L 23 SO 237/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 1532/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 237/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der 1938 geborene Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Beklagten.

Der Kläger bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Regelaltersrente in Höhe von 604,24 EUR monatlich. Zusätzlich erhält er von dem Beklagten Wohngeld in Höhe von 43,00 EUR monatlich. Der Kläger wohnt zur Miete und ist vertraglich zur Zahlung einer Bruttowarmmiete in Höhe von 255,13 EUR verpflichtet.

Am 18. Oktober 2005 stellte er bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch SGB XII. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2006 ab und führte zur Begründung aus, das anzurechnende Einkommen übersteige den sozialhilferechtlichen Bedarf um monatlich 47,45 EUR. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 10. Mai 2006 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Leistungen der Grundsicherung im Alter erhalte nur derjenige, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen könne. Es habe gegolten, den sozialhilferechtlichen Bedarf des Klägers nach § 42 SGB XII seinen Einkünften gegenüberzustellen. Die hierzu angestellte Berechnung sei nicht zu beanstanden. Belastungen wie Fahrtkosten oder Energiekosten könnten nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Diese seien pauschal mit dem Regelsatz nach §§ 42, 28 SGB XII abgegolten.

Mit seiner am 18. Juli 2006 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, dass er, solange er bis Juni 2005 mit seiner Mutter zusammengelebt habe, keine Miete habe zahlen müssen und keine Rechnungen bekommen habe. Er wisse nunmehr nicht, wo er das Geld hernehmen solle, und halte seine Rente für nicht ausreichend. Er hat ferner darauf aufmerksam gemacht, dass er gesund sei, keinerlei Behinderungen habe, weder vorbestraft noch suchtkrank sei noch größere Schulden habe.

Der Beklagte hat an seiner im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung festge-halten.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 30. Oktober 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Falle des Klägers ergebe sich ein sozialhilferechtlicher bzw. grundsicherungsrechtlicher Bedarf in Höhe von monatlich 600,13 EUR. Auf der Bedarfsseite seien im Falle des Klägers nur dessen Unterkunftskosten und der nach § 28 SGB XII maßgebende Regelsatz zu berücksichtigen. Auf der Einkommensseite seien im Fall des Klägers der Nettobetrag seiner Regelaltersrente sowie das von dem Beklagten gewährte Wohngeld zu berücksichtigen. Insgesamt verfüge der Kläger über anrechenbares Einkommen in Höhe von 647,58 EUR. Sein Einkommen übersteige seinen grundsicherungs-rechtlichen Bedarf somit um 47,45 EUR. Ein Anspruch auf ergänzende Grundsicherungsleistungen ergebe sich damit nicht.

Das Sozialgericht hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG zugelassen, da die Frage der Höhe des Regelsatzes nach §§ 42, 28 SGB XII grundsätzliche Bedeutung habe.

Der Kläger hat am 07. November 2006 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, durch die ihm gewährte geringe Rente falle er in Armut. Er halte die Verweigerung der Zahlung durch den Beklagten für eine große soziale Ungerechtigkeit, durch die er "unmenschenwürdig" leben müsse. Er sei mit 20 Jahren mit abgeschlossener Berufsausbildung aus der DDR nach S gekommen. Der Kläger hat eine Sterbeurkunde seines 1944 in Russland gefallenen Vaters zur Akte gereicht und weiter vorgetragen, die Russlanddeutschen, die kein deutsch, nur russisch könnten, bekämen alles bezahlt, sogar Zuschüsse für ein neues Haus, während er als Deutscher nichts erhalte, obwohl sein Vater von Russen ermordet worden sei. Er könne noch immer zumindest eine Teilzeitarbeit verrichten, um sich wenigstens seine Miete durch eigene Arbeit zu verdienen.

Der Senat entnimmt dem Vorbringen des Klägers den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab dem 18. Oktober 2005 zu gewähren.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Gericht hat die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss zurückweisen können, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts, denen der Senat folgt (vgl. § 153 Abs. 2 SGG), als unbegründet zurückgewiesen.

Es ist insbesondere rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei der Berechnung des monatlichen Bedarfs des Klägers den Eckregelsatz des § 1 Regelsatzfestsetzungsverordnung vom 24. Juni 2005 - Regelsatzfestsetzungs-VO - (GVBl. S. 343) von 345,00 EUR zugrundelegt und daher einen Anspruch des Klägers auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung abgelehnt hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe des Regelsatzes nach §§ 42, 28 SGB XII bestehen nicht. Die Festlegung der Regelsatzhöhe verstößt weder gegen das Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG noch verletzt es die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde des Klägers. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet als unmittelbar geltendes Recht (vgl. BVerfGE 6, 32, 41) den Staat, Hilfe denjenigen zu leisten, die hilfebedürftig sind. Die Hilfe muss als Leistungsmaß die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins sicherstellen (BVerfGE 40, 121, 133). Das in Art. 20 Abs. 1 GG unbestimmt formulierte Prinzip des Sozialstaates bedarf jedoch im hohen Maße der Konkretisierung durch den Gesetzgeber sowie einer Präzisierung durch die Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 65, 182, 193). Zu den materiellen Vorgaben für den Gesetzgeber bei der Festlegung von Sozialhilfeleistungen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: "Der Gesetzgeber besitzt in diesem Bereich ein weites Gestaltungsermessen; er darf bestimmen, in welchem Umfang unter Berücksichtigung des insgesamt vorhandenen Finanzvolumens und der sonstigen Staatsaufgaben Haushaltsmittel für die Aufgaben der Sozialhilfe zur Verfügung gestellt und in Anspruch genommen werden sollen. Diesen Spielraum überschreitet der Gesetzgeber erst dann, wenn die dafür vorgesehenen Mittel und dementsprechend die vorgesehenen Leistungen erkennbar und eindeutig zur Erfüllung der sozialen Verpflichtung des Staates gegenüber in Not geratenen Mitbürgern unzureichend sind, also den sozialen Mindestvoraussetzungen nicht mehr entsprechen." (BVerfGE 70, 278, 288; 40, 121, 133). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann - insbesondere im Lichte des von § 28 Abs. 4 SGB XII geforderten Lohnabstandsgebots - von einer Verletzung des Sozialstaatsgebots oder der Menschenwürde keine Rede sein. Zu beachten ist hierbei auch, dass der Gesetzgeber nicht jeden Einzelfall im Blick haben und insofern jedes Detail des menschlichen Bedarfes regeln muss; er darf typisieren, verallgemeinern und generelle Regelungen schaffen (vgl. BVerwGE 102, 366).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfrage ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - (noch unveröffentlicht) entschieden, dass keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II-, die mit den vorliegend streitgegenständlichen Regelsätzen gemäß § 28 SGB XII identisch sind, bestehen.
Rechtskraft
Aus
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