L 1 Al 9/74

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Al 9/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 17. November 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Landabgaberente zu gewähren.

Der im Jahre 1927 geborene Kläger, der von der Beklagten seit dem 1. Dezember 1971 vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, stellte am 17. April 1972 bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung von Landabgaberente. Nach einer Bescheinigung des Bürgermeisters der St. A. bewirtschaftete der Kläger in dem Zeitraum von 1965 bis 1971 sein in E. gelegenes landwirtschaftliches Unternehmen von 2,92 ha überwiegend im Hauptberuf, wozu noch gepachtetes Land im Umfang von 0,33 ha kam. Am 14. Mai 1971 wurde das dem Kläger gehörende landwirtschaftliche Unternehmen zwangsversteigert, wobei die Mutter des Klägers E. B. den gesamten Grundbesitz zum Eigentum erwarb. Das gepachtete Land von 0,33 ha gab der Kläger an die Verpächterin zurück. Frau E. B., die nicht selbst landwirtschaftliche Unternehmerin war und den erworbenen Grundbesitz nicht selbst bewirtschaftete, ließ diesen Grundbesitz zunächst durch den Landwirt J. B. bewirtschaften. Durch Pachtvertrag vom 15. März 1972 verpachtete sie ab 1. Oktober 1971 von dem erworbenen Grundbesitz 1,21 ha an den Landwirt J. B ... Weitere 1,44 ha verkaufte sie durch Kaufvertrag vom 8. Februar 1972 an die Stadt A., während sie dem Kläger die restlichen 27 ar zur eigenen Nutzung überließ.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 16. Mai 1972 den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung, die Voraussetzung der Landabgaberente sei, liege nicht vor. Die Erwerberin des Grundbesitzes des Klägers, die im Wege der Zwangsvollstreckung Eigentümerin geworden sei, sei zu keinem Zeitpunkt landwirtschaftliche Unternehmerin gewesen.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihm Landabgaberente zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, bei ihm liege ein Sonderfall vor, der einer besonderen Berücksichtigung bedürfe; denn sein Betrieb sei nach einer Einschaltung seiner Mutter für einige Monate umgehend strukturverbessernd weitergegeben worden.

Das Sozialgericht Marburg/L. wies durch Urteil vom 27. November 1973 die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, es sei ausgeschlossen, daß der Verlust der Unternehmereigenschaft und der landwirtschaftlichen Betriebsflächen infolge einer Zwangsversteigerung etwa eine strukturverbessernde Abgabe sein könne. Es fehle darüberhinaus an der Unmittelbarkeit des Überganges zwischen abgebendem und abnehmendem Unternehmen.

Gegen das am 4. Dezember 1973 zur Post gegebene Urteil hat der Kläger am 2. Januar 1974 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: seine Mutter habe im Zwangsversteigerungsverfahren notgedrungen den Hof erwerben müssen, um zu vermeiden, daß er mit seiner Familie auf die Straße gesetzt werde. Das Erfordernis der strukturverbessernden Abgabe sei darin zu sehen, daß die Bewirtschaftung seines Besitzes nach der Zwangsversteigerung durch den landwirtschaftlichen Unternehmer J. B. unverzüglich aufgenommen worden sei. Der Verkauf eines Grundstücksanteiles an die Stadt A. sei gleichfalls strukturverbessernd gewesen, weil die Gemeinde das angekaufte Grundstück dringend benötigt habe.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Mai 1972 zu verurteilen, dem Kläger Landabgaberente in gesetzlichem Umfange zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß die Voraussetzungen des § 42 GAL 1971 bei der Mutter des Klägers unstreitig nicht erfüllt gewesen seien.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Leistungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag des Klägers, den Rechtsstreit zu vertagen, war abzulehnen. Die Ehefrau des Klägers, die als seine Bevollmächtigte die Berufung eingelegt hatte, war nicht gehindert, rechtzeitig vor dem Termin einen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu betrauen, da zwischen der Berufungseinlegung und dem Verhandlungstermin mehr als neun Monate liegen.

Die an sich statthafte und in rechter Form und Frist eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Der Anspruch auf Landabgaberente beurteilt sich für die Zeit bis zum 30. September 1972 nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) in der Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des GAL vom 21. Dezember 1970 (GAL 1971), für die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis zum 23. Dezember 1973 nach dem 6. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des GAL vom 26. Juli 1972 (GAL 1972) und ab 23. Dezember 1973 nach dem 7. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des GAL vom 19. Dezember 1973 (GAL 1973). Nach allen Gesetzesfassungen erhält ein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne von § 1 Landabgabenrente, wenn er seine landwirtschaftlichen Unternehmen zum Zwecke der Strukturverbesserung abgegeben hat (§ 41 Abs. 1 c, GAL 1971, 1972 und 1973). Eine solche Abgabe liegt im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 42 Abs. 1 GAL 1971 lag eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung gemäß § 41 Abs. 1 c, vor, wenn das Unternehmen in der Zeit vom 1. August 1969 bis 31. Dezember 1973 abgegeben worden ist und a) der Erwerber, Pächter oder sonstige Nutzungsberechtigte seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 ist und das von ihm bewirtschaftete landwirtschaftliche Unternehmen während dieser Zeit mindestens das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 festgesetzten Mindesthöhe erreicht hat oder durch die Landaufnahme mindestens das Dreifache der nach § 1 Abs. 4 festgesetzten Mindesthöhe erreichen wird oder b) eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die sich satzungsgemäß mit Aufgaben der Strukturverbesserungen befaßt, oder eine Teilnehmergemeinschaft nach dem Flurbereinigungsgesetz oder eine Gebietskörperschaft, ein Gemeindeverband oder ein kommunaler Zweckverband die abgegebenen Grundstücke erwirbt oder pachtet und dem Pächter oder dem Nutzungsberechtigten für die Dauer des Vertrages ein Verkaufsrecht eingeräumt ist. Abgabe im Sinne dieser Vorschriften ist die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft (§§ 2 Abs. 3 Satz 1, 41 Abs. 2 Satz 1 GAL).

Durch das Zwangsversteigerungsverfahren des ihm gehörenden landwirtschaftlichen Besitzes von 2,92 ha sowie die Rückgabe eines Pachtlandes von 0,33 ha hat der Kläger die Eigenschaft eines landwirtschaftlichen Unternehmers verloren. Der Erwerb des Landbesitzes durch seine Mutter aufgrund des Zuschlages in der Zwangsversteigerung ist nicht eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung. Die Mutter des Klägers war nicht seit mindestens einem Jahr vor der Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmer noch hat sie sich nach der Abgabe als landwirtschaftlicher Unternehmer betätigt; denn sie betrieb in der Zeit von Mai 1970 bis Mai 1971 kein landwirtschaftliches Unternehmen. Weder die Überlassung der Bewirtschaftung an J. B. noch der spätere Verkauf eines Teiles des Grundbesitzes und die Verpachtung des übrigen gebliebenen Teiles an J. H. durch die Mutter des Klägers stellen eine Abgabe der landwirtschaftlichen Unternehmen durch den Kläger dar, da diese Rechtsänderungen durch die Mutter des Klägers als Erwerberin des Grundbesitzes erfolgt sind. Eine strukturverbessernde Abgabe ist aber nur dann gegeben, wenn die Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens durch den Unternehmer an den Erwerber, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten unmittelbar die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 GAL erfüllt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Juli 1972, Az.: 11 RLW 5/72). Nicht der Kläger, sondern die Erwerberin hat das Land an einen Unternehmer weiterverpachtet und an die Stadt A. verkauft. Das GAL kennt auch nicht eine mittelbare Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens mittels einer dritten Person (Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Januar 1973, Az.: 11 RLW 1/72). Die Abgabe durch den Kläger war spätestens nach Durchführung der Zwangsversteigerung erfolgt, so daß die späteren Verfügungen seiner Mutter über den Grundbesitz, die diese als Erwerberin kraft ihres Eigentums vorgenommen hatte, dem Kläger nicht zugerechnet werden können, d.h. nicht Verfügungen des Klägers sind bzw. sein können.

Diese Rechtslage hat sich auch nicht nach dem Inkrafttreten des GAL 1972 bzw. des GAL 1973 geändert. Die Vorschrift des § 42 Abs. 1 GAL 1972 setzt gleichfalls voraus, daß die abgegebenen Grundstücke an ein anderes landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben werden, das seit mindestens einem Jahr besteht oder an eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die sich satzungsgemäß mit Aufgabe der Strukturverbesserung befaßt, oder eine Teilnehmergemeinschaft nach dem Flurbereinigungsgesetz oder eine Gebietskörperschaft, ein Gemeindeverband oder ein kommunaler Zweckverband die abgegebenen Grundstücke erwirbt oder pachtet. Diese Voraussetzung erfüllt die Abgabe an die Mutter des Klägers aus den bereits dargelegten Gründen nicht. Die Voraussetzungen einer Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung, wie sie in § 42 Abs. 2 GAL 1973 normiert sind, liegen gleichfalls nicht vor. Der Kläger hat nämlich nicht mindestens 85 v.H. der abzugebenden Fläche an die Unternehmer anderer Unternehmen abgegeben noch an sonstige Erwerber im Sinne von § 42 Abs. 2 b GAL 1973, da die Erwerberin des Landbesitzes weder Unternehmer anderer Unternehmen ist, noch sie die erworbenen Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung dauernd entzogen hat und der Erwerb der Verbesserung der Infra- oder Wirtschaftsstruktur gedient hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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