L 19 B 765/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 92 AS 6123/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 765/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Antragsstellerin hat die Voraussetzungen für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich vorliegend nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, da bei Vorliegen der Voraussetzungen der Norm die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid anzuordnen und die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen den Erstattungsbescheid festzustellen wäre, wenn sich die zuständige Behörde auf die sofortige Vollziehbarkeit ihrer Entscheidung berufen würde.

Mit ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung vom 10. Juli 2006 begehrt die Antragstellerin den Antragsgegner zu verpflichten, den Bescheid vom 5. Juli 2006 aufzuheben und das Kindergeld nicht rückwirkend anzurechnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, den Betrag in Höhe von 1.937,72 Euro nicht zurückzahlen zu können. In der Sache wendet sie sich, wie ihrem Antrag unter Berücksichtigung der Begründung zu entnehmen ist, sowohl gegen den Aufhebungsbescheid vom 5. Juli 2006, mit dem die Entscheidungen über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum 27. Januar 2005 bis 31. Mai 2006 teilweise in Höhe von 1.937,72 Euro aufgehoben wurden (§ 40 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB II - i.V.m. § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X -), als auch gegen den Erstattungsbescheid vom gleichen Tag, mit dem die Erstattung der in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen in Höhe von 1.937,72 Euro begehrt wird (§ 40 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 50 SGB X).

Gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid keine aufschiebende Wirkung. Dagegen haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Erstattungsbescheid aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG). Diese entfällt nicht gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG. Nach dieser Norm entfällt sie in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Ein solches Gesetz stellt § 39 SGB II dar. Nach dieser Regelung haben Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der die Erstattung betreffende Verwaltungsakt stellt keine solche Entscheidung dar. Über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende wird nur entschieden, wenn Leistungen bewilligt, abgelehnt, entzogen oder herabgesetzt werden. Als Umkehr vorangegangener Bewilligungen handelt es sich auch bei der Rücknahme bzw. Aufhebung von Leistungsbewilligen für die Vergangenheit nach den §§ 45, 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) um Verwaltungsakte, in denen wie bei der Bewilligung selbst über Leistungen der Grundsicherung entschieden wird. Mit der auf einer Aufhebungsentscheidung nach §§ 45, 48 SGB X beruhenden Erstattungsforderung wird dagegen nicht über eine Leistung im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II entschieden, diese Entscheidung steht mit der Leistung nur im Zusammenhang. Bei der Erstattungsforderung nach § 50 SGB X handelt es sich um einen originären Anspruch des Sozialleistungsträgers, der ein rechtliches aliud zu der bewilligten Leistung darstellt. Mit dem Wirksamwerden der Aufhebung der bewilligenden Entscheidung verlieren die ausgezahlten Geldleistungen ihre rechtliche Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgrund, der den Empfänger bis dahin zum Behalten der Leistungen berechtigt hat. Sie stellen dann keine Leistungen zur Grundsicherung mehr dar. Die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II findet daher auf den Erstattungsanspruch keine Anwendung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2006 - 19 B 587/06 AS ER -; Beschluss vom 25. September 2006 - 18 B 667/06 AS ER -; Beschluss vom 25. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER -; Beschluss vom 28. Juli 2006 - L 14 B 350/06 AS ER - und Beschluss vom 13. März 2006 - 10 B 345/06 AS ER -).

Wenn zu Gunsten der Antragstellerin davon ausgegangen wird, dass diese form- und fristgerecht Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eingelegt hat, der anderenfalls bestandkräftig ist, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz bereits deshalb nicht vor, weil sich die streitgegenständliche Verwaltungsentscheidung bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren anzustellenden summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist.

Die Antragsgegnerin hat mit Aufhebungsbescheid vom 5. Juli 2006 nach vorheriger Anhörung zu Recht die aufgrund eines im Januar 2005 gestellten Antrages erfolgte Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 27. Januar 2005 bis 31. Mai 2006 aufgehoben, weil die Antragstellerin in diesem Zeitraum Kindergeld erhalten hat. Kindergeld ist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung als Einkommen dem minderjährigen Kind zuzurechnen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird. Das Kindergeld hätte, wenn es rechtzeitig berücksichtigt worden wären, dazu geführt, dass der Antragstellerin niedrigere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt worden wären.

Das erzielte Einkommen rechtfertigt auch eine Aufhebung bereits bewilligter und ausgezahlter Leistungen. Rechtsgrundlage dafür ist - wie vom Antragsgegner im Bescheid bereits ausgeführt wurde - § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Drittes Buch des Sozialgesetzbuches - SGB III -. Danach ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor. Nach Stellung des Antrages auf Leistungen nach dem SGB II am 27. Januar 2005 hat die Antragstellerin Kindergeld für ihre Tochter erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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