L 4 RA 68/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 An 75/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 RA 68/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Verkehrswert iSd Kraftfahrzeughilfe-Verordnung ist der in der Schwacke-Liste ausgewiesene Händlerverkaufspreis.
Die Versicherte erlitt durch einen Unfall den Verlust beider Beine im Unterschenkelbereich. Sie ist halbtags als Verwaltungsangestellte beschäftigt und beantragte bei der BfA die Gewährung einer Beihilfe für ein gebrauchtes Kraftfahrzeug.
Das Landessozialgericht entschied, daß die BfA den Antrag neu bescheiden muß. Dabei hat sie bei der Bestimmung des Verkehrswertes des Kfz den in der Schwacke-Liste ausgewiesenen Händlerverkaufspreis, der vorliegend 50 % des Neuwagenpreises erreicht, zugrunde zu legen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 02. Oktober 1997 zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Begehrt wird Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges.

Die am ...1946 geborene Klägerin erlitt im Alter von zwei Jahren durch einen Unfall den Verlust beider Beine im Unterschenkel. Insbesondere wegen der Folgen dieses Zustandes ist sie nach dem Schwerbehindertengesetz mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Nachteilsausgleichen der erheblichen Gehbehinderung, der außergewöhnlichen Gehbehinderung und der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht anerkannt. Sie ist halbtags als Verwaltungsangestellte bei der Stadt R. versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihren Angaben beträgt die Entfernung zwischen ihrer Wohnung und ihrem Arbeitsplatz 5 km, die Gehstrecke zwischen Wohnung und nächstgelegener Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels 600 m, die Wegstrecke zwischen Arbeitsplatz und nächstgelegener Haltestelle 6 km.

Die Klägerin beantragte am 05.01.1995 telefonisch und am 11.01.1995 formblattmäßig die Gewährung einer Kraftfahrzeugbeihilfe als Hilfe zu den Anschaffungskosten eines Kraftfahrzeuges und zu den behinderungsbedingten Zusatzausstattungen. Dazu legte sie ein Schreiben der Firma A. aus X. vor, wonach ihr ein Opel Vectra des Baujahres 1989 zum Preis von DM 15.350,-- angeboten worden ist; der aktuelle Händler-Verkaufswert betrage ca. DM 16.500,--; der Verkaufspreis entspreche 61,34% des ursprünglichen Neuwagenpreises von DM 26.899,-- nach dem Kaufvertrag des ersten Besitzers vom 20.04.1989. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin im Februar 1995 mit, daß dieser Gebrauchtwagen kurzfristig habe gekauft werden müssen, weil ihr altes Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher gewesen sei. Sie sei dringend auf ein Kraftfahrzeug angewiesen. Sie sei der Meinung, daß der Wert des Fahrzeuges 61,34% des ursprünglichen Neuwagenpreises ausmache.

Mit Bescheid vom 24.02.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe nach den §§ 9, 16 ff des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in Verbindung mit der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) ab, weil der Opel Vectra unter Berücksichtigung einschlägiger Schwacke-Listen nur 38,79% des Zeitwertes vom seinerzeitigen Neuwagenpreis erreiche. Dagegen erhob die Klägerin am 21.03.1995 Widerspruch und legte eine Bescheinigung des Autohauses B. vor, wonach der Händler-Einkaufswert DM 14.718,-- und der Händler-Verkaufswert DM 16.744,-- betrage. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.1995 mit der Begründung zurück, daß nach der Schwacke-Neupreisliste für Dezember 1994 (Monat vor Antragstellung) der Kaufpreis für den Pkw im Oktober 1989 DM 29.650,-- betragen habe. Nach der Schwacke--Gebrauchtwagenliste habe das Kraftfahrzeug einen Verkehrswert von DM 11.284,-- und somit noch einen Wert von 35,46% des seinerzeitigen Neuwagenpreises; damit werde nicht der Mindestwert von 50% nach § 4 Abs. 3 KfzHV erreicht. Der Verkehrswert des Kraftfahrzeuges sei ausschließlich anhand des Händler-Einkaufspreises nach der Schwacke-Liste zu ermitteln.

Mit der am 31.08.1995 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, daß es auf den Händler-Verkaufswert ankomme, der in jedem Falle mehr als 50% des ursprünglichen Kaufpreises ausmache. Sie hat außerdem darauf hingewiesen, daß sie mit diesem Fahrzeug am 27.08.1997 einen Totalschaden erlitten und am 29.08.1997 einen weiteren gebrauchten Opel Vectra angeschafft hat, dessentwegen ein weiterer Bezuschussungsantrag bei der Beklagten läuft.

Die Klägerin hat beantragt,

Die Beklagte hat beantragt,

Sie hat vorgetragen: Sowohl der seinerzeitige Neuwagenpreis als auch der Verkehrswert seien stets anhand der Händler-Einkaufspreise nach den jeweiligen Schwacke-Listen zu ermitteln, wobei es bei der Feststellung des aktuellen Verkehrswertes auf die Verhältnisse im Vormonat der Antragstellung ankomme. Auf Händler-Verkaufspreise, die neben dem reinen Sachwert noch einen erheblichen Gewinnaufschlag enthielten, den jeder Händler individuell festlege, könne es bei der Ermittlung des Verkehrswertes eines Gebrauchtwagens nicht ankommen, zumal Gebrauchtwagen im Gegensatz zu Neuwagen auch auf einem breiten Gebrauchtwagenmarkt aus Privathand ohne gewerblichen Gewinnaufschlag angeboten würden und auch dort zur Orientierung die Schwacke-Gebrauchtliste Anwendung finde.

Das Sozialgericht (SG) hat ein Gutachten von dem Diplomingenieur P. E. von der Außenstelle M. der DEKRA eingeholt, der unter dem 29.07.1996 u.a. ausgeführt hat, daß der Hauspreis des in Rede stehenden Pkw bei Anschaffung zwischen DM 28.349,-- und DM 28.979,-- gelegen, daß der Händler-Einkaufswert im Dezember 1994 DM 12.500,-- und der Händler-Verkaufswert DM 14.900,-- betragen habe.

Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 02.10.1997 verurteilt, den Antrag der Klägerin vom 05.01.1995 hinsichtlich der Gewährung von Hilfe zu den Anschaffungskosten eines Kfz und der Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Kfz-Hilfe lägen vor. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht wegen Fristversäumnis ausgeschlossen. Denn sie habe den Antrag telefonisch vor Erwerb des Kfz gestellt. Insbesondere habe das erworbene Kraftfahrzeug keinen zu geringen Verkehrswert. Die nach § 4 Abs. 2 und 3 KfzHV erforderlichen mindestens 50% würden erreicht. Hinsichtlich des Neuwagenpreises könne dahinstehen, ob der rechnungsmäßig ausgewiesene Betrag von DM 26.899,--, oder der von dem Sachverständigen E. errechnete realistische Preis zwischen DM 28.349,-- und 28.979,-- zugrunde zu legen sei. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten sei nicht der Händler-Einkaufswert, sondern der Händler-Verkaufswert zugrunde zu legen, der nach den Feststellungen des Sachverständigen DM 14.900,-- betrage und somit in beiden Fällen mehr als 50% des Neuwagenpreises ausmache. Wenn § 4 Abs. 3 KfzHV bei der Festlegung des Mindestwertes des Gebrauchtwagens auf den Verkehrswert abstelle, so sei der Wortlaut nicht eindeutig. Nach den Ausführungen des Sachverständigen gebe es im Gebrauchtwagenhandel den Begriff des Verkehrswertes eines Kraftfahrzeuges nicht. Vielmehr würden nur die Begriffe des Händler-Einkaufswertes und des Händler-Verkaufswertes verwandt. Der Händler-Einkaufswert sei der Wert, zu dem der Fachhandel ein Fahrzeug ankaufe, während der Händler-Verkaufswert den Wert darstelle, zu dem der Fachhandel ein Fahrzeug verkaufe und der dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges, der bei der versicherungstechnischen Abwicklung eines Schadens sowohl im Haftpflicht- wie auch im Kaskofalle zugrunge gelegt werde, entspreche. Welcher dieser beiden Werte im Rahmen des § 4 Abs. 3 KfzHV zugrunde zu legen sei, lasse sich auch nicht anhand einer historischen Auslegung der Vorschrift ermitteln. Den Motiven des Verordnungsgebers (Bundesrat-Drucksache 266/87 S. 19) sei lediglich zu entnehmen, daß der Verkehrswert anhand einschlägiger Listen zu ermitteln und im Zweifelsfall ein Gutachten eines Sachverständigen einzuholen sei. Das führe nicht weiter, da in den einschlägigen Listen sowohl die Einkaufs- wie auch die Verkaufswerte ausgewiesen seien. Die Maßgeblichkeit des Händler-Verkaufswertes ergebe sich daraus, daß es hier um die Förderung der Beschaffung eines Kfz gehe. Insoweit sei es nur folgerichtig, den Wert zugrundezulegen, der in den einschlägigen Listen für die Beschaffung eines Fahrzeuges vom Fachhandel vorgesehen sei. Das müsse jedenfalls in den Fällen gelten, in denen es wie vorliegend um die Förderung eines Fahrzeuges gehe, das tatsächlich vom Fachhandel erworben worden sei. Ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt sei der Umstand, daß nach § 4 Abs. 3 KfzHV der Wert des Gebrauchtwagens in Beziehung gesetzt werde zum Neuwagenpreis (Quote von mindestens 50%). Auch der Neuwagenpreis sei der Preis, der beim Ankauf an den Fachhandel gezahlt werden müsse. Daher erscheine es notwendig, hinsichtlich beider Bezugsgrößen den gleichen Maßstab anzusetzen und auf den Beschaffungswert bzw. Wiederbeschaffungswert abzustellen. Soweit die Beklagte darauf abstelle, daß der Händler-Verkaufswert deshalb nicht zugrunde gelegt werden könne, weil dann eine Gewinnspanne des Händlers in die Wertermittlung mit einfließen würde, überzeuge dies nicht. Es sei zwar zutreffend, daß bei Heranziehung des Händler-Verkaufswertes eine Gewinnspanne des Händlers mit berücksichtigt werde. Dies stehe der Maßgeblichkeit des Händler-Verkaufswertes jedoch nicht entgegen, da auch beim Neuwagenpreis eine Gewinnspanne des Händlers berücksichtigt werde und somit bei den Wertermittlungen des Neufahrzeuges und des Gebrauchtfahrzeuges lediglich gleiche Maßstäbe zugrundegelegt würden. Die Auslegung, nach der im Rahmen der Wertermittlung des Gebrauchtfahrzeuges der Händler-Verkaufswert maßgeblich sein solle, sei auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar. Danach solle eine Förderung der Anschaffung eines Gebrauchtfahrzeuges nur dann in Betracht kommen, wenn der Erwerb des Fahrzeuges wirtschaftlich sinnvoll sei (vgl. Bundesrat-Drucksache aaO). Dabei sei der Verordnungsgeber davon ausgegangen, daß bei einem Mindestwert von 50% eine Mindestlaufzeit von weiteren fünf Jahren üblicherweise gewährleistet sei. Da sich aber die Lebensdauer der Kraftfahrzeuge im Laufe der Zeit deutlich erhöht habe, könne auch unter Heranziehung des Händler-Verkaufswertes ohne weiteres von einer üblichen fünfjährigen Restlaufzeit ausgegangen werden.

Gegen das ihr am 20.10.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.11.1997 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Unstreitig seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI erfüllt. Dem SG könne jedoch nicht darin gefolgt werden, daß bei der Ermittlung des Verkehrswertes der Händler-Verkaufswert zugrundegelegt werde. Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 KfzHV ergebe sich durch die Verwendung des Begriffes Verkehrswert, daß gerade nicht auf den von Versicherten gezahlten Kaufpreis bzw. Verkaufspreis abzustellen sei, sondern daß objektive Kriterien zur Wertermittlung maßgebend sein sollten. Die amtliche Begründung stütze diese Auslegung, indem dort der Verordnungsgeber deutlich gemacht habe, daß der Verkehrswert anhand einschlägiger Listen zu ermitteln und nur im Zweifelsfall ein Gutachten eines Sachverständigen einzuholen sei. Darüber hinaus diene die Verfahrensweise der Rentenversicherungsträger, den Verkehrswert anhand des Händler-Einkaufswertes zu ermitteln, dem Gebot der Gleichbehandlung aller Versicherten und der Rechtssicherheit. Dem SG sei auch nicht zuzustimmen, wenn es meine, daß der Maßgeblichkeit des Händler­Verkaufswertes nicht die Mitberücksichtigung der Gewinnspanne entgegenstehe, da auch beim Neuwagenpreis eine Gewinnspanne des Händlers beachtet würde. Im Unterschied zu den Gebrauchtwagen, die auch auf einem breiten Privat-Gebrauchtwagen-Markt ohne gewerblichen Gewinnaufschlag und ohne Berücksichtigung händlerspezifischer Kosten angeboten würden und wo auch zur Orientierung die Schwacke-Gebrauchtwagen-Liste Anwendung finde, könnten Neuwagen nur beim Händler erworben werden, so daß § 4 Abs. 3 KfzHV den Neuwagenpreis als Ausgangsbetrag zugrunde lege. Es gehe zu weit, einen darüber hinausgehenden Zusammenhang zum Verkehrswert des Gebrauchtwagens im Sinne des § 4 Abs. 3 KfzHV herzustellen. Im Unterschied zum Händler-Verkaufswert berücksichtige der Händler­Einkaufswert nicht den vom Händler individuell festgelegten Verkaufspreis. In diesem seien neben dem reinen Sachwert auch Kosten für die Vorhaltung der Gebrauchtwagen bis zu ihrem Verkauf, Kosten durch technische Überprüfungen, Provisionszahlungen an Angestellte und je nach Einzelfall erhebliche Gewinnspannen enthalten. Eine Wertermittlung nach objektiven Kriterien sei bei der Zugrundelegung des Händler-Verkaufspreises im Unterschied zum Händler-Einkaufspreis nach der Schwacke-Liste nicht gewährleistet. Schließlich verweist die Beklagte auf ein Urteil des SG Köln vom 30.04.1997, S 5 An 40/96, das ihre Rechtsauffassung bestätigt.

Die Beklagte beantragt,

Die Klägerin beantragt,

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Sachverständige E. ist im Termin vom 27.07.1998 ergänzend gehört worden. Er hat u.a. ausgeführt, daß er sich nicht vorstellen könne, daß für das Neufahrzeug tatsächlich nur DM 26.899,-- gezahlt worden seien, weil dieser Betrag 15% unter der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers gelegen habe. Es sei deshalb anzunehmen, daß der Kauf mit einem anderen Geschäft, z.B. der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens, verbunden worden sei. Der realistische Wert des Neuwagens habe zwischen DM 28.349,-- und 28.979,-- gelegen. Wenn von der Schwackeliste die Rede sei, so gebe es drei Listen, und zwar die Händler-Einkaufsliste, die Händler-Verkaufsliste und die Super-Schwacke-Liste, in der beide Preise ausgewiesen seien. Bei Gutachten in Streitigkeiten der privaten Haftpflicht- und Kaskoversicherung werde regelmäßig der Wiederbeschaffungswert ermittelt, der dem Händler-Verkaufswert entspreche

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht und mit einer überzeugenden Begründung - auf die auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen wird - hat das SG den Bescheid vom 24.02.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.1995 aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Diese hat nämlich zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung verneint. Entgegen ihrer Auffassung hat der Verkehrswert des hier in Rede stehenden Pkw mehr als 50% des Neuwagenpreises ausgemacht. Deshalb ist die Beklagte verpflichtet, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens über eine den §§ 6 und 7 KfzHV entsprechende Bezuschussung zu entscheiden.

Die persönlichen und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen, wie zu Recht zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, vor. Unproblematisch ist auch die Feststellung des Neuwagenpreises. Denn es macht hier keinen Unterschied, ob der von der Klägerin angegebene und belegte Neuwagenpreis von DM 26.899,--, der nach der Auffassung des Sachverständigen E. aber nur erklärbar ist, wenn dem Vorbesitzer der Klägerin seinerzeit noch andere Vorteile zugeflossen sind, oder der tatsächliche Marktwert von ca. DM 29.500,--, wie ihn der Sachverständige überzeugend eingeschätzt hat, zugrundegelegt wird. Denn bei beiden Beträgen übersteigt der Händler-Verkaufswert die erforderlichen 50%, während der Händler-Einkaufswert darunter liegt. Auch ihren Antrag hat die Klägerin rechtzeitig gestellt (vgl. dazu Urteil des BSG vom 29.04.1997, 8 RKn 31/95, NZS 98, 36 ff).

Allein entscheidend ist somit die Auslegung des Begriffs des Verkehrswertes. Dabei schließt sich der Senat der Rechtsauffassung des SG an, welche dem Rehabilitationszweck der im SGB VI vorgesehenen berufsfördernden Rehabilitationsleistungen eher gerecht wird.

Von vornherein zu verwerfen ist die Auffassung des LSG Baden-Würt­temberg (Urteil vom 27.01.1998, L 1 RA 2589/96), das den Mittelwert zwischen Händler-Einkaufswert und Händler-Verkaufswert als Maßstab zur Bestimmung des Verkehrswertes im Sinne von § 4 Abs. 3 KfzHV zugrundegelegt hat. Denn nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers soll auf vorhandene Listen - und das sind die von dem Sachverständigen näher beschriebenen sog. Schwacke-Listen - bei der Bestimmung des Verkehrswertes zurückgegriffen werden. Dann kann sich aber nur die Frage nach Einkaufs- oder Verkaufswert stellen. Der Mittelwert ist weder listenmäßig ausgewiesen noch spielt er, wie der Sachverständige ebenfalls bekundet hat, im wirtschaftlichen Leben irgendeine Rolle.

Für die Zugrundelegung des Einkaufspreises, wie es die Beklagte in Übereinstimmung mit Baumjohann, Kompaß 89, 152 ff, 231, und dem SG Köln tun möchte, könnte zunächst einmal der Gedanke der Ersparnis von Versichertengeldern sprechen. Denn um mit dem niedrigeren Händler-Einkaufswert 50 % des Neuwagenpreises zu erreichen, bedarf es des Kaufes eines neueren und somit teureren Fahrzeuges. Das würde bedeuten, daß die in Betracht kommenden behinderten Versicherten veranlaßt würden, gebrauchte Autos mit einem geringeren Lebensalter und damit einer mutmaßlich längeren verbleibenden Lebensdauer zu erwerben. Allerdings ist dieses Argument, zu dem das SG ausgeführt hat, daß heutzutage auch ältere Autos technisch so gut sind, daß sie noch jahrelang ordnungsgemäß funktionieren, bereits in sich nicht schlüssig. Denn wie § 6 KfzHV zeigt, müssen teuerere Autos auch höher bezuschußt werden, so daß es eher unwahrscheinlich ist, daß die Versichertengemeinschaft bei Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten tatsächlich finanziell günstiger davonkäme.

Nicht zu überzeugen vermag das von der Beklagten im Berufungsverfahren angeführte Argument, der den höheren Verkaufspreis bedingende Händleraufschlag müsse außer acht gelassen werden, weil der Versicherte das Auto auch auf dem Privatmarkt kaufen könne und nur bei Zugrundelegung des Einkaufspreises das Gleichbehandlungsgebot gewahrt werde. Das Gleichbehandlungsgebot wird zunächst unabhängig von der Zugrundelegung des einen oder des anderen Wertes gewahrt, wenn nur auf einer der beiden Ebenen eine einheitliche Behandlung durchgehalten wird. Die Versicherten auf Käufe von privater Hand zu verweisen, ist zum anderen von vornherein problematisch, weil private Verkäufer keine Garantien geben und es dem Käufer als Kfz-Laien überlassen bleibt, Zustand und Abnutzung des Wagens selbst zu beurteilen. Demgegenüber kann zumindest bei größeren und seriösen Händlern davon ausgegangen werden, daß die angebotenen Wagen überholt worden sind und deshalb in einem vertretbaren Rahmen auch eine echte Garantie angeboten wird. Ist es aber gerade aus der finanziellen Sicht der Versichertengemeinschaft nicht sinnvoll, die betroffenen behinderten Versicherten auf Privatkäufe zu verweisen, entfällt die Herstellung eines Sinnbezuges zum Händler-Einkaufspreis. Vor allem aber ist es nicht Absicht des Verordnungsgebers, auf die Verhältnisse am Privatmarkt zurückzugreifen. Gerade indem er in den Materialien auf die einschlägigen Listen verwiesen hat, will er im wesentlichen auf den Händlermarkt abstellen.

Unabhängig von diesen - im übrigen schon in sich rechnerisch fragwürdigen - finanziellen Überlegungen spricht entscheidend für die Interpretation des Begriffs des Verkehrswertes in § 4 Abs. 3 KfzHV als Händler-Verkaufspreis der Zweck der Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation. Es geht allein um den behinderten Versicherten, dessen Erwerbsfähigkeit zur Vermeidung von vorzeitiger Berentung gestärkt werden soll. Das ergibt sich eindeutig und unzweifelhaft aus § 9 SGB VI und § 1 Abs. 1 des Rehabilitationsangleichungsgesetzes, dessen § 9 Abs. 2 die Ermächtigungsgrundlage für die KfzHV ist. Aus der Sicht des Behinderten ist aber der Einkaufspreis eine ökonomische Größe ohne Relevanz, während der Verkaufspreis der Betrag ist, der ihn persönlich trifft. Diesen Preis muß er leisten, um den - persönlich und versicherungsrechtlich förderungswürdigen - Pkw zu erlangen. Diese Interessenlage muß bei der Interpretation des Begriffs des Verkehrswertes ausschlaggebend sein.

Hinzu kommt, daß auch der Bundesgerichtshof nach einigen Schwankungen im Recht der privaten Kfz-Versicherung (vgl. Himmelreich/ Klinke/Bücken, Kfz-Schadensregulierung, Stand 61. Ergänzungslieferung November 1997, Rz. 1028; vgl. auch Rn. 1032) den Begriff des gemeinen Wertes im Sinne des Wiederbeschaffungswertes versteht (NJW 84, 2165 f.), und das ist der Preis der Händler-Verkaufsliste. Auch hier wird mit Recht auf das Interesse des Versicherungsnehmers auf Restitution abgestellt und nicht auf das Begehren des Versicherers, Kosten zu sparen.

Aus diesen Gründen hätte die Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 05.01.1995 im Rahmen des ihr noch offenstehenden Ermessens über eine Bezuschußung nach Maßgabe des § 6 KfzHV entscheiden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.
Rechtskraft
Aus
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