Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 965/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2713/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Viagra als Sachleistung hat.
Der 1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Pflichtmitglied krankenversichert. Er leidet an einer durch Diabetes verursachten erektilen Dysfunktion bei schwerer allgemeiner Gefäßsklerose. Beide Oberschenkel sind wegen Durchblutungsstörungen amputiert worden, der Kläger ist Rollstuhlfahrer.
Am 06.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung des Arzneimittels Viagra oder eines vergleichbaren Arzneimittels (vgl. Bl. 4 der SG-Akte). Bei Viagra handelt es sich um ein 1998 zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassenes, oral einzunehmendes und verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Sildenafil der Firma P ... Sildenafil gehört zur Wirkstoffgruppe der PDE-5-Hemmer. Umgangssprachlich wird der Name Viagra gelegentlich auch als Sammelbegriff für andere Medikamente dieser Wirkstoffgruppe, beispielsweise Tadalafil (Cialis), Vardenafil (Levitra), Apomorphin (Uprima) und Alprostadil (Caverject) verwendet. Der behandelnde Allgemeinmediziner des Klägers K. aus Bad W. bescheinigte diesem am 16.03.2003, dass der Kläger an einer erektilen Dysfunktion und daraus resultierenden Belastungen in der Partnerschaft leide. Die Verordnung eines modernen Präparats wie etwa Cialis könne die Behandlung der psychischen Störungen wesentlich verbessern.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.04.2003 ab. Sie begründete die Ablehnung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot; der Kläger könne mit einer Vakuumerektionspumpe versorgt werden. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003). Die Beteiligten führten deswegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) einen Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 2 KR 1255/03. Mit Schriftsatz vom 24.10.2003 teilte die Beklagte mit, aufgrund einer vom Kläger beigebrachten urologischen Bescheinigung (vom Kläger später nochmals vorgelegt - vgl. Bl. 17 LSG-Akte) könne der Einsatz einer Erektionshilfe durch Vakuumpumpe ausgeschlossen werden, weil diese aus technischen Gründen beim Kläger keine Anwendung finden könne. Deswegen erkläre sich die Beklagte in diesem Ausnahmefall bereit, den Kläger mit dem Arzneimittel Viagra zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bei Diabetes mellitus "vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2004" zu versorgen. Nach diesem Anerkenntnis der Beklagten nahm der Kläger seine Klage zurück.
Am 23.02.2004 bat der Kläger die Beklagte, zur Sicherheit für seinen Hausarzt ihm nochmals zu bestätigen, dass die Kosten für das Medikament Viagra weiterhin übernommen würden. Mit Schreiben vom 24.02.2004 gab die Beklagte daraufhin die Erklärung ab:
"Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, dass die DAK in Ihrem Ausnahmefall sich bereit erklärt, zur Behandlung der erektilen Dysfunktion wegen Diabetes Mellitus, die Versorgung im Rahmen der kassenärztlichen Behandlung zu übernehmen.
Diese Zusage gilt vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung"
Mit Schreiben vom 22.02.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass "diese Zusage" mit sofortiger Wirkung aufgehoben werde. Die Beklagte verwies zur Begründung auf § 34 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in seiner seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung. Danach seien Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe. Ausgeschlossen seien insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienten. Eine Ausnahmeregelung sei nicht mehr vorgesehen. Die Beklagte habe deswegen ab sofort keine Möglichkeit mehr, die Kosten für die medikamentöse Behandlung weiterhin zu erstatten.
Der Kläger erhob Widerspruch. Es gebe weitere Urteile, die eine medizinische Versorgung wie in seinem Fall befürworteten, so dass er keine Veränderung der Rechtslage erkennen könne. Mit förmlichem Bescheid vom 07.03.2005 wiederholte die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung. Sie erklärte, aufgrund der Änderung des § 34 Abs. 1 Nr. 4 SGB V eine Kostenübernahme ab dem 01.01.2004 nicht mehr vornehmen zu können. Sie räumte ein, dass sie dem Kläger am 24.02.2004 lediglich hätte bestätigen dürfen, dass die Kosten bis zum 31.12.2003 übernommen werden. Aus der damals unrichtigen, dem Kläger günstigen Entscheidung könne kein dauernder Rechtsanspruch abgeleitet werden.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 07.04.2005 als unbegründet zurück. Der Bewilligungsbescheid vom 24.02.2004 sei im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung aufzuheben, weil er rechtswidrig geworden sei. Seit dem 01.01.2004 seien Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, dem Anreiz und der Steigerung der sexuellen Potenz dienten, ausdrücklich von der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss dieser so genannten Lifestyle-Arzneimittel sei in der Anlage 8 der Arzneimittelrichtlinien konkretisiert. Der Aufhebung stünden keine Vertrauensschutzgründe entgegen. Die Aufhebung sei nur für die Zukunft ausgesprochen worden und betreffe daher allein die Leistungen nach Zugang des Aufhebungsbescheides.
Dagegen hat der Kläger am 20.04.2005 unter dem Aktenzeichen S 2 KR 965/05 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, in seinem Fall seien Arzneimittel wie Viagra oder Cialis keine Lifestyle-Arzneimittel und dienten nicht der Steigerung einer vorhandenen sexuellen Potenz, sondern dienten der Behandlung einer Krankheit, nämlich der durch Diabetes mellitus ausgelösten erektilen Dysfunktion und damit der Wiederherstellung einer normalen Körperfunktion. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe eine Zahlungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn keine Behandlungsalternative zur Verfügung stehe und die Behandlung eine die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung betreffe. Der Beklagten sei sein Einkommen bekannt. Er müsse nun zusehen, wie sich das Verhältnis zu seiner Ehefrau wieder verschlechtere. Dem Bundesausschuss stehe es nicht zu, generell Krankheiten von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.03.2006 abgewiesen. Es hat entschieden, die Übernahmeerklärung der Beklagten vom 24.10.2003 sei vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung ab dem 01.01.2004 ergangen. Nachdem der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit Wirkung vom 01.01.2004 sämtliche Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus der Verordnung zu Lasten der GKV ausgenommen habe, sei die Bedingung eingetreten, unter welcher die Beklagte ihre Leistung habe einstellen dürfen. Die Beklagte sei gehalten gewesen, einen der Rechtslage entsprechenden Zustand wieder herzustellen. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen können, auch für die Zukunft weiter mit Viagra versorgt zu werden. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das ihm am 25.04.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.05.2006 Berufung eingelegt. Er hat geltend gemacht, das Gericht habe sich mit den medizinischen Voraussetzungen seines Falls nicht ausreichend beschäftigt. Der Gesetzgeber habe die Pflicht, für die Versorgung kranker Menschen mit entsprechenden Arzneimitteln zu sorgen. Es könne nicht sein, dass Kranke nur Menschen zweiter Güte seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm zur Behandlung seiner diabetogenen erektilen Dysfunktion weiterhin das Arzneimittel Viagra oder ein gleich wirksames Arzneimittel als Sachleistung zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die gerichtlichen Vorakten S 2 KR 1255/03 und S 2 KR 2069/03 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat ihre Zusage vom 24.10.2003, bestätigt durch Schreiben vom 24.2.2004, dem Kläger zur Behandlung der erektilen Dysfunktion wegen Diabetes mellitus weiterhin das Arzneimittel Viagra als Sachleistung vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Regelung zu gewähren, zu Recht mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Sie ist nicht (mehr) verpflichtet, dem Kläger solche Arzneimittel als Sachleistung zu gewähren. Der Kläger hat nach Erhalt des Schreibens vom 22.2.2005 keinen Anspruch auf die Behandlung seiner erektilen Dysfunktion mit Viagra oder einem ähnlich wirkenden Medikament und keinen Kostenerstattungsanspruch für diese Behandlung. Das folgt aus gesetzlichem und untergesetzlichem Recht ohne Widerspruch zum Grundgesetz (GG).
Verfahrensrechtliche Bedenken bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Bescheide nicht. Die Beklagte hat den Kläger zwar nicht förmlich im Sinne von § 24 SGB X angehört, sie hat jedoch mit dem Schreiben vom 22.2.2005 den Kläger so ausführlich informiert, dass dieser über die Beweggründe des Widerrufs der Kostenzusagen gut informiert war und anschließend sachgerecht seine rechtlichen Interessen vertreten konnte. Eventuelle Fehler der Anhörung wären außerdem durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Beklagte hatte dem Kläger zweimal zugestanden, ihm Viagra als Sachleistung zur Verfügung zu stellen: Einmal mit Schreiben vom 24.10.2003 "vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2004" und ein zweites Mal mit Schreiben vom 24.02.2004 ebenfalls unter der Einschränkung einer abweichenden gesetzlichen Regelung. Da das zweite Schreiben auf das erste in keiner Weise Bezug nimmt und seine Wirksamkeit nicht vom Fortbestehen der ersten Zusage ausdrücklich abhängig macht, ist zugunsten des Klägers für die weitere rechtliche Prüfung von zwei rechtlich selbstständigen (allerdings inhaltlich vollständig übereinstimmenden) Kostenzusagen auszugehen. Diese Zusagen durfte die Beklagte mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen und hat sie auch zu Recht zurückgenommen: Sowohl das Schreiben vom 22.2.2005 als auch der Bescheid vom 7.3.2005 und auch der Widerspruchsbescheid vom 7.4.2005 nehmen Bezug auf beide Schreiben.
Grundlage für die erklärte Zurücknahme ist bezüglich der Zusage vom 24.10.2003 § 48 Abs. 1 SGB X und bezüglich des Schreibens vom 24.2.2004 § 45 SGB X. Die von § 48 SGB X geforderte wesentliche Änderung der bei Ausspruch der Bewilligung maßgeblichen Rechtslage liegt in der zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Herausnahme der Arzneimittel, die zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Aus diesem Grund war auch die Zusage weiterer Versorgung mit Viagra im Schreiben vom 24.2.2004 von Anfang an rechtswidrig.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 1. Fall SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind (§ 31 Abs 1 Satz 1 SGB V). Mit Artikel 1 Nr. 22 GMG vom 14.11.2003 (BGB l. I S. 2190) wurden mit Wirkung ab 01.01.2004 sämtliche Arzneimittel, die der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. § 34 Abs 1 Satz 7 SGB V enthält seitdem die Regelung, dass von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen sind, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs 1 Satz 8 SGB V). Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 (§ 34 Abs 1 Satz 9 SGB V). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) wiederholen unter Buchst F 18.2 den Text des § 34 Abs 1 Satz 8 SGB V. Nach F 18.3 AMRL sind die nach Nr 18.2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anlage 8 der AMRL zusammengestellt. In dieser Übersicht wurde dieser Leistungsausschluss der so genannten Lifestyle-Medikamente konkretisiert. Dort werden u.a. die Präparate Caverject, Muse, Viridal, Viagra, Yocou Glenwood, Yohimbin Spiegel, Ixense, Uprima, Cialis und Levitra den Arzneimitteln zugeordnet, deren Kosten nicht mehr durch die GKV übernommen werden dürfen. Diese Richtlinien sind für die Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherten verbindlich (§ 91 Abs. 9 SGB V).
Mit der Regelung in § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die betreffenden Arzneimittel, die bereits vor Inkrafttreten des GMG nach den AMRL des Bundesausschusses von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sind (vgl. BT-Drucks 15/1525, Begründung zum Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen eines GMG, S. 86). Klarstellungsbedürfnis bestand, weil nach der auch vom Gesetzgeber zitierten (vgl. BT-Drucks 15/1525, S 87) früheren Rechtsprechung des BSG bis zum Inkrafttreten des GMG in der Rechtsprechung davon ausgegangen wurde, dass die Behandlung der auf somatischer Grundlage beruhenden erektilen Dysfunktion mit grundsätzlich trotz der abweichenden Regelung in den AMRL zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre (vgl. BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 - SKAT; BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2 - Viagra). Demgegenüber zielte Art 1 Nr 22 GMG mit der Einfügung der Sätze 7 bis 9 in § 34 Abs 1 SGB V darauf ab, sämtliche Arzneimittel, die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen (vgl. BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2 RdNr 24 - Viagra, zuletzt BSG, Urteil vom 26.07.2006, B 1 KR 10/05 R), so dass es entgegen der Rechtsauffassung des Klägers unerheblich ist, dass seine erektile Dysfunktion nicht psychisch, sondern aufgrund der bestehenden Diabetesfolgen somatisch begründet ist.
Für von Anfang an rechtswidrige Verwaltungsakte, wie hier das Schreiben vom 24.2.2004, ist § 45 SGB X einschlägig: Nach dessen Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Als von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt konnte die Zusage vom 24.02.2004 nur rechtmäßig zurückgenommen werden, weil das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig war. Dem Kläger ist bereits mit Schreiben vom 24.10.2003 eindeutig mitgeteilt worden, dass sein Leistungsanspruch mit einer Gesetzesänderung hinfällig werden könnte. Diesen Passus hat die Beklagte auch im Schreiben vom 24.02.2004 nochmals wiederholt. Der Kläger wusste somit, dass die Beklagte für die benötigten Medikamente nur solange aufkommen will, wie dies vom Gesetz zugelassen wird. Der Kläger hat allerdings bereits im Herbst 2003 gewusst, dass der Gesetzgeber zum 01.01.2004 eine Neubewertung von Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion vorzunehmen gedachte. Wie sich aus den Akten ergibt, war der Kläger über die rechtlichen Entwicklungen in Bezug auf die Versorgung mit Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus Eigeninteresse stets gut informiert. Der Senat nimmt daher an (denn der Kläger hat auf eine entsprechende Nachfrage des Senats nicht geantwortet), dass er sich gerade in Hinblick auf die zum 01.01.2004 durch das GMG geänderte Recht der gesetzlichen Krankenversicherung im Februar 2004 eine Bestätigung der Beklagten hat geben lassen wollen, dass er trotzdem weiterhin Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Viagra habe. Da allerdings die Beklagte die Leistungen mit ihren Rücknahmebescheiden nur für die Zukunft aufgehoben hat, war nicht zu prüfen, ob eine Rücknahme für die Vergangenheit angesichts des Verbrauchs der Medikamente und der finanziellen Situation des Klägers zumutbar gewesen wäre.
Aber selbst wenn der Kläger zunächst auf die Wirksamkeit der erhaltenen Zusagen vertraut hätte, stünde dies der ausgesprochenen Leistungsentziehung mit Wirkung für die Zukunft nicht entgegen. Denn spätestens mit dem Schreiben vom 22.2.2005 wusste der Kläger, dass ihm zukünftig Viagra von Rechts wegen nicht mehr zusteht. Sein Vertrauen in den Fortbestand der (rechtswidrigen ) Zusagen wiegt aber seit diesem Zeitpunkt weit geringer als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. Der Kläger hat auch keine Vermögensdispositionen getroffen, die er nicht oder nur unter erheblichen Nachteilen rückgängig machen könnte. Er hat sich nur daran gewöhnt, dass die Beklagte ihm Viagra zahlt und muss diese Kosten in Zukunft selbst aufbringen oder auf das Medikament und den durch es vermittelten Nutzen verzichten.
Die Frist zur Rücknahme (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X) wurde durch die Beklagte eingehalten. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung der Beklagten ermessenfehlerhaft wäre. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 07.04.2005 die am 22.02.2005 unterlassene Ermessensausübung nachgeholt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gesetzgeber nunmehr unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind, soweit sie überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, kann der Hinweis des Klägers auf seelische Auswirkungen bei ihm selbst sowie die Auswirkungen auf seine Ehe, sofern eine Behandlung der Krankheit unterbleibt, nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Denn der Gesetzgeber hat ohne Ausnahmen vorzusehen die zur Behandlung der erektilen Dysfunktion auf dem Markt befindlichen und zugelassenen Arzneimittel aus dem Leistungskatalog gestrichen. Mangelnde finanzielle Leistungskraft des Versicherten kann gleichfalls nicht dazu führen, dass ausdrücklich ausgeschlossene Arzneimittel im Einzelfall doch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen Jede andere Ermessensausübung würde dem erklärten Willen des Gesetzgebers widersprechen.
Die Rüge des Klägers, der auf § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V gestützte Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion verstoße gegen höherrangiges Recht, als er nicht in gebührender Weise auf die Umstände des Einzelfalles und die Bedeutung des Arzneimittels für den Betroffenen abstelle, bleibt ohne Erfolg. Denn dieser Ausschluss verletzt weder, wie der Kläger meint, das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit noch das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit noch das grundrechtliche Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG , die Ehe zu schützen. Auch ist ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht ersichtlich. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist anerkannt, dass aus dem durch Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht des Versicherten - dasselbe gilt für das auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützte Recht auf körperliche Unversehrtheit - jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch des Patienten gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen folgen kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005, BSGE 94, 302). Der Gesetzgeber verletzt seinen im Recht der sozialen Leistungsgewährung ohnehin großen Gestaltungsspielraum auch nicht im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip , wenn er angesichts der - durch anzustrebend niedrige Beiträge bedingten beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV - Leistungen aus ihrem Leistungskatalog herausnimmt, die wie hier in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005, a.a.O.).
Soweit der Kläger ferner vorträgt, die Erstattungsfähigkeit des ihm ärztlich verordneten Arzneimittels Viagra müsse in seinem Fall jedenfalls deshalb anerkannt werden, weil die Erhaltung der erektilen Funktion bei ihm (durch Art. 6 Abs. 1 GG) zum Schutz seiner Ehe geboten sei, begründet auch dieses Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des sozialgerichtlichen Urteils. Zwar hat der Staat die Pflicht, die Ehe vor Beeinträchtigungen zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.07.2002, BVerfGE 105, 313 , 346). Er kann aber im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz verwirklichen will. Deshalb erwachsen aus Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.02.2003, NJW 2003, 1381). Das gilt ebenfalls im vorliegenden Zusammenhang. Es liegt folglich auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG innerhalb der Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebers und des von ihm beauftragten Bundesausschusses, über die Erstattungsfähigkeit des streitigen Arzneimittels zu befinden. Das Vorbringen des Klägers, er müsse damit rechnen, dass seine Ehe keinen Bestand haben werde, wenn er die erektile Dysfunktion nicht weiter medikamentös behandele, veranlasst deshalb nicht die Annahme, die Beklagte müsse für die damit verbundenen Aufwendungen unmittelbar auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 GG Kassenleistungen gewähren. Abgesehen davon, dass dem Kläger die medikamentöse Behandlung dieses Leidens auf seine Kosten nicht verwehrt wird, hat er jedenfalls keinen unmittelbaren Leistungsanspruch auf finanzielle Erstattung der damit verbundenen Aufwendungen durch die Beklagte. Das folgt insbesondere aus der Erwägung, dass es sich im vorliegenden Zusammenhang um einen Bereich handelt, bei welchem die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen maßgeblich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Betroffenen abhängen und eine schwerwiegende Krankheit nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005, a.a.O.).
Bezüglich der mit Schreiben vom 24.10.2003 zugesicherten Leitungsgewährung ist der Widerruf durch § 48 SGB X gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift ist eine Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft - wie hier- aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, eine wesentliche Änderung eintritt. Die hier maßgebliche wesentliche Änderung bestand - wie oben ausgeführt - in der Änderung der Rechtslage zum 1.1.2004. Zum Zeitpunkt des 22.2.2005 durfte somit für die Zukunft die Kostenzusage widerrufen werden. Zur weiteren Begründung kann auf die obigen Ausführungen zu § 45 SGB X Bezug genommen werden.
Offen bleiben kann nach alledem, ob die Aufhebung ihre Rechtsgrundlage auch in dem in beiden Schreiben enthaltenen Vorbehalt hinsichtlich abweichender gesetzlicher Regelungen hätte finden können. Ebenso muss nicht entschieden werden, ob die Beklagte sich hier auf die Regelung in § 34 Abs. 3 SGB X berufen kann, wonach die Behörde an Zusicherungen nach Änderung der Sach- und Rechtslage nicht mehr gebunden ist. Denn die Vorschriften der § 45 SGB X bzw. § 48 SGB X, die hinsichtlich der Rücknahmevoraussetzungen zu Gunsten der Versicherten die weitestgehenden Anforderungen stellen, sind nach dem oben Gesagten für die Aufhebung der Leistungszusagen vom 25.10.2003 und 24.2.2004 erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das BSG hat mit Urteil vom 18.07.2006 (B 1 KR 10/05 R) die hier entscheidungserheblichen Fragen zur Versorgung mit einem Medikament zur Behandlung der erektilen Dysfunktion entschieden.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Viagra als Sachleistung hat.
Der 1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Pflichtmitglied krankenversichert. Er leidet an einer durch Diabetes verursachten erektilen Dysfunktion bei schwerer allgemeiner Gefäßsklerose. Beide Oberschenkel sind wegen Durchblutungsstörungen amputiert worden, der Kläger ist Rollstuhlfahrer.
Am 06.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung des Arzneimittels Viagra oder eines vergleichbaren Arzneimittels (vgl. Bl. 4 der SG-Akte). Bei Viagra handelt es sich um ein 1998 zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassenes, oral einzunehmendes und verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Sildenafil der Firma P ... Sildenafil gehört zur Wirkstoffgruppe der PDE-5-Hemmer. Umgangssprachlich wird der Name Viagra gelegentlich auch als Sammelbegriff für andere Medikamente dieser Wirkstoffgruppe, beispielsweise Tadalafil (Cialis), Vardenafil (Levitra), Apomorphin (Uprima) und Alprostadil (Caverject) verwendet. Der behandelnde Allgemeinmediziner des Klägers K. aus Bad W. bescheinigte diesem am 16.03.2003, dass der Kläger an einer erektilen Dysfunktion und daraus resultierenden Belastungen in der Partnerschaft leide. Die Verordnung eines modernen Präparats wie etwa Cialis könne die Behandlung der psychischen Störungen wesentlich verbessern.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.04.2003 ab. Sie begründete die Ablehnung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot; der Kläger könne mit einer Vakuumerektionspumpe versorgt werden. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003). Die Beteiligten führten deswegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) einen Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 2 KR 1255/03. Mit Schriftsatz vom 24.10.2003 teilte die Beklagte mit, aufgrund einer vom Kläger beigebrachten urologischen Bescheinigung (vom Kläger später nochmals vorgelegt - vgl. Bl. 17 LSG-Akte) könne der Einsatz einer Erektionshilfe durch Vakuumpumpe ausgeschlossen werden, weil diese aus technischen Gründen beim Kläger keine Anwendung finden könne. Deswegen erkläre sich die Beklagte in diesem Ausnahmefall bereit, den Kläger mit dem Arzneimittel Viagra zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bei Diabetes mellitus "vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2004" zu versorgen. Nach diesem Anerkenntnis der Beklagten nahm der Kläger seine Klage zurück.
Am 23.02.2004 bat der Kläger die Beklagte, zur Sicherheit für seinen Hausarzt ihm nochmals zu bestätigen, dass die Kosten für das Medikament Viagra weiterhin übernommen würden. Mit Schreiben vom 24.02.2004 gab die Beklagte daraufhin die Erklärung ab:
"Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, dass die DAK in Ihrem Ausnahmefall sich bereit erklärt, zur Behandlung der erektilen Dysfunktion wegen Diabetes Mellitus, die Versorgung im Rahmen der kassenärztlichen Behandlung zu übernehmen.
Diese Zusage gilt vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung"
Mit Schreiben vom 22.02.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass "diese Zusage" mit sofortiger Wirkung aufgehoben werde. Die Beklagte verwies zur Begründung auf § 34 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in seiner seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung. Danach seien Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe. Ausgeschlossen seien insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienten. Eine Ausnahmeregelung sei nicht mehr vorgesehen. Die Beklagte habe deswegen ab sofort keine Möglichkeit mehr, die Kosten für die medikamentöse Behandlung weiterhin zu erstatten.
Der Kläger erhob Widerspruch. Es gebe weitere Urteile, die eine medizinische Versorgung wie in seinem Fall befürworteten, so dass er keine Veränderung der Rechtslage erkennen könne. Mit förmlichem Bescheid vom 07.03.2005 wiederholte die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung. Sie erklärte, aufgrund der Änderung des § 34 Abs. 1 Nr. 4 SGB V eine Kostenübernahme ab dem 01.01.2004 nicht mehr vornehmen zu können. Sie räumte ein, dass sie dem Kläger am 24.02.2004 lediglich hätte bestätigen dürfen, dass die Kosten bis zum 31.12.2003 übernommen werden. Aus der damals unrichtigen, dem Kläger günstigen Entscheidung könne kein dauernder Rechtsanspruch abgeleitet werden.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 07.04.2005 als unbegründet zurück. Der Bewilligungsbescheid vom 24.02.2004 sei im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung aufzuheben, weil er rechtswidrig geworden sei. Seit dem 01.01.2004 seien Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, dem Anreiz und der Steigerung der sexuellen Potenz dienten, ausdrücklich von der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss dieser so genannten Lifestyle-Arzneimittel sei in der Anlage 8 der Arzneimittelrichtlinien konkretisiert. Der Aufhebung stünden keine Vertrauensschutzgründe entgegen. Die Aufhebung sei nur für die Zukunft ausgesprochen worden und betreffe daher allein die Leistungen nach Zugang des Aufhebungsbescheides.
Dagegen hat der Kläger am 20.04.2005 unter dem Aktenzeichen S 2 KR 965/05 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, in seinem Fall seien Arzneimittel wie Viagra oder Cialis keine Lifestyle-Arzneimittel und dienten nicht der Steigerung einer vorhandenen sexuellen Potenz, sondern dienten der Behandlung einer Krankheit, nämlich der durch Diabetes mellitus ausgelösten erektilen Dysfunktion und damit der Wiederherstellung einer normalen Körperfunktion. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe eine Zahlungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn keine Behandlungsalternative zur Verfügung stehe und die Behandlung eine die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung betreffe. Der Beklagten sei sein Einkommen bekannt. Er müsse nun zusehen, wie sich das Verhältnis zu seiner Ehefrau wieder verschlechtere. Dem Bundesausschuss stehe es nicht zu, generell Krankheiten von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.03.2006 abgewiesen. Es hat entschieden, die Übernahmeerklärung der Beklagten vom 24.10.2003 sei vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung ab dem 01.01.2004 ergangen. Nachdem der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit Wirkung vom 01.01.2004 sämtliche Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus der Verordnung zu Lasten der GKV ausgenommen habe, sei die Bedingung eingetreten, unter welcher die Beklagte ihre Leistung habe einstellen dürfen. Die Beklagte sei gehalten gewesen, einen der Rechtslage entsprechenden Zustand wieder herzustellen. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen können, auch für die Zukunft weiter mit Viagra versorgt zu werden. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das ihm am 25.04.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.05.2006 Berufung eingelegt. Er hat geltend gemacht, das Gericht habe sich mit den medizinischen Voraussetzungen seines Falls nicht ausreichend beschäftigt. Der Gesetzgeber habe die Pflicht, für die Versorgung kranker Menschen mit entsprechenden Arzneimitteln zu sorgen. Es könne nicht sein, dass Kranke nur Menschen zweiter Güte seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm zur Behandlung seiner diabetogenen erektilen Dysfunktion weiterhin das Arzneimittel Viagra oder ein gleich wirksames Arzneimittel als Sachleistung zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die gerichtlichen Vorakten S 2 KR 1255/03 und S 2 KR 2069/03 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat ihre Zusage vom 24.10.2003, bestätigt durch Schreiben vom 24.2.2004, dem Kläger zur Behandlung der erektilen Dysfunktion wegen Diabetes mellitus weiterhin das Arzneimittel Viagra als Sachleistung vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen Regelung zu gewähren, zu Recht mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Sie ist nicht (mehr) verpflichtet, dem Kläger solche Arzneimittel als Sachleistung zu gewähren. Der Kläger hat nach Erhalt des Schreibens vom 22.2.2005 keinen Anspruch auf die Behandlung seiner erektilen Dysfunktion mit Viagra oder einem ähnlich wirkenden Medikament und keinen Kostenerstattungsanspruch für diese Behandlung. Das folgt aus gesetzlichem und untergesetzlichem Recht ohne Widerspruch zum Grundgesetz (GG).
Verfahrensrechtliche Bedenken bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Bescheide nicht. Die Beklagte hat den Kläger zwar nicht förmlich im Sinne von § 24 SGB X angehört, sie hat jedoch mit dem Schreiben vom 22.2.2005 den Kläger so ausführlich informiert, dass dieser über die Beweggründe des Widerrufs der Kostenzusagen gut informiert war und anschließend sachgerecht seine rechtlichen Interessen vertreten konnte. Eventuelle Fehler der Anhörung wären außerdem durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Beklagte hatte dem Kläger zweimal zugestanden, ihm Viagra als Sachleistung zur Verfügung zu stellen: Einmal mit Schreiben vom 24.10.2003 "vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2004" und ein zweites Mal mit Schreiben vom 24.02.2004 ebenfalls unter der Einschränkung einer abweichenden gesetzlichen Regelung. Da das zweite Schreiben auf das erste in keiner Weise Bezug nimmt und seine Wirksamkeit nicht vom Fortbestehen der ersten Zusage ausdrücklich abhängig macht, ist zugunsten des Klägers für die weitere rechtliche Prüfung von zwei rechtlich selbstständigen (allerdings inhaltlich vollständig übereinstimmenden) Kostenzusagen auszugehen. Diese Zusagen durfte die Beklagte mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen und hat sie auch zu Recht zurückgenommen: Sowohl das Schreiben vom 22.2.2005 als auch der Bescheid vom 7.3.2005 und auch der Widerspruchsbescheid vom 7.4.2005 nehmen Bezug auf beide Schreiben.
Grundlage für die erklärte Zurücknahme ist bezüglich der Zusage vom 24.10.2003 § 48 Abs. 1 SGB X und bezüglich des Schreibens vom 24.2.2004 § 45 SGB X. Die von § 48 SGB X geforderte wesentliche Änderung der bei Ausspruch der Bewilligung maßgeblichen Rechtslage liegt in der zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Herausnahme der Arzneimittel, die zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Aus diesem Grund war auch die Zusage weiterer Versorgung mit Viagra im Schreiben vom 24.2.2004 von Anfang an rechtswidrig.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 1. Fall SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind (§ 31 Abs 1 Satz 1 SGB V). Mit Artikel 1 Nr. 22 GMG vom 14.11.2003 (BGB l. I S. 2190) wurden mit Wirkung ab 01.01.2004 sämtliche Arzneimittel, die der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. § 34 Abs 1 Satz 7 SGB V enthält seitdem die Regelung, dass von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen sind, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs 1 Satz 8 SGB V). Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 (§ 34 Abs 1 Satz 9 SGB V). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) wiederholen unter Buchst F 18.2 den Text des § 34 Abs 1 Satz 8 SGB V. Nach F 18.3 AMRL sind die nach Nr 18.2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anlage 8 der AMRL zusammengestellt. In dieser Übersicht wurde dieser Leistungsausschluss der so genannten Lifestyle-Medikamente konkretisiert. Dort werden u.a. die Präparate Caverject, Muse, Viridal, Viagra, Yocou Glenwood, Yohimbin Spiegel, Ixense, Uprima, Cialis und Levitra den Arzneimitteln zugeordnet, deren Kosten nicht mehr durch die GKV übernommen werden dürfen. Diese Richtlinien sind für die Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherten verbindlich (§ 91 Abs. 9 SGB V).
Mit der Regelung in § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die betreffenden Arzneimittel, die bereits vor Inkrafttreten des GMG nach den AMRL des Bundesausschusses von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sind (vgl. BT-Drucks 15/1525, Begründung zum Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen eines GMG, S. 86). Klarstellungsbedürfnis bestand, weil nach der auch vom Gesetzgeber zitierten (vgl. BT-Drucks 15/1525, S 87) früheren Rechtsprechung des BSG bis zum Inkrafttreten des GMG in der Rechtsprechung davon ausgegangen wurde, dass die Behandlung der auf somatischer Grundlage beruhenden erektilen Dysfunktion mit grundsätzlich trotz der abweichenden Regelung in den AMRL zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre (vgl. BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 - SKAT; BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2 - Viagra). Demgegenüber zielte Art 1 Nr 22 GMG mit der Einfügung der Sätze 7 bis 9 in § 34 Abs 1 SGB V darauf ab, sämtliche Arzneimittel, die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen (vgl. BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2 RdNr 24 - Viagra, zuletzt BSG, Urteil vom 26.07.2006, B 1 KR 10/05 R), so dass es entgegen der Rechtsauffassung des Klägers unerheblich ist, dass seine erektile Dysfunktion nicht psychisch, sondern aufgrund der bestehenden Diabetesfolgen somatisch begründet ist.
Für von Anfang an rechtswidrige Verwaltungsakte, wie hier das Schreiben vom 24.2.2004, ist § 45 SGB X einschlägig: Nach dessen Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Als von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt konnte die Zusage vom 24.02.2004 nur rechtmäßig zurückgenommen werden, weil das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig war. Dem Kläger ist bereits mit Schreiben vom 24.10.2003 eindeutig mitgeteilt worden, dass sein Leistungsanspruch mit einer Gesetzesänderung hinfällig werden könnte. Diesen Passus hat die Beklagte auch im Schreiben vom 24.02.2004 nochmals wiederholt. Der Kläger wusste somit, dass die Beklagte für die benötigten Medikamente nur solange aufkommen will, wie dies vom Gesetz zugelassen wird. Der Kläger hat allerdings bereits im Herbst 2003 gewusst, dass der Gesetzgeber zum 01.01.2004 eine Neubewertung von Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion vorzunehmen gedachte. Wie sich aus den Akten ergibt, war der Kläger über die rechtlichen Entwicklungen in Bezug auf die Versorgung mit Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus Eigeninteresse stets gut informiert. Der Senat nimmt daher an (denn der Kläger hat auf eine entsprechende Nachfrage des Senats nicht geantwortet), dass er sich gerade in Hinblick auf die zum 01.01.2004 durch das GMG geänderte Recht der gesetzlichen Krankenversicherung im Februar 2004 eine Bestätigung der Beklagten hat geben lassen wollen, dass er trotzdem weiterhin Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Viagra habe. Da allerdings die Beklagte die Leistungen mit ihren Rücknahmebescheiden nur für die Zukunft aufgehoben hat, war nicht zu prüfen, ob eine Rücknahme für die Vergangenheit angesichts des Verbrauchs der Medikamente und der finanziellen Situation des Klägers zumutbar gewesen wäre.
Aber selbst wenn der Kläger zunächst auf die Wirksamkeit der erhaltenen Zusagen vertraut hätte, stünde dies der ausgesprochenen Leistungsentziehung mit Wirkung für die Zukunft nicht entgegen. Denn spätestens mit dem Schreiben vom 22.2.2005 wusste der Kläger, dass ihm zukünftig Viagra von Rechts wegen nicht mehr zusteht. Sein Vertrauen in den Fortbestand der (rechtswidrigen ) Zusagen wiegt aber seit diesem Zeitpunkt weit geringer als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. Der Kläger hat auch keine Vermögensdispositionen getroffen, die er nicht oder nur unter erheblichen Nachteilen rückgängig machen könnte. Er hat sich nur daran gewöhnt, dass die Beklagte ihm Viagra zahlt und muss diese Kosten in Zukunft selbst aufbringen oder auf das Medikament und den durch es vermittelten Nutzen verzichten.
Die Frist zur Rücknahme (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X) wurde durch die Beklagte eingehalten. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung der Beklagten ermessenfehlerhaft wäre. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 07.04.2005 die am 22.02.2005 unterlassene Ermessensausübung nachgeholt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gesetzgeber nunmehr unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind, soweit sie überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, kann der Hinweis des Klägers auf seelische Auswirkungen bei ihm selbst sowie die Auswirkungen auf seine Ehe, sofern eine Behandlung der Krankheit unterbleibt, nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Denn der Gesetzgeber hat ohne Ausnahmen vorzusehen die zur Behandlung der erektilen Dysfunktion auf dem Markt befindlichen und zugelassenen Arzneimittel aus dem Leistungskatalog gestrichen. Mangelnde finanzielle Leistungskraft des Versicherten kann gleichfalls nicht dazu führen, dass ausdrücklich ausgeschlossene Arzneimittel im Einzelfall doch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen Jede andere Ermessensausübung würde dem erklärten Willen des Gesetzgebers widersprechen.
Die Rüge des Klägers, der auf § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V gestützte Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion verstoße gegen höherrangiges Recht, als er nicht in gebührender Weise auf die Umstände des Einzelfalles und die Bedeutung des Arzneimittels für den Betroffenen abstelle, bleibt ohne Erfolg. Denn dieser Ausschluss verletzt weder, wie der Kläger meint, das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit noch das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit noch das grundrechtliche Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG , die Ehe zu schützen. Auch ist ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht ersichtlich. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist anerkannt, dass aus dem durch Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht des Versicherten - dasselbe gilt für das auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützte Recht auf körperliche Unversehrtheit - jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch des Patienten gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen folgen kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005, BSGE 94, 302). Der Gesetzgeber verletzt seinen im Recht der sozialen Leistungsgewährung ohnehin großen Gestaltungsspielraum auch nicht im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip , wenn er angesichts der - durch anzustrebend niedrige Beiträge bedingten beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV - Leistungen aus ihrem Leistungskatalog herausnimmt, die wie hier in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005, a.a.O.).
Soweit der Kläger ferner vorträgt, die Erstattungsfähigkeit des ihm ärztlich verordneten Arzneimittels Viagra müsse in seinem Fall jedenfalls deshalb anerkannt werden, weil die Erhaltung der erektilen Funktion bei ihm (durch Art. 6 Abs. 1 GG) zum Schutz seiner Ehe geboten sei, begründet auch dieses Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des sozialgerichtlichen Urteils. Zwar hat der Staat die Pflicht, die Ehe vor Beeinträchtigungen zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.07.2002, BVerfGE 105, 313 , 346). Er kann aber im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz verwirklichen will. Deshalb erwachsen aus Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.02.2003, NJW 2003, 1381). Das gilt ebenfalls im vorliegenden Zusammenhang. Es liegt folglich auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG innerhalb der Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebers und des von ihm beauftragten Bundesausschusses, über die Erstattungsfähigkeit des streitigen Arzneimittels zu befinden. Das Vorbringen des Klägers, er müsse damit rechnen, dass seine Ehe keinen Bestand haben werde, wenn er die erektile Dysfunktion nicht weiter medikamentös behandele, veranlasst deshalb nicht die Annahme, die Beklagte müsse für die damit verbundenen Aufwendungen unmittelbar auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 GG Kassenleistungen gewähren. Abgesehen davon, dass dem Kläger die medikamentöse Behandlung dieses Leidens auf seine Kosten nicht verwehrt wird, hat er jedenfalls keinen unmittelbaren Leistungsanspruch auf finanzielle Erstattung der damit verbundenen Aufwendungen durch die Beklagte. Das folgt insbesondere aus der Erwägung, dass es sich im vorliegenden Zusammenhang um einen Bereich handelt, bei welchem die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen maßgeblich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Betroffenen abhängen und eine schwerwiegende Krankheit nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005, a.a.O.).
Bezüglich der mit Schreiben vom 24.10.2003 zugesicherten Leitungsgewährung ist der Widerruf durch § 48 SGB X gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift ist eine Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft - wie hier- aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, eine wesentliche Änderung eintritt. Die hier maßgebliche wesentliche Änderung bestand - wie oben ausgeführt - in der Änderung der Rechtslage zum 1.1.2004. Zum Zeitpunkt des 22.2.2005 durfte somit für die Zukunft die Kostenzusage widerrufen werden. Zur weiteren Begründung kann auf die obigen Ausführungen zu § 45 SGB X Bezug genommen werden.
Offen bleiben kann nach alledem, ob die Aufhebung ihre Rechtsgrundlage auch in dem in beiden Schreiben enthaltenen Vorbehalt hinsichtlich abweichender gesetzlicher Regelungen hätte finden können. Ebenso muss nicht entschieden werden, ob die Beklagte sich hier auf die Regelung in § 34 Abs. 3 SGB X berufen kann, wonach die Behörde an Zusicherungen nach Änderung der Sach- und Rechtslage nicht mehr gebunden ist. Denn die Vorschriften der § 45 SGB X bzw. § 48 SGB X, die hinsichtlich der Rücknahmevoraussetzungen zu Gunsten der Versicherten die weitestgehenden Anforderungen stellen, sind nach dem oben Gesagten für die Aufhebung der Leistungszusagen vom 25.10.2003 und 24.2.2004 erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das BSG hat mit Urteil vom 18.07.2006 (B 1 KR 10/05 R) die hier entscheidungserheblichen Fragen zur Versorgung mit einem Medikament zur Behandlung der erektilen Dysfunktion entschieden.
Rechtskraft
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