Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 75/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3287/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger trotz Vollendung seines 18. Lebensjahrs Anspruch auf eine kieferorthopädische Behandlung hat.
Der 1981 geborene Kläger war bis Ende 1993 bei der AOK Mittelbaden gesetzlich krankenversichert. Seit dem 01.01.1994 besteht für ihn Krankenversicherungsschutz bei der Beklagten.
Der Kläger war seit 1992 in kieferorthopädischer Behandlung. Der kieferorthopädische Behandlungsplan vom 07.01.1992 benannte als Diagnosen ein Angle Klasse III, Diastema mediale, Kreuzbiss rechts, Zwangsbiss mit Mittellinienverschiebung und Trauma mit 8 Jahren an den Zähnen 11 und 21. Der Kläger erhielt eine Multibandapparatur, die Prognose lautete, dass er bei guter Mitarbeit und entsprechender Reaktionslage mindestens vier Jahre in Behandlung stehen werde. Die Beklagte übernahm ab Versicherungsbeginn im Jahr 1994 von der Vorversicherung auf der Basis dieses Behandlungsplans des Zahnarztes für Kieferorthopädie Dr. P. Kosten in Höhe von 80 vom Hundert (v.H.) der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers. Mit Schreiben vom 27.02.1997 teilte Dr. P. der Beklagten mit, wegen nicht angelegter Zähne und der Notwendigkeit späterer Implantate müsse die kieferorthopädische Behandlung unterbrochen werden. Sobald die Behandlung wieder aufgenommen werden könne, werde er dies anzeigen. Am 25.06.1997 war der Kläger bei Dr. P. letztmals in Behandlung. Dr. P. hat mit ihm damals besprochen, dass der Kläger ab dem 17. Lebensjahr auf eine Multibandbehandlung umgestellt werden solle.
Erst mit Schreiben vom 14.04.2004, der Kläger war nunmehr 23 Jahre alt, stellte Dr. P. bei der Beklagten einen sog. KFO-Verlängerungsantrag für eine Multibandapparatur und Retentionsgeräte, um Fehlstellungen der Zähne im Ober- und Unterkiefer (u.a. schmaler Kiefer mit Kreuzbiss) zu beheben. Die Beklagte holte daraufhin eine ärztliche Stellungnahme bei dem Zahnarzt Dr. K. ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 15.09.2004 aus, nach den geltenden Richtlinien gelte eine Behandlung spätestens acht Quartale nach dem letzten aktiven Quartal als beendet. Weil die ursprüngliche Behandlung des Klägers 1997 unterbrochen bzw. einstweilen beendet worden sei, könne die jetzige Planung nicht mehr mit jener in Zusammenhang gebracht werden. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Zwar sei die vorgeschlagene Maßnahme gewiss sinnvoll, müsse jedoch als Privatbehandlung erbracht werden. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit Bescheid vom 17.09.2004 ab. Es handele sich um keine Vertragsbehandlung.
Hiergegen legte der Kläger am 23.09.2004 Widerspruch ein. Er machte geltend, bereits im Kindesalter sei bei ihm erkennbar gewesen, dass mehrere bleibende Zähne nicht angelegt seien. Ihm sei nahe gelegt worden, an deren Stelle Implantate oder Brücken setzen zu lassen. Voraussetzung für diese zahnärztliche Behandlung sei allerdings, quasi als Vorarbeit, eine vorherige kieferorthopädische Behandlung. Da die Versorgung mit Implantaten und Zahnersatz erst nach Abschluss des Kieferwachstums ab dem 20. Lebensjahr durchgeführt werden könne, habe Dr. P. auch die kieferorthopädische Behandlung zunächst unterbrochen. Vor diesem Hintergrund bestehe zwischen der seinerzeit begonnenen Behandlung und der nun beantragten Leistung ein klarer Zusammenhang.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Versicherten, die wie der Kläger zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet hätten, gehöre die kieferorthopädische Behandlung gem. § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V grundsätzlich nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Entgegen der Ansicht des Klägers handele es sich bei der im Jahr 2004 beantragten Leistung nicht um eine Verlängerung der im Jahr 1992 begonnenen Behandlung, sondern um eine neue Behandlung. Zwar erstrecke sich eine kieferorthopädische Behandlung über einen längeren Zeitraum und schließe eine ausreichende Retentionsphase ein. Grundsätzlich seien aber nur vier Behandlungsjahre zuzüglich einer bis zu zwei Jahre dauernden Retentionsphase möglich. Dieser Zeitraum sei im Jahr 2004 im Hinblick auf die bereits im ersten Quartal des Jahres 1992 begonnene Behandlung des Klägers abgelaufen gewesen. Da beim Kläger auch keine schweren Kieferanomalien im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V vorlägen, sei eine Kostenübernahme ausgeschlossen.
Dagegen hat der Kläger am 07.01.2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat seine Auffassung wiederholt, wonach die streitige Leistung die Fortsetzung der im Kindesalter begonnenen Behandlung darstelle. Bei der von der Beklagten angeführten Frist handele es sich um keine starre Ausschlussfrist. Dies ergäbe sich auch nicht aus Ziffer 12 der KFO-Richtlinien. Die dortige Regelung, wonach Maßnahmen zur Retention bis zu zwei Jahre nach dem Ende des Kalenderquartals, für das die letzte Abschlagszahlung geleistet worden ist, Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung sind, begründe lediglich - im Sinne einer Beweislastverteilung - die Vermutung, dass eine Behandlung innerhalb dieses Zeitraums noch zur ursprünglichen Behandlung gehöre. Bei medizinischer Notwendigkeit könnten aber auch spätere Maßnahmen noch zur ursprünglichen Behandlung zählen. Im vorliegenden Fall habe Dr. P. bereits bei Unterbrechung der Maßnahme mitgeteilt, dass es einer Nachbehandlung bedürfe, wenn der Kläger älter als 20 Jahre alt sei. Dies belege einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der früheren und der jetzigen Behandlung. Zudem genieße der Kläger Vertrauensschutz. Denn im Zeitpunkt der letzten Maßnahme im Jahr 1995 habe das Gesetz noch keine Altersgrenze für kieferorthopädische Leistungen vorgesehen. Es habe daher für ihn kein Anlass bestanden, mit Problemen bei der Kostenerstattung zu rechnen, sollte er die Behandlung erst im Alter von 20 Jahren fortsetzen. Entgegen der Ansicht der Beklagten liege bei ihm im übrigen eine schwere Kieferanomalie im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V vor. Denn in seinem Gebiss fänden sich noch immer teilweise Milchzähne; die Kaufunktion sei erheblich beeinträchtigt.
Die Beklagte hat dagegen gemeint, die ursprüngliche Behandlung sei vom Kläger nicht unterbrochen, sondern abgebrochen worden. Selbst wenn man keinen starren zeitlichen Rahmen annähme, könne jedenfalls bei einem Abstand von sieben Jahren nicht mehr von einer Fortsetzung der Behandlung gesprochen werden. Vielmehr liege ein vollkommen neuer kieferorthopädischer Befund vor. Auch wenn ein medizinischer Zusammenhang vorläge, sei die frühere Behandlung jedenfalls im leistungsrechtlichen Sinne abgeschlossen. Denn nach dem Ende der zweijährigen Retentionsphase bestünde mangels KfO-Gebührennummern für den behandelnden Arzt keine Abrechnungsmöglichkeit mehr. Die Beklagte hat zum Beleg ihrer Auffassung den Beschluss Nr. 110 (gültig ab Mai 1989) zur Frage der Zulässigkeit von Verlängerungsanträgen gestellt, aus dem sich ergibt, dass eine Verlängerung nur binnen vier Jahren seit Behandlungsbeginn beantragt werden kann.
Das SG hat Dr. P. als sachverständigen Zeugen befragt. Der Kieferorthopäde Dr. P. hat am 08.06.2005 mitgeteilt, mit den Eltern sei 1997 besprochen worden, dass die Behandlung bis zum 17. Lebensjahr ausgesetzt werden solle, weil erst dann ein prothetischer Ersatz erfolgen könne. An die Krankenkasse habe er die entsprechende Mitteilung verschickt. Der Patient sei aufgefordert worden, sich wieder vorzustellen, bevor er das 18. Lebensjahr vollende, denn die Behandlung sei nicht abgeschlossen gewesen. Tatsächlich habe sich der Kläger dann erst 2004 wieder bei ihm gemeldet. Der Zusammenhang beider Behandlungen bestehe aus seiner Sicht zwar medizinisch, nicht aber versicherungsrechtlich, weil die Behandlungsunterbrechung mehr als zwei Jahre gedauert habe. Daher sei die Stellungnahme von Dr. K. zutreffend.
Im Auftrag des SG hat der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Städtischen Klinikum Karlsruhe, PD Dr. Dr. D., am 19.10.2005 ein fachärztliches Gutachten erstattet. Er hat bestätigt, dass beim Kläger ein erheblicher Fehlbiss bei schmalem Oberkiefer und außerdem ein Kreuzbiss im Seitenzahnbereich vorliege. Zwei Milchzähne seien noch vorhanden, drei Zähne nicht angelegt. Es sei zu einer erheblichen ästhetischen Beeinträchtigung gekommen. Funktionelle Störungen bestünden derzeit nicht. Der Kläger weise eine schwere Kieferanomalie auf, welche am besten erst kieferorthopädisch vorbereitet und dann ggf. chirurgisch unterstützt gelöst werden könne. Dazu kämen Implantate. Allerdings entsprächen die Kieferanomalien keinem der geforderten Behandlungsgrade der Indikationsgruppen der Richtlinie, die kombiniert kieferorthopädisch-chirurgisch gelöst werden müssten. Die Behandlung sei 1997 noch nicht abgeschlossen gewesen, denn Implantatsetzungen seien bei männlichen Patienten erst ab dem 18. Lebensjahr sinnvoll. Deswegen sei die Behandlung aus medizinischer Sicht zu Recht unterbrochen worden, kassenrechtlich sei die Situation allerdings eine andere, "allerdings müsse sich das Kassenrecht mit dem medizinisch Sinnvollen ja nicht unbedingt decken".
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2006 abgewiesen. Es hat entschieden, seit 1993 gehöre die kieferorthopädische Behandlung von Erwachsenen nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Behandlung der gesetzlich Versicherten. Der Kläger habe bei Neubeginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet. Ein Ausnahmefall für Versicherte mit schweren Kieferanomalien liege nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das am 31.05.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.06.2006 Berufung eingelegt. Er meint, das SG habe die Fortsetzung der kieferorthopädischen Behandlung zu Unrecht verneint, denn der Gutachter habe die für 2004 geplante Wiederaufnahme der Behandlung als medizinisch konsequent beschrieben. Die Überleitungsvorschrift des Art. 33 § 5 des Gesetzes vom 21.12.1992, das eine "Kurze Übergangszeit" vorsehe, sei vom SG zu formalistisch ausgelegt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2004 zu verurteilen, die Kosten für die geplante kieferorthopädische Behandlung in gesetzlicher Höhe zu übernehmen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die 1992 begonnene kieferorthopädische Behandlung des Klägers sei 1997 abgeschlossen gewesen. Für die neue Behandlung lägen die Voraussetzungen zur Kostenübernahme nicht vor.
In einem Erörterungstermin am 13.09.2006 haben die Beteiligten ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte kieferorthopädische Behandlung.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die §§ 27 Abs. 1, 28 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung schließt die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V) ein. Gemäß § 28 Abs. 2 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, jedoch nicht zur zahnärztlichen Behandlung; insoweit ist für die Altersgrenze der Beginn der Behandlung maßgebend. Anderes gilt gemäß § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V nur für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert, ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Die Behandlung des Klägers sollte im Jahr 2004 und damit nach der Vollendung des 18. Lebensjahres beginnen. Als Behandlungsbeginn ist der Zeitpunkt der Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans - hier der "KFO-Verlängerungsantrag" vom 14.04.2004 - anzusehen, auch wenn die eigentliche Behandlung erst danach anfängt und wichtige Vorbereitungshandlungen schon vor diesem Zeitpunkt liegen sollten. Denn das Datum des Behandlungsplans belegt in nachprüfbarer Weise die Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit sowie den Behandlungswunsch des Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des Zahnarztes; andere denkbare Zeitpunkte könnten erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997, 1 RK 11/97 unter Verweis auf die Vorstellungen des Gesetzgebers in der Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks 12/3608 S 79).
Der Behandlungsplan für die in Rede stehende Behandlung datiert vom 14.04.2004, so dass der Anspruch des damals 23jährigen Klägers ausgeschlossen ist. Die zuvor bis zum 25.06.1997 durchgeführte kieferorthopädische Behandlung aufgrund des Behandlungsplans des Dr. P. vom 07.01.1992 kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Bei einer Zwischenzeit von sieben Jahren ohne Behandlung ist nicht von einer Fortsetzung der damals begonnenen Maßnahmen auszugehen, auch wenn nach wie vor dieselbe Kieferanomalie die Behandlungsnotwendigkeit begründete. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung des Widerspruchsbescheids folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 und 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Mit dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 14.12.2005, L 5 KR 59/04) hält der Senat den umfassend geregelten gesetzlichen Leistungsausschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V für grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben mögen. Auch das BSG (Beschluss vom 19.07.2004, B 1 KR 2/04 BH) hat entschieden, dass etwa eine Rechtsgrundlage für die Einstandspflicht der Beklagten für frühere zahnärztliche Behandlungsfehler nicht ersichtlich sei. Der Leistungsausschluss könne auch nicht als verfassungswidrig angesehen werden, weil gesetzgeberisches Ermessen zu berücksichtigen sei. Der Gesetzgeber entscheide, welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet werden (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 20.06.2005, B 1 KR 20/04 B ).
Im Übrigen ist - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - auf den Beschluss Nr. 110 der Arbeitsgemeinschaft gemäß § 22 des Zahnarzt-Ersatzkassenvertrages (ab 01.01.2005: § 29) zu Nrn. 119/120 des Vertrags (ab 01.01.2004: BEMA-Teil 3) zu verweisen. Hierin ist vereinbart worden, dass vor Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung grundsätzlich der Gesamtumfang der überschaubaren Behandlung zu planen ist. Nur innerhalb der vierjährigen Regelbehandlungszeit hat der Vertragszahnarzt einen Verlängerungsantrag einzureichen. Wird eine Behandlung später als vier Jahre seit Behandlungsbeginn notwendig, so ist bei der Vertragskasse ein neuer Behandlungsplan einzureichen. Zwar betrifft diese Regelung nicht das Rechtsverhältnis zwischen Versicherten und Krankenkasse, sondern dasjenige zwischen den Leistungserbringern (Zahnärzten und Kieferorthopäden) und der Kasse und hat Dr. P. einen "KFO-Verlängerungsantrag" eingereicht, woraus sich ergibt, dass er selbst im Zeitpunkt der neuen Planerstellung von einer Fortsetzung der früheren Behandlung ausgegangen war. Auf Nachfrage des SG hat Dr. P. aber - in Übereinstimmung mit Dr. K. und dem Gutachter PD Dr. D. - eingeräumt, dass "versicherungsrechtlich" kein Zusammenhang der Behandlungen mehr bestehe und er dem Kläger geraten habe, sich rechtzeitig (im 17. Lebensjahr) zu melden. Letztlich kann dahinstehen, wie lange eine Behandlungspause dauern darf, damit trotz einer Unterbrechung noch eine fortlaufenden Zahnbehandlung angenommen werden kann. Sieben Jahre sind jedenfalls zu lang, als dass von "einer" Behandlung im Rechtssinne ausgegangen werden könnte (ebenso Urteil des Senats vom 05. April 2006 - L 5 KR 377/05 nach einer fünfjährigen Unterbrechung). Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen, unter denen die kieferorthopädische Behandlung eines Erwachsenen nach § 28 Abs 2 Satz 7 SGB V ausnahmsweise in den Versicherungsschutz einbezogen wird. Auch insoweit kann der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und der Begründung des Widerspruchsbescheids verweisen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 und 2 SGG). Der Gutachter PD Dr. D. hat in seinem gut begründeten und überzeugenden Gutachten den notwendigen Behandlungsgrad verneint, die Beteiligten streiten hierüber auch nicht, wie der Kläger im Erörterungstermin vom 13.09.2006 auf Nachfrage zu Protokoll gegeben hat.
Es kommt auch nicht darauf an, ob beim Kläger ähnlich umfangreiche kieferchirurgische Maßnahmen erforderlich sind. § 28 Abs 1 Satz 7 SGB V ist auf derartige Fälle nicht entsprechend anzuwenden. Der Gesetzeswortlaut steht einer Ausdehnung auf vergleichbare Fälle entgegen. Auch kann kaum sinnvoll abgegrenzt werden, nach welchen Merkmalen kieferorthopädisch behandelbare Fehlstellungen einem operationsbedürftigen Befund gleichzustellen wären (BSG, Urteil vom 09.12.1997, 1 RK 11/97). Zwar kann der Gesetzesbegründung (BT-Drucks a.a.O.) entnommen werden, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der kieferchirurgischen Behandlungsbedürftigkeit außer verletzungsbedingten skelettalen Fehlstellungen vor allem solche Fälle erfassen wollte, bei denen der Abschluss des Körperwachstums abgewartet werden muss, bevor die notwendige chirurgische (und daher auch die darauf aufbauende kieferorthopädische) Maßnahme überhaupt sinnvoll durchgeführt werden kann. Denn diese Umstände, also die erst im Erwachsenenalter erlittene traumatische Veränderung des Kieferknochens oder der medizinisch erzwungene Aufschub des kieferchirurgischen Eingriffs bis zum Abschluss des Wachstums machen die Behandlung im jugendlichen Alter unmöglich und bilden den sachlichen Hintergrund für die Ausnahmevorschrift. Aber die Einbeziehung aller "vergleichbar schweren Fälle" scheidet nach dem Gesetzeswortlaut aus, zumal bei diesen die Unterscheidung zwischen ästhetisch und medizinisch begründeter sowie diejenige zwischen bereits im Jugendalter und erst später erkennbarer Behandlungsnotwendigkeit auf noch größere Unsicherheiten stößt.
Die durch das Gesundheitsstrukturgesetz eingeführte Beschränkung des Versicherungsschutzes dahingehend, dass kieferorthopädische Behandlungen bei Erwachsenen nur noch in Ausnahmefällen von den Krankenkassen zu bezahlen sind, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie ist sowohl mit dem Rechtsstaatsprinzip als auch mit dem Sozialstaatsprinzip sowie dem Gleichheitssatz vereinbar (vgl. dazu im einzelnen BSG a.a.O.). Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht gehalten, den Anspruch von anderen Merkmalen als dem der kombinierten kieferchirurgischen und kieferorthopädischen Behandlung abhängig zu machen. Soweit er unterstellt hat, dass bei kieferorthopädischen Maßnahmen im Erwachsenenalter häufig medizinische von ästhetischen Gesichtspunkten überlagert werden, kann das nicht als sachwidrig angesehen werden. Gegen eine Ausdehnung des Anspruchs auf alle medizinisch begründbaren Behandlungsfälle, in denen dem Versicherten weder mangelnde Zahnpflege noch Untätigkeit trotz einer frühzeitig erkennbaren Behandlungsnotwendigkeit entgegengehalten werden kann, sprechen ähnliche Gründe. Denn nach Jahren oder Jahrzehnten sind die im Jugendalter gesetzten Bedingungen für eine im Erwachsenenalter diagnostizierte Fehlstellung in aller Regel nicht mehr verlässlich festzustellen. So auch hier, wo wegen des Zeitablaufs offen bleiben muss, ob der Kläger die unzweifelhaft medizinisch notwendige Behandlung nicht schon kurz vor der Vollendung seines 18. Lebensjahrs hätte beginnen können und sollen, um die eingetretenen ästhetischen Beeinträchtigungen seiner Zahnstellung abzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger trotz Vollendung seines 18. Lebensjahrs Anspruch auf eine kieferorthopädische Behandlung hat.
Der 1981 geborene Kläger war bis Ende 1993 bei der AOK Mittelbaden gesetzlich krankenversichert. Seit dem 01.01.1994 besteht für ihn Krankenversicherungsschutz bei der Beklagten.
Der Kläger war seit 1992 in kieferorthopädischer Behandlung. Der kieferorthopädische Behandlungsplan vom 07.01.1992 benannte als Diagnosen ein Angle Klasse III, Diastema mediale, Kreuzbiss rechts, Zwangsbiss mit Mittellinienverschiebung und Trauma mit 8 Jahren an den Zähnen 11 und 21. Der Kläger erhielt eine Multibandapparatur, die Prognose lautete, dass er bei guter Mitarbeit und entsprechender Reaktionslage mindestens vier Jahre in Behandlung stehen werde. Die Beklagte übernahm ab Versicherungsbeginn im Jahr 1994 von der Vorversicherung auf der Basis dieses Behandlungsplans des Zahnarztes für Kieferorthopädie Dr. P. Kosten in Höhe von 80 vom Hundert (v.H.) der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers. Mit Schreiben vom 27.02.1997 teilte Dr. P. der Beklagten mit, wegen nicht angelegter Zähne und der Notwendigkeit späterer Implantate müsse die kieferorthopädische Behandlung unterbrochen werden. Sobald die Behandlung wieder aufgenommen werden könne, werde er dies anzeigen. Am 25.06.1997 war der Kläger bei Dr. P. letztmals in Behandlung. Dr. P. hat mit ihm damals besprochen, dass der Kläger ab dem 17. Lebensjahr auf eine Multibandbehandlung umgestellt werden solle.
Erst mit Schreiben vom 14.04.2004, der Kläger war nunmehr 23 Jahre alt, stellte Dr. P. bei der Beklagten einen sog. KFO-Verlängerungsantrag für eine Multibandapparatur und Retentionsgeräte, um Fehlstellungen der Zähne im Ober- und Unterkiefer (u.a. schmaler Kiefer mit Kreuzbiss) zu beheben. Die Beklagte holte daraufhin eine ärztliche Stellungnahme bei dem Zahnarzt Dr. K. ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 15.09.2004 aus, nach den geltenden Richtlinien gelte eine Behandlung spätestens acht Quartale nach dem letzten aktiven Quartal als beendet. Weil die ursprüngliche Behandlung des Klägers 1997 unterbrochen bzw. einstweilen beendet worden sei, könne die jetzige Planung nicht mehr mit jener in Zusammenhang gebracht werden. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Zwar sei die vorgeschlagene Maßnahme gewiss sinnvoll, müsse jedoch als Privatbehandlung erbracht werden. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit Bescheid vom 17.09.2004 ab. Es handele sich um keine Vertragsbehandlung.
Hiergegen legte der Kläger am 23.09.2004 Widerspruch ein. Er machte geltend, bereits im Kindesalter sei bei ihm erkennbar gewesen, dass mehrere bleibende Zähne nicht angelegt seien. Ihm sei nahe gelegt worden, an deren Stelle Implantate oder Brücken setzen zu lassen. Voraussetzung für diese zahnärztliche Behandlung sei allerdings, quasi als Vorarbeit, eine vorherige kieferorthopädische Behandlung. Da die Versorgung mit Implantaten und Zahnersatz erst nach Abschluss des Kieferwachstums ab dem 20. Lebensjahr durchgeführt werden könne, habe Dr. P. auch die kieferorthopädische Behandlung zunächst unterbrochen. Vor diesem Hintergrund bestehe zwischen der seinerzeit begonnenen Behandlung und der nun beantragten Leistung ein klarer Zusammenhang.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Versicherten, die wie der Kläger zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet hätten, gehöre die kieferorthopädische Behandlung gem. § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V grundsätzlich nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Entgegen der Ansicht des Klägers handele es sich bei der im Jahr 2004 beantragten Leistung nicht um eine Verlängerung der im Jahr 1992 begonnenen Behandlung, sondern um eine neue Behandlung. Zwar erstrecke sich eine kieferorthopädische Behandlung über einen längeren Zeitraum und schließe eine ausreichende Retentionsphase ein. Grundsätzlich seien aber nur vier Behandlungsjahre zuzüglich einer bis zu zwei Jahre dauernden Retentionsphase möglich. Dieser Zeitraum sei im Jahr 2004 im Hinblick auf die bereits im ersten Quartal des Jahres 1992 begonnene Behandlung des Klägers abgelaufen gewesen. Da beim Kläger auch keine schweren Kieferanomalien im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V vorlägen, sei eine Kostenübernahme ausgeschlossen.
Dagegen hat der Kläger am 07.01.2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat seine Auffassung wiederholt, wonach die streitige Leistung die Fortsetzung der im Kindesalter begonnenen Behandlung darstelle. Bei der von der Beklagten angeführten Frist handele es sich um keine starre Ausschlussfrist. Dies ergäbe sich auch nicht aus Ziffer 12 der KFO-Richtlinien. Die dortige Regelung, wonach Maßnahmen zur Retention bis zu zwei Jahre nach dem Ende des Kalenderquartals, für das die letzte Abschlagszahlung geleistet worden ist, Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung sind, begründe lediglich - im Sinne einer Beweislastverteilung - die Vermutung, dass eine Behandlung innerhalb dieses Zeitraums noch zur ursprünglichen Behandlung gehöre. Bei medizinischer Notwendigkeit könnten aber auch spätere Maßnahmen noch zur ursprünglichen Behandlung zählen. Im vorliegenden Fall habe Dr. P. bereits bei Unterbrechung der Maßnahme mitgeteilt, dass es einer Nachbehandlung bedürfe, wenn der Kläger älter als 20 Jahre alt sei. Dies belege einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der früheren und der jetzigen Behandlung. Zudem genieße der Kläger Vertrauensschutz. Denn im Zeitpunkt der letzten Maßnahme im Jahr 1995 habe das Gesetz noch keine Altersgrenze für kieferorthopädische Leistungen vorgesehen. Es habe daher für ihn kein Anlass bestanden, mit Problemen bei der Kostenerstattung zu rechnen, sollte er die Behandlung erst im Alter von 20 Jahren fortsetzen. Entgegen der Ansicht der Beklagten liege bei ihm im übrigen eine schwere Kieferanomalie im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V vor. Denn in seinem Gebiss fänden sich noch immer teilweise Milchzähne; die Kaufunktion sei erheblich beeinträchtigt.
Die Beklagte hat dagegen gemeint, die ursprüngliche Behandlung sei vom Kläger nicht unterbrochen, sondern abgebrochen worden. Selbst wenn man keinen starren zeitlichen Rahmen annähme, könne jedenfalls bei einem Abstand von sieben Jahren nicht mehr von einer Fortsetzung der Behandlung gesprochen werden. Vielmehr liege ein vollkommen neuer kieferorthopädischer Befund vor. Auch wenn ein medizinischer Zusammenhang vorläge, sei die frühere Behandlung jedenfalls im leistungsrechtlichen Sinne abgeschlossen. Denn nach dem Ende der zweijährigen Retentionsphase bestünde mangels KfO-Gebührennummern für den behandelnden Arzt keine Abrechnungsmöglichkeit mehr. Die Beklagte hat zum Beleg ihrer Auffassung den Beschluss Nr. 110 (gültig ab Mai 1989) zur Frage der Zulässigkeit von Verlängerungsanträgen gestellt, aus dem sich ergibt, dass eine Verlängerung nur binnen vier Jahren seit Behandlungsbeginn beantragt werden kann.
Das SG hat Dr. P. als sachverständigen Zeugen befragt. Der Kieferorthopäde Dr. P. hat am 08.06.2005 mitgeteilt, mit den Eltern sei 1997 besprochen worden, dass die Behandlung bis zum 17. Lebensjahr ausgesetzt werden solle, weil erst dann ein prothetischer Ersatz erfolgen könne. An die Krankenkasse habe er die entsprechende Mitteilung verschickt. Der Patient sei aufgefordert worden, sich wieder vorzustellen, bevor er das 18. Lebensjahr vollende, denn die Behandlung sei nicht abgeschlossen gewesen. Tatsächlich habe sich der Kläger dann erst 2004 wieder bei ihm gemeldet. Der Zusammenhang beider Behandlungen bestehe aus seiner Sicht zwar medizinisch, nicht aber versicherungsrechtlich, weil die Behandlungsunterbrechung mehr als zwei Jahre gedauert habe. Daher sei die Stellungnahme von Dr. K. zutreffend.
Im Auftrag des SG hat der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Städtischen Klinikum Karlsruhe, PD Dr. Dr. D., am 19.10.2005 ein fachärztliches Gutachten erstattet. Er hat bestätigt, dass beim Kläger ein erheblicher Fehlbiss bei schmalem Oberkiefer und außerdem ein Kreuzbiss im Seitenzahnbereich vorliege. Zwei Milchzähne seien noch vorhanden, drei Zähne nicht angelegt. Es sei zu einer erheblichen ästhetischen Beeinträchtigung gekommen. Funktionelle Störungen bestünden derzeit nicht. Der Kläger weise eine schwere Kieferanomalie auf, welche am besten erst kieferorthopädisch vorbereitet und dann ggf. chirurgisch unterstützt gelöst werden könne. Dazu kämen Implantate. Allerdings entsprächen die Kieferanomalien keinem der geforderten Behandlungsgrade der Indikationsgruppen der Richtlinie, die kombiniert kieferorthopädisch-chirurgisch gelöst werden müssten. Die Behandlung sei 1997 noch nicht abgeschlossen gewesen, denn Implantatsetzungen seien bei männlichen Patienten erst ab dem 18. Lebensjahr sinnvoll. Deswegen sei die Behandlung aus medizinischer Sicht zu Recht unterbrochen worden, kassenrechtlich sei die Situation allerdings eine andere, "allerdings müsse sich das Kassenrecht mit dem medizinisch Sinnvollen ja nicht unbedingt decken".
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2006 abgewiesen. Es hat entschieden, seit 1993 gehöre die kieferorthopädische Behandlung von Erwachsenen nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Behandlung der gesetzlich Versicherten. Der Kläger habe bei Neubeginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet. Ein Ausnahmefall für Versicherte mit schweren Kieferanomalien liege nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das am 31.05.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.06.2006 Berufung eingelegt. Er meint, das SG habe die Fortsetzung der kieferorthopädischen Behandlung zu Unrecht verneint, denn der Gutachter habe die für 2004 geplante Wiederaufnahme der Behandlung als medizinisch konsequent beschrieben. Die Überleitungsvorschrift des Art. 33 § 5 des Gesetzes vom 21.12.1992, das eine "Kurze Übergangszeit" vorsehe, sei vom SG zu formalistisch ausgelegt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2004 zu verurteilen, die Kosten für die geplante kieferorthopädische Behandlung in gesetzlicher Höhe zu übernehmen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die 1992 begonnene kieferorthopädische Behandlung des Klägers sei 1997 abgeschlossen gewesen. Für die neue Behandlung lägen die Voraussetzungen zur Kostenübernahme nicht vor.
In einem Erörterungstermin am 13.09.2006 haben die Beteiligten ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte kieferorthopädische Behandlung.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die §§ 27 Abs. 1, 28 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung schließt die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V) ein. Gemäß § 28 Abs. 2 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, jedoch nicht zur zahnärztlichen Behandlung; insoweit ist für die Altersgrenze der Beginn der Behandlung maßgebend. Anderes gilt gemäß § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V nur für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert, ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Die Behandlung des Klägers sollte im Jahr 2004 und damit nach der Vollendung des 18. Lebensjahres beginnen. Als Behandlungsbeginn ist der Zeitpunkt der Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans - hier der "KFO-Verlängerungsantrag" vom 14.04.2004 - anzusehen, auch wenn die eigentliche Behandlung erst danach anfängt und wichtige Vorbereitungshandlungen schon vor diesem Zeitpunkt liegen sollten. Denn das Datum des Behandlungsplans belegt in nachprüfbarer Weise die Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit sowie den Behandlungswunsch des Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des Zahnarztes; andere denkbare Zeitpunkte könnten erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997, 1 RK 11/97 unter Verweis auf die Vorstellungen des Gesetzgebers in der Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks 12/3608 S 79).
Der Behandlungsplan für die in Rede stehende Behandlung datiert vom 14.04.2004, so dass der Anspruch des damals 23jährigen Klägers ausgeschlossen ist. Die zuvor bis zum 25.06.1997 durchgeführte kieferorthopädische Behandlung aufgrund des Behandlungsplans des Dr. P. vom 07.01.1992 kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Bei einer Zwischenzeit von sieben Jahren ohne Behandlung ist nicht von einer Fortsetzung der damals begonnenen Maßnahmen auszugehen, auch wenn nach wie vor dieselbe Kieferanomalie die Behandlungsnotwendigkeit begründete. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung des Widerspruchsbescheids folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 und 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Mit dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein (Urteil vom 14.12.2005, L 5 KR 59/04) hält der Senat den umfassend geregelten gesetzlichen Leistungsausschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V für grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben mögen. Auch das BSG (Beschluss vom 19.07.2004, B 1 KR 2/04 BH) hat entschieden, dass etwa eine Rechtsgrundlage für die Einstandspflicht der Beklagten für frühere zahnärztliche Behandlungsfehler nicht ersichtlich sei. Der Leistungsausschluss könne auch nicht als verfassungswidrig angesehen werden, weil gesetzgeberisches Ermessen zu berücksichtigen sei. Der Gesetzgeber entscheide, welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet werden (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 20.06.2005, B 1 KR 20/04 B ).
Im Übrigen ist - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - auf den Beschluss Nr. 110 der Arbeitsgemeinschaft gemäß § 22 des Zahnarzt-Ersatzkassenvertrages (ab 01.01.2005: § 29) zu Nrn. 119/120 des Vertrags (ab 01.01.2004: BEMA-Teil 3) zu verweisen. Hierin ist vereinbart worden, dass vor Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung grundsätzlich der Gesamtumfang der überschaubaren Behandlung zu planen ist. Nur innerhalb der vierjährigen Regelbehandlungszeit hat der Vertragszahnarzt einen Verlängerungsantrag einzureichen. Wird eine Behandlung später als vier Jahre seit Behandlungsbeginn notwendig, so ist bei der Vertragskasse ein neuer Behandlungsplan einzureichen. Zwar betrifft diese Regelung nicht das Rechtsverhältnis zwischen Versicherten und Krankenkasse, sondern dasjenige zwischen den Leistungserbringern (Zahnärzten und Kieferorthopäden) und der Kasse und hat Dr. P. einen "KFO-Verlängerungsantrag" eingereicht, woraus sich ergibt, dass er selbst im Zeitpunkt der neuen Planerstellung von einer Fortsetzung der früheren Behandlung ausgegangen war. Auf Nachfrage des SG hat Dr. P. aber - in Übereinstimmung mit Dr. K. und dem Gutachter PD Dr. D. - eingeräumt, dass "versicherungsrechtlich" kein Zusammenhang der Behandlungen mehr bestehe und er dem Kläger geraten habe, sich rechtzeitig (im 17. Lebensjahr) zu melden. Letztlich kann dahinstehen, wie lange eine Behandlungspause dauern darf, damit trotz einer Unterbrechung noch eine fortlaufenden Zahnbehandlung angenommen werden kann. Sieben Jahre sind jedenfalls zu lang, als dass von "einer" Behandlung im Rechtssinne ausgegangen werden könnte (ebenso Urteil des Senats vom 05. April 2006 - L 5 KR 377/05 nach einer fünfjährigen Unterbrechung). Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen, unter denen die kieferorthopädische Behandlung eines Erwachsenen nach § 28 Abs 2 Satz 7 SGB V ausnahmsweise in den Versicherungsschutz einbezogen wird. Auch insoweit kann der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und der Begründung des Widerspruchsbescheids verweisen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 und 2 SGG). Der Gutachter PD Dr. D. hat in seinem gut begründeten und überzeugenden Gutachten den notwendigen Behandlungsgrad verneint, die Beteiligten streiten hierüber auch nicht, wie der Kläger im Erörterungstermin vom 13.09.2006 auf Nachfrage zu Protokoll gegeben hat.
Es kommt auch nicht darauf an, ob beim Kläger ähnlich umfangreiche kieferchirurgische Maßnahmen erforderlich sind. § 28 Abs 1 Satz 7 SGB V ist auf derartige Fälle nicht entsprechend anzuwenden. Der Gesetzeswortlaut steht einer Ausdehnung auf vergleichbare Fälle entgegen. Auch kann kaum sinnvoll abgegrenzt werden, nach welchen Merkmalen kieferorthopädisch behandelbare Fehlstellungen einem operationsbedürftigen Befund gleichzustellen wären (BSG, Urteil vom 09.12.1997, 1 RK 11/97). Zwar kann der Gesetzesbegründung (BT-Drucks a.a.O.) entnommen werden, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der kieferchirurgischen Behandlungsbedürftigkeit außer verletzungsbedingten skelettalen Fehlstellungen vor allem solche Fälle erfassen wollte, bei denen der Abschluss des Körperwachstums abgewartet werden muss, bevor die notwendige chirurgische (und daher auch die darauf aufbauende kieferorthopädische) Maßnahme überhaupt sinnvoll durchgeführt werden kann. Denn diese Umstände, also die erst im Erwachsenenalter erlittene traumatische Veränderung des Kieferknochens oder der medizinisch erzwungene Aufschub des kieferchirurgischen Eingriffs bis zum Abschluss des Wachstums machen die Behandlung im jugendlichen Alter unmöglich und bilden den sachlichen Hintergrund für die Ausnahmevorschrift. Aber die Einbeziehung aller "vergleichbar schweren Fälle" scheidet nach dem Gesetzeswortlaut aus, zumal bei diesen die Unterscheidung zwischen ästhetisch und medizinisch begründeter sowie diejenige zwischen bereits im Jugendalter und erst später erkennbarer Behandlungsnotwendigkeit auf noch größere Unsicherheiten stößt.
Die durch das Gesundheitsstrukturgesetz eingeführte Beschränkung des Versicherungsschutzes dahingehend, dass kieferorthopädische Behandlungen bei Erwachsenen nur noch in Ausnahmefällen von den Krankenkassen zu bezahlen sind, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie ist sowohl mit dem Rechtsstaatsprinzip als auch mit dem Sozialstaatsprinzip sowie dem Gleichheitssatz vereinbar (vgl. dazu im einzelnen BSG a.a.O.). Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht gehalten, den Anspruch von anderen Merkmalen als dem der kombinierten kieferchirurgischen und kieferorthopädischen Behandlung abhängig zu machen. Soweit er unterstellt hat, dass bei kieferorthopädischen Maßnahmen im Erwachsenenalter häufig medizinische von ästhetischen Gesichtspunkten überlagert werden, kann das nicht als sachwidrig angesehen werden. Gegen eine Ausdehnung des Anspruchs auf alle medizinisch begründbaren Behandlungsfälle, in denen dem Versicherten weder mangelnde Zahnpflege noch Untätigkeit trotz einer frühzeitig erkennbaren Behandlungsnotwendigkeit entgegengehalten werden kann, sprechen ähnliche Gründe. Denn nach Jahren oder Jahrzehnten sind die im Jugendalter gesetzten Bedingungen für eine im Erwachsenenalter diagnostizierte Fehlstellung in aller Regel nicht mehr verlässlich festzustellen. So auch hier, wo wegen des Zeitablaufs offen bleiben muss, ob der Kläger die unzweifelhaft medizinisch notwendige Behandlung nicht schon kurz vor der Vollendung seines 18. Lebensjahrs hätte beginnen können und sollen, um die eingetretenen ästhetischen Beeinträchtigungen seiner Zahnstellung abzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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