L 11 KR 5162/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 461/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5162/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. März 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine autohomologe Immuntherapie nach Dr. K. (AHIT) in Höhe von 4.291,12 EUR (8.392,70 DM).

Die 1990 geborene, bei der Beklagten familienversicherte Klägerin erkrankte im Jahr 1998 an Neurodermitis. Sie befand sich deshalb ab Mai 1999 in der Behandlung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. und begann am 22.06.1999 eine bis Oktober 2000 dauernde Behandlung mit AHIT.

Mit Schreiben vom 05.01.2001 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 03.05.1999, wonach sämtliche Maßnahmen im klassischen Sinne zur Behandlung einer Neurodermitis bislang erfolglos gewesen seien und durch die AHIT-Behandlung von einer positiven Beeinflussung des Krankheitsgeschehens auszugehen sei und mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Dauerremission gerechnet werden könne, eines Kostenvoranschlags für AHIT in Höhe von ca. 3.000,- DM und einer ärztlichen Verordnung von Dr. K. über autologe Präparate gemäß AHIT-Verfahren die Kostenerstattung für die AHIT-Therapie. Die Behandlung habe zu einem anhaltenden Erfolg geführt. Die Kosten beliefen sich mittlerweile auf 8.392,70 DM, entspricht 4.291,12 EUR.

Mit Bescheid vom 17.01.2001 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, der darüber zu entscheiden habe, ob eine Behandlungsmethode in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werde, habe bezüglich der AHIT-Therapie nach Dr. K. eine ablehnende Entscheidung getroffen. Dies sei damit begründet worden, dass bis zum Zeitpunkt der Entscheidung kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis habe erbracht werden können. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sei sie - die Beklagte - wie alle gesetzlichen Krankenkassen gebunden.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie unter Vorlage einer vom Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland e.V. gefertigten Zusammenstellung der Rechtsprechung speziell zur AHIT-Behandlung und zu den in gleicher Sache ergangenen Gerichtsentscheidungen bezüglich der Kostenübernahme aus, es sei nicht einsehbar, dass sich die Beklagte an den Kosten für die alternative Therapie nicht beteiligen wolle, nachdem diese Therapie zu ihrer Gesundung geführt habe, während sämtliche Maßnahmen der klassischen Schulmedizin zuvor erfolglos angewandt worden seien. AHIT sei nicht unbekannt. Die Therapie gebe es bereits seit 14 oder 15 Jahren. Sie habe Tausenden von Menschen geholfen. Derzeit werde die Therapie an der Uniklink H., Lehrkrankenhaus M., einer kontrollierten Doppelblindstudie unterzogen. Eine retrospektive Studie, die bereits veröffentlicht sei, habe den Nachweis geführt, dass die Behandlung sehr erfolgversprechend sei. Seitens des Bundesausschusses sei man mit AHIT überaus sorglos umgegangen. Man habe Entscheidungen vom grünen Tisch gefällt, ohne mit dem Therapeuten oder behandelten Patienten zu sprechen. Wegen der laufenden Studie beantragte sie das Ruhen des Verfahrens.

Nachdem die Beklagte dem Ruhen bis zum 31.12.2003 zugestimmt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2004 zurück. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürften in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse sie nach diesen Richtlinien anerkannt hätten (§ 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -). Die Entscheidungen der Bundessauschüsse seien für die Krankenkassen verbindlich. AHIT sei durch den Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 10.12.1999 als Methode, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe, bewertet worden. Als Begründung sei angegeben worden, dass es keinen Wirksamkeitsnachweis gebe. Ergebnisse der durch die Universität H. am Lehrkrankenhaus M. durchgeführten Doppelblindstudie lägen noch nicht vor. Eine Änderung des Beschlusses des Bundesausschusses sei deshalb in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2004 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, bei den "Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V" (BUB-RL) handele es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegten, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums seien. Dem Versicherten, der sich eine vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht empfohlene Behandlung auf eigene Rechnung verschaffe, sei im Kostenerstattungsverfahren der Einwand abgeschnitten, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem Fall wirksam bzw. lasse einen Behandlungserfolg zumindest als möglich erscheinen. Mit Beschluss vom 10.12.1999 habe der Bundesausschuss die AHIT den Methoden zugeordnet, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürften (Nr. 10 Anlage B der BUB-RL). Ein anderes Ergebnis ergäbe sich auch dann nicht, wenn der Bundesausschuss aufgrund neuer Erkenntnisse - etwa der von der Klägerin erwähnten Doppelblindstudie der Universitätsklinik H. - zukünftig den therapeutischen Nutzen der AHIT anerkennen würde. Denn für die Beurteilung eines Kostenerstattungsanspruchs komme es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der selbstbeschafften Behandlung an. Nur wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhe, könne ausnahmsweise ein Kostenerstattungsanspruch in Betracht kommen. Anhaltspunkte für einen solchen Systemmangel seien indes nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die am 14.04.2004 eingelegte Berufung der Klägerin, die zunächst unter dem Aktenzeichen L 11 KR 1507/4 geführt wurde. Sie trug ergänzend vor, dass die kontrollierte Doppelblindstudie derzeit durch einen Biometriker an der Universität H. ausgewertet und dann der dermatologischen Abteilung zur Eröffnung der Studie vorgelegt werde. Zur Unterstützung ihres Begehrens legte sie eine weitere vom Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland e. V. gefertigte Zusammenstellung mit dem Stand Februar 2004 und einen Bericht über "Dauerhafte Therapieerfolge bei Neurodermitis" vor.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten beschloss der Senat das Ruhen des Verfahrens.

Am 13.10.2006 hat die Klägerin unter Beifügung einer Veröffentlichung des Bundesverbandes Neurodermitiskranker in Deutschland e.V. über die AHIT-Studie das Verfahren, das nunmehr unter dem Aktenzeichen L 11 KR 5162/06 geführt wird, wieder angerufen. Die Studie sei nun abgeschlossen. Das Fazit der Studie laute: "Die Wirksamkeit der autologen Immuntherapie (AHIT) sei nachgewiesen". Der Abschlussbericht könne bei der FBM-Pharma in L.-P. angefordert werden.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. März 2004 sowie den Bescheid vom 17. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die autohomologe Immuntherapie in Höhe von 4.291,12 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist gestützt auf ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), das Dr. H. erstattet hat, ergänzend darauf hin, der MDK habe festgestellt, dass die Studie der Universität H., die am Lehrkrankenhaus M. durchgeführt worden sei, nicht als Nachweis dafür herangezogen werden könne, dass es sich bei AHIT nach Dr. K. um ein wissenschaftlich fundiertes Therapiekonzept handele.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Anlässlich des Erörterungstermins hat der Vater der Klägerin aktuelle Fotographien seiner Tochter und solche aus den Jahren 1999 und 2000 vorgelegt. Er hat ergänzend ausgeführt, die Bescheinigung von Dr. K. vom 03.05.1999 sei bereits vor Beginn der Behandlung bei der Beklagten eingereicht worden. Wie dies damals genau gewesen sei, wisse er nicht mehr. Vielleicht habe man sich im Vorfeld auch nur telefonisch an die Kasse gewandt.

Der Senat hat seine Entscheidung vom 20.09.2005 - L 11 KR 1287/03 - in anonymisierter Fassung an die Beteiligten übersandt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und insbesondere nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, da die geltend gemachte Erstattungsforderung die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR übersteigt. Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung der von ihr in den Jahren 1999 und 2000 durchgeführten AHIT bei Dr. K ...

Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften für das Begehren der Klägerin maßgeblich sind und weshalb ihr der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass allgemeine Rechtsgrundlage für den anstelle des Anspruchs auf die Sachleistung tretenden Kostenerstattungsanspruch § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen hierbei ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V sind Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen nicht ausgeschlossen; Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. § 135 Abs. 1 SGB V schließt - wie das SG zu Recht ausgeführt hat - jedoch die Leistungspflicht der Krankenkassen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden solange aus, bis diese vom zuständigen Bundesausschuss als zweckmäßig anerkannt sind (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - in BSGE 81, 54 ff.).

Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG). Es wird insoweit lediglich noch darauf hingewiesen, dass die AHIT nach Dr. K. bereits mit Beschluss des Bundesausschusses vom 17.06.1992 der Anlage 2 der NUB-Richtlinien ("nicht anerkannt") zugewiesen und am 10.12.1999 dann in den Katalog der Leistungen aufgenommen wurde, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen, nämlich in die Anlage B der BUB-Richtlinien - vgl. Nr. 10 -. Der Leistungsausschluss gilt auch im Verhältnis zum Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997 a. a. O.; § 91 Abs. 9 SGB V in der seit 01.01.2004 gültigen Fassung).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die streitige Therapie vor Beginn der Behandlung beantragt und die Beklagte hierüber im Vorfeld entschieden hat. Nicht entschieden werden muss auch die Frage, ob die Studie der Universitätsklinik H. als Nachweis dafür herangezogen werden kann, dass es sich bei AHIT nach Dr. K. um ein wissenschaftlich fundiertes Therapiekonzept handelt, denn selbst wenn es aufgrund dieser Studien zu einer Antragstellung beim Gemeinsamen Bundesausschuss und einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommen sollte, hätte dies für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung. Wie das SG auch insoweit zu Recht ausgeführt hat, kommt es für die Beurteilung eines Kostenerstattungsanspruchs auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der selbst beschafften Behandlung an. Zulassungs- und zulassungsähnliche Akte wie die Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die sich auf die Leistungspflicht der Krankenkassen auswirken, können regelmäßig nur Wirkung für die Zukunft entfalten (so zuletzt auch BSG, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 6/04 R -). Für vor der Empfehlung erfolgten Behandlungen gelten diese Akte nicht, denn vor Aufnahme in die Richtlinien waren die Behandlungen und Methoden gerade noch nicht hinreichend erprobt und gesichert (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20.09.2005 - L 11 KR 1287/03 - mit weiteren Nachweisen). Die Leistungspflicht der Beklagten für in den Jahren 1999/2000 durchgeführte und damals nicht zugelassene Behandlungen ist und bleibt ausgeschlossen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 (SozR 4 - 2500 § 27 Nr. 5). Dieser ist nicht einschlägig in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Erkrankung den Versicherten zwar erheblich beeinträchtigt, aber weder lebensbedrohlich ist noch regelmäßig tödlich verläuft oder wertungsmäßig vergleichbar schwer und folgenreich ist.

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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