L 14 B 1068/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 8928/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1068/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Streitig ist einstweiliger Rechtsschutz gegen die Aufforderung, Kosten der Unterkunft zu senken.

Die Antragstellerin bezieht seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Sie lebt mit ihren beiden 1993 und 1996 geborenen Kindern in einer 119 m² großen Vierzimmer-Wohnung, für die der Vermieter seit dem 1. Juni 2006 eine (Warm-)Miete von 987,32 EUR (bei Leistungsbeginn am 1. Januar 2005 noch 932,08 EUR) berechnete. Ein Zimmer der Wohnung hat die Antragstellerin für 200,00 EUR untervermietet. Sie hatte ursprünglich angegeben, dass ihre Kinder die Hälfte der Zeit bei den Vätern in deren Wohnungen verbringen würden. Durch Bescheide vom 6. Juni 2006 bewilligte der Antragsgegner Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 30. November 2006 in Höhe von monatlich 932,12 EUR. Dabei war die aktuelle Miete von 987,32 EUR (abzüglich einer Pauschale für Warmwasserbereitung) als Kosten der Unterkunft und die Untermiete als Einkommen berücksichtigt worden.

Durch Schreiben vom 6. Juni 2006 teilte der Antragsgegner mit, dass die jetzige Miete der Antragstellerin die Richtwerte nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung übersteige. Durch "Bescheid über die Absenkung der Kosten für Unterkunft" vom 21. Juni 2006 wies der Antragsgegner dann darauf hin, dass die tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft nur noch für einen Zeitraum von längstens sechs Monaten, nämlich bis zum 21. Dezember 2006 anerkannt und übernommen werden könnten. Für die Zeit danach würden nur noch die Richtwerte für eine angemessene Unterkunft in Höhe von 542,00 EUR monatlich anerkannt werden. Mit ihrem Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, dass sie sich in der Wohnumgebung eingerichtet habe, dass die Schulen der Kinder und die Wohnsitze der Väter in der Nähe der Wohnung liegen würden und dass sie in absehbarer Zeit als Projektleiterin kostendeckende Einkünfte haben werde. Der Antragsgegner wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 14. September 2006). Die Antragstellerin sei zu Recht aufgefordert worden, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken.

Mit dem am 2. Oktober 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Antragstellerin ursprünglich die Verpflichtung des Antragsgegners beantragt, die "Entscheidung" vom 14. September 2006 "zurückzuziehen", weiter Leistungen entsprechend der bisherigen Bewilligung und den "rechtlichen und persönlichen Voraussetzungen" zu gewähren und gegebenenfalls durch Kontoüberziehung und Rückbelastung entstehende Kosten zu erstatten. Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag durch Beschluss vom 13. Oktober 2006 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der ausdrücklich gestellte Antrag unzulässig sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden auf der Grundlage eines Bescheides gewährt. Für die Zeit bis November 1996 seien Leistungen bewilligt, für die Zeit ab Dezember 2006 habe die Antragstellerin noch keinen Fortzahlungsantrag gestellt. Ihr Rechtsschutzbegehren sei indessen umzudeuten in einen Antrag auf Feststellung, dass die Kosten der Unterkunft angemessen seien. Dieser Antrag sei jedoch unbegründet, da die Miete der Antragstellerin die Angemessenheitsgrenze erheblich übersteige. Es komme auch nicht darauf an, dass nach Ziffer 4 Abs. 9 Buchstabe d der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) Maßnahmen zur Senkung der Unterkunftskosten nicht verlangt werden könnten bei Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern. Die Antragstellerin sei nicht allein erziehend.

Gegen den ihr am 19. Oktober 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 10. November 2006. Entgegen der Annahme des Sozialgerichts sei sie allein erziehend, ihre früheren Angaben über den Umfang der von den Vätern der Kinder übernommenen Betreuung entsprächen nicht mehr dem jetzigen Stand.

Die Antragstellerin beantragt (ausdrücklich),

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die gegenwärtig vom Antragsgegner übernommenen "Unterkunftskosten und Heizung" in Höhe von 787,32 EUR angemessen sind, sowie ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Dies gelte auch für den Fall, dass die Antragstellerin als allein erziehend anzusehen sei. Die AV-Wohnen rechtfertigten auch bei einem Alleinerziehenden mit zwei Kindern dann nicht das Absehen von einem Umzug, wenn die Miete die Grenze des Angemessenen krass übersteige. Insoweit seien die Ausführungsvorschriften nämlich nicht vom Gesetz gedeckt.

Auf Antrag vom 3. November 2006 hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 6. November 2006 der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gewährt für Dezember 2006 in Höhe von 798,53 EUR und für die Zeit von Januar 2007 bis Mai 2007 in Höhe von 486,80 EUR monatlich. Dabei hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterkunft ab dem 21. Dezember 2006 nur noch in der im Bescheid vom 21. Juni 2006 festgesetzten Höhe übernommen werden könnten. Gegen den Bescheid vom 6. November 2006 hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, sie hat ferner beim Sozialgericht Berlin erneut einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, mit dem sie die Auszahlung höherer Leistungen ab Januar 2007 begehrt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen, soweit er im Beschwerdeverfahren noch aufrechterhalten wird. Der auf Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten gerichtete Antrag ist jedenfalls unzulässig geworden, weil die Antragstellerin nach Erlass des erneuten Bewilligungsbescheides vom 6. November 2006 ihr Begehren mit einer (Anfechtungs-) und Leistungsklage verfolgen kann.

Die bisherige Rechtsprechung der Landessozialgerichte hat die an Empfänger von Leistungen nach dem SGB II gerichtete Aufforderung, die Unterkunftskosten zu senken, nicht als Verwaltungsakt angesehen (vgl. Landessozialgericht Essen, Beschluss vom 11. November 2005 – L 19 B 88/05 AS ER –, Landessozialgericht München, Urteil vom 17. März 2006 – L 7 AS 41/05 – beide veröffentlicht in Juris; ebenso Berlit, NDV 2006, 13). Daran ist auch für das als "Bescheid" bezeichnete Schreiben des Antragsgegners vom 21. Juni 2006, das Auslöser für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gewesen ist, festzuhalten. Materiell liegt kein Verwaltungsakt vor, weil das Schreiben keine verbindliche Regelung mit Außenwirkung enthält. Der Hinweis, dass bei der nächsten Bewilligung von Leistungen nicht mehr die tatsächlichen, sondern nur noch geringere (angemessene) Aufwendungen als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, bezieht sich auf eine künftig noch zu treffende Regelung. Zu entscheiden haben die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß den §§ 36 bis 44 SGB II über die Gewährung von Leistungen. Eine feststellende Entscheidung über die Angemessenheit von Unterkunftskosten ist im Gesetz nicht vorgesehen. Da die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur ein Berechnungselement ist, hat selbst eine vom Leistungsträger ausdrücklich ausgesprochene Feststellung der Unangemessenheit keine unmittelbaren Rechtswirkungen nach außen. Über die Höhe der Leistungen entscheiden nämlich noch andere Faktoren wie die jeweilige Regelleistung (§ 20 SGB II) und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen (§ 9 SGB II). Überdies ist zur Festsetzung der Leistungen ein (weiterer) Bescheid erforderlich.

Soweit einstweiliger Rechtsschutz gegen die sich erst in der Zukunft auswirkende Mitteilung, dass eine gegenwärtig innegehabte Wohnung unangemessen teuer sei, überhaupt für zulässig erachtet wird – wogegen allerdings spricht, dass nach Erhalt einer Aufforderung, die Unterkunftskosten zu senken, nur eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit gibt, in der Wohnung bleiben zu können, und während der Dauer des Verfahrens einstweiliger Rechtsschutz durch die Verpflichtung zur Zahlung höherer Leistungen gewährt werden könnte – wäre er im Wege eines Antrags auf vorläufige Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten durch das Gericht zu gewähren (Berlit, NDV 2006, 13). Mit Recht hat demnach das Sozialgericht das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin in einen Feststellungsantrag umgedeutet, da zur Zeit seines Beschlusses Leistungen für die Zeit ab Dezember 2006 weder beantragt noch bewilligt worden waren.

Der auf Feststellung gerichtet Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist nach Erlass des Beschlusses des Sozialgerichtes, aber vor Eingang der Beschwerde unzulässig geworden. Gemäß dem für Feststellungsklagen geltenden Subsidiaritätsgrundsatz (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 55 Rdnr. 19) ist ein Antrag auf Feststellung nur zulässig, soweit der Kläger seine Rechte nicht im Wege einer Leistungsklage verfolgen kann. Das muss in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend gelten, weil in einem solchen Verfahren nicht mehr oder anderes zugesprochen werden kann, als in einem Hauptsacheverfahren möglich wäre. Der ursprüngliche – vom Sozialgericht ausgelegte – Antrag auf Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten kann danach nur so lange zulässig gewesen sein, als noch keine Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab Dezember 2006 vorlag. Denn die – vom Antragsgegner angenommene – Unangemessenheit der Unterkunftskosten ist nach § 22 SGB II in die Berechnung der ab Dezember 2006 zustehenden Leistungen eingeflossen und hat damit durch den Bescheid vom 6. November 2006 die konkreten Auswirkungen angenommen, die mit dem Schreiben vom 21. Juni 2006 vorerst nur angekündigt waren. Seit Erlass des Bescheides vom 6. November 2006 ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 des SGG die richtige Klageart für die Geltendmachung eines Anspruchs auf höhere Leistungen. Eine als Hauptsacheverfahren bereits anhängige Klage auf Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten wäre unzulässig geworden. Entsprechendes gilt für die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu stellenden Anträge. Seit Stellung des Antrags auf Fortzahlung der Leistungen ab Dezember 2006 und – erst recht – seit Erlass des Bescheides vom 6. November 2006 kann die – nunmehr durch das Ausbleiben der Leistungen unmittelbar betroffene – Antragstellerin allein begehren, dass der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werde, ihr höhere Leistungen zu gewähren.

Der Senat ist indessen nicht befugt, über einen solchen Antrag zu entscheiden. Eine erstinstanzliche Entscheidung über einen entsprechenden Anspruch liegt nicht vor, da das Sozialgericht ausweislich seines mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses nur über einen Anspruch auf Feststellung entschieden hat. Im Übrigen folgt die instanzielle Zuständigkeit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 2 SGG der Zuständigkeit in der Hauptsache. Da das Sozialgericht für ein Hauptsacheverfahren zuständig wäre, hat es auch (zunächst) über einen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung zu entscheiden. Der Senat kann demnach nicht zur Sache entscheiden, ob der Antragstellerin höhere Leistungen zustehen, weil sie allein erziehend ist und obwohl die Unterkunftskosten unangemessen sind, oder jedenfalls eine Verlängerung der nur im Regelfall auf sechs Monate vorgeschriebenen Frist zur Weiterzahlung der bisherigen Miete in Frage kommt.

Für die Antragstellerin ergibt sich auch nichts Günstigeres daraus, dass der Antragsgegner sein Schreiben vom 21. Juni 2006 ausdrücklich als Bescheid bezeichnet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hat. Zwar verweist auch der Bewilligungsbescheid vom 6. November 2006 auf eine in dem Bescheid vom 21. Juni 2006 schon enthaltene Regelung. Die formelle Beschwer begründet aber keinen Anordnungsgrund. Die Klägerin ist auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen, wenn sie die Aufhebung des zu Unrecht erlassenen Verwaltungsaktes begehrt. Ihre materielle Position ändert sich dadurch nicht, weil die Tatsache, dass der Antragsgegner sie auf die – seiner Auffassung nach bestehende – Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen hat, nicht dadurch aus der Welt kommt, dass die dafür – zu Unrecht - gewählte Rechtsform eines Verwaltungsaktes aufgehoben wird.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe fehlt es aus den ausgeführten Gründen an der nach den §§ 73 a SGG, 114 der Zivilprozessordnung dafür jedenfalls erforderlichen Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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