L 8 AL 395/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AL 708/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 395/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 4/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. August 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und die Erstattung zu Unrecht erhaltener Leistungen für die Zeit vom 08.07.1995 bis 26.07.1996 in Höhe von 29.614,37 DM (= 15.141,59 EUR) streitig.

Der 1936 geborene Kläger, Jurist, stellte am 05.07.1995 einen Antrag auf die Bewilligung von Anschluss-Alhi. Dabei gab er an, über ein Wertpapiervermögen im Wert von 35.000,00 DM zu verfügen, das mit Vertrag vom 14.03.1995 in Höhe von 26.000,00 DM zur Sicherung seiner Verbindlichkeiten an die Stadtsparkasse M. verpfändet worden sei. Das Geld wolle er für den Erwerb einer Eigentumswohnung im Ausland als Alterswohnsitz verwenden.

Mit Bewilligungsverfügung vom 09.11.1995 wurde dem Kläger ab 08.07.1995 Alhi bewilligt. Im Folgeantrag vom 20.06.1996 gab der Kläger an, dass sich hinsichtlich seines Vermögens keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Im Folgeantrag vom 25.06.1997 gab er an, jetzt nur noch ein Vermögen in Höhe von insgesamt 7.479,48 DM zu besitzen. Daraufhin wurde ihm mit Bescheid vom 11.07.1996 Alhi ab 01.07.1996 weiter bewilligt.

Nach Aufforderung der Beklagten gab er am 30.06.1997 seinen Vermögensstand im Juli 1995 mit einem Wert von 108.922,91 DM an und belegte diese Angaben mit entsprechenden Kontoauszügen und Bankbestätigungen.

Nach erfolgter Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 17.06.1998 die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi vom 08.07.1995 bis 13.12.1996 ganz auf. Aufgrund seines Vermögens von DM 108.922,91 sei der Kläger für die Zeit vom 08.07.1995 bis 13.12.1996 nicht bedürftig. Die Entscheidung beruhe auf § 137 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - i.V.m. § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -. Die Aufhebung der Entscheidung sei nach den Umständen auch für die Vergangenheit vorzunehmen. Für die von der Aufhebung betroffene Zeit habe er 28.905,40 DM ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei von ihm nach § 50 SGB X zu erstatten. Die Erstattungsforderung erhöhe sich auf insgesamt 40.500,90 DM wegen der für den genannten Zeitraum entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Seit dem 01.06.1997 bezieht der Kläger eine Altersrente.

Mit dem Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid machte der Kläger geltend, keine wissentlich falschen Angaben gemacht zu haben. Sein Vermögen habe 1995 aus einem Wertpapiervermögen in Höhe von 45.774,00 DM bestanden, sei jedoch an die Stadtsparkasse M. verpfändet worden und im September 1996 verkauft worden, um ein Darlehen von 30.000,00 DM abzudecken, das er im Zeitraum von Juli 1993 bis Juni 1995 einer Bekannten gewährt habe. Des Weiteren führte er aus, dass sein Wertpapiervermögen der Alterssicherung dienen sollte. Nachdem sich der Erwerb einer Eigentumswohnung im Ausland zerschlagen habe, habe er statt dessen im Februar 1997 ein Wohnmobil erworben.

Nach Vorlage von diversen Unterlagen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.1999 den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter Verletzung der dem Kläger als Alhi-Empfänger obliegenden Mitteilungspflicht habe dieser sein Vermögen in Höhe von 108.299,91 DM bei der Antragstellung auf Alhi nicht angegeben. Aufgrund des Merkblattes für Arbeitslose habe er wissen müssen, dass sein Anspruch auf Alhi nur bei Bedürftigkeit bestehe. Die Entscheidung beruhe auf § 45 Abs.3 Satz 2 SGB X bzw. § 45 Abs.4 SGB X. Sie - die Beklagte - habe erstmals am 30.06.1997 Kenntnis von der fehlenden Bedürftigkeit des Klägers erlangt. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei deshalb innerhalb eines Jahres ab Kenntnisnahme am 17.06.1998 ergangen.

In der Klagebegründung hat sich der Kläger selbst als "geprüfter Rechtskundiger" bezeichnet. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Unter anderem hat er ergänzend ausgeführt, dass er sein Vermögen, das am 24.06.1995 aus 186 nach dem Vermögensbildungsgesetz begünstigt erworbenen Belegschaftsaktien der H. AG im Wert von 56.451,00 DM bestanden habe, seit seiner ersten längeren Arbeitslosigkeit im Jahr 1982 in seinen Alhi-Anträgen jeweils angegeben habe. Aus dem Erbe seiner Mutter seien ihm 1995 außerdem Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 23.679,36 DM zugeflossen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2004 vor dem Sozialgericht München (SG) hat der Kläger vorgetragen, dass er sich bereits im Februar 1995 für den Erwerb eines Appartments im Werte von 60.000,00 DM in T. in Frankreich interessiert habe. Die ersten Informationen über den Erwerb einer Eigentumswohnung in Frankreich würden vom 05.12.1994 stammen. Daraufhin ist der Rechtsstreit vertagt worden. Dem Kläger ist aufgegeben worden, Nachweise über die damalige Absicht, alsbald eine bestimmte Eigentumswohnung zu erwerben, vorzulegen. Der Kläger hat sodann entsprechende Unterlagen, u.a. ein Schreiben an eine Maklerin in Frankreich vom November 1995 vorgelegt, aus dem sich sein weiter bestehendes Interesse am Erwerb einer Eigentumswohnung in Frankreich ergebe.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2004 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass sie sich bereit erklärte, den Rückforderungsbetrag unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1999 auf 29.614,37 DM festzusetzen.

Mit Urteil vom 04.08.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Bescheide über die Bewilligung von Alhi mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, da diese im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen seien. Denn der Kläger sei für die Zeit vom 08.07.1995 bis 26.07.1996 nicht bedürftig gewesen. Bei der Antragstellung auf Alhi vom 05.07.1995 habe der Kläger laut der von ihm unterschriftlich bestätigten Erklärung vom 30.06.1997 über ein Vermögen in Höhe von 108.922,91 DM verfügt. Dieses Vermögen sei auch insoweit verwertbar gewesen, als es nicht mit Verfügung vom 14.03.1995 an die Stadtsparkasse M. bis zu einem Wert von 26.000,00 DM verpfändet worden war. Unter Berücksichtigung dieses wegen einer Vermögensbeschränkung nicht verwertbaren Vermögens ergebe sich ein verwertbares Vermögen in Höhe von insgesamt 82.922,91 DM. Diesem Umstand habe die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie am 14.07.2004 ein Anerkenntnis abgegeben habe, welches der Kläger auch angenommen habe. Darüber hinaus sei die Verwertbarkeit des Vermögens auch zumutbar gewesen. Es sei zwar durchaus möglich und nachvollziehbar, dass der Kläger subjektiv sein Wertpapiervermögen zur Alterssicherung habe verwenden wollen. Eine objektive Zweckbestimmung sei hingegen nicht erkennbar. Das im Zeitraum von Juli 1993 bis Juli 1995 einer Bekannten gewährte Darlehen in Höhe von 30.000,00 DM könne nicht zu einer Verminderung des verwertbaren Vermögens führen, da das Geld im maßgeblichen Zeitraum der Antragstellung bereits gewährt worden sei. Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die dieser nach Akteneinsichtnahme im weiteren Verlauf nicht begründete.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG München mit Urteil vom 04.08.2004 die Klage abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 17.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1999 - soweit er nicht durch das Teilanerkenntnis abgeändert wurde - der Sach- und Rechtslage entspricht.

Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten in der abgeänderten Fassung ist rechtmäßig, da die Voraussetzungen der Aufhebungsvorschrift des § 45 SGB X sowie der Erstattungspflicht nach § 50 SGB X vorlagen.

Die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 17.06.1998 misst sich, da die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X im Hinblick auf die Kenntnis der Beklagten am 30.06.1997 und auch die Fristen des § 45 Abs.3 SGB X offensichtlich eingehalten sind, an der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses und an den den Vertrauensschutz regelnden Vorschriften des § 45 SGB X i.V.m. § 152 Abs.2 AFG in der Fassung vom 01.01.1994.

Danach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch mangels Vertrauensschutzes zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 45 Abs.4 Satz 1 SGB X sind die Bewilligungsbescheide nur in den Fällen des Abs.2 Satz 3 und Abs.3 Satz 2 des SGB X für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Vorliegend handelt es sich um eine Aufhebung für die Vergangenheit. Auch war der begünstigende Bewilligungsbescheid der Beklagten im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig. Von den in § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X geregelten Fällen kommen thematisch Nr.2 und Nr.3 des § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

Die begünstigenden Bescheide der Beklagten vom 09.11.1995 und 11.07.1996 waren im Zeitpunkt ihres Erlasses (zum Teil) rechtswidrig. Denn der Kläger war für die Zeit vom 08.07.1995 bis 26.07.1996, das heißt für 55 Wochen, nicht bedürftig.

Gemäß § 134 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AFG ist für die Bewilligung von Alhi unter anderem Voraussetzung, dass der Antragsteller bedürftig ist. Nach § 137 Abs.2 AFG ist der Arbeitslose nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.

In der aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 137 Abs.3 AFG erlassenen Alhi-VO vom 07.08.1974 ist in § 6 Abs.1 geregelt, dass Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen ist, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM übersteigt. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nimmt.

Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Vermögen ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (§ 6 Abs.2 Alhi-VO).

Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen in billiger Weise erwartet werden kann. Nicht zumutbar ist unter anderem insbesondere die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (§ 6 Abs.3 Satz 2 Nr.3 3.Alt. Alhi-VO) sowie die Verwertung eines Vermögens, das nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines vom Eigentümer bewohnten Hausgrundstückes von angemessener Größe oder einer entsprechenden Eigentumswohnung, bestimmt ist (§ 6 Abs.3 Satz 2 Nr.7 Alhi-VO).

Gemäß § 8 Satz 2 Alhi-VO ist für die Bewertung der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Alhi gestellt wird.

Bei der Antragstellung auf Alhi vom 05.07.1995 verfügte der Kläger laut der von ihm unterschriftlich bestätigten Erklärung vom 30.06.1997 über ein Vermögen in Höhe von 108.922,91 DM. Der Kläger hat durch Vorlage von Bankbestätigungen vom 20.06., 21.06. und 05.09.1996 nachgewiesen, dass dieses Vermögen zumindest im Juni bzw. September 1996 in dieser Höhe vorhanden war. Anders lautende Bankbestätigungen wurden trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte nicht vorgelegt. Daher steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass er, wie von ihm am 30.06.1997 unterschriftlich bestätigt, über dieses Vermögen auch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung verfügt hat. Das zeigen, insbesondere auch die am 06.09.1996 erfolgten Gutschriften auf das Girokonto in Höhe von 3.044,51 DM und 91.109,48 DM.

Dieses Vermögen ist auch insoweit verwertbar, als es nicht mit Verfügung vom 14.03.1995 an die Stadtsparkasse M. bis zu einem Wert von 26.000,00 DM verpfändet worden war. Unter Berücksichtigung dieses wegen einer Vermögensbeschränkung nicht verwertbaren Vermögens ergibt sich ein verwertbares Vermögen in Höhe von insgesamt 82.922,91 DM. Diesem Umstand hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie am 14.07.2004 ein Anerkenntnis abgegeben hat, welches der Kläger auch angenommen hat.

Der Verwertbarkeit des Wertpapiervermögens des Klägers steht auch nicht § 7 Abs.2 Alhi-VO entgegen, da die Verwertbarkeit von nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz erworbenen Vermögen nur während der Sperrfrist von sieben Jahren beschränkt ist. Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger die Aktien der H.-AG jedoch spätestens im Oktober 1982 erworben, so dass im Juli 1995 bereits mehr als sieben Jahre verstrichen waren.

Die Verwertung des Vermögens ist auch zumutbar.

Das Merkmal der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung gemäß § 6 Abs.3 Satz 2 Nr.3 3.Alt. Alhi-VO setzt eine entsprechende subjektive und objektive Zweckbestimmung durch den Arbeitslosen selbst voraus (vgl. hierzu u.a. Urteil des BSG vom 22.10.1998 - Az.: B 7 AL 118/97 R). Danach muss der Arbeitslose zum einen bestimmt haben, dass sein Vermögen der Alterssicherung dienen soll (subjektive Zweckbestimmung), zum anderen muss er bereits vor Entstehung des Anspruchs auf Alhi eine Vermögensdisposition getroffen haben, aus der ohne Zweifel abgeleitet werden kann, dass das Vermögen erst nach dem Eintritt in den Ruhestand zur Sicherung des Lebensstandards verwendet werden soll (objektive Zweckbestimmung).

Hier ist es zwar durchaus möglich und nachvollziehbar, dass der Kläger subjektiv sein Wertpapiervermögen zur Alterssicherung verwenden wollte, eine objektive Zweckbestimmung ist hingegen nicht erkennbar.

Wenn der Kläger vorträgt, er habe sein Vermögen zum Erwerb einer Eigentumswohnung im Ausland als Alterswohnsitz verwenden wollen, ändert dies nichts an der Zumutbarkeit der Verwertung, da der Kläger nicht bereits vor der Antragstellung eine entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat. Der Kläger hatte hier nur ein relativ unbestimmtes Interesse am Erwerb einer Eigentumswohnung in Frankreich als Alterswohnsitz. Es fehlte an Begleitumständen, die im Einklang mit der subjektiven Zweckbestimmung standen und glaubhaft waren (vgl. Urteil des BSG vom 25.03.1996, Az.: B 7 AL 28/98 R). So hat beispielsweise keinerlei Erwebsvorgang stattgefunden. Das im April 1997 gekaufte Wohnmobil fällt nicht darunter.

Die Verwertung des Vermögens ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil das Vermögen nachweislich zum alsbaldigen Erwerb einer selbstgenutzten Eigentumswohnung bestimmt war. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass zum Zeitpunkt des Alhi-Antrags konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitslose das Vermögen in naher Zukunft in eine Eigentumswohnung umwandeln wird (vgl. Urteil des BSG vom 29.01.1997, Az.: 11 RAr 63/96).

Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen geht jedoch keine konkrete Kaufabsicht eines bestimmten Objekts hervor, sondern lediglich ein gewisses Interesse. Zudem war die Selbstnutzung erst mit dem Eintritt in den Ruhestand, das heißt zwei Jahre später beabsichtigt, so dass von einem alsbaldigen Erwerb einer selbstgenutzten Eigentumswohnung nicht auszugehen ist. Denn dies ist nur zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereits Anstalten getroffen hat, aus denen sich die Absicht der zweckbestimmten Verwendung ergibt (BSG SozR 4220 § 6 Nr.3).

Das angeschaffte Wohnmobil führt ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Verwertung des dafür aufgebrachten Geldbetrages, da der Erwerb desselben zum einen erst im Februar 1997 erfolgte und zudem dem Erwerb einer selbstgenutzten Eigentumswohnung offensichtlich nicht gleichgestellt werden kann, zumal der Kläger weiterhin einen festen Wohnsitz hatte.

Das im Zeitraum von Juli 1993 bis Juli 1995 einer Bekannten gewährte Darlehen in Höhe von 30.000,00 DM kann ebenfalls nicht zu einer Verminderung des verwertbaren Vermögens führen, da das Geld im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung bereits gewährt worden war.

Unter Abzug des Freibetrages in Höhe von 8.000,00 DM ist daher ein Vermögen des Klägers in Höhe von 74.922,91 DM zu berücksichtigen, das gemäß § 9 Alhi-VO unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgeltes in Höhe von 1.340,00 DM zu einer fehlenden Bedürftigkeit von 55 Wochen, das heißt vom 08.07.1995 bis 26.07.1996, führt. Daraus resultiert eine Erstattungsforderung in Höhe von 29.614,37 DM.

Die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 (bzw. Nr.3) SGB X sind vorliegend.

Danach kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr.2) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr.3). Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Legaldefinition des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X gegeben, wenn der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist hier der Fall.

Die erforderliche Sorgfalt hat in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273, zuletzt Urteil vom 05.02.2006, Az.: B 7 AL 58/05 R). Ein Kennenmüssen ist dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt (BSG SozR 2200 § 1301 Nr.7). Entscheidend für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten.

Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes - also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind (vgl. BSGE 62, 103, 106 = SozR 1300 § 48 Nr.39), Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und dass diese Mängel unter Zugrundelegung des Einsichtsvermögens des Betroffenen ohne Weiteres erkennbar sind.

Dies ist hier der Fall. Aus der Beantragung mit Aushändigung eines Merkblattes (vgl. Erklärung im letzten Blatt des Antragsformular, vom Kläger am 05.07.1995 unterschriftlich bestätigt) über die Bewilligung von Alhi ergibt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Leistungsgewährung und Bedürftigkeit. Zudem stand der Kläger mit geringfügigen Unterbrechungen seit 1983 im Leistungsbezug der Beklagten, vorwiegend wegen Alhi, weswegen ihm die rechtlichen Voraussetzungen im wesentlichen - zumal er auch noch geprüfter Rechtskundiger ist - bekannt sein mussten.

Für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit sind daher folgende Feststellungen zu treffen. Der Kläger ist Jurist. Als solcher hat er unter anderem vom 01.07.1973 bis 31.12.1985 bei der H. AG und vom 19.11.1990 bis 30.11.1991 beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub gearbeitet. Hinzu kommt, dass sich der Kläger in seiner Klageschrift selbst als "geprüfter Rechtskundiger" bezeichnet. Darüber hinaus hat der Kläger bereits 1984 Alhi bezogen. Er steht also bereits geraume Zeit in Verbindung mit der Beklagten, hat somit also auch Erfahrung im "Behördenumgang". Zudem ergibt sich aus seinen schriftlichen Äußerungen, dass er durchaus wortgewandt ist. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger während des gesamten Berufungsverfahrens, welches sich bereits über zwei Jahre hinzieht, immer wieder Fristverlängerungen beantragt hat, da ihm (wohl) bewusst war, dass er nach einer Entscheidung im Berufungsverfahren gegebenenfalls verpflichtet ist, die Erstattungsforderung zu begleichen.

Damit liegt auf jeden Fall für den Tatbestand der Rücknahmebefugnis nach § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X (unrichtige bzw. unvollständige Tatsachenangaben) eine subjektive Fahrlässigkeit vor. Unabhängig von der laienhaften Subsubtion des Klägers unter die Schontatbestände der Alhi-VO hätte er wissen müssen, dass das Vermögen vollständig anzuzeigen ist, damit die Beklagte selbst eine entsprechende Prüfung vornehmen konnte. Vor dieser subjektiven Sorgfaltspflichtverteilung bewahrt den Kläger auch nicht die von der Staatsanwaltschaft am 23.07.1999 vergenommene Einstellung des Ermittlungsverfahrens, zumal sich diese auf einen Vorsatztatbestand bezieht. Tatsächlich hat der Kläger aber nach dem von ihm am 05.07.1995 unterzeichneten Antrag auf Alhi (Frage 8: "Angaben zum Vermögen") Wertpapiere mit einem maximalen Kurswert von 35.000,00 DM angegeben und diese als bereits verpfändet deklariert. Dazu legte er Depotabrechnungen aus dem Jahre 1994 vor sowie eine weitere Schätzung eines Kurswert von 43.200,00 DM im Zusammenhang mit der Beleihung/Verpfändung. Damit ist auch mindestens der objektive Tatbestand nach § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X (unvollständige Tatsachenangaben) erfüllt.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 04.08.2004 zurückzuweisen. Seinem Verfahrensantrag war nicht stattzugeben, da er wiederholt Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzulegen und dies im Klageverfahren auch mehrmals getan hat.

Aufgrund des Unterliegens des Klägers sind ihm keine Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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