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG hat der Senat nicht gesehen.

Die Höhe des Streitwertes ergibt sich - im Einvernehmen mit den Beteiligten - aus der Bedeutung des Rechtsstreits für diese, vgl. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Streitig sind die Sozialversicherungsbeiträge für 2003, ausgehend von einem Bruttoarbeitsentgelt von 36.000 EUR im Jahr.
Rechtskraft
Aus
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