L 7 AY 6025/06 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AY 2468/06 PKH-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 6025/06 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Hilfeempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben im Rahmen der Leistungen bei Krankheit nach § 4 Abs. 1 AsylbLG keinen Anspruch auf optimale und bestmögliche Versorgung, sondern nur auf Hilfe bei akuten Erkrankungen sowie Schmerzzuständen.
Langwierige Behandlungen, die wegen der absehbar kurzen Dauer des weiteren Aufenthalts voraussichtlich nicht abgeschlossen werden können, begründen keine Leistungsverpflichtung.
Über die Auffang- und Öffnungsklausel des § 6 Abs. 1 AsylbLG können nur unerlässliche, d.h. unverzichtbare Leistungen erbracht werden. Das gilt auch im Falle von chronischen Erkrankungen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen statthafte Beschwerde (§ 172 SGG), der das Sozialgericht Karlsruhe (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren S 1 SO 2467/06 keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt R.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Klageverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 (juris)) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt; im letzteren Fall kann PKH nur verweigert werden, wenn konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erhebungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977).

Unter Beachtung der oben genannten Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung der Klägerin bei der hier gebotenen zusammenfassenden Würdigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Deshalb kommt es auf die weiteren Bewilligungsvoraussetzungen (Bedürftigkeit (§ 115 ZPO), Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung (§ 121 Abs. 2 ZPO)) nicht mehr an, obgleich die gesetzlichen Vertreter der Klägerin im Beschwerdeverfahren den nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO bestehenden Obliegenheiten nunmehr nachgekommen sind.

Die Klägerin unterfällt zwar gegenwärtig dem leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Jedoch ist mit Blick darauf, dass die türkischen Pässe ihrer Eltern bereits im Juli 2006 abgelaufen waren und die Familie wohl bis zum heutigen Tag nicht im Besitz gültiger Pässe ist, schon an die Anspruchseinschränkungsnorm des § 1a Nr. 2 AsylbLG zu denken.

Dessen ungeachtet liegen hinsichtlich der beantragten Übernahme der Behandlungskosten für einen zweiten stationären Aufenthalt der Klägerin im Deutschen Zentrum für ... in G bei der hier gebotenen summarischen Prüfung weder die Voraussetzungen des § 4 AsylbLG noch des § 6 AsylbLG vor. Dabei kann die Klägerin - wie vom SG zutreffend dargelegt - den geltend gemachten Anspruch nicht aus der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG herleiten. Denn diese Anspruchsnorm eröffnet Hilfeleistungen nur bei akuten Erkrankungen sowie Schmerzzuständen (vgl. hierzu Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Mai 1998 - 7 S 920/98 - FEVS 49, 33; Verwaltungsgericht (VG) Gera, Urteil vom 7. August 2003 - 6 K 1849/01.GE - (juris); Hohm in GK-AsylbLG, § 4 Rdnrn. 15 ff.; ders. in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 4 AsylbLG Rdnrn. 4 ff.; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 4 AsylbLG Rdnr. 8; Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 4 AsylbLG Rdnrn. 2 ff.), sodass nach der genannten Norm Ansprüche bei chronischen Erkrankungen ohne Schmerzzustände ausgeschlossen sind. Dass aber die Behandlung der Klägerin, die an einer seltenen Stoffwechselstörung im Sinne einer familiären Synovitis - einer chronischen Krankheit - leidet, im ... in G erforderlich ist, d.h. unter dem geltend gemachten Blickwinkel der Schmerzzustände medizinisch eindeutig indiziert oder unaufschiebbar ist und kostengünstigere Behandlungsmöglichkeiten nicht bestehen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg a.a.O.; VG Gera a.a.O.; Oberverwaltungsgericht (OVG) Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 1 O 5/04 - FEVS 56, 162; Hohm GK-AsylbLG, a.a.O. Rdnr. 44; ders. in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., Rdnr. 11; Adolph in Linhart/Adolph, a.a.O., Rdnr. 17), lässt sich hier bei zusammenfassender Würdigung nicht bejahen. Denn ein - jedenfalls vorläufiger Erfolg - konnte auch durch die bereits eingeleiteten Maßnahmen (z.B. Schmerzmittelmedikation, Krankengymnastik/Physiotherapie und stationäre Akutbehandlungen einschließlich einer Operation im Klinikum K), welche vom Beklagten bisher von der Kostenseite auch getragen worden sind und bei Erforderlichkeit ausweislich des Bescheids vom 22. Februar 2006 auch künftig übernommen werden, erreicht werden; einen Anspruch auf eine optimale und bestmögliche Versorgung im Rahmen des § 4 Abs. 1 AsylbLG gibt es nicht (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 26. August 1999 - 9 K 937/99 (abgedr. in GK-AsylbLG, VII - zu § 4 Abs. 1 VG-Nr. 3); OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O; Hohm in GK-AsylbLG, a.a.O., Rdnr. 47; ders. in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O.; Adolph in Linhart/Adolph, a.a.O., § 6 AsylbLG Rdnr. 19). Zu beachten ist im Übrigen, dass die Klägerin, deren Aufenthalt derzeit lediglich bis 13. Januar 2007 geduldet ist (die Duldungen werden gegenwärtig u.a. wegen der beim VG K noch anhängigen Eil- und Klageverfahren gegen das Regierungspräsidium Karlsruhe und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jeweils um einen Monat befristet verlängert), mit einem länger dauernden oder gar nur mittelfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechnen kann; Behandlungen, die wegen der voraussichtlich nur kurzen Dauer des Aufenthalts nicht abgeschlossen werden können, vermögen aber eine Leistungsverpflichtung regelmäßig nicht auszulösen (vgl. VGH Baden-Württemberg a.a.O.; Hohm in GK-AsylbLG, a.a.O., Rdnr. 54; Adolph in Linhart/Adolph, a.a.O., § 4 AsylbLG Rdnr. 17). So erscheint der Fall auch hier, denn nach der Stellungnahme der Dr. H., Oberärztin am ..., vom 25. Januar 2006, werden dort zur Durchführung des geplanten "G.-Therapiekonzepts" mindestens einmal jährliche stationäre Aufenthalte von drei- bis vierwöchiger Dauer für erforderlich gehalten.

Im Ergebnis zutreffend hat das SG auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Auffang- und Öffnungsklausel des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG für nicht gegeben erachtet, wobei hier überhaupt nur die Alternative von "zur Sicherung der Gesundheit unerlässlichen Leistungen" in Betracht gezogen werden kann. Erfasst von der Norm, die im Übrigen restriktiv und einzelfallbezogen auszulegen ist (vgl. Hohm in GK-AsylbLG, a.a.O., § 6 Rdnrn. 15, 20; ders. in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 6 Rdnrn. 2, 10; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 6 AsylbLG Rdnr. 1; Herbst in Mergler/Zink, a.a.O., § 6 AsylbLG Rdnr. 9; zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung vgl. ferner Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. September 1998 - 5 B 82/97 - FEVS 49, 97), werden zwar grundsätzlich auch chronische Erkrankungen. Eine Bedarfsdeckung im Sinne der Bestimmung ist aber nur dann unerlässlich, wenn die ins Auge gefassten Leistungen zur Sicherung der Gesundheit und des Lebens des Leistungsberechtigten unumgänglich, also unverzichtbar sind (vgl. VG Gera a.a.O.; Hohm in GK-AsylbLG, a.a.O., Rdnrn. 135, 141; Adolph in Linhart/Adolph, a.a.O., § 6 AsylbLG Rdnr. 18; Herbst in Mergler/Zink, a.a.O., § 6 AsylbLG Rdnr. 11). Letzteres ist bei summarischer Prüfung für eine erneute stationäre Behandlung im DZKJR indes schon deswegen zu verneinen, weil - wie oben aufgezeigt - auch andere Behandlungsmaßnahmen bei der Klägerin hinreichend vorhanden sind; eine optimierte und bestmögliche Versorgung kann auch über die Norm des § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht erstrebt werden (vgl. Adolph in Linhart/Adolph, a.a.O., Rdnr. 19). Hier kommt hinzu, dass ausweislich des Berichts des Chefarztes am ... Dr. M. vom 29. Juli 2004 sowie der Stellungnahmen des Dr. R., Stationsarzt am ..., vom 29. Dezember 2005 und der Dr. H. vom 25. Januar 2006 nach der derzeitigen Datenlage hinsichtlich des sehr seltenen Krankheitsbildes der Klägerin keine gesicherten, durch entsprechende Studien belegte Therapieverfahren, insbesondere auch keine gezielte medikamentöse Therapie, zur Verfügung stehen, sodass bei derzeitigem medizinischem Erkenntnisstand auch mit dem "G.-Therapiekonzept" nur der Versuch einer Verbesserung des Zustandbildes unternommen werden kann.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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