L 6 U 1747/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3419/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1747/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer höheren Verletztenrente streitig.

Die 1959 geborene Klägerin kollidierte am 5. Februar 1999 auf dem Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung als Fahrzeuglenkerin frontal mit einem entgegenkommenden Kleinlaster.

Wegen einer distalen Unterarmtrümmerfraktur rechts, einer Tibiakopffraktur links, einer Claviculafraktur links, einer Jochbein- und Orbitabodenfraktur links (ohne Dislokation), einer Darmbeinschaufelfraktur links und einer Thoraxkontusion wurde die Klägerin zunächst in der Abteilung für Unfallchirurgie des Krankenhauses B. stationär behandelt. PD Dr. F. teilte in seinem Durchgangsarztbericht vom 17. Februar 1999 u. a. mit, die Röntgenuntersuchung habe eine gering dislozierte Tibiakopffraktur links ergeben. In seinem Arztbrief vom 2. März 1999 führte er aus, am 10. Februar 1999 sei die Klägerin operativ versorgt worden, wobei u. a. eine Stabilisierung der Tibiakopffraktur durch eine Titanplatte erfolgt sei. Vom 2. März bis zum 1. April 1999 erfolgte eine Anschlussheilbehandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... Prof. Dr. W. führte in seinem Zwischenbericht vom 3. März 1999 u. a. aus, auf den Röntgenaufnahmen sei das linke Kniegelenk mit korrekt liegendem Osteosynthesematerial und ohne Lockerungszeichen ersichtlich. In seinem Befundbericht vom 20. April 1999 führte Prof. Dr. W. aus, unter intensiver physio- und ergotherapeutischer Behandlung habe relativ rasch das Bewegungsausmaß am linken Kniegelenk gebessert werden können, sodass das betroffene Bein habe zunehmend belastet werden können. Die weiteren radiologischen Kontrollen hätten hier eine regelrechte Knochenbruchheilung ergeben. Die Klägerin sei bei reizlosen Narbenverhältnissen am linken Knie mit einem Bewegungsausmaß des linken Kniegelenks von Streckung/Beugung 0-0-100 Grad bei Vollbelastung des betroffenen Beines entlassen worden. Ausweislich der Zwischenberichte von PD Dr. F. vom 11. und 14. Mai 1999 stellte sich die Klägerin am 3. Mai 1999 wegen einer Blutumlaufstörung mit Ödembildung sowie einer Belastungsschmerzhaftigkeit des linken Tibiakopfes sowie am 14. Mai 1999 wegen belastungsabhängiger Schmerzen im linken Kniegelenk im Krankenhaus B. vor. In seinem Zwischenbericht vom 21. Juni 1999 teilte PD Dr. F. mit, ein Arbeitsversuch sei u. a. wegen einer Beschwerdezunahme im linken Kniegelenk mit Schwellung des linken Unterschenkels und Fußes gescheitert.

Die Beklagte ließ die Klägerin untersuchen und begutachten. PD Dr. F. beschrieb in seinem Ersten Rentengutachten vom 22. Oktober 1999 als Unfallfolgen eine Pseudarthrose der linken Clavikula, eine verheilte distale Radiustrümmerfraktur mit gutem Ergebnis, aber Beeinträchtigung der Handgelenksbeweglichkeit und ein Beugedefizit des linken Kniegelenks nach einer operativ versorgten Tibiakopffraktur. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 vom Hundert (v. H.) seit 21. September 1999.

Am 17. Januar 2000 stellte sich die Klägerin beim Orthopäden und Rheumatologen Dr. von C. vor, welcher in seinem H-Arzt-Bericht vom 15. Februar 2000 einen Reizerguss im Kniegelenk nach Tibiakopffraktur sowie einen retropatellaren Reizzustand beschrieb. Die Röntgenuntersuchung habe u. a. eine posttraumatische Kniegelenksarthrose ergeben. Vom 15. bis zum 28. August 2000 wurde die Klägerin im Krankenhaus B. zwecks Metallentfernung stationär behandelt. PD Dr. F. beschrieb in seinem Befundbericht vom 5. September 2000 in Bezug auf das linke Knie reizlose Narbenverhältnisse, ein Bewegungsmaß von 10-0-130 Grad, ein negatives Zohlen-Zeichen und feste Bänder. Die Röntgenuntersuchung des linken Kniegelenks habe eine mit Plattenosteosynthese achsengerecht versorgte Tibiafraktur mit vollständig knöcherner Konsolidierung gezeigt. Im Rahmen dieser stationären Maßnahme erfolgte am 16. August 2000 eine diagnostische Arthroskopie mit Glättung des Innenmeniskusrandes mittels Punch und Metallentfernung. PD Dr. F. diagnostizierte in seinem diesbezüglichen Operationsbericht eine Chondropathie II. Grades im Bereich des lateralen Tibiaplateaus mit anterior-posterior verlaufender Knorpelfissur, eine minimale Auffaserung des freien Randes des Innenmeniskus am linken Kniegelenk und einen Zustand nach plattenosteosynthetisch versorgter lateraler Tibiakopffraktur links. In seinem Zwischenbericht vom 18. September 2000 teilte PD Dr. F. mit, die Klägerin habe in der Kontrolluntersuchung vom 18. September 2000 keine wesentlichen Beschwerden des linken Kniegelenks angegeben. In seinem Zwischenbericht vom 5. Oktober 2000 beschrieb PD Dr. F. seitens des linken Kniegelenks eine Beugedefizit von 10 Grad.

Sodann ließ die Beklagte die Klägerin erneut untersuchen und begutachten. Dr. C., Leitender Arzt der Abteilung Unfallchirurgie der Chirurgischen Klinik des K.-O.-Krankenhauses in S., führte unter dem 27. Dezember 2000 unter Berücksichtigung des röntgenologischen Gutachtens von Dr. K. vom 7. Dezember 2000 aus, als Unfallfolgen bestünden ein knöchern fest verheilter Schienbeinkopfbruch links mit endgradiger Beugebehinderung des linken Kniegelenks und gelegentlichen Belastungsschmerzen sowie dem Knorpelschaden am lateralen Schienbeinkopfplateau nach Fraktur mit Gelenkbeteiligung, ein handgelenksnaher Unterarmbruch mit Beteiligung der Speichengelenkfläche rechts, eine Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk mit Schwellneigung und Belastungsbeschwerden sowie geringer Verformung des rechten Handgelenks bei röntgenologisch nachgewiesener Ellenpseudarthrose, eine Claviculafraktur links, bis August 2000 als Pseudarthrose knöchern noch nicht verheilt, jetzt nach Plattenosteosynthese offensichtlich stabil mit noch einliegendem Metall und ohne Einschränkung der Schulterfunktion, ein Taubheitsgefühl der linken Wangenhälfte nach Orbita- und Jochbeinbruch, ein folgenlos ausgeheilter Darmbeinschaufelbruch und unter Höhenminderung verheilte Frakturen des ersten und zweiten Lendenwirbelkörpers mit Schmerzen bei kompensierter Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenfunktion. Die MdE betrage 30 v. H. vom 20. September 1999 bis zum 29. November 2000 und 20 v. H. ab 30. November 2000.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2001 anerkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls unter anderem links: eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mit Knorpelschaden sowie belastungsabhängige Beschwerden und eine Schwellneigung nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch und bewilligte eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 v. H. vom 20. September 1999 bis zum 29. November 2000 und um 20 v. H. ab 30. November 2000.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, welchen sie im Wesentlichen mit ihren Leiden an der Wirbelsäule begründete. Sie legte die Operationsberichte des Orthopäden Dr. C. vom 20. und 30. Juli 2001 vor.

Prof. Dr. S., Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums H., beschrieb in seinem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 23. Oktober 2001 als Unfallfolgen unter anderem eine knöchern fest konsolidierte Tibiakopffraktur links mit leichtgradiger Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks und klinisch eindeutiger Partialinsuffizienz des hinteren Kreuzbandes. Die MdE betrage 30 v. H. In seiner Stellungnahme vom 30. November 2001 führte Prof. Dr. S. aus, die MdE um 30 v. H. ergebe sich im Wesentlichen aus der bisher nicht gutachterlich festgestellten Partialinsuffizienz des hinteren Kreuzbandes links, welche sowohl objektiv bei Funktionsprüfungen zu einer Instabilität des linken Kniegelenks im Sinne einer posterolateralen Instabilität als auch klinisch zu Instabilitätsmissempfindungen führe. Als weiterführende Diagnostik komme eine Kernspintomographie des linken Kniegelenks sowie ggf. im Seitenvergleich gehaltene Aufnahmen mit jeweils identischem Stress auf das hintere Kreuzband in Betracht. Diese Untersuchung erfolgte am 20. Februar 2002 im Klinikum H ... Prof. Dr. S. führte in seiner Stellungnahme vom 6. März 2002 aus, der klinische Befund einer Rotationsinstabilität des linken Kniegelenks sei nicht auf eine Ruptur des hinteren Kreuzbandes, sondern des vorderen Kreuzbandes zurückzuführen, wobei zusätzlich das hintere Kreuzband elongiert sei. Diese Diagnose sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu sehen, da vor dem Unfallereignis nach Angaben der Klägerin keine Probleme - insbesondere keine Instabilitätsprobleme - am linken Kniegelenk bestanden hätten.

Sodann gab die Beklage ein weiteres Gutachten in Auftrag. Dr. C. gelangte in seinem Gutachten vom 15. August 2002 unter anderem zu der Einschätzung, dass neben der knöchern fest verheilten Tibiakopffraktur links auch eine Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk, eine Kapselschwellung und ein klinisch eindeutiger vorderer Kreuzbandverlust auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Es könne durchaus sein, dass bei der Operation im Krankenhaus B. noch ein Teil des vorderen Kreuzbandes gestanden und lediglich der das Kreuzband umgebende Synovialschlauch vorhanden gewesen sei und als vorderes Kreuzband fehlgedeutet worden sei und dass dabei ein im Band selbst gelegener Riss übersehen worden sei, der sich dann infolge der Minderdurchblutung des Kreuzbandes im Laufe der späteren Zeit innerhalb von über 1 Jahr bis heute dann zu einer völligen Kreuzbandinsuffizienz entwickelt habe. Somit sei der jetzt festgestellte Kreuzbandverlust bzw. die Instabilität des linken Kniegelenks dem Unfall zur Last zu legen, da zwischenzeitliche Unfallgeschehen, die zu einem vorderen Kreuzbandriss hätten führen können, nicht nachweisbar seien. Dennoch betrage die MdE weiterhin 20 v. H., da sämtliche Verletzungen gut kompensiert seien.

Hierzu führte Dr. W. vom Krankenhaus B. unter dem 19. November 2002 aus, bei der am 16. August 2000 durchgeführten Arthroskopie habe sich ein unauffälliges vorderes Kreuzband gezeigt. Es sei nicht nur optisch, sondern mittels Tasthäkchen auch auf Zug überprüft worden. Der Erklärungsversuch des Dr. C. sei nicht stichhaltig. Auch seine Erklärung, dass es infolge einer Durchblutungsstörung zu einem völligen Schwinden des vorderen Kreuzbandes gekommen sein könne, sei nicht nachvollziehbar. Ähnliches sei ihm nicht bekannt. Zudem sei im Gutachten vom 27. Dezember 2000 ein klinisch stabiles Kreuzband beschrieben worden. Auch im Gutachten vom 23. Oktober 2001 sei kein Hinweis auf eine Seitenbandinstabilität oder eine Instabilität des vorderen Kreuzbandes gemacht worden. Insgesamt könne er sich die Diskrepanz zwischen seinem Arthroskopiebefund und dem jetzt vorliegenden Kernspintomographiebefund mit dem Fehlen des vorderen Kreuzbandes nicht erklären. Allerdings zeige die klinische Praxis, dass die Kreuzbanddiagnostik mittels Kernspintomographie doch gelegentlich ungenau und teilweise auch falsche Ergebnisse erbringe. Mehrfach seien von ihm schon Arthroskopien bei Patienten durchgeführt worden, bei denen kernspintomographisch eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes beschrieben worden sei, welche sich intraoperativ nicht bestätigt habe.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen des möglicherweise bestehenden Abrisses des vorderen Kreuzbandes ab.

Die Klägerin legte zwei weitere Berichte von Dr. C. in Bezug auf die Operationen der Halswirbelsäule vom 29. April und 5. Mai 2003 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Februar 2001 und den nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2003 zurück. Über die bislang festgestellten Unfallfolgen hinaus seien keine weiteren Unfallfolgen gegeben.

Hiergegen erhob die Klägerin am 9. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG).

Das SG holte das orthopädische Gutachten des Arztes für Orthopädie und Rheumatologie Prof. Dr. R. vom 28. September 2004 ein. Er gelangte zu der Einschätzung, es spreche mehr dagegen als dafür, dass die nachgewiesene vordere Kreuzbandruptur Folge des Arbeitsunfalls sei. Prinzipiell sei es sicherlich denkbar, dass eine Instabilität bei einer vorderen Kreuzbandruptur unmittelbar nach einem Unfallereignis aufgrund der Schmerzen und des Blutergusses bzw. Reizergusses übersehen werden könne, nicht jedoch bei einer Kniegelenksspiegelung und verschiedenen ärztlichen Untersuchungen über einen Zeitraum von über 2 Jahren. Prof. Dr. S. habe nicht gewürdigt, dass im Rahmen der Arthroskopie vom 16. August 2000 unter Hakenzug ein intaktes vorderes Kreuzband nachgewiesen worden sei. Zudem habe er nicht berücksichtigt, dass in verschiedenen Arztberichten und Gutachten kein eindeutiger Hinweis auf eine vordere Kreuzbandruptur gegeben werde und die Klägerin auch keine entsprechenden typischen klinischen Angaben gemacht habe. Zwar seien die von Dr. C. angenommenen Verhältnisse im Bereich der Kreuzbänder denkbar. Es erscheine jedoch unwahrscheinlich, dass unter Hakenzug ein teilrupturiertes Kreuzband bzw. ein Synovialschlauch regelrechte Verhältnisse vortäusche.

Hierzu legte die Klägerin die Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 30. November 2004 vor. Dieser wies darauf hin, PD Dr. F. habe bereits in seinem Gutachten vom "12. Februar 1999" (richtig: 22. Oktober 1999) beschrieben, dass kein fester Anschlag für das vordere Kreuzband links vorgelegen habe. Die damals durchgeführten weiteren Instabilitätstests, wie beispielsweise das bei der Untersuchung negative "Pivot Shift Phänomen", seien bei vielen Patienten im wachen Zustand nicht positiv auslösbar, da die Patienten häufig bei derartigen Untersuchungen muskulär gegenspannten, sodass dieser Test eine sichere Aussagefähigkeit nur im Rahmen einer Narkoseuntersuchung habe. Ein negativer Pivot-Shift-Test bei einer Untersuchung am wachen Patienten sei daher nicht beweisend für eine stabile Situation für das vordere Kreuzband. In dem Operationsbericht vom 16. August 2000 fehle ein Hinweis auf eine Narkoseuntersuchung, die eindeutige Instabilitätszeichen hinsichtlich der Stabilität des vorderen Kreuzbandes hätte offenbaren können. Außerdem stehe der Arthroskopiebefund vom 16. August 2000 nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass eine unfallbedingte vordere Kreuzbandruptur vorgelegen habe. Es sei sehr wohl möglich, dass bei einer Arthroskopie ein Jahre zurückliegendes rupturiertes Kreuzband narbig verheilt imponiere und eine entsprechende Tasthakenprobe das Kreuzband stabil erscheinen lasse, obwohl dies tatsächlich gar nicht der Fall sei. Sowohl der das Kreuzband umhüllende Synovialschlauch könne ein intaktes vorderes Kreuzband imitieren, als auch eine Kreuzbandnarbe, die jedoch nicht die Funktion eines straffen stabilen vorderen Kreuzbandes übernehmen könne und letztendlich zu einer klinisch-symptomatischen Instabilität führe. Der im Rahmen der stationären Behandlung vom 15. bis zum 28. August 2000 beschriebene Befund "Bänder fest" sei nicht verwertbar, da im weiteren Verlauf wieder die Bandinstabilität klinisch und letztendlich auch radiologisch bewiesen worden sei. Dasselbe gelte für den im Gutachten von Dr. C. vom 30. November 2000 beschriebenen Befund "Kreuzbänder stabil, Lachmann negativ". Denn in seinem Gutachten vom 19. Juli 2001 sei eine Bandinstabilität festgestellt worden. Auch habe Dr. C. in seinem Gutachten vom 1. August 2002 ebenfalls eine deutliche "vordere Schublade" als Hinweis für eine Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes beschrieben. Des Weiteren weise der Kernspintomographiebefund vom 20. Februar 2002 keinesfalls frische Kreuzbandverletzungen nach, sondern beschreibe vielmehr einen Zustand nach einer länger zurückliegenden Ruptur des vorderen Kreuzbandes. So fehlten Hinweiszeichen, wie beispielsweise ein blutiger Kniegelenkserguss oder rupturierte Kreuzbandstümpfe. Außerdem habe es zwischen dem 30. November 2000, als Dr. C. noch von stabilen Kreuzbändern ausgegangen sei und dem 19. Juli 2001, als er instabile Kreuzbänder beschrieben habe, keinerlei adäquates Trauma gegeben, das zu einer vorderen Kreuzbandruptur hätte führen können. Schließlich gebe das Gutachten von Prof. Dr. R. keinen Aufschluss darüber, wann denn die Ruptur des vorderen Kreuzbandes stattgefunden haben solle, wenn nicht am 5. Februar 1999 durch den für derartige Verletzungen adäquaten Unfall. Zusammenfassend spreche deutlich mehr dafür als dagegen, dass die nachgewiesene vordere Kreuzbandruptur Folge des Arbeitsunfalls sei.

Hierzu führte Prof. Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 9. Februar 2005 aus, die Untersuchung durch PD Dr. F. sei entgegen der Ausführungen von Prof. Dr. S. nicht am 12. Februar 1999, sondern am 12. Oktober 1999 durchgeführt worden. Die Stellungnahme von Prof. Dr. S. habe nichts Neues erbracht.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2005 wies das SG die Klage ab. Prof. Dr. R. habe sich im Gegensatz zu Prof. Dr. S. mit den vorliegenden Befundberichten eingehend auseinandergesetzt. Die Einschätzung von Prof. Dr. R., maßgebend sei, dass bei der Arthroskopie vom 16. August 2000 das vordere Kreuzband stabil gewesen sei, überzeuge. Auch der Umstand, dass Dr. C. in seinem Gutachten vom 1. August 2002 eine vordere Instabilität festgestellt habe, nachdem er am 30. November 2000 die Kreuzbänder als stabil bei negativem Lachmann-Test beschrieben habe, lasse erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung durch Prof. Dr. S. und Dr. C. aufkommen.

Gegen das ihr am 17. März 2006 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 7. April 2006 Berufung eingelegt. Sie beruft sich insbesondere auf die Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 20. November 2004.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Oktober 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 6. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 abzuändern, den Bescheid vom 25. Juni 2003, ebenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003, aufzuheben, als weitere Unfallfolge eine Kreuzbandruptur am linken Knie festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente ab 30. November 2000 nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben unter dem 9. und 22. November ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die durch die am 20. Februar 2002 durchgeführte Kernspintomographie gesicherte vordere Kreuzbandruptur ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch das Unfallereignis vom 5. Februar 1999 verursacht worden. Daher hat die Beklagte zu Recht diesen Gesundheitsschaden in ihrem Bescheid vom 6. Februar 2001 nicht als Unfallfolge aufgeführt und mit Bescheid vom 25. Juni 2003 Leistungen wegen dieses Gesundheitsschadens abgelehnt. Daher ist auch der Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 rechtmäßig und hat das SG zu Recht die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 18. Oktober 2005 abgewiesen.

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Leistungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht nach Ansicht des Senats mehr dagegen als dafür, dass die vordere Kreuzbandruptur links wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Denn zwischen dem Unfallereignis vom 5. Februar 1999 und der durch die Kernspintomographie vom 20. Februar 2002 nachgewiesenen vorderen Kreuzbandruptur links fehlt es an einer ausreichenden Brückensymptomatik. Zeitnah zum Unfallereignis haben die behandelnden Ärzte keine instabilen Bandverhältnisse beschrieben. Insoweit verweist der Senat auf die Berichte von PD Dr. F. vom 17. und 20. Februar sowie 2. März 1999, Prof. Dr. W. vom 3. März und 20. April 1999, PD Dr. F. vom 11. und 14. Mai, 21. Juni, 2. und 23. Juli sowie 23. August 1999. Erstmals hat PD Dr. F. aufgrund der am 12. Oktober 1999 durchgeführten Untersuchung und mithin mehr als 8 Monate nach dem Unfallereignis Anzeichen für eine Bandinstabiltät beschrieben. Er hat ausgeführt, im linken Kniegelenk sei kein sicherer fester Anschlag nachweisbar gewesen. In der Folgezeit wurden keine Befunde in Bezug auf eine Bandinstabilität erhoben. Insoweit verweist der Senat auf die Berichte von PD Dr. F. vom 8. Dezember 1999, Dr. von C. vom 15. Februar 2000 und PD Dr. F. vom 14. März 2000.

Für maßgeblich erachtet der Senat den Umstand, dass PD Dr. F./Dr. W. aufgrund der am 16. August 2000 durchgeführten Arthroskopie nach Überprüfung mit dem Tasthäkchen das vordere Kreuzband unauffällig vorgefunden haben. Der Senat folgt der Einschätzung von Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 19. November 2002 und Prof. Dr. R. in seinem Gutachten vom 28. September 2004, wonach eine Instabilität bei einer vorderen Kreuzbandruptur bei einer Arthroskopie und verschiedenen ärztlichen Untersuchungen über einen Zeitraum von 2 Jahren nicht übersehen werden kann. Der gegenteiligen Einschätzung von Prof. Dr. S. in seinen Stellungnahmen vom 6. März 2002 und 30. November 2004 sowie von Dr. C. in seinem Gutachten vom 15. August 2002 folgt der Senat demgegenüber nicht. Vielmehr hält es der Senat lediglich für möglich, aber keinesfalls für wahrscheinlich, dass bei der Arthroskopie vom 16. August 2000 der das Kreuzband um gebende Synovialschlauch als vorderes Kreuzband fehlgedeutet wurde. Mit seiner Formulierung "es kann durchaus sein" ist Dr. C. selbst nur von einer solchen Möglichkeit ausgegangen.

Auch die weiteren Untersuchungen ergaben noch keine Bandinstabilität. Dies ergibt sich aus den Berichten von PD Dr. F. vom 18. September und 5. Oktober 2000 sowie dem von Dr. C. aufgrund der Untersuchung vom 30. November 2000 erhobenen Befund stabiler Kreuzbänder, eines negativen Lachmann-Tests und stabiler Innen- und Außenbänder.

Die erstmals durch Prof. Dr. S. im Rahmen der am 19. Juli 2001 stattgefundenen Untersuchung erkannte Insuffizienz des Kreuzbandes lag nach alledem mehr als 29 Monate nach dem Unfallereignis und kann somit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf selbiges zurückgeführt werden.

Daher hat die Beklagte auch zutreffend die MdE auf 20 v. H. eingeschätzt.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d. h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSG, Urteil vom 4. August 1955 - 2 RU 62/54 - BSGE 1, 174, 178; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 9b RU 38/84 - SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung der unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 - SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23; BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R - HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 - HVBG-Info 1989, 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Alle Gutachter sind sich darin einig, dass die Unfallfolgen ohne die vordere Kreuzbandruptur einer MdE um 20 v. H. entsprechen. Der Senat hält diese Einschätzung unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze nach eigener Überprüfung für zutreffend.

Nach alledem haben sich die Bescheide vom 6. Februar 2001 und 25. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 für rechtmäßig erwiesen. Das SG hat daher mit Urteil vom 18. Oktober 2005 zu Recht die Klage abgewiesen. Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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